Über Zeit und Liebe

Schon zum zweiten Mal konnte ich eine Seite meines selbstdesignten Südafrikakalenders umblättern. Ich vermute, dass diese kommenden vier Wochen, wovon ja die Hälfte auch schon wieder rum ist, schnell vorübergehen und ich bald Nelson Mandela an der Wand hängen habe. In den Supermärkten werden jedenfalls schon die ersten Weihnachtsartikel angeboten und ich merke: es wird zunehmend heißer draußen! Es wird nicht mein erstes Weihnachtsfest bei Sonnenschein und 30°C. Ich weiß dennoch nicht so recht, wie und wo ich die Feiertage verbringen werde. Mal sehen, ob das Geld für einen erneuten Südafrikabesuch reicht. Ich hoffe es sehr.

Mittlerweile habe ich es endlich geschafft, die Brotbackmaschine meiner Mitbewohner auszutesten. Ich habe mich für ein einfaches dunkles Brot entschieden. Leider war ich von dem Ergebnis ziemlich enttäuscht. Das Brot war sehr lasch, schmeckte nicht wirklich frisch und wurde bereits nach einem Tag hart. Vielleicht probiere ich es beim nächsten Mal einfach mit einem anderen Rezept aus dem Buch aus. Diesen Morgen gab es jedenfalls leckere Pfannkuchen aus Hüttenkäse und Haferflocken mit Banane, Zimt & Vanille, Honig und Walnüssen. Die Küche sah danach zwar aus wie sau, aber das war schnell wieder erledigt. Auch wenn ich mir darüber theoretisch nicht mal Sorgen machen müsste. Meine Mitbewohnerin macht es schließlich auch nicht. Wir hatten letztens eine Unterhaltung über den Luxus einer Haushälterin. Sie erzählte mir, dass in vielen indischen Haushalten Angestellte tätig sind und sie es gewohnt sei, dass jemand anderes Geschirr abwäscht und putzt. Ihr scheint es deshalb kein schlechtes Gewissen zu bereiten die Küche vollkommen verdreckt zu hinterlassen, nachdem sie gekocht hat. Mir schon. Und Andrea auch. Was ich daraus mitgenommen habe: In einer WG mit Putzfrau wird Stress wegen nicht erledigtem Abwasch erheblich vorgebeugt.

Seit dieser Woche haben wir auch das lange versprochene Alarmsystem im Haus. Ich bin mal gespannt, ob wir damit zurechtkommen. In meinem Zimmer habe ich jedenfalls keinen Knopf mit der Aufschrift ‚Emergency‘ angebracht bekommen. Vielleicht deshalb, weil ich am Tag nicht zu Hause war, an dem es installiert wurde. Ich schließe meine Zimmertür tagsüber und auch nachts generell immer ab. Ob dies unbedingt notwendig ist, weiß ich nicht. Aber das muss ich auch nicht unbedingt herausfinden. Nachdem wir letzte Woche von einem neuen Wachmann AUS VERSEHEN eingeschlossen wurden, war ich ziemlich verärgert. Angeblich sei es schon das zweite Mal, dass dies passiert. Das erste Mal war als ich die Woche in PE verbrachte. Wir baten unseren Nachbarn darum, das Schloss für uns aufzubrechen, damit wir nicht noch später zur Arbeit kommen als wir es ohnehin schon waren. Von nun an werde ich auch keinen Tee mehr rausbringen, wenn die Nächte etwas kühler sind. Mir wurde ohnehin gesagt ich soll nicht zu nett zu den Sicherheitsleuten sein.

Wie ihr rechts in dem Kästchen seht, sind es nur noch wenige Tage bis zum Zwischenseminar in Namibia. Noch weniger Tage sind es sogar bis ich mich tatsächlich auf den Weg nach Windhoek mache. Zum Glück mit dem Flieger und nicht mit dem Bus, was mich locker 24 Stunden gekostet hätte. Gemeinsam mit drei anderen kulturweit-Freiwilligen werde ich einen fünftägigen Road Trip in die Kalahari und nach Swakopmund unternehmen, bevor das Seminar beginnt. Endlich wieder Auto fahren. Wie ich es doch vermisse, selbst hinter dem Steuer zu sitzen. Um Kosten von dem ohnehin schon sehr begrenzten Budget zu sparen, haben wir uns für die Kompaktklasse und fürs Campen entschieden. In den Kofferraum müssen wir dann nur irgendwie das Gepäck von vier Leuten und die Campingausrüstung quetschen. Wird schon irgendwie. Mit durchschnittlich 13 Euro die Nacht sind die Unterkünfte bzw. der Boden der Campingplätze einigermaßen bezahlbar. Für die Nächte in Windhoek hat die liebe Anna mir und Alina (Madagaskar) einen Schlafplatz angeboten. Ich bin schon sehr gespannt auf das Land, seine Menschen und unfassbar weite Wüstenlandschaft. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich dieses Reiseziel schon so bald von meiner Liste streichen kann. Ich werde natürlich viele Fotos schießen und eine Auswahl im Anschluss auf dem Blog mit euch teilen!

Am vergangenen Wochenende fand in Teyateyaneng, kurz TY, ein Event von Lesotho Mountain Crafts statt. Es gab eine Bierverkostung von einer lokalen Brauerei, leckere Snacks und einige Vorführungen, wie die dort angebotenen Kunstwerkartikel hergestellt werden. Da steckt oftmals viel Mühe, Feingefühl und Zeit hinter. Insgesamt war es ein sehr schöner Tag. Aber seht selbst:

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Gestern und vorgestern habe ich an zwei Events teilgenommen, die von dem United Nations Development Programme (UNDP) und dem Ministry of Youth, Gender, Sports and Recreation organisiert wurden.  Ich war froh, dass ich endlich mal raus aus dem Büro konnte, welches sich aufgrund der warmen Temperaturen in den letzten Tagen immer sehr aufheizt. Da nützt auch ein Ventilator leider nur wenig. Wir hatten in diesem Monat bislang noch kein Hitzegewitter und dies ist eigentlich eher unüblich für Lesotho. Denn „Lesotho ist eines der Länder mit der höchsten Anzahl von Blitzeinschlägen bezogen auf einen Quadratkilometer.“ (Auswärtiges Amt)

Bei der ersten Veranstaltung handelte es sich um den offiziellen Start eines Projektes durch das Ministerium, welches die Förderung von jungen Unternehmer/innen in ländlichen Regionen Lesothos vorsieht. Als ich und der Präsident des Youth Desk Komitees den Raum betraten, staunten wir nicht schlecht. Es wurde wirklich viel aufgefahren. Wir ließen uns an einem der runden und gedeckten Tische nieder und warteten. Derweil warfen wir einen Blick auf das Frühstücksbuffet. Vom Feinsten! Beginnen sollte die Eröffungszeremonie um 7 Uhr morgens. Wer’s glaubt! Weil ich schon erwartet hatte, dass diese Uhrzeit niemals eingehalten würde, dachte ich mir, dass ich mit einer halben Stunde Verspätung gut dabei wäre. Dachte ich wirklich. Aber ich merkte schnell, dass dies leider nicht der Realität entsprach. Gegen 8 Uhr wurde uns mitgeteilt, dass wir gleich beginnen würden. Grund der Verspätung: wir würden noch auf einige Gäste warten. In der Tat war der Saal ziemlich leer. Nachdem es dann doch endlich mit etwa eineinhalb Stunden Verspätung losging, trudelten immer noch weitere Personen ein. Alle Vertreter von Regierung, Wirtschaft und NGOs. Ohne einen Hauch von schlechtem Gewissen im Gesicht. Als ob es schlichtweg ein Fehler gewesen sei, den Beginn der Veranstaltung so früh anzusetzen. Was mir spätestens bei der zweiten Veranstaltung am darauffolgenden Tag klar wurde ist, dass dies bewusst so gemacht wird. Denn sonst würde man wohl erst zur Mittagszeit starten. Hätte ich wissen müssen! Ich schätze ich bin einfach nicht gut im Zuspätkommen. Die zweite Veranstaltung hat sich trotz des erneuten Wartens definitiv gelohnt. Mir wurde die Möglichkeit gegeben, einige Mitglieder des Youth Desk einzuladen. Diese Gelegenheit habe ich natürlich genutzt und zum Glück relativ kurzfristig (die Einladung erhielt ich nachdem ich mich bei dem Event am Tag zuvor so aktiv in der Diskussion beteiligt hatte) noch einige Mitglieder erreicht. Der Tag bestand aus einer langweiligen Powerpoint Präsentation am Morgen und aus anschließenden, wesentlich spannenderen Diskussionen zu den Themen Gesundheit, Umwelt, Politik, Arbeit, Bildung und Gender. Wir wurden in Kleingruppen eingeteilt und es wurde eine Moderatorin oder ein Moderator pro Gruppe bestimmt, die oder der zum Abschluss eine weitere Präsentation über die Ergebnisse der Diskussion halten sollte. Dieses Mal aber kurz und knapp in 10 Minuten. Es gab sehr interessante Beiträge und die Organisatorin von UNDP war mehr als glücklich mit den sehr aktiven Teilnehmer/innen. Ich war stolz.

