Visaprobleme und Studentenproteste

Um die letzte Woche für euch Revue passieren zu lassen, habe ich ganz schön viel aufzuschreiben. Der VW Abgasskandal und die Studentenproteste an den südafrikanischen Universitäten, auch in Port Elizabeth, haben meine Pläne ziemlich auf den Kopf gestellt. Ursprünglich hatte ich geplant an einer Diskussion teilzunehmen, die von der deutschen Delegation an der Nelson Mandela Metropolitan University (NMMU) angeleitet werden sollte. Ein Meeting mit Dozenten und Studierenden der Uni sowie Vertretern des sozialen Inkubators und dem Innovation Office hatte ich im Vorfeld arrangiert. Von der Arbeit wurde ich glücklicherweise freigestellt, um diese Termine wahrnehmen zu können. Ich machte mich also an einem Samstag auf den Weg. Ein Bekannter, der alle zwei Wochen zum Fallschirmspringen nach Bloemfontein fährt, bot netterweise an mich mitzunehmen. Von Maseru aus sind es nur wenige Minuten Fahrt bis zur Grenze. Die Busfahrten ab Bloemfontein nach Port Elizabeth und zurück waren gebucht und Brenda informiert, dass ich für eine Woche zu Besuch komme. Ich entschied mich für den Sleepliner von Intercape für 33 Euro pro Fahrt. Mir wurde von verschiedenen Quellen gesagt, dass Intercape den anderen Busfahrgesellschaften wie Greyhound, Translux und CitytoCity vorzuziehen sei. Wesentlich komfortabler und seriöser.

Wir überquerten am besagten Tag die Grenze auf lesothischer Seite und bekamen einen Stempel in den Reisepass. Auf der südafrikanischen Seite erzählte mir dann die Dame am Schalter, dass sie mir 7 Tage geben könnte. Ich war völlig perplex und fragte nach einer Erklärung. Diese konnte sie mir nicht wirklich geben. Sie sagte nur, dass ich ja nicht von meinem Heimatland sondern von Lesotho einreisen würde und dies einen Unterschied darstellen würde. Ich blieb hartnäckig, aber erstaunlich ruhig. Was ich bereits in meiner Zeit in Südafrika gelernt hatte war, dass viele Entscheidungen von Beamten willkürlich getroffen werden und nicht auf eindeutigen Regelungen beruhen. Schließlich bat sie mich dann hinter den Schalter, um die Angelegenheit zu klären und mit ihrem Vorgesetzten in seinem Büro zu besprechen. Ich musste schnell erkennen, dass dieser leider kaum eine Ahnung hatte wie in meinem Fall die offiziellen Regelungen sind. Zum Glück kam Hilfe in Form eines humorvollen Mitarbeiters, der sich dann auf meine Seite stellte und seinen Kollegen erklärte, dass mir mehr Tage zustünden. Ich dachte mir nur: Wie viele werden es bloß nun sein? Konkret nach drei Monaten hörte sich das für mich zumindest nicht an. Seine Begründung: Ich war im September nur über Transit nach Südafrika eingereist und mein eigentliches Ziel war Lesotho. Zwar verstehe ich noch immer nicht was dies für Auswirkungen auf die mir zustehenden 90 Tage als Besucherin hat, aber ich war froh endlich einen Lichtblick für meinen 10-tägigen Besuch zu sehen. Also blieb ich still und forderte nicht noch mehr. Ich wurde zurück zum Schalter geschickt und mein Reisepass, in dem schon das 7-tägige Visum von der Angestellten vermerkt wurde, blieb im Büro. Nach weiteren 20 Minuten Wartezeit kam der humorvolle Mitarbeiter zu mir und zwinkerte mir zu: „You are sorted!“

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen ‚Fahrer‘ draußen warten gelassen habe, aber er zeigte nur Verständnis und meinte: Ach, die Angestellten hier erzählen dir alle was anderes. Mal geben sie 7, mal 30 Tage. Außerdem seien wir mehr als gut in der Zeit und er würde sicher nicht zu spät zu seinem Jump kommen. Ich war beruhigt und hielt meinen Reisepass fest. Denn dort hatte ich nun ein Besuchervisum bis zum 15. Januar drin. Immerhin.. Nächstes Mal an der Grenze wird mein Herz definitiv schneller schlagen. Besonders dann, wenn ich im April für einige Tage mit meinen Eltern reisen möchte und auf eine Aufenthaltsgenehmigung angewiesen bin. Vielleicht sollte ich vorher mal die südafrikanischen Behörden hier vor Ort kontaktieren und mir etwas schriftlich geben lassen. Falls das nicht erfolgreich ist kommt Xolisa halt mit mir zurück nach Lesotho.

