Und hier, wie versprochen, der zweite Teil meines Reiseberichts. Er ist vielleicht ein bisschen zerstückelt, aufgrund dessen, dass das ZWS in Hangzhou dazwischen liegt. Das sollte aber kein allzu großes Problem sein.
Wie ich bereits erwähnt habe, hat uns die Kälte in Shanghai eiskalt überrascht. Wie sich herausstellen sollte, würde sie uns die nächsten zwei Wochen begleiten (ja, auch Hangzhou war nicht wirklich besser). Aus deutscher Sicht waren es im Prinzip mit zwischen 3 und 6°C normale Temperaturen für einen Winter. Wenn man aber am Tag vor der Abreise in Guangzhou bei 26°C in kurzen Hosen noch schnell warme Sachen für den hohen Norden kaufen geht, ist man die Temperaturen einfach nicht mehr gewöhnt.
Im Hostel mussten wir noch ein bisschen auf unser Zimmer warten, da es noch gereinigt wurde. Da wir noch nichts gefrühstückt hatten, nutzten wir die Zeit die Gegend um unser Hostel und vor allem die Shanghaier Küche zu erkunden. In einem kleinen Restaurant sind wir auch fündig geworden, jedoch handelte es sich um ein hunanesisches Restaurant (Hunan ist eine Provinz in China, genau nördlich von Guangdong). Trotzdem war es wie gewohnt sehr lecker und sättigend. Aber irgendwie haben Clara und mich die Jiaozi nebenan (zur Erinnerung: gefüllte Teigtaschen) nicht losgelassen. Sie waren gebraten, relativ groß und mit Sesam oben drauf und haben so lecker gerochen. Wir konnten einfach nicht widerstehen! Alex, in voller Vorfreude auf eine geschmackliche Extase, beißt natürlich mitten rein – und saut sich total ein! Denn, was der gierige Alex nicht wusste: Die Besonderheit der Shanghaier Jiaozi ist die Füllung mit Suppe/Brühe. Man beißt ein kleines Loch hinein und schlürft dann den Inhalt heraus – das habe ich dann hinter erfahren. Fürs Erste war meine frisch gewaschene Hose, meine Jacke und mein Gesicht mit heißer, fettiger Brühe übersäht, das Jiaozi ist nämlich beim Reinbeißen sozusagen explodiert. Naja, als ich dann alles mehr oder weniger abgewischt habe und ich mich wieder voll und ganz meinen verbleibenden Jiaozi zuwenden wollte, ist die Nächste dran: Auch Clara hat es geschafft. Danach fühlte ich mich wenigstens nicht mehr ganz so wie der Depp.
Nach unseren ersten kulinarischen Bekannschaften haben wir schnell unser Zimmer bezogen und sind dann sofort wieder los getigert. Erstes Ziel: Der Bund. Wem dieser Begriff nichts sagt: Der Bund, so wird die berühmte Flussuferpromenade in Shanghai genannt, er ist das bekannteste Motiv der Stadt in Fernsehen, Filmen und Werbung. Auf der einen Seite stehen entlang der Promenade alte, westliche Gebäude aus der Kolonialzeit. Sie stammen aus der Zeit, in der Shanghai noch in Konzessionen der (westlichen) Kolonialmächte eingeteilt war und von ihnen de facto regiert wurde. So lassen sich Gebäude vor allem französischen und britischen, aber auch deutschen, amerikanischen und japanischen Ursprungs finden. Darin befanden sich entweder die „Regierungssitze“, Banken, Geschäfts- oder Clubhäuser. Am anderen Ufer des Flusses befindet sich der Stadtteil Pudong. Pudong ist eine Sonderwirtschaftszone, was bedeutet dass es hier für Unternehmen besonders günstig ist Business zu machen. Dementsprechend neu und modern sieht es auch aus. Der Teil direkt gegenüber des Bundes besteht eigentlich nur aus Hochhäusern. Das berühmte Motiv mit den ganzen Hochhäusern ist der Blick vom Bund auf Pudong. Es ist ganz schön atemberaubend, wenn man zum ersten Mal die Promenade des Bundes betritt. Klar, es sind auch nur Hochhäuser, wie in jeder anderen x-beliebigen Großstadt der Welt. Und doch kennt man dieses Panorama von Bildern oder aus dem Fernsehen, wo es die große weite Welt symbolisiert. Und auf einmal steht man selber da und kann es erstmal nicht fassen. Nach einigen Minuten und tausend Fotos später ist die Begeisterung schon wieder fast weg. „Ja. Man steht jetzt hier, schön.“ Ziemlich schade, dass man solche Momente, auf die man sich so lange gefreut hat, nicht konservieren kann und dass man so schnell vergisst solche Erlebnisse und Dinge wertzuschätzen.
