Glücklich

Letzten Sonntag klingelte der Wecker kurz vor 6. Zu nachtschlafender Zeit schlüpft man also in die zurechtgesuchte Wanderklamottage, überprüft nochmal das Marschgepäck und stiefelt kurz nach um 7 los Richtung Metrostation… nur um dann festzustellen, dass man die Speicherkarte für die Kamera zu Hause vergessen hat. Dass ich an diesem Tag trotzdem eine Menge Fotos schießen konnte, lag glücklicherweise am Speicherkarten-Sponsoring meiner Mitbewohnerin.

Doch auch so hätte mich an diesem Morgen kein Wässerchen trüben können. Wie lange habe ich mich auf diesen Moment gefreut – wieder einmal Berge, wieder einmal frische Luft und das erste Mal Kaukasus. Genauer gesagt ist die „Gergetier Dreifaltigkeitskirche“ in Stepantsminda unser Ziel.Dank georgischer Reise(beg)leitung finden wir unsere bereits reservierte Marschrutka in Didube schnell, bahnen uns den Weg vorbei an Bananen- und Fischverkäufern und sich gegenseitig in Lautstärke und Preis über- bzw. unterbietenden Taxifahrern. Gequetscht wie die Ölsardinen sitzen wir. Aber auch, wenn ich die Haare meines Vordermanns zählen könnte und dieser mir seine Rückenlehne gegen das Knie drückt, ich habe erstens einen Fensterplatz und zweitens einen Sitz. Etwas, das sich der Mann auf dem Holzhocker im Gang nur wünschen kann.

Ortsausgang Tbilisi. Die Autobahn schlängelt sich im Tal entlang, erinnert mich an die Alpen. „Baku – 569 km“… doch nicht Alpen. Bald führt die Georgische Heerstraße die linke Bergflanke hinauf. Braune, grüne Teppichbodenberge und Herbstwälder, so bunt wie ich sie noch nie gesehen habe, kleine Bergdörfer, Obstbäume, Schaf- und Kuhherden, gesattelte Esel, in Bushaltebuchten kleine Straßenstände. Alte Frauen verkaufen Wollsocken und Tschutschchela. Zur Rechten geht es hunderte Meter in die Tiefe. Im Tal liegt ein tiefblau-grüner See. Die Sonne scheint, der Himmel ist fast wolkenlos. Irgendwann hört der Asphalt auf, fängt nach ein paar hundert Metern wieder an. Am Horizont tauchen die ersten schneebedeckten Gipfel auf. Kurve links, Kurve rechts. Nach und nach werden die Felswände schroffer – weniger Wald, mehr Schnee, weniger Herbst, mehr Winter. In Gudauri sehe ich den ersten Sessellift. Als wir in Stepantsminda ankommen, schüttelt man den Kopf über unseren ausdrücklichen Wunsch, zur Kirche zu WANDERN. Der Wanderweg am Rand des Dorfes wird schnell steil. Freilaufende Kühe (und ihre Fladen) begleiten uns, genau wie ein kleiner anhänglicher Hund, der sich nicht streicheln lässt, jedoch bis zur Kirche mitkommt. Ob es nun an den Wahlen liegt, oder an der Tatsache, dass es schon Ende Oktober ist, es sind kaum Leute da und für die Aussicht gibt es keinen Ausdruck. Davon beflügelt geht der Abstieg schnell. Mit georgischer Musik im Ohr fahren wir zurück. Diversen Auffahrunfällen entgangen und einige riskante Überholmanöver später singt schließlich Chris Rea, als wir den Ortseingang Tbilisis passieren und sich der Himmel schon wieder rot färbt. Nach georgischem Essen geht es müde nach Hause. Ich bin glücklich.

Anne SOphie