Der Kopf schreit Halbzeit

Das Zwischenseminar liegt hinter mir. Fünf Tage hatte ich Zeit – Zeit zum Reden, Nachdenken, Reflektieren, Luft ablassen, Durchatmen, Mich-Glücklich-schätzen, Kritisieren, Ideen entwickeln und Pläne schmieden. 5 Tage zum Frische-Luft-atmen, Ruhe genießen und den niedlichsten Hundewelpen der Welt streicheln.

Wie gut hat diese Woche getan. Wie viele Fragen wurden beantwortet, wie viele Anregungen gegeben und neue Ideen in den Raum gestreut und wie schön war es, die Tage mit Leuten zu verbringen, denen es genauso oder eben anders geht. Die meisten der 15 Freiwilligen aus Georgien, Armenien und Aserbaidschan kannte ich schon aus Berlin. Einen Großteil sehe ich jede Woche. Und trotzdem wird man nicht müde, hat noch so viel zu erzählen und die Abende waren, begleitet von diversen Karten- und Rollenspielen, speziellen Tanzmoves und mehrstimmigen Gesängen, einer lustiger als der andere.

Wenn man vom abendlichen WechselBAD der Gefühle (ich spreche tatsächlich vom Duschen) und unserem überdimensionierten Schlafsaal absieht, ist die Zeit wieder einmal viel zu schnell vergangen.

Und ehe man es sich versieht fährt man also noch (oder sollte ich sagen, wieder?) im Klassenfahrtsmodus zurück zum Sammelplatz Didube und genießt das letzte Wochenende in großer Runde. Ein geniales Frühstück nach dem anderen, Stadttouren die neben dem üblichen Tourinap allerhand Geheimtipps auf Lager haben, ein Mittagessen hoch über der Stadt, Barbesuche und ein guter armenischer Roséwein führen zur Erkenntnis:

„Zuhause ist der Ort, an welchen man sein Herz verliert und wo es Menschen gibt, mit denen man sich verbunden fühlt.“

Anne SOphie

Platzmangel

Verwirrt blättere ich im Kalender hin und her. Irgendwo zwischen den Seiten suche ich mein Zeitgefühl. Es hat sich auf und davon gemacht. Zwischen dem letzten Blogpost und dem heutigen Tag liegt gefühlt ein Fingerschnippen. Gleichzeitig habe ich so viel erlebt, es müssten Monate vergangen sein. Die Realität will mir einreden, es ist nichts von beidem. So viele Kleinigkeiten, Momentaufnahmen wirbeln mir durch den Kopf: manche spannend, manche lustig, ganz alltäglich, kurios, deprimierend, ärgerlich. Ich kann so viel nicht erzählen, nur das Wichtigste vielleicht.

In unsere Wohnung ist ein Staubsauger eingezogen. Zugegeben, er ist schon etwas altersschwach, aber wenn man ihn einfühlsam behandelt, hält er ein Zimmer lang durch und lässt sogar die Reste der geplatzten Glühbirne verschwinden… nur das Wichtigste? In meiner Urlaubswoche verhindern in die Sonne blinzelnde, müde Hundeaugen auf den Marmorstufen hin zur „Sameba“-Kathedrale allzu großen Realitätsverlust. Die Kathedrale selbst, Baujahr 2004, wirkt wie vom Himmel gefallen.

Am Lisi Lake sitze ich auf einer Bank, beobachte zwei Schlangen im Gras und zähle fast 50 Angler.
Am letzten Oktoberwochenende darauf hopsen 5 Deutsche, 3 Franzosen und 1 Britin kilometerlang auf einer Schotterpiste durch eine schier endlose Steppenlandschaft an die aserbaidschanische Grenze. Das Kloster Davit Garejas will besichtigt werden. Lediglich zwei davon sind noch erhalten, das untere Höhlenkloster Lavra gut zu erreichen.
Nach einem Picknick und dadurch bereits von betagten georgischen Damen mit Rock, Handtasche, Stöckelschuhen und Kopftuch überholt, lässt man sich doch noch zur Kraxelei bis hin zum höher gelegenen Kloster Udabno hinreißen. Statt die im Reiseführer versprochenen Fresken im Inneren des Klosters zu sehen, steht man allerdings bereits von Nebel umhüllt vor verschlossener Tür. Alternativ riskiert man, von zwei aserbaidschanischen Grenzsoldaten kritisch beäugt, einen Blick auf das Nachbarland. Ich ärgere mich, dass ich nicht weiß, wie man „Guten Tag“ auf aserbaidschanisch sagt.

Unsere Kürbisschnitzstunde an Halloween führt zu unserem neuen Mitbewohner Tornike, der uns zuverlässig durch die letzte Woche leuchtet, heute jedoch wieder ausziehen muss. Mit unserem zweitägigen Besuch aus Batumi letztes Wochenende erkundeten wir bei strahlend schönstem Wetter Mzcheta, die einstige Hauptstadt Georgiens. Wir haben das Glück, Gottesdienste in der Swetizchoweli Kathedrale und dem Samtawro Kloster mitzuerleben, picknicken zwischen den alten Mauern der Burgruine Bebrisziche und genießen vom Kloster Dwari aus die Aussicht auf die Stadt und die Schnittstelle der Flüsse Mtkwari und Aragvi.

Unvollständig und ein Abriss. Aber vom alltäglichen Wahnsinn hier habe ich nicht so schöne Bilder. Anne SOphie