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Mein Trip sollte sich aber für den Tag in Bloemfontein als wesentlich stressfreier herausstellen. Ich wurde von der Waterfront (ja, das gibt es auch in Bloem) von einem Kumpel abgeholt, den ich vergangenes Jahr in Kapstadt kennenlernte. Er und sein älterer Bruder pflegen überall in der Welt (auch in Deutschland) Kontakte und haben bisher auch schon so einige Länder bereist. Internationale Besucher sind in seiner Familie mehr als willkommen. So saß ich mittags in der Küche der Familie Seale, probierte selbstgemachten Käsekuchen und hatte interessante Unterhaltungen mit der Mama und Schwester der beiden. Später am Nachmittag fuhren wir zum Mandela Denkmal von dem aus man einen super Blick über die verhältnismäßig flache Stadt werfen konnte. Abends trafen wir uns bei einem Kumpel, um das Rugbyspiel der Springboks gegen Wales zu verfolgen, welches Südafrika mit 23-19 für sich entschied. Das Spiel schauten wir auf einem Plasmafernseher der so groß war wie meine komplette Zimmerwand zu Hause. Generell war das Haus ausgestattet mit unfassbar teuren Gerätschaften und Räumen, die die fünf Familienmitglieder vermutlich gar nicht alle nutzten. In einem anderen Raum lief ein weiterer Fernseher, aber niemand saß davor. Der Wasserfall im Eingang des Hauses und die vielen ausgestopften Tiere an der Wand sollten mir demonstrieren, wie ungerecht Einkommen und Privilegien in Südafrika verteilt sind. Nach dem Match versammelten sich die Jungs vor einem anderen Bildschirm, um FIFA zu spielen. Es wurde Pizza bestellt und gequatscht. Ein typischer Männerabend 😀 und ich mittendrin. Trotzdem fühlte ich mich nicht wie das fünfte Rad am Wagen. Dank der südafrikanischen Mentalität. Gegen 20 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg zurück, damit ich meinen Bus um 22 Uhr nicht verpasste. Wir verließen dieses riesige Estate, wo ein Haus luxuriöser als das andere aussah und ich verabschiedete mich noch bei der Familie.

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Als wir schließlich den Busbahnhof erreichten, erkundigten wir uns, ob der Bus pünktlich eintreffen würde. Und ich hatte Glück: Ich bekam zwei Sitze für mich allein und der Bus verließ sogar 3 Minuten vor der offiziellen Abfahrzeit die Haltestelle. Die 9 einhalb stündige Busfahrt war zwar lange, aber die Sitze waren bequem und so konnte ich etwas zur Ruhe kommen. Und als ich dann endlich meinen Xolisa in die Arme schließen konnte, hatte sich die Wartezeit schon wieder ausgezahlt. Er lächelte den Tag ununterbrochen und sagte mir, wie froh er war, dass ich endlich wieder bei ihm sei. 🙂

Die Tage darauf sollten leider schneller verfliegen als es uns lieb war. Das Wetter spielte absolut mit und so konnten wir an einem Nachmittag sogar eine Runde Tennis spielen. Aufgrund des fehlenden Autos waren wir leider recht unflexibel und auf unberechenbare Minitaxis (die einen teilweise nicht dort absetzen, wo man gerne hin möchte) und teure Taxis angewiesen. Die Anbieter verlangten alle viel zu hohe Beträge für den Deposit eines Mietwagens und wollten mir teilweise das Doppelte berechnen, weil ich noch keine 25 bin. Eine Frechheit. Aber nun ja, so legten wir einige Kilometer zu Fuß zurück und bekamen ein bisschen Bewegung. Trotzdem werde ich bei meinem nächsten Besuch definitiv versuchen, ein günstiges Angebot zu finden und mir den Luxus eines Autos gönnen. Brenda war so lieb und brachte uns an zwei Abenden zu Xolisas Wohnung, damit wir mehr Zeit miteinander verbringen konnten. Sie hat ein neues Auto, einen brandneuen VW Golf und war ganz stolz auf die vielen Funktionen. Am Tag meiner Abreise luden sie und ihr Mann Blayne Xolisa und mich zum Braai ein und so konnte ich gestärkt meine lange Rückreise antreten.