Noch ein Grund zur Freude: Heute vor einem Jahr haben Xolisa und ich beschlossen, von nun an gemeinsame Wege zu gehen. Was? Schon so lange? Ja, wirklich. In dem Jahr haben wir uns insgesamt elf Wochen sehen können und mussten dreimal für mehrere Monate Abschied voneinander nehmen. Eine Fernbeziehung wie unsere ist nicht immer einfach, aber die Tatsache, dass ich noch bis August in Lesotho bin, macht es ein bisschen leichter. Von hier aus sind es nur sieben Stunden Autofahrt statt 13 Stunden im Flieger. Ich hoffe sehr, dass es im nächsten Jahr mehr Wochen werden. Für die Zeit nach meiner Rückkehr nach Deutschland haben wir uns da nämlich so etwas überlegt… wovon wir Euch dann ganz bald erzählen!

 

Visaprobleme und Studentenproteste

Um die letzte Woche für euch Revue passieren zu lassen, habe ich ganz schön viel aufzuschreiben. Der VW Abgasskandal und die Studentenproteste an den südafrikanischen Universitäten, auch in Port Elizabeth, haben meine Pläne ziemlich auf den Kopf gestellt. Ursprünglich hatte ich geplant an einer Diskussion teilzunehmen, die von der deutschen Delegation an der Nelson Mandela Metropolitan University (NMMU) angeleitet werden sollte. Ein Meeting mit Dozenten und Studierenden der Uni sowie Vertretern des sozialen Inkubators und dem Innovation Office hatte ich im Vorfeld arrangiert. Von der Arbeit wurde ich glücklicherweise freigestellt, um diese Termine wahrnehmen zu können. Ich machte mich also an einem Samstag auf den Weg. Ein Bekannter, der alle zwei Wochen zum Fallschirmspringen nach Bloemfontein fährt, bot netterweise an mich mitzunehmen. Von Maseru aus sind es nur wenige Minuten Fahrt bis zur Grenze. Die Busfahrten ab Bloemfontein nach Port Elizabeth und zurück waren gebucht und Brenda informiert, dass ich für eine Woche zu Besuch komme. Ich entschied mich für den Sleepliner von Intercape für 33 Euro pro Fahrt. Mir wurde von verschiedenen Quellen gesagt, dass Intercape den anderen Busfahrgesellschaften wie Greyhound, Translux und CitytoCity vorzuziehen sei. Wesentlich komfortabler und seriöser.

Wir überquerten am besagten Tag die Grenze auf lesothischer Seite und bekamen einen Stempel in den Reisepass. Auf der südafrikanischen Seite erzählte mir dann die Dame am Schalter, dass sie mir 7 Tage geben könnte. Ich war völlig perplex und fragte nach einer Erklärung. Diese konnte sie mir nicht wirklich geben. Sie sagte nur, dass ich ja nicht von meinem Heimatland sondern von Lesotho einreisen würde und dies einen Unterschied darstellen würde. Ich blieb hartnäckig, aber erstaunlich ruhig. Was ich bereits in meiner Zeit in Südafrika gelernt hatte war, dass viele Entscheidungen von Beamten willkürlich getroffen werden und nicht auf eindeutigen Regelungen beruhen. Schließlich bat sie mich dann hinter den Schalter, um die Angelegenheit zu klären und mit ihrem Vorgesetzten in seinem Büro zu besprechen. Ich musste schnell erkennen, dass dieser leider kaum eine Ahnung hatte wie in meinem Fall die offiziellen Regelungen sind. Zum Glück kam Hilfe in Form eines humorvollen Mitarbeiters, der sich dann auf meine Seite stellte und seinen Kollegen erklärte, dass mir mehr Tage zustünden. Ich dachte mir nur: Wie viele werden es bloß nun sein? Konkret nach drei Monaten hörte sich das für mich zumindest nicht an. Seine Begründung: Ich war im September nur über Transit nach Südafrika eingereist und mein eigentliches Ziel war Lesotho. Zwar verstehe ich noch immer nicht was dies für Auswirkungen auf die mir zustehenden 90 Tage als Besucherin hat, aber ich war froh endlich einen Lichtblick für meinen 10-tägigen Besuch zu sehen. Also blieb ich still und forderte nicht noch mehr. Ich wurde zurück zum Schalter geschickt und mein Reisepass, in dem schon das 7-tägige Visum von der Angestellten vermerkt wurde, blieb im Büro. Nach weiteren 20 Minuten Wartezeit kam der humorvolle Mitarbeiter zu mir und zwinkerte mir zu: „You are sorted!“

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen ‚Fahrer‘ draußen warten gelassen habe, aber er zeigte nur Verständnis und meinte: Ach, die Angestellten hier erzählen dir alle was anderes. Mal geben sie 7, mal 30 Tage. Außerdem seien wir mehr als gut in der Zeit und er würde sicher nicht zu spät zu seinem Jump kommen. Ich war beruhigt und hielt meinen Reisepass fest. Denn dort hatte ich nun ein Besuchervisum bis zum 15. Januar drin. Immerhin.. Nächstes Mal an der Grenze wird mein Herz definitiv schneller schlagen. Besonders dann, wenn ich im April für einige Tage mit meinen Eltern reisen möchte und auf eine Aufenthaltsgenehmigung angewiesen bin. Vielleicht sollte ich vorher mal die südafrikanischen Behörden hier vor Ort kontaktieren und mir etwas schriftlich geben lassen. Falls das nicht erfolgreich ist kommt Xolisa halt mit mir zurück nach Lesotho.

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Mein Trip sollte sich aber für den Tag in Bloemfontein als wesentlich stressfreier herausstellen. Ich wurde von der Waterfront (ja, das gibt es auch in Bloem) von einem Kumpel abgeholt, den ich vergangenes Jahr in Kapstadt kennenlernte. Er und sein älterer Bruder pflegen überall in der Welt (auch in Deutschland) Kontakte und haben bisher auch schon so einige Länder bereist. Internationale Besucher sind in seiner Familie mehr als willkommen. So saß ich mittags in der Küche der Familie Seale, probierte selbstgemachten Käsekuchen und hatte interessante Unterhaltungen mit der Mama und Schwester der beiden. Später am Nachmittag fuhren wir zum Mandela Denkmal von dem aus man einen super Blick über die verhältnismäßig flache Stadt werfen konnte. Abends trafen wir uns bei einem Kumpel, um das Rugbyspiel der Springboks gegen Wales zu verfolgen, welches Südafrika mit 23-19 für sich entschied. Das Spiel schauten wir auf einem Plasmafernseher der so groß war wie meine komplette Zimmerwand zu Hause. Generell war das Haus ausgestattet mit unfassbar teuren Gerätschaften und Räumen, die die fünf Familienmitglieder vermutlich gar nicht alle nutzten. In einem anderen Raum lief ein weiterer Fernseher, aber niemand saß davor. Der Wasserfall im Eingang des Hauses und die vielen ausgestopften Tiere an der Wand sollten mir demonstrieren, wie ungerecht Einkommen und Privilegien in Südafrika verteilt sind. Nach dem Match versammelten sich die Jungs vor einem anderen Bildschirm, um FIFA zu spielen. Es wurde Pizza bestellt und gequatscht. Ein typischer Männerabend 😀 und ich mittendrin. Trotzdem fühlte ich mich nicht wie das fünfte Rad am Wagen. Dank der südafrikanischen Mentalität. Gegen 20 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg zurück, damit ich meinen Bus um 22 Uhr nicht verpasste. Wir verließen dieses riesige Estate, wo ein Haus luxuriöser als das andere aussah und ich verabschiedete mich noch bei der Familie.