Als nächster Punkt in einem typischen Touri-Programm, steht der Besuch der Französischen Konzession. Wie es der Name schon vermuten lässt, hat das irgendetwas mit Frankreich zu tun. Für alle die nicht wissen, was eine Konzession ist: Die Französische Konzession war wie ein abgetrenntes Viertel der Stadt, das zu Frankreich gehörte. Es wurde natürlich Französisch gesprochen und es galt das französische Recht. Dennoch waren die Einwohner zu 90% Chinesen. Man kann es mit einer großen Botschaft vergleichen. Heutzutage ist das natürlich längst nicht mehr so, Französisch spielt dort keine Rolle mehr. Dennoch ist vor allem die Architektur und der Aufbau des Viertels sehr französisch/europäisch (westlich). Ihr seht, wie zusammenfassend meine Beschreibung des Ganzen ist. Zum Einen, weil für Chinesen alle (weißen) Ausländer gleich sind. Damit natürlich auch ihr Essen, ihre Architektur und natürlich ihre Sprache: Alle Ausländer müssen(!) Englisch sprechen können. Generell wird man so gut wie in allen Fällen erstmal für einen Amerikaner gehalten. Zum anderen ist die Beschreibung aber auch deshalb so schwammig, weil sich für mich selber alles europäische/westliche vermischt und ich nicht mehr wirklich auseinander halten kann, was jetzt französisch, was deutsch und was britisch ist. Generell habe ich mich wie in einem „chinesischen Chinatown“ gefühlt, will heißen eine Art Chinatown, aber für westliche Ausländer in China.
Man sollte sich auf jeden Fall die Zeit nehmen und nach Sonnenuntergang auf einen der Towers in Pudong gehen, um die beleuchtete Skyline bei Nacht zu bestaunen. Wir waren auf dem Shanghai World Financial Center Tower – kurz der „Flaschenöffner“. Warum er so genannt wird, das seht ihr auf den Bildern. Dank unserem kulturweit-Ausweis sind wir um ein Drittel günstiger hoch gekommen. Es gibt zwar noch den günstigeren Jinmao-Tower nebenan. Dafür ist er aber nicht ganz so hoch und vor allem fehlt ihm ein besonderes Feature: Der Skywalk. Das ist eine Brücke zwischen den beiden Turmenden auf 430 m Höhe. Der Boden ist verglast und man kann an manchen Stellen die 430 m nach unten schauen. Es ist unglaublich zu sehen, wie riesig diese Stadt ist. Selbst im entferntesten Punkt waren noch Lichter und Siedlungen zu erkennen, kein Ende war in Sicht. Und dabei soll sie noch weiter wachsen. Wahnsinn. Doch dank eines „objektiven“ Einführingsfilms am Fuße des Towers erfährt jeder Besucher, dass Shanghai mit seinen 18 Mio. Einwohnern zwar viel größer als New York („8 Mio.“) und Tokyo („8 Mio.“!!!) ist, dafür aber von den drei Städten die meisten U-Bahn-Kilometer, die wenigsten Autos und die geringste Bevölkerungsdichte hat.
Ein anderer Tag stand, zumindest zunächst einmal, ganz im Zeichen deutscher Technik. Wir haben uns nämlich zum Ziel gesetzt, mit dem Transrapid, bzw. Maglev zu fahren. Für alle, die nichts mit den Begriffen anfangen können: Der Transrapid ist eine in Deutschland entwickelte und gebaute Magnetschwebebahn, die ihren einzigen kommerziellen Einsatz in Shanghai als Express zwischen der Innenstadt und dem Pudong International Airport hat. Das Wort „Maglev“ ist das englische Wort für Magnetschwebebahn. Es ist eine Kombination der beiden Wörter „magnetic levitation“ (Magnetisches Schweben). Auch in München war geplant eine solche Verbindung zwischen dem Hauptbahnhof und dem Flughafen zu bauen. Vielleicht erinnert sich der Ein oder Andere noch an die, sagen wir nicht optimal gelaufene, Rede vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Eigentlich sollte in dieser Rede das Projekt beworben werden, jedoch war die Verwirrung und Unklarheit über das Projekt nachher bei vielen Menschen noch viel größer. Letztendlich wurde das Programm aufgrund immer höher werdender Kosten nicht realisiert.