Wie wir auf dem Weg zur Bushaltestelle erfuhren, wurde die Innenstadt von der Polizei für Autos gesperrt, da Jacob Zuma zu Besuch in PE war. Er wollte wohl von den heftigen Studentenprotesten in Pretoria entfliehen. Demonstriert wurde gegen die angekündigten massiven Erhöhungen der Studiengebühren. Erfolgreich! Wenn auch mit Gewalt. Zuma ließ noch am selben Tag verkünden, dass die Gebühren für 2016 gleich bleiben werden. Trotzdem trat er nicht vor die Massen, obwohl dies von den Studierenden eingefordert worden war. Nach einigen Stunden Wartezeit vor dem Regierungsgebäude wurden einige Studenten ungeduldig, demolierten die Zäune, legten Feuer und bewarfen die Polizisten mit Steinen. Wir saßen auf dem Sofa und trauten unseren Augen kaum, was hier gerade vor sich ging. Auch die NMMU wurde zeitweise geschlossen, weil Studierende Straßen blockierten und in die Gebäude stürmten. Klausurtermine wurden teilweise nach hinten verschoben. Diese Proteste führten auch dazu, dass die deutsche Delegation ihren geplanten Besuch absagte. Ich dachte mir nur: Toll, jetzt komme ich extra von so weit her und dann sowas.

Brenda und ich fuhren in das Hotel, in dem die Mitreisenden untergebracht wurden und trafen uns mit Wissenschaftlern der Uni Oldenburg, die ebenfalls als Teil der Delegation mitgereist waren. Immerhin konnte ich kurz über meine Projektidee bei der NatCom sprechen. Brenda hat mir ihre Unterstützung zugesichert. Anfang November läuft eine Deadline für einen Conference Fund ab, der ziemlich gut zu der Idee für mein geplantes Seminar passt. Drückt die Daumen, dass ich so schnell die benötigten Dokumente zusammenbekomme. Viel Geld würde winken, wenn es klappt. Und meine Sorgen wären weniger, was die Finanzierung angeht. Getauft habe ich das Seminar mit dem Namen InterACTION. Es soll darum gehen, eine Plattform für Austausch zwischen Europa und dem südlichen Afrika zu kreieren. Zu den Themen Entrepreneurship & Nachhaltigkeit würde ich gerne fünf Teilnehmer/innen aus verschiedenen Ländern wie Deutschland, Belgien, Frankreich oder Spanien samt Begleiter/innen mit Gründungsinteressierten in Lesotho und Südafrika zusammenbringen und diskutieren lassen. Ein Fokus soll auf Technologie gelegt werden, ein anderer auf weibliche Existenzgründungen. Aktuell arbeite ich an einem Seminarplan für 10 Tage und an einer Kostenaufstellung für mein Vorhaben. Habe also gut zu tun. Aber trotzdem hatte ich mir von dem Trip hinsichtlich meines Projektes mehr versprochen. Nun ja, solche Ereignisse kann man nun mal nicht unbedingt vorhersehen.

Andere Ereignisse kann man sich nicht mal erklären. Als wir an einem Abend zurück in Xolisas Zimmer kamen, welches wohlbemerkt abgeschlossen war, lag dort eine geöffnete Bananenschale auf dem Boden. Der Raum war nicht verwüstet und es fehlte nichts. Bis auf zwei Bananen, die einfach verschwunden waren. Die zurückgebliebene Bananenschale war in der Mitte geöffnet worden. Kleine Bisse waren zu sehen. Wir lachten und sahen uns besorgt an. Wir suchten den Raum ab, aber fanden nichts. War es ein Affe? Durch diesen schmalen Spalt durchs Fenster auf dem 3. Stock dieses großen Wohnkomplexes? Wirklich? Kann das überhaupt sein? Was sollte es sonst gewesen sein? Sein Mitbewohner war den ganzen Tag zu Hause und meinte er habe nichts bemerkt. Wirklich mysteriös!

Mittlerweile bin ich schon wieder zurück in Maseru. Gemeinsame Abende bei Kerzenschein, leckeres Essen in lokalen Restaurants, bekannte Gesichter, kurze und lange Gespräche, Gelächter und Tränen zum Abschied. Die vergangene Woche war emotionsgeladen und intensiv. Ich habe den besten Freund, den ich mir nur wünschen kann. ? ?

Youth Empowerment & Entrepreneurship

Was ist also nun meine Rolle als Freiwillige bei der NatCom?

Einen Großteil meiner Arbeitszeit verbringe ich mit dem durch Saskia ins Leben gerufenen Youth Desk Komitee. Ich fungiere als Ansprechpartner bei jeglichen Fragen rund über seine Aktivitäten und versorge die Mitglieder mit Feedback und Ratschlägen. Das Bild im Header zeigt meinen super coolen Ausweis als ‚Advisor‘ für die Organisation.