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Als wir schließlich den Busbahnhof erreichten, erkundigten wir uns, ob der Bus pünktlich eintreffen würde. Und ich hatte Glück: Ich bekam zwei Sitze für mich allein und der Bus verließ sogar 3 Minuten vor der offiziellen Abfahrzeit die Haltestelle. Die 9 einhalb stündige Busfahrt war zwar lange, aber die Sitze waren bequem und so konnte ich etwas zur Ruhe kommen. Und als ich dann endlich meinen Xolisa in die Arme schließen konnte, hatte sich die Wartezeit schon wieder ausgezahlt. Er lächelte den Tag ununterbrochen und sagte mir, wie froh er war, dass ich endlich wieder bei ihm sei. 🙂

Die Tage darauf sollten leider schneller verfliegen als es uns lieb war. Das Wetter spielte absolut mit und so konnten wir an einem Nachmittag sogar eine Runde Tennis spielen. Aufgrund des fehlenden Autos waren wir leider recht unflexibel und auf unberechenbare Minitaxis (die einen teilweise nicht dort absetzen, wo man gerne hin möchte) und teure Taxis angewiesen. Die Anbieter verlangten alle viel zu hohe Beträge für den Deposit eines Mietwagens und wollten mir teilweise das Doppelte berechnen, weil ich noch keine 25 bin. Eine Frechheit. Aber nun ja, so legten wir einige Kilometer zu Fuß zurück und bekamen ein bisschen Bewegung. Trotzdem werde ich bei meinem nächsten Besuch definitiv versuchen, ein günstiges Angebot zu finden und mir den Luxus eines Autos gönnen. Brenda war so lieb und brachte uns an zwei Abenden zu Xolisas Wohnung, damit wir mehr Zeit miteinander verbringen konnten. Sie hat ein neues Auto, einen brandneuen VW Golf und war ganz stolz auf die vielen Funktionen. Am Tag meiner Abreise luden sie und ihr Mann Blayne Xolisa und mich zum Braai ein und so konnte ich gestärkt meine lange Rückreise antreten.

Wie wir auf dem Weg zur Bushaltestelle erfuhren, wurde die Innenstadt von der Polizei für Autos gesperrt, da Jacob Zuma zu Besuch in PE war. Er wollte wohl von den heftigen Studentenprotesten in Pretoria entfliehen. Demonstriert wurde gegen die angekündigten massiven Erhöhungen der Studiengebühren. Erfolgreich! Wenn auch mit Gewalt. Zuma ließ noch am selben Tag verkünden, dass die Gebühren für 2016 gleich bleiben werden. Trotzdem trat er nicht vor die Massen, obwohl dies von den Studierenden eingefordert worden war. Nach einigen Stunden Wartezeit vor dem Regierungsgebäude wurden einige Studenten ungeduldig, demolierten die Zäune, legten Feuer und bewarfen die Polizisten mit Steinen. Wir saßen auf dem Sofa und trauten unseren Augen kaum, was hier gerade vor sich ging. Auch die NMMU wurde zeitweise geschlossen, weil Studierende Straßen blockierten und in die Gebäude stürmten. Klausurtermine wurden teilweise nach hinten verschoben. Diese Proteste führten auch dazu, dass die deutsche Delegation ihren geplanten Besuch absagte. Ich dachte mir nur: Toll, jetzt komme ich extra von so weit her und dann sowas.

Brenda und ich fuhren in das Hotel, in dem die Mitreisenden untergebracht wurden und trafen uns mit Wissenschaftlern der Uni Oldenburg, die ebenfalls als Teil der Delegation mitgereist waren. Immerhin konnte ich kurz über meine Projektidee bei der NatCom sprechen. Brenda hat mir ihre Unterstützung zugesichert. Anfang November läuft eine Deadline für einen Conference Fund ab, der ziemlich gut zu der Idee für mein geplantes Seminar passt. Drückt die Daumen, dass ich so schnell die benötigten Dokumente zusammenbekomme. Viel Geld würde winken, wenn es klappt. Und meine Sorgen wären weniger, was die Finanzierung angeht. Getauft habe ich das Seminar mit dem Namen InterACTION. Es soll darum gehen, eine Plattform für Austausch zwischen Europa und dem südlichen Afrika zu kreieren. Zu den Themen Entrepreneurship & Nachhaltigkeit würde ich gerne fünf Teilnehmer/innen aus verschiedenen Ländern wie Deutschland, Belgien, Frankreich oder Spanien samt Begleiter/innen mit Gründungsinteressierten in Lesotho und Südafrika zusammenbringen und diskutieren lassen. Ein Fokus soll auf Technologie gelegt werden, ein anderer auf weibliche Existenzgründungen. Aktuell arbeite ich an einem Seminarplan für 10 Tage und an einer Kostenaufstellung für mein Vorhaben. Habe also gut zu tun. Aber trotzdem hatte ich mir von dem Trip hinsichtlich meines Projektes mehr versprochen. Nun ja, solche Ereignisse kann man nun mal nicht unbedingt vorhersehen.

Andere Ereignisse kann man sich nicht mal erklären. Als wir an einem Abend zurück in Xolisas Zimmer kamen, welches wohlbemerkt abgeschlossen war, lag dort eine geöffnete Bananenschale auf dem Boden. Der Raum war nicht verwüstet und es fehlte nichts. Bis auf zwei Bananen, die einfach verschwunden waren. Die zurückgebliebene Bananenschale war in der Mitte geöffnet worden. Kleine Bisse waren zu sehen. Wir lachten und sahen uns besorgt an. Wir suchten den Raum ab, aber fanden nichts. War es ein Affe? Durch diesen schmalen Spalt durchs Fenster auf dem 3. Stock dieses großen Wohnkomplexes? Wirklich? Kann das überhaupt sein? Was sollte es sonst gewesen sein? Sein Mitbewohner war den ganzen Tag zu Hause und meinte er habe nichts bemerkt. Wirklich mysteriös!

Mittlerweile bin ich schon wieder zurück in Maseru. Gemeinsame Abende bei Kerzenschein, leckeres Essen in lokalen Restaurants, bekannte Gesichter, kurze und lange Gespräche, Gelächter und Tränen zum Abschied. Die vergangene Woche war emotionsgeladen und intensiv. Ich habe den besten Freund, den ich mir nur wünschen kann. ? ?

Youth Empowerment & Entrepreneurship

Was ist also nun meine Rolle als Freiwillige bei der NatCom?

Einen Großteil meiner Arbeitszeit verbringe ich mit dem durch Saskia ins Leben gerufenen Youth Desk Komitee. Ich fungiere als Ansprechpartner bei jeglichen Fragen rund über seine Aktivitäten und versorge die Mitglieder mit Feedback und Ratschlägen. Das Bild im Header zeigt meinen super coolen Ausweis als ‚Advisor‘ für die Organisation.

Von jetzt an kümmere ich mich zudem darum, dass die Website der Lesotho Nationalkommission Up-to-date ist (was sich aktuell noch verzögert da der Server die Bilder nicht anzeigt – wen wundert’s) wodurch ich hoffentlich auch einen besseren Einblick in zukünftige Projekte bekomme. Mittlerweile habe ich erkannt, dass ich viel Kraft und Zeit für Youth Empowerment sowie Entrepreneurship aufwenden möchte und Gründungsinteressierten auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit helfen möchte. Wie das genau aussehen soll, werdet ihr noch früh genug erfahren. Nur so viel zu meinen bisherigen Anstrengungen: Ich habe das Konzept erstellt und per Mail an viele Menschen geschickt, von denen ich mir erhoffe, dass sie genauso angetan von der Idee sind. Erste Personen konnte ich schon erreichen. Heute habe ich zum Beispiel ein sehr motivierendes Telefonat mit einer südafrikanischen Gründerin geführt, die mittlerweile mit ihrem Partner in Washington DC lebt und ein sehr erfolgreiches Unternehmen aufgebaut hat. Kürzlich wurde sie von der UN als globale Botschafterin für Women‘s Entrepreneurship, also weibliche Gründungen, nominiert. Sie würde mich gerne in meinem Vorhaben unterstützen (Mentorship & Sponsoring) und hat mich im Gegenzug um Ratschläge und Input zu ihren Ideen gebeten. Als sie dies sagte dachte ich mir nur so: WOW, sie legt wirklich Wert auf mein persönliches Feedback. Wenn sie erfolgreich ist, was ich aufgrund ihrer bisherigen Laufbahn und sehr beeindruckenden Persönlichkeit für nicht unwahrscheinlich halte, würden ihr besondere Möglichkeiten durch die Vereinten Nationen eröffnet, dies zu tun. Also drückt alle die Daumen, dass es klappt. Sie schlug vor, dass wir möglicherweise Anfang nächsten Jahres mit zwei amerikanischen Gründern ein Training arrangieren könnten, wo Interessierte lernen können ihre Ideen kurz, prägnant und vor allem überzeugend zu präsentieren. Ein wichtiger Schritt, um die so dringend benötigten Investoren ins Boot zu holen. Erste mögliche Teilnehmer/innen habe ich schon ins Auge gefasst. Ich bin gespannt, was sich daraus entwickelt.

Um hier auch nochmal auf die Kampagne aufmerksam zu machen, die sie in den nächsten vier Wochen für die UN Women vorantreiben soll: I am (wo)man

Teilt dort in max. 300 Wörtern Eure persönlichen Geschichten oder schreibt über eine starke Frau, die Euch inspiriert hat. Ladet ein ausdrucksstarkes Bild oder ein Video dazu hoch und nennt ihren Namen – Alysia Silberg – wenn ihr gefragt werdet, wie Ihr von der Kampagne erfahren habt. Wer weiß, was dabei an Kontakten für Euch rausspringt. Also macht mit! 🙂 Bin gespannt auf Eure Geschichten!

Ansonsten geht es mir gut, auch wenn mir die Hitze mittlerweile etwas zu schaffen macht. Und die nächtlichen lauten Gewitter auch. 33°C und praller Sonnenschein heizt mein Büro doch ganz schön auf. Gut, dass ich meinen USB Ventilator dabei habe!!! Der Platz im Koffer hat sich definitiv jetzt schon bezahlt gemacht. Da es im Fitnessstudio auch ein Schwimmbecken gibt, das meistens menschenleer ist, kann ich mich dort zumindest nach der Arbeit abkühlen. Die vergangene Woche war ich fast immer abends trainieren und muss sagen, dass es mir nach dem langen Sitzen im Büro wirklich gut tut. Meine Kochkünste verbessern sich mit der Zeit etwas und ich hoffe, dass ich mich mit meinem begrenzten Budget doch einigermaßen gesund ernähren kann. Immerhin geht das Kochen schnell mit unseren super Induktionsplatten. Was für ein Luxus im Vergleich zu den vielen Punkten in meinem letzten Artikel, oder?

Alltag und Gewohnheiten

Schon Oktober! Wie schnell die Zeit doch immer verfliegt. Apropos fliegen – mein Rückflug ist mittlerweile auf das richtige Datum umgebucht. Ende August bin ich wieder zurück in Norddeutschland. Aber bis dahin werde ich hier bestimmt noch so einiges erleben.

Manchmal wundert es mich, wie schnell man sich an einige Dinge im Ausland gewöhnen kann, die es zu Hause nicht gibt oder die definitiv anders ablaufen. Das Sprichwort ‚TIA – This is Africa‘ brachte mich bei dem Verfassen dieser Liste etwas zum Schmunzeln. Das beim kulturweit Vorbereitungsseminar thematisierte faire Bloggen natürlich im Hinterkopf. Ich hoffe ihr, besonders diejenigen die derzeit auf diesem Kontinent zu Hause sind, könnt den Grund dafür nachvollziehen. Es ist nicht meine Absicht zu verallgemeinern. Ich schreibe über meine Beobachtungen über das Leben in Port Elizabeth, Südafrika, die ich während meiner längeren Aufenthalte gemacht habe und nun hier in Maseru, Lesotho wiedererkenne.

– regelmäßiges Ablesen des Stromzählers
– hoffentlich rechtzeitig neuen Strom an der Tankstelle zu kaufen
– auch mal ein, zwei Tage ohne fließend Wasser auszukommen
– seine Wäsche mit kaltem Wasser zu waschen
– die Hausarbeit teilweise nicht selbst erledigen zu müssen
– eine Stunde bevor man duschen möchte den Durchlauferhitzer anzustellen
– keine eingebauten Heizungen im Haus zu haben
– nachts nicht mehr jedes Mal von dem üblicherweise lauten Gewitter aufzuwachen
– weder Züge, Straßenbahnen noch Linienbusse auf der Straße fahren zu sehen
– wenige Passanten in der Stadt auf ihr Smartphone konzentriert zu sehen
– beim Herunterladen einer Datei aufs eigene Handy verbliebenes Datenvolumen zu checken
– Obst und ‚Airtime‘ an jeder Straßenecke angeboten zu bekommen
– Verhandlungen mit dem Taxifahrer zu führen, wie viel man für eine private Fahrt zahlt
– an den Tankstellen auf Angestellte zu warten, da Sprit nicht selbst getankt werden darf
– Geschäfte zu besuchen, die jeden Sonntag geöffnet sind
– Feiertage zu verlegen, damit ein weiterer Urlaubstag dabei rausspringt

Um nun aber auch einige Dinge zu nennen, an die ich mich hier definitiv nicht gewöhnen möchte:

– fehlende Mülltrennung und völlig überfüllte Mülltonnen
– in einigen Köpfen verankerte Mentalität, seinen Müll einfach aus dem Auto oder an den Straßenrand zu werfen
– Plastiktüten, die es zu wirklich JEDEM Einkauf umsonst dazu gibt und in die wirklich jede Kleinigkeit eingepackt wird

Ich stehe manchmal an der Supermarktkasse und muss die Verkäuferin davon überzeugen, dass ich für meine Wasserflasche wirklich keine Tüte brauche. Wie ihr aus den letzten Punkten vielleicht rauslesen konntet, hat dies viel mit Umweltverschmutzung zu tun. Leider ist in Lesotho davon viel vorhanden. Bei der Arbeit gibt es Tonnen, die einmal die Woche entleert werden und die deshalb am Freitag schon so überladen sind, dass die Hälfte daneben liegt. Sehr unschön. Ich habe den Eindruck, dass es einfach zu wenige Menschen kümmert und umweltschonende Verhaltensweisen einzelner Bürger überhaupt nicht auffallen (so wie mir vermutlich bisher auch nicht). Ich werde weiterhin tapfer mit Leuten darüber sprechen und für Stoffbeutel werben.

Da ich im letzten Artikel darüber geschrieben habe, was mir hier in Lesotho fehlt, möchte ich in diesem Beitrag auf einige Aspekte eingehen, die mir am Leben hier besonders gut gefallen.

– geringer Stress im Alltag und ein gesundes Maß an Stress im Arbeitsumfeld
– offene, lebensfrohe Menschen mit viel Sinn für Humor
– die Tatsache, dass fremde Personen als Brüder und Schwestern angesehen werden
– blauer Himmel wenn ich aufstehe und wunderschöne Sonnenuntergänge am Abend
– weite, unberührte Landschaften in denen mehr Menschen auf Eseln und Ponys unterwegs sind als in ihren Autos

Anmerkung zum letzten Punkt: Lesotho zählt zu einem der ärmsten Ländern der Welt. Ein Großteil seiner Bewohner ist noch im Agrarsektor tätig und besonders die ländlichen Gebiete weisen wenig Infrastruktur auf. Das Land ist geprägt von einer hohen Jugendarbeitslosigkeit, geringen Bildungsrate, einer hohen Schwangerschaftsrate unter jungen Frauen und ein Viertel der Bevölkerung ist mit HIV infiziert. Es benötigt viele Anstrengungen und vor allem hohe Beteiligung der Bewohner, diese sozial-ökonomischen Herausforderungen in Angriff zu nehmen.

Le- Ba- Sesotho

Eine kulturell wertvolle Woche liegt hinter mir. Mit vielen neuen Eindrücken über Lesotho und sein Volk, die Basotho sowie der Landessprache Sesotho. Ich habe mittlerweile durch eine Bekannte eine Sprachlehrerin gefunden, mit der ich mich zweimal die Woche im Büro treffe und fleißig erste Vokabeln und Konversationen lerne. Lumela, u phela joang? Ke phela hantle, kea leboha. Hallo, wie geht es dir? Mir geht es gut, danke. Die Sätze kamen schon mehrfach zum Einsatz. Meinen Kollegen geht dabei jedes Mal ein Lächeln übers Gesicht. Ich bin hochmotiviert und erkenne sogar einige Ähnlichkeiten zur Bantusprache isiXhosa (sisi = ausi, bhuti = abuti).

Der Transport zur Arbeit und zurück klappt soweit ganz gut. Ich laufe morgens gegen 8 Uhr zu der von meinem Zuhause etwa 10 Gehminuten entfernten Haltestelle für die Taxis und bekomme meist relativ schnell einen Platz. Eine Fahrt kostet umgerechnet 45 Cent. Mit „Kea (I am going to) Towereng (der Name meiner Haltestelle)“ werde ich fast direkt beim Eingang der NatCom abgesetzt und brauche je nach Verkehr 10 bis 15 Minuten. Wirklich praktisch. Auf dem Rückweg dauert es meist länger, wenn man nicht gleich ein 4+1 entdeckt, wo schon drei Leute drinsitzen. Denn sonst hupt und schreit der Fahrer (bisher habe ich noch keine Frau am Steuer entdecken können) so lange seine Richtung aus dem Fenster, bis er noch weitere Fahrgäste im Auto hat. Sonst lohnt es sich für ihn nicht. Wenn man es selbst mal eilig hat, kann man auch immer den Spezialpreis zahlen und das Auto für sich allein beanspruchen.

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Nicht weit von meiner Arbeitsstelle entfernt gibt es ein Fitnesscenter (20 Euro im Monat), Tennisplätze (Nutzung für 12 Euro pro Jahr) und zu Shoprite, kleinen Restaurants oder zur Pioneer Mall ist man nur wenige Minuten zu Fuß unterwegs. Das Essen hat mich bisher noch nicht so überzeugt. Zwar gibt es viele Essensstände, bei denen man für umgerechnet 1,70 ein Mittagessen mit Reis, Gemüse und Fleisch oder Fisch bekommt, aber wirklich gesundes Essen ist hier selten zu finden. Mir fehlt eine EDEKA Salattheke. Und der deutsche Bäckerladen um die Ecke. Aber soweit ich das bisher mitbekommen habe, backen meine Mitbewohner Brot selber. Mal sehen, wie’s schmeckt.

Anfang letzter Woche wurde ich mit vier anderen Mitgliedern des Youth Desk Komitees zu einer Feier anlässlich des Friedenstages eingeladen. Im Prinzip war die Einladung sehr offiziell, aber viele Informationen wurden im Vorfeld nicht an uns weitergeleitet. Ich war etwas hin- und hergerissen, ob ich die Truppe begleiten soll. Es war mein erster Tag, an dem mir die NatCom keinen Transport organisierte. Ich entschied mich aber doch dafür mitzukommen. Ich war ja schließlich nicht ganz alleine und zudem ist es natürlich eine Abwechslung zum Büroalltag. Wir wurden morgens um halb 7 zu einem Treffpunkt bei einer Kirche bestellt. Ich fragte die Gruppe noch, ob ich mit ‚African time‘ rechnen müsste… Wir waren und blieben die Ersten. Nach einer Stunde trudelten einige weitere Gäste ein. Um halb 8 saßen wir dann im Bus. Es war noch recht kühl draußen. Die meisten Sitze waren leer und der Fahrer schien sehr entspannt. Gegen viertel nach 8 kam ein Auto und es wurden vieeele Plastiktüten mit fertig gepackten Lunchpaketen und Getränken eingeladen. Plastiktüten kosten hier nichts und werden deshalb bei jeder Kleinigkeit mitgegeben und auch nicht wirklich vollgepackt. Mein Beutel von Rossmann ist also immer griffbereit in meiner Tasche. Um halb 9 stellte der Busfahrer den Motor an. Mein Sitznachbar war der Meinung: Ich glaube wir fahren so gegen 9 Uhr hier los, es kommen ja immernoch Leute. Er hatte leider Recht. Unterschied zu Deutschland: Ein Bus wartet nicht für 2 einhalb Stunden auf die Zuspätkommer. Auf dem Weg zur Veranstaltung, die etwa eine 45 min Fahrt entfernt stattfinden sollte, sammelte der Bus zwischendurch noch einige Leute ein. Ich frage mich bis heute wie diese Leute das richtige Timing finden, um den Transport zu erwischen. Irgendwann waren wir dann jedenfalls fast da – dachte ich zumindest. Der Bus bog in eine unbefestigte Straße ein, die er erstmal nicht so schnell mehr verlassen sollte. Keine Sorge, wir sind nicht steckengeblieben und die Räder sind auch ganz geblieben, aber die Fahrt ging wirklich abenteuerlich weiter. Wir passierten eine Brücke, die auf jeder Seite des Busses nicht mal einen halben Meter Platz bot. Ich hielt mich fest und schaute aus dem Fenster. Ich sah nur den Fluss… als wir diesen überquert hatten, fuhren wir an einfachen Häusern und Gärten vorbei. Alle Bewohner, die sich gerade draußen aufhielten, ließen ihren Blick dem Bus hinterherschweifen. Schien also keine alltägliche Route für einen Bus wie diesen zu sein. Ich wusste nicht, ob mich das eher beruhigten oder beunruhigen sollte. Nach weiteren 45 Minuten erreichten wir schließlich das Fest. Ich fühlte mich wie in einem falschen Film. Kühe mit geschmückten Hörnern wurden von einigen Hirten über das weite Feld getrieben. Ein Hirte ritt auf einem Pferd hinterher und gab interessante Laute von sich.

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Ich erinnerte mich daran: Vermutlich hatte ich einfach nur etwas anderes erwartet. Jedenfalls gab es erstmal keine Toilette weit und breit, was nach der Fahrt aber absolut dringend war. Ich und einige andere Mädels, die auch mit anderen Erwartungen angereist sind, machten uns deshalb zu Fuß zurück in das kleine Dorf, um dort fündig zu werden. In Dörfern wie diesen gibt es üblicherweise kein WC im Haus. Stattdessen steht meist ein kleines Toilettenhäuschen im Garten. Keine besonders hygienische Angelegenheit, aber dies war ich ja bereits aus dem Township in Grahamstown gewohnt. Augen zu und durch. Als wir gerade auf dem Rückweg zum Festzelt waren, hörte ich interessante Stimmen und Geräusche hinter uns. Gerade noch rechtzeitig drehten wir uns um. Eine andere Rinderherde war auf dem Weg und ziemlich schnell unterwegs. Wir retteten uns aufs Feld und warteten ab, bis der Weg wieder frei war. Auf dem Feld wurde bereits der Grill angeworfen. Mir war aber bewusst, dass wir nicht so schnell mit einer weiteren Verpflegung rechnen können. Und ich behielt Recht. Ich war den gesamten Tag über sehr durstig, da meine Wasserflasche schon relativ bald aufgebraucht war. An das Leitungswasser hier in Lesotho, das meistens eher milchig aussieht, habe und werde ich mich vermutlich auch nicht herantrauen. Das Programm des Tages bestand in Reden, Gesang und Tanz, Gedichten und Debatten. Alles in Sesotho. Ich verstand also leider kein Wort. Ich war aber vermutlich die einzige Person, der es so ging. Deshalb machte ich keine Anstalten um eine Übersetzung zu bitten. Was an diesem langen Tag, der, wie sich später herausstellte, nicht vor 5 Uhr enden sollte, interessant für mich war, waren die kulturellen Rituale der Basotho.

Während meiner Zeit in Südafrika habe ich bei Begegnungen dieser Art immer diverse Blicke und ein Grinsen zugeworfen bekommen, was mir an dem Tag gar nicht besonders aufgefallen ist. Trotz der Tatsache, dass ich als einzige Weiße unter den rund 200 Gästen schon allein aufgrund meiner Hautfarbe aus der Masse hervorgestochen bin, wurde ich wie jeder andere Gast behandelt. Einige Personen begrüßten mich persönlich, indem sie mir die Hand reichten. Dabei wird nach dem ersten Händeschütteln den Daumen eingeharkt und ein zweites Mal die Hand geschüttelt und laaange festgehalten. Bis man in die Konversation eingestiegen ist. Wenn diese sehr kurz ausfällt, lässt man die Hand auch erstmal nicht wieder los. Umarmungen sind hier in Lesotho bei ersten Begegnungen, insbesondere mit älteren Personen, eher unüblich. Zur Begrüßung wird meist aus Höflichkeit Ntate (Sir) oder ´Mé (Madam) hinzugefügt.