Zufällig waren wir genau zu rechten Zeit am rechten Ort, um die Tickets zu kaufen. Denn nur zweimal am Tag fährt die Bahn für jeweils 1,5 Stunden mit der (gedrosselten) Höchstgeschwindigkeit von 431 km/h die 27 km lange Strecke entlang. In der restlichen Zeit fährt sie „nur“ 300 km/h. Ein Hin- und Rückfahrtticket kostet 80 Yuan, umgerechnet ungefähr 9,50€. Für eine solche Fahrt der besonderen Art finde ich den Preis in Ordnung. In nur 10 Minuten legt die Bahn die Strecke zurück. Dementsprechend schnell fühlen sich auch die 430 km/h an. Ein Flugzeug fliegt zwar doppelt so schnell, jedoch kommt es einem nicht so vor, da kein Bezugspunkt vorhanden ist. Sitzt man aber in dieser „Raumkapsel“ (so kam es uns zumindest ein wenig vor) fliegen die Gebäude, Parks, usw. nur an einem vorbei. Selbst die Autos auf der Autobahn kommen einem wie Schnecken vor. Umso größer ist dann der Schock, wenn es ohne irgendeine Vorankündigung laut knallt. Genau, es ist die andere Bahn, die einem ungefähr auf der Hälfte der Strecke entgegenkommt, wo die Geschwindigkeit aber bereits wieder verringert ist. Es wirkt also ein Luftzug auf die Kabine, der durch die entgegengesetzte Fahrtrichtung im Verhältnis etwa 700 km/h schnell ist. Klar, dass der nicht geräuschlos an einem vorübergeht. Man erschrickt fast zu Tode beim ersten Mal. Bei der Rückfahrt wussten wir zwar, dass er kommt, jedoch nicht genau wann. Auch meine Warnung, dass ich die Lichter des anderen Zuges sehe, hat nicht viel geholfen. Denn innerhalb von 1-2 Sekunden ist er schon vorbeigezischt.
Danach dann das totale Kontrastprogramm. Eher durch Zufall stießen wir in einem anderen Stadtteil auf ein Gebäude (chinesische Architektur), auf dem ein großes Kreuz angebracht war. Zuerst konnten wir es nicht richtig glauben. Doch als wir hineingingen, wurden unsere Vermutungen bestätigt: Bei dem Gebäude handelte es sich um eine Kirche. Wir hatten kaum Zeit uns umzusehen, da wurden wir schon freundlich die Treppe hoch geschickt, in einen noch größeren Saal geführt und gebeten auf den Bänken Platz zu nehmen. Nach einer kurzen Zeit fing der Gottesdienst auch schon an. Im Prinzip lief es wie in einem westlichen (evanglischen/katholischen) Gottesdienst ab. Es wird gemeinsam gesungen, der Pfarrer hält eine Predigt, es gibt Orgelmusik, der Chor singt und das Vater Unser wird gesprochen. Natürlich alles auf Chinesisch. Das Vater Unser habe ich sogar zum Teil verstanden. Da hat aber auch eine Rolle gespielt, dass ich wusste, wie der Text auf Deutsch geht und was als nächstes kommen müsste. Deshalb war mein Ohr schon mental vorbereitet. Trotzdem hört man sich so langsam rein und man erkennt plötzlich Wörter wie 耶稣 oder 阿们. Was, nicht erkannt? Ok kleine Hilfe, hier die Lautschrift: YeSu und AMen. Jetzt dürfte es aber klar sein. Gemeint sind natürlich Jesus und das Amen. Dieses Erlebnis war so unerwartet und plötzlich, ich war danach richtig geplättet. Vor allem ist das eine Seite von China, mit der man nicht rechnet, nicht kennt und die so gar nicht in das Chinabild passt. Ich bin immer wieder erstaunt, wie facettenreich doch dieses Land ist.