Von jetzt an kümmere ich mich zudem darum, dass die Website der Lesotho Nationalkommission Up-to-date ist (was sich aktuell noch verzögert da der Server die Bilder nicht anzeigt – wen wundert’s) wodurch ich hoffentlich auch einen besseren Einblick in zukünftige Projekte bekomme. Mittlerweile habe ich erkannt, dass ich viel Kraft und Zeit für Youth Empowerment sowie Entrepreneurship aufwenden möchte und Gründungsinteressierten auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit helfen möchte. Wie das genau aussehen soll, werdet ihr noch früh genug erfahren. Nur so viel zu meinen bisherigen Anstrengungen: Ich habe das Konzept erstellt und per Mail an viele Menschen geschickt, von denen ich mir erhoffe, dass sie genauso angetan von der Idee sind. Erste Personen konnte ich schon erreichen. Heute habe ich zum Beispiel ein sehr motivierendes Telefonat mit einer südafrikanischen Gründerin geführt, die mittlerweile mit ihrem Partner in Washington DC lebt und ein sehr erfolgreiches Unternehmen aufgebaut hat. Kürzlich wurde sie von der UN als globale Botschafterin für Women‘s Entrepreneurship, also weibliche Gründungen, nominiert. Sie würde mich gerne in meinem Vorhaben unterstützen (Mentorship & Sponsoring) und hat mich im Gegenzug um Ratschläge und Input zu ihren Ideen gebeten. Als sie dies sagte dachte ich mir nur so: WOW, sie legt wirklich Wert auf mein persönliches Feedback. Wenn sie erfolgreich ist, was ich aufgrund ihrer bisherigen Laufbahn und sehr beeindruckenden Persönlichkeit für nicht unwahrscheinlich halte, würden ihr besondere Möglichkeiten durch die Vereinten Nationen eröffnet, dies zu tun. Also drückt alle die Daumen, dass es klappt. Sie schlug vor, dass wir möglicherweise Anfang nächsten Jahres mit zwei amerikanischen Gründern ein Training arrangieren könnten, wo Interessierte lernen können ihre Ideen kurz, prägnant und vor allem überzeugend zu präsentieren. Ein wichtiger Schritt, um die so dringend benötigten Investoren ins Boot zu holen. Erste mögliche Teilnehmer/innen habe ich schon ins Auge gefasst. Ich bin gespannt, was sich daraus entwickelt.

Um hier auch nochmal auf die Kampagne aufmerksam zu machen, die sie in den nächsten vier Wochen für die UN Women vorantreiben soll: I am (wo)man

Teilt dort in max. 300 Wörtern Eure persönlichen Geschichten oder schreibt über eine starke Frau, die Euch inspiriert hat. Ladet ein ausdrucksstarkes Bild oder ein Video dazu hoch und nennt ihren Namen – Alysia Silberg – wenn ihr gefragt werdet, wie Ihr von der Kampagne erfahren habt. Wer weiß, was dabei an Kontakten für Euch rausspringt. Also macht mit! 🙂 Bin gespannt auf Eure Geschichten!

Ansonsten geht es mir gut, auch wenn mir die Hitze mittlerweile etwas zu schaffen macht. Und die nächtlichen lauten Gewitter auch. 33°C und praller Sonnenschein heizt mein Büro doch ganz schön auf. Gut, dass ich meinen USB Ventilator dabei habe!!! Der Platz im Koffer hat sich definitiv jetzt schon bezahlt gemacht. Da es im Fitnessstudio auch ein Schwimmbecken gibt, das meistens menschenleer ist, kann ich mich dort zumindest nach der Arbeit abkühlen. Die vergangene Woche war ich fast immer abends trainieren und muss sagen, dass es mir nach dem langen Sitzen im Büro wirklich gut tut. Meine Kochkünste verbessern sich mit der Zeit etwas und ich hoffe, dass ich mich mit meinem begrenzten Budget doch einigermaßen gesund ernähren kann. Immerhin geht das Kochen schnell mit unseren super Induktionsplatten. Was für ein Luxus im Vergleich zu den vielen Punkten in meinem letzten Artikel, oder?

Alltag und Gewohnheiten

Schon Oktober! Wie schnell die Zeit doch immer verfliegt. Apropos fliegen – mein Rückflug ist mittlerweile auf das richtige Datum umgebucht. Ende August bin ich wieder zurück in Norddeutschland. Aber bis dahin werde ich hier bestimmt noch so einiges erleben.

Manchmal wundert es mich, wie schnell man sich an einige Dinge im Ausland gewöhnen kann, die es zu Hause nicht gibt oder die definitiv anders ablaufen. Das Sprichwort ‚TIA – This is Africa‘ brachte mich bei dem Verfassen dieser Liste etwas zum Schmunzeln. Das beim kulturweit Vorbereitungsseminar thematisierte faire Bloggen natürlich im Hinterkopf. Ich hoffe ihr, besonders diejenigen die derzeit auf diesem Kontinent zu Hause sind, könnt den Grund dafür nachvollziehen. Es ist nicht meine Absicht zu verallgemeinern. Ich schreibe über meine Beobachtungen über das Leben in Port Elizabeth, Südafrika, die ich während meiner längeren Aufenthalte gemacht habe und nun hier in Maseru, Lesotho wiedererkenne.

– regelmäßiges Ablesen des Stromzählers
– hoffentlich rechtzeitig neuen Strom an der Tankstelle zu kaufen
– auch mal ein, zwei Tage ohne fließend Wasser auszukommen
– seine Wäsche mit kaltem Wasser zu waschen
– die Hausarbeit teilweise nicht selbst erledigen zu müssen
– eine Stunde bevor man duschen möchte den Durchlauferhitzer anzustellen
– keine eingebauten Heizungen im Haus zu haben
– nachts nicht mehr jedes Mal von dem üblicherweise lauten Gewitter aufzuwachen
– weder Züge, Straßenbahnen noch Linienbusse auf der Straße fahren zu sehen
– wenige Passanten in der Stadt auf ihr Smartphone konzentriert zu sehen
– beim Herunterladen einer Datei aufs eigene Handy verbliebenes Datenvolumen zu checken
– Obst und ‚Airtime‘ an jeder Straßenecke angeboten zu bekommen
– Verhandlungen mit dem Taxifahrer zu führen, wie viel man für eine private Fahrt zahlt
– an den Tankstellen auf Angestellte zu warten, da Sprit nicht selbst getankt werden darf
– Geschäfte zu besuchen, die jeden Sonntag geöffnet sind
– Feiertage zu verlegen, damit ein weiterer Urlaubstag dabei rausspringt

Um nun aber auch einige Dinge zu nennen, an die ich mich hier definitiv nicht gewöhnen möchte:

– fehlende Mülltrennung und völlig überfüllte Mülltonnen
– in einigen Köpfen verankerte Mentalität, seinen Müll einfach aus dem Auto oder an den Straßenrand zu werfen
– Plastiktüten, die es zu wirklich JEDEM Einkauf umsonst dazu gibt und in die wirklich jede Kleinigkeit eingepackt wird

Ich stehe manchmal an der Supermarktkasse und muss die Verkäuferin davon überzeugen, dass ich für meine Wasserflasche wirklich keine Tüte brauche. Wie ihr aus den letzten Punkten vielleicht rauslesen konntet, hat dies viel mit Umweltverschmutzung zu tun. Leider ist in Lesotho davon viel vorhanden. Bei der Arbeit gibt es Tonnen, die einmal die Woche entleert werden und die deshalb am Freitag schon so überladen sind, dass die Hälfte daneben liegt. Sehr unschön. Ich habe den Eindruck, dass es einfach zu wenige Menschen kümmert und umweltschonende Verhaltensweisen einzelner Bürger überhaupt nicht auffallen (so wie mir vermutlich bisher auch nicht). Ich werde weiterhin tapfer mit Leuten darüber sprechen und für Stoffbeutel werben.

Da ich im letzten Artikel darüber geschrieben habe, was mir hier in Lesotho fehlt, möchte ich in diesem Beitrag auf einige Aspekte eingehen, die mir am Leben hier besonders gut gefallen.

– geringer Stress im Alltag und ein gesundes Maß an Stress im Arbeitsumfeld
– offene, lebensfrohe Menschen mit viel Sinn für Humor
– die Tatsache, dass fremde Personen als Brüder und Schwestern angesehen werden
– blauer Himmel wenn ich aufstehe und wunderschöne Sonnenuntergänge am Abend
– weite, unberührte Landschaften in denen mehr Menschen auf Eseln und Ponys unterwegs sind als in ihren Autos

Anmerkung zum letzten Punkt: Lesotho zählt zu einem der ärmsten Ländern der Welt. Ein Großteil seiner Bewohner ist noch im Agrarsektor tätig und besonders die ländlichen Gebiete weisen wenig Infrastruktur auf. Das Land ist geprägt von einer hohen Jugendarbeitslosigkeit, geringen Bildungsrate, einer hohen Schwangerschaftsrate unter jungen Frauen und ein Viertel der Bevölkerung ist mit HIV infiziert. Es benötigt viele Anstrengungen und vor allem hohe Beteiligung der Bewohner, diese sozial-ökonomischen Herausforderungen in Angriff zu nehmen.