Heute hatte ich viele solcher Begegnungen während unserer Rückfahrt von Ramabanta, wo ich mit meiner Mitbewohnerin und Freunden das Wochenende auf der Abschlussfeier von Lesotho Sky einläutete. Das Mountainbike Race, auf dem ich nun die letzten beiden Wochenenden verbrachte, fand in diesem Jahr mit etwa 80 Teilnehmern statt. Darunter waren auch viele internationale Gäste aus der Schweiz, den Niederlanden, Brasilien, Israel und Südafrika. Am Tag nach der Registrierung der Fahrer in einer Lodge bei Ramabanta ging es weiter nach Semonkong. Hier soll es ein sogenannter Donkey Pub Crawl angeboten werden – also eine Kneipentour, bei der man einen Esel als Fortbewegungsmittel nutzt. Ich bin mal gespannt, ob wir dazu nochmal kommen. An dem Wochenende war zumindest keine Zeit. Esel werden hier sehr viel und häufig als Nutztiere eingesetzt und schleppen teilweise auch mal drei Kisten des lokalen Maluti Bieres in die Dörfer (kein Witz, ich habe ein Beweisfoto!). Von Semonkong aus starteten vergangenen Samstag alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen auf ihren Mountainbikes die ersten 23km der Strecke. Das schnellste Team war bereits nach 56 min am Ziel. Wir fuhren zunächst mit dem Auto hinter der Gruppe hinterher, konnten aber dann eine Abkürzung nehmen um rechtzeitig an der Ziellinie zu sein. Die Location war atemberaubend, ein riesiger Wasserfall war in der Ferne zu sehen. Diesen Ort würde ich gerne nochmal besuchen. Zu den Begegnungen von heute: Da bei der Universität in Roma gerade die Absolventen und Absolventinnen ihre Abschlussfeier hatten, war die Straße nicht bzw. nur mit zeitlicher Verzögerung passierbar. Deshalb beschlossen wir, eine andere Route zu nehmen und etwas mehr von der Landschaft zu sehen. Ich war froh, dass wir mit einem 4×4 unterwegs waren, weil die Straße teilweise mit sehr viele und großen Steinen übersät war. Es hat sich trotzdem absolut gelohnt. Da wir in einer größeren Gruppe unterwegs waren, haben wir einige Male angehalten und schöne Fotos geschossen, die ich Euch hoffentlich zeitnah präsentieren kann. Die Kinder am Straßenrand winkten uns fleißig zu. Mit Bewohnern in einem der Dörfer haben wir uns in einem Mix aus Sesotho und Englisch versucht auszutauschen. Auch wenn die Sprache leider eine kleine Barriere war, waren alle sehr aufgeschlossen uns gegenüber. Dabei ist auch das Titelbild dieses Blogeintrages entstanden. Meine Mitbewohnerin Anaita sitzt direkt vor mir! 😉 Als wir schließlich wieder die befestigte Straße erreichten, von der wir nicht genau wussten wie weit sie entfernt war, konnte ich mir sogar selbst meine Erleichterung anmerken.

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Teboho Montsi

Meine Arbeitskollegen gaben mir den Namen Teboho Montsi. Immer wieder höre ich diesen Namen in den Gängen des Bürogebäudes der NatCom, damit ich mir ihn auch ja gut einprägen kann. Selbst auf den Straßen von Maseru werde ich des Öfteren danach gefragt, ob ich bereits einen Sesotho-Namen besitze. Die Basotho sind sehr also darauf bedacht, ihre Tradition zu wahren und die Neuankömmlinge in der ersten Woche auf diese Weise willkommen zu heißen. Davon blieben auch meine Vorgängerinnen nicht ‚verschont‘. Jeder afrikanische Name hat üblicherweise eine Bedeutung. Teboho (ausgesprochen wird es wahrscheinlich nicht, wie ihr vielleicht denkt) heißt so viel wie DANKE. Der Nachname Montsi ist der von meiner Chefin. Dies bedeutet also, dass ich ihre ‚Tochter‘ bin. Komischerweise haben wir bislang noch am wenigsten miteinander zu tun gehabt. Es wurde zu Beginn dazu extra ein Meeting mit dem gesamten Team, welches aus etwa 12 Mitarbeitern besteht, einberufen. Ich konnte Fragen stellen, meine Erwartungen an meinen Freiwilligendienst teilen und zumindest ansatzweise versuchen, ihre Namen richtig auszusprechen. Das wird wohl noch eine Weile dauern. Heute hat mich eine ehemalige Lehrerin auf Empfehlung einer Bekannten zurückgerufen, die mir möglicherweise Sesotho Stunden geben könnte. Wir wollen uns kommende Woche Dienstag mal zum Kennenlernen treffen. Hoffentlich passt es, denn ich denke es ist mehr als sinnvoll, einige Kenntnisse in der Landessprache mitzubringen, da Englisch nicht ganz so weit verbreitet ist. Mein Freund wirkte am Telefon leicht entrüstet darüber, dass mir hier im Nachbarland Lesotho direkt ein neuer Name gegeben wurde. Denn ich erhielt bereits einen Xhosa Namen von seinen Eltern: Simthandile – wir liebten dich. Aber ich bin mir sicher, dass ich diese Geste aus Respekt nicht verwehren konnte. Und so bin ich halt für das kommende Jahr für die Menschen hier ‚Teboho‘.

Mittlerweile ist schon fast die erste Woche vorbei und ich fühle mich von Zeit zu Zeit wohler. Gleich am ersten Arbeitstag hatte ich die Ehre, dem Minister of Gender, Youth and Sports, Hon. Mathibeli Mokhotu, die Hand zu Schütteln und im Rahmen der Eröffnungsrede vom kickstart Projekt, einem zweiwöchigen Entrepreneurship Seminar mit Teilnehmern aus ganz Lesotho, im lokalen Fernsehen zu sein. Nun habe ich es tatsächlich ganz unverhofft geschafft, während der Prime-Time beim südafrikanischen Sender SABC und auf Lesotho Television gezeigt zu werden. Ich hätte es ja gerne selbst gesehen, aber in meiner WG empfangen wir kein Fernsehen. Filmabende reichen sowieso vollkommen aus. Am ersten Abend schauten ich und meine Mitbewohner uns gemeinsam den Film „Extrem laut und unglaublich nah“ an. Der Film mit Tom Hanks handelt von den Ereignissen am 11. September und ist wirklich sehr berührend. Ich befürchte jedoch etwas, dass ich abends ohnehin zu müde von der Arbeit sein werde, um mir noch weitere Film anzusehen. Noch hat sich mein Körper nämlich überhaupt nicht auf eine 40-Stunden Woche eingestellt. Das Studentenleben mit den selbstgestaltbaren Aufstehzeiten ist noch zu sehr verankert, auch wenn mein Abschluss bereits einige Monate zurückliegt. Aber was solls‘, meinen Master hänge ich wohl noch an mein FSJ an.

Nichtsdestotrotz gefällt mir das Arbeitsumfeld wirklich gut. Denn selbstständig arbeiten kann ich hier allemal. Ich habe zwar Bontle als meine erste Ansprechpartnerin, aber sie scheint sehr dankbar, dass ich mir selbst meine Aufgaben suche und mich in die derzeitigen Projekte einlese. Meine Hauptaufgaben werden die Betreuung der Website, die Unterstützung des Youth Desk Komitees bei geplanten Projekten und des hoffentlich erneut stattfindenden STEP Programmes hier in Lesotho in Kooperation mit der Leuphana Universität Lüneburg sein. Zudem sollen wir als Freiwillige ein eigenes Projekt auf die Beine stellen, wo ich mir schon einige Gedanken zu gemacht habe. Aber ich möchte nicht zu viel verraten  An einem normalen Arbeitstag sitze ich in meinem eigenen und wirklich beachtlich großen Büro, habe Meetings mit dem kürzlich durch meine Vorgängerin ins Leben gerufenen Youth Desk Komitee und nehme meine Mittagspause, wenn mir gerade danach ist. Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich weiß mit diesen Freiheiten gewissenhaft umzugehen. Trotzdem muss ich mich noch an die neue Umgebung gewöhnen. Vermutlich sollte ich zunächst wieder etwas mehr Gelassenheit in meinen Alltag bringen. Wo ich noch am ersten Tag vollkommen eingeschüchtert meine komplette Tasche samt Laptop mit mir durch das Bürogebäude trug, weil ich Angst hatte es würde was wegkommen, so wurde ich nun darauf aufmerksam gemacht, dass wir hier nicht in Südafrika sind. Bisher verbrachte ich meine Mittagspausen damit, die Gegend zu erkunden und somit Distanzen zu Fuß besser einschätzen zu können. Freundlicherweise begleiteten mich dabei entweder meine Kollegen oder Mitglieder des Youth Desk. Dabei habe ich auch herausgefunden, dass es nahe des Büros auch ein gut ausgestattetes Fitnesscenter gibt, wo auch der König Lesothos trainieren soll. Mal sehen, was ich hier noch so für Bekanntschaften mache…