Die Zeit danach war sehr vom Seminar des Goethe-Instituts geprägt. Es ging darum, wie man den DaF-Unterricht (Deutsch als Fremdsprache) gestalten und verbessern kann. Vom Seminar selber konnte ich einige Anregungen für den Unterricht an meiner Schule mitnehmen. Seien es Tipps und Tricks, Methoden oder spezifische Spiele im Unterricht. Ich hoffe die neugewonnen Kenntnisse auch in der Praxis gut umsetzen zu können. Freizeittechnisch war natürlich auch wieder Einiges los. Das Sightseeing war zum Großteil abgehakt, es hatte eigentlich jeder die wichtigsten Sachen gesehen oder gemacht. Bis auf die Longhua Pagode mit einer sehr interessanten Buddhistischen Tempelanlage (siehe Fotos), haben wir nichts Größeres unternommen oder gesehen. Es standen eher die Geheimtipps der Shanghaier Freiwilligen auf dem Plan. So habe ich mir z.B. beim Stoffmarkt für 100 Yuan (~11,50€) ein Hemd maßschneidern lassen. Ein Preis, bei dem ich mit dem Risiko leben kann, dass es nichts wird. Das Endresultat war in Ordnung, hat mich aber nicht vom Hocker gehauen. Allerdings war die Zeit des Auswählens und Anprobierens zu kurz. Nimmt man sich dafür mehr Zeit, steckt da auch denke ich mehr drin. Letztendlich habe ich ein neues Hemd, der Preis ist z.B. günstiger als bei H&M.
Außerdem haben wir diverse kulinarische Geheimtipps ausgetestet (Shanghaier Küche, ein türkisches Restaurant, leckeres Essen im Kaufhaus,…) und wurden nie enttäuscht. Wer ein gutes Preis- Leistungsverhältnis haben möchte, geht am besten zu IKEA. Da aber nicht von den Hotdogs allzu viel erwarten. Als Belag gibt es nur Ketchup – keine Röstzwiebeln, keine Gürkchen. Im Restaurant ist das Essen aber genau so wie zu Hause in Deutschland (ich sage nur Köttbullar!).
Abends stürzten wir uns dann meistens, nach guter alter Hangzhou-Manier, ins Shanghaier Nachtleben. Dabei kommt man als normaler Jugendlicher (Westlich wohl bemerk!) in Clubs, in die man in Deutschland entweder nur über Kontakte oder erst ab einem bestimmten Einkommen hineinkommen würde – und das ohne Eintritt! So muss man sich bei Einigen zwar vorher anmelden, um auf die Gästeliste geschrieben zu werden. Ist das aber getan (geht immer ohne Probleme), kann man einfach kommen und ohne Eintritt den Club betreten. So waren wir zum Beispiel im M1NT, einer Disco, in der es ein 10 m langes Haifischbecken gibt. Oder in der Bar Rouge, von deren Dachterasse man einen unvergleichlichen Blick auf die Skyline von Shanghai hat. Meistens sind wir aber nach einer kurzen Zeit woanders hingegangen, da die Stimmung nicht so besonders war und die Preise viel zu hoch. Tja, irgendwie muss man ja den fehlenden Eintritt kompensieren. Trotzdem war es ziemlich cool, mal in so einem Etablissement gewesen zu sein und die Aussicht auf die Skyline genossen haben zu dürfen.
Abschließend muss ich sagen, dass die beiden Wochen zwar ziemlich intensiv, anstrengend, kalt und von viel Schlafentzug begleitet waren. Es sich aber definitv gelohnt hat und es eine geile Zeit mit den ganzen Leuten war! Vielen Dank euch allen, hat echt richtig Spaß gemacht!
Nun, jetzt ist ja nicht mehr so lange hin bis Weihnachten. Hier bei mir ist es schon der 22., d.h. nur noch 2 Tage bis Heilig Abend. Aber ich werde ihn nicht allein verbringen: Am Freitag kommt meine Familie für 2 Wochen zu Besuch und am Montag meine Freundin hinterher, ebenfalls für 2 Wochen. Wir werden ein ganz schön straffes Programm haben. Unter anderem steht das Besichtigen von Guangzhou auf dem Plan, meine Familie wird für 3 Tage ins nahegelegene Hongkong fahren und über Silvester geht es wieder nach Shanghai. Ich freue mich schon riesig drauf! Ich kann es noch gar nicht realisieren, dass ich in weniger als zwei Tagen meine Eltern und meine Schwester wiedersehen werde. Und das hier in China, in „meinem“ Guangzhou.
Aber der Schulleiter meiner Schule hat mich ein wenig auf Weihnachten eingestimmt. Gestern hat er nämlich, zusammen mit den beiden Vize-Direktoren und meiner Abteilungsleiterin die drei „Westler“ an der Schule zum Essen eingeladen. Die drei Westler sind der Neuseeländische Englischlehrer, die deutsche Austauschschülerin und ich. Passend zum Anlass ging es in ein westliches Restaurant, wo es leckeres Steak gab. Er sagte uns, dass sie glauben, dass für westliche Leute das Weihnachtsfest genauso wichtig ist wie für Chinesen das Chinesische Neujahrsfest. Dabei haben sie das Abendessen aber nicht am 24. gemacht, da sie diesen besonderen Tