Wie ein Pyramidenmännchen

So schnell rennt die Adventszeit an mir vorbei, so schnell renne ich… Das Einzige: Ich renne nicht im Kreis. Ein Glück… Zuallererst: Die Plätzchen sind gebacken und sogar der Adventskranz wurde entzündet. Wenn er auch dieses Jahr ohne Tannenzweige auskommen muss und erst zum zweiten Advent brannte – wir sind trotzdem sehr stolz auf ihn. Seit Anfang letzter Woche glitzert auch endlich die ganze Stadt – die Weihnachtsbeleuchtung macht ihrem Namen alle Ehre. In Sachen Geschenkebesorgung hänge ich dieses Jahr dennoch hinterher, obwohl es nun wirklich nicht viele sind. Ich kam nicht dazu.

Am zweiten Advent eine spontane Weinverkostung gemacht und einen herzallerliebsten Flohmarkt besucht, läutete den dritten Dezembersonntag die fürs gesamte Schulteam organisierte Weihnachtsfeier ein. Es ist ein sehr schöner Abend mit georgischem Essen, georgischen Liedern und Tänzen gewesen. Letztere habe ich vergangene Woche in einer mehr oder weniger spontanen Tanzstunde selbst ausprobieren dürfen und mich davon überzeugen können, dass sie genauso schwierig wie außergewöhnlich und wunderschön sind.In der Schule wurde die letzten Wochen fleißig für das Weihnachtskonzert und die Theateraufführung geprobt, die Aufstellung besprochen, letzte Basteleien für den Weihnachtsmarkt fertiggestellt und das Aushangsplakat gestaltet. Heute fand alles mit einer ganztägigen Schulhausverschönerung und der finalen Veranstaltung seinen Abschluss.

Schlussendlich war auch der zwischenzeitliche Ärger um die sagenumwobene Justin-Bieber-Biographie in den Momenten vergessen, in denen ich die für mich gemalten Bilder meiner Zweitklässler in den Händen hielt.

Und damit liegt der letzte Arbeitstag im Jahr 2017 hinter mir und ich hocke bei Räucherkerzenduft auf meinem Bett, mein längst geöffnetes Weihnachtspäckchen vor mir (Die Umstände haben es nicht anders zugelassen.) und kann nicht glauben, dass wir morgen zum Frühstück nur noch zu zweit sein werden.

Morgen wird der wahrscheinlich einzige zweitägige Weihnachtsmarkt in ganz Tbilisi besucht und am Sonntag die letzte Adventskranzkerze entzündet. Es ist die Allerletzte. Vielleicht hätten wir uns unsere Vorräte besser einteilen sollen.

Anne SOphie

Wenn der erste Schnee fällt

… sitzt man in einer voll besetzten Marschrutka nach Kutaissi, den Arm seines Sitznachbarn vor der Nase, der meint sich definitiv über zwei Plätze hinweg festhalten zu müssen. Periodisch zieht es an den Waden. Das Leid der letzten Reihe, wenn die Kofferraumtüren nicht dicht halten. 

Wenn der erste Schnee fällt, ist es Ende November und Wochenende. Und wie es sich für den ersten Schnee gehört, fällt er kräftig. So kräftig, dass er schon 20 Minuten nach dem Ortsausgangsschild Tbilisis erste Unfälle auslöst und uns zur Pinkelpause knapp 2 Stunden später die erste Schneeballschlacht der Saison beschert. Nach einem plötzlichen Umstieg absolvieren wir die letzten Meter bis zum Ziel im Beisein von Frischfleischware. Weil der erste Schnee fällt, kann die Kühlkette jedoch ausnahmslos gewährleistet werden. Und so hopst der Schinken eben mit uns ins Zentrum.

Die drittgrößte Stadt Georgiens sitzt zwischen dem kleinen und dem großen Kaukasus wie ein Spiegelei in der Bratpfanne. Weil sich der Taxifahrer weigert, erklimmt man den Pfannenrand zu Fuß und erreicht das Motsameta Kloster einige Kilometer Serpentinenstraße weiter. Auf dem Weg eine herzzerreißende tierische Begegnung. Wir tun was wir können, nur können tragischerweise wenig tun.
Die Aussicht vom Kloster auf den Rioni und die schneeweißen Bergketten nimmt einem wiederholt die Sinne. Und sie kommen auch nicht wieder, als man pünktlich zum Sonnenuntergang vor der Bagrati Kathedrale steht und den Blick über die Stadt schweifen lässt. Doch ehe man sich’s versieht, ist das Teehaus besucht, der Kuchen gegessen und die letzte Oper des Abends gehört und man sitzt zwischen 24 wilden Tannenbaumbastlern in der ersten Klasse, knotet Faden an Faden und fädelt Perlen auf. Oder man greift noch rechtzeitig bei der Adventskalendergestaltung ein, wenn die kleinen Pappboxen schon vor der Befüllung zugeklebt werden wollen.

Außerdem lernt man in einem Dreitagesakt die georgischen Postbestimmungen und das Bürgerzentrum kennen, verfügt nun zwangsweise über örtliche Steuernummer und freut sich schlussendlich doch über die weit gereisten Wollsocken aus dem eigenen Kleiderschrank.

Schon fast gleichzeitig darf man selbst das erste Türchen öffnen und weil die städtische Weihnachtsbeleuchtung mit Regenschirmen, Würfeln und Vögeln den Dezemberbeginn anscheinend verschlafen hat, wird zum Küchenputz lautstark Bachs Weihnachtsoratorium gehört und die erste heimische Räucherkerze entzündet.

Parallel zum Weihnachtsbefehl und kurzfristiger Adventswichtelei reiht sich eine Geburtstagsfeier an die nächste. Und sie lassen die Nächte kurz werden. Wie viele sind es noch bis zum ersten Weihnachten zu zweit? Zu wenig. Ich muss noch Plätzchen backen.

Anne SOphie