Meine größte Schwierigkeit besteht aktuell darin, meinen Einkauf zu erledigen und dafür zu sorgen, dass ich mich nicht ständig von Takeaways ernähre und genug Wasser trinke. Gar nicht so einfach, denn: das ganze Zeug von der Shoppingmall nach Hause zu schleppen ist bei den vielen Bergen, insbesondere in meiner Gegend – die sich Hills View nennt – definitiv nicht zu unterschätzen. Fahrrad fahren würde ich mich hier einerseits aus diesem Grund und andererseits wegen des oftmals rücksichtslosen Fahrstils der meisten Autofahrer schlichtweg nicht trauen. Gleiches gilt auch fürs Autofahren selbst. Mir wurde von vielen Personen geraten, mich mit dem lokalen Transportsystem vertraut zu machen, welches einigermaßen zuverlässig funktionieren soll. Ich werde mich wohl ab nächster Woche, in der mich der Fahrer der NatCom nicht mehr morgens zur Arbeit einsammelt, selbst davon überzeugen müssen. Bis dahin werde ich versuchen, einen besseren Orientierungssinn zu entwickeln. Am kommenden Wochenende mache ich erstmal einen kleinen Ausflug nach Semonkong – zum Campen in den Bergen. Melde mich wieder mit Fotos vom Trip und dem Lesotho Sky Event. Shap shap

Lesotho Sky

Mein neues Bett ist so bequem, dass ich vergangene Nacht erstmal gute 13 Stunden drin lag. Natürlich auch, um etwas Schlaf nach den 13 Stunden im Flieger aufzuholen. Müde bin ich leider noch immer. Aber was soll‘s.. ich habe noch eine Nacht bevor die Arbeit ruft. Es war heute den Tag über wirklich warm und deshalb konnte ich innerhalb von zwei Stunden meine Wäsche vom Vorbereitungsseminar waschen, aufhängen, lufttrocknen lassen und in den Schrank packen. Der Koffer ist bereits leer. Das Einleben wird sicher nicht lange dauern. Über meinem Bett hängt neben meinem selbstgestalteten Südafrika-Kalender ein Mokorotlo-Strohhut, eine Art Wahrzeichen des Landes, welches auch die Flagge des Landes verziert. Der Schriftzug ‚Lesotho Sky 2013‘ ist mit Wolle in den Hut eingeflochten und steht für den jährlich stattfindenden Mountainbike Wettbewerb in Lesotho (http://lesothosky.com/). Ins Leben gerufen wurde dieser von Christian und seinem Kumpel Darol, meinem Mitbewohner. Kommende Woche steht Lesotho Sky 2015 an, sodass ich zeitnah einen Einblick bekomme, was dann so alles hier los ist. Ich wurde schon gefragt, ob ich das Team bei der Registrierung der Mountainbiker unterstützen kann. Im Haus liegen gesponserte Tüten rum und ein fettes Soundsystem steht zum Einsatz bereit. Direkt mittendrin! Ich freue mich darauf. Ist sicher die ideale Möglichkeit, viele Leute aus Maseru & Umgebung und auch diejenigen, die von weit her für das Ereignis anreisen, kennenzulernen. Außerdem reizt mich die Landschaft. Ich würde gerne mal einen Ausblick von einem der Berge auf die Stadt werfen.

Meine größte Sorge vor der Anreise jedenfalls, dass mein Gepäck nicht mit mir gemeinsam in Maseru ankommt, hat sich glücklicherweise nicht bestätigt. Nach Ankunft auf dem winzigen Moshoeshoe International!!! Airport, zu dem ich einer ebenso winzigen Maschine mit gerade mal 25 Passagieren geflogen wurde, musste ich für das Department of Immigration einen Zettel mit meinen Details ausfüllen. Ich bekam einen Stempel, der es mir gestattet für 30 Tage im Land zu bleiben. Soweit so gut! Diese muss ich dann innerhalb von zwei Wochen in eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung umwandeln. Die NatCom der UNESCO wird mir dabei behilflich sein. Eine meiner Kolleginnen und den Fahrer der NatCom habe ich bereits getroffen, da sie mich netterweise vom Flughafen abgeholt haben. Mein erster Eindruck über meine neue Heimat auf Zeit: Es riecht anders, trocken und nach verbranntem Gras. Viele Autos und Menschen sind auf den Straßen unterwegs. Überholt werden alle, die zu langsam fahren oder laufen. Am Straßenrand gibt es kleine Stände, an denen Früchte und andere Snacks angeboten werden. Es gibt Malls, die größer sind als ich erwartet hatte und die Auswahl ist auf den ersten Blick nicht so klein wie von meiner Mitbewohnerin angekündigt. Townships gibt es hier nicht wirklich, Blechhütten stehen teilweise direkt vor den Ziegelsteinhäusern, die im Vergleich mindestens 20 Mal so groß wirken. Bilder folgen, sobald ich die Gelegenheit dazu bekomme, die Gegend zu fotografieren in der ich wohne. Dennoch sei die Spanne zwischen Arm und Reich Andrea zufolge nicht so hoch wie im Nachbarland Südafrika. Ebenso wie die Kriminalität. Die Firma meiner anderen Mitbewohnerin Anaita stellt uns für nachts dennoch einen Security Guard bereit und installiert nächste Woche eine Alarmanlage im Haus.

Beim ersten Spaziergang zur 30 Minuten entfernten Shoppingmall dessen Shops auch auf einen Sonntag geöffnet sind, hielten fünf Autos an, um mir und Andrea anzubieten, uns ein Stückchen mitzunehmen. So viel Gehupe kenne ich normalerweise nur von Minitaxis in Südafrika. Hoffentlich gewöhnen sich die Menschen hier bald an die Weiße, die lieber laufen möchte und halten nicht immer extra an. Könnte irgendwann lästig werden. Ein anderer Kerl lief ein Stückchen mit uns mit uns wollte Konversation betreiben. In einem Mix aus Sesotho und Englisch. Wir waren nicht weit von zu Hause entfernt und mussten ihn schnell abwimmeln, damit er uns nicht noch weiter folgt. Andrea meinte sie hätte sich schon daran gewöhnt woraus ich schließe, dass eine solche Situation wohl des Öfteren vorkommt. Sie spricht bereits einige Worte Sesotho und ich werde hoffentlich zeitnah mit einem Sprachkurs beginnen. Bisher habe ich den Eindruck, dass diese Sprachkenntnisse mehr als wertvoll sein werden, um mit Menschen in Kontakt zu kommen oder ihnen eben auch verständlich zu machen, dass ich gerade ‚keine Zeit‘ für eine Unterhaltung habe. Freundlich bleiben ist das A und O. Ein Mitarbeiter am Flughafen in Maseru fragte mich bei der Gepäckkontrolle (die nachher schlichtweg in einer netten Konversation statt einer echten Kontrolle bestand), wie viel ich schon in seiner Muttersprache beherrsche nachdem ich ihm erzählt hatte, dass ich für ein Jahr bleiben wolle. Allein in solchen Situationen wünsche ich mir, nicht nur zu sagen, dass ich es zu lernen versuche, sondern tatsächlich ein paar Sätze raushauen kann. Offene und außerordentlich freundliche Menschen sind mir bereits einige in dieser kurzen Zeit im Land begegnet. Am Flughafen in Johannesburg kam ich beim Warten auf den Bustransfer mit einer Dame ins Gespräch, die für die Lesotho National Development Corporation (LNDC) im Bereich ausländischer Investitionen arbeitet. Wir haben uns darauf verständigt, dass ich sie kontaktieren werde, nachdem ich eingearbeitet bin. Man kann ja nie wissen, wofür der Kontakt in Zukunft hilfreich sein könnte!

In der ersten Woche werde ich von dem Fahrer bei mir zu Hause für die Arbeit abgeholt und auch wieder nach Hause gebracht. Für danach muss ich mir noch etwas überlegen. Es wird aber wohl vorerst auf Taxis hinauslaufen. Einige Telefonnummern haben mir Saskia und Mareike schon weitergegeben. Der Wechselkurs ist ja gerade auf meiner Seite… 15,5 zu 1! Gezahlt wird mit Loti (Maloti in der Mehrzahl) und Rand. Warum das Königreich Lesotho über eine eigene Währung verfügt, wo doch sowieso überall Rand akzeptiert wird, ist mir ehrlich gesagt noch ein Rätsel. Die Preise im Supermarkt sind vergleichbar mit denen in Südafrika. Einige Lebensmittel und Kleiderbügel für meinen Schrank habe ich mir bereits eingekauft. Mehr Ausstattung für mein Zimmer wie eine Kommode, einen Spiegel oder einen Wäschekorb steht noch auf der Liste. Ist sonst ziemlich leer bis auf das gemütliche Bett, zwei Nachttischen und dem Einbauschrank. Eine SIM-Karte muss ich mir auch noch besorgen. Am besten ziemlich bald. Ohne Telefon und Internet ist man etwas aufgeschmissen. Mit dem Luxus einer Hausfrau, die sich dreimal die Woche um die Sauberkeit im Haus, Wäsche und Geschirr kümmert, hatte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Froh bin ich aber doch irgendwie… wer weiß, wie viel Zeit noch bleibt wenn ich dann mitten in der Arbeit stecke. Das Buchprojekt über weibliche Existenzgründerinnen in Südafrika steht schließlich auch noch auf dem Plan. Heute Abend war ich ganz fleißig und habe hierfür wieder ordentlich was geschafft. Die Abschlusskonferenz für das ICET Projekt fand vorgestern in Port Elizabeth statt und war Xolisa zufolge, der mich dort vertrat, ein voller Erfolg. Ich wäre ja nur zu gerne selbst dabei gewesen, um die ganzen lieben Leute wiederzusehen, die ebenso von den Gründungsaktivitäten in SA begeistert sind. Aber es hat nicht sollen sein. Ich bin trotzdem froh, nach der langen Reise in meiner neuen Heimat auf Zeit angekommen zu sein. Macht euch keine Sorgen 😉

Blickwechsel und viele wahre Worte

Nach meiner Geburtstagsfeier mit Freunden und Familie und den hoffenden Sekunden vor dem Wiegen des fertig gepackten Koffers – 23 kg für ein Jahr in Lesotho ist denkbar wenig – ging es für mich nahe Berlin zum Vorbereitungsseminar. Vom Shuttle wurden wir, die dreizehnte Generation Freiwillige von kulturweit, zum Werbellinsee gebracht. Das Zimmer hier teile ich mir mit der lieben Maren, die Englisch, Französisch und Wirtschaft studiert und ein halbes Jahr in der kalten Mongolei verbringen wird. Was lerne ich daraus? Es gibt Ziele, für die es wirklich Daunenjacke und Winterstiefel einzupacken gilt. Lesotho hat zwar heiße Sommer und kalte Winter, aber die Temperaturen fallen selten unter den Gefrierpunkt. Trotzdem bin ich für kälteres Wetter gewappnet. Für alle Fälle! Übrigens geht es für mich nach einer Zwischenübernachtung im AirBnB nahe Berlin Tegel direkt los in Richtung Flughafen. Dementsprechend muss ich das erste Wochenende im Gastland wohl erstmal mit Wäsche waschen verbringen. Aber ich wird’s überleben! Meine Mitbewohnerin hat mir schon erste weitere Möbel und Zubehör wie Nachttischlampe zur Ausstattung meines Zimmers durch eine Deutsche organisiert, die Maseru verlässt und diese zu günstigen Preisen anbietet. Läuft doch!

Am gestrigen Abend wurde im Kino der Jugendherberge ein Film mit dem Titel „Blickwechsel“ ausgestrahlt. Er handelte sich dabei um einen perspektivenreichen Dokumentarfilm über Sichtweisen auf deutsche Freiwillige und ihre Arbeit bei Entwicklungsorganisationen in Afrika. Dazu wurden Personen aus Südafrika, Ghana und Gambia, die in Kontakt mit den Freiwilligen standen, interviewt und das Material für die Darstellung verwendet. Ich war sehr beeindruckt über die vielen wahren Worte und fühlte mich wieder zurück nach Südafrika versetzt als eine junge Xhosa den Song „Qongqothwane“ (Song auf YouTube) vor der Kamera anstimmte. Ich hätte am liebsten leise mitgesungen, aber das ist bei der Sprache ja leider nicht ganz so einfach! Mehr Infos zu dem Film und den beiden Machern sind auf der offiziellen Website zu finden: http://blickwechsel-film.de/ueber-den-film/

Den Partnertag der NatCom (so wird meine Einsatzstelle oftmals abgekürzt) der UNESCO verbrachte ich mit den elf anderen Freiwilligen, die in anderen Nationalkommissionen überall auf der Welt verteilt (Uruguay, Jamaika, Ruanda, Namibia, Sambia, Mongolei und Mexiko) eingesetzt werden. Wir haben zuerst jeweils einen dreiminütigen Vortrag über ein Thema gehalten, welches uns bei der Recherche zu unserem Gastland besonders überrascht hat. Ich hatte mir überlegt über den Bann zur Zeit der Apartheid in Südafrika und der damit häufig verbundenen Flucht politischer Gegner des Regimes über Maseru, Lesotho zu berichten. Über die Geschichte des Freiheitskämpfers Steven Biko gibt es eine Verfilmung mit dem Titel „Schrei nach Freiheit – Cry Freedom“ (siehe auch: Artikel Heimatbrücke). Im Anschluss fuhren wir gemeinsam zu einem Biosphärenreservat der UNESCO und hatten dort eine Führung auf dem weitläufigen Gelände. Zurück am Werbellinsee gab uns dann noch ein Mitarbeiter der Deutschen UNESCO Kommission einen Einblick in die Aufgabenbereiche und Strukturen der NatComs und beantwortete fleißig unsere Fragen. Da Mareike, die kürzlich ihr FSJ in Maseru, Lesotho verbrachte, als Alumi den Tag mit uns verbrachte, konnten wir uns nochmal persönlich kennenlernen. Ich bin sehr froh, dass Saskia und Mareike ein süßes Heft zusammengestellt haben, in dem Sesotho ‚survival phrases‘ (die Sprache der Basotho), Kontaktnummern & Tipps für Restaurants und Sehenswürdigkeiten aufgelistet sind. LIEBEN DANK EUCH an dieser Stelle!

In den kommenden Tagen erwarten uns noch einige Workshops, Zeit in unseren zusammengewürfelten Kleingruppen, die Arbeit an einer Seminarzeitschrift und eine Abschiedsveranstaltung am kommenden Donnerstag. Ich lasse wieder von mir hören, sobald ich die Möglichkeit dazu habe :-* vielleicht aber dann erst wieder aus Lesotho! Macht’s gut 🙂

In vier Wochen..

..bin ich schon wieder zurück im südlichen Afrika. Diesmal geht es nicht mit dem Flieger nach Port Elizabeth, Südafrika, sondern etwas weiter nördlich und ins Landesinnere, nach Maseru, Lesotho. Hier erwartet mich ein Wetter mit stärkeren Temperaturunterschieden (Winter, der sich auch wie Winter anfühlt), eine völlig neue Umgebung und hoffentlich viele neue Bekanntschaften. Meine Unterkunft ist glücklicherweise schon organisiert. Ich werde in einer multikulturellen WG wohnen, gemeinsam mit einem deutsch-südafrikanischen Pärchen und einer Inderin. Die Unterkunft ist etwa 3,5km von dem Büro der UNESCO NatCom, meiner Einsatzstelle, entfernt. Auch wenn ich in Südafrika luxuriöserweise ein Auto zur Verfügung hatte, werde ich mich wohl vorest mit dem lokalen Transportsystem – Minitaxis & 4+1 arragieren. Ich freue mich auf Maseru. Auch wenn ich leider nur gute drei Wochen dafür habe, mich erneut von meiner Familie zu verabschieden. Nicht wirklich viel Zeit.. aber sie wird so gut es geht genutzt. Außerdem wurde es auch mal Zeit, dass meine Eltern sich mal gemeinsam auf den Weg machen (hoffentlich bleibt ihr bei dem Plan!), um mich im südlichen Afrika zu besuchen & meinen Freund kennenzulernen. Es ist ein anderes Leben hier, ein anderes Zeitverständnis und mehr Gelassenheit. Oftmals ist dies sehr gewöhnungsbedürftig, gerade wie einen Workaholic wie mich. Trotzdem könnte ich mir es sehr gut vorstellen, immer und immer wieder zurückzukehren. Denn es ist viel zu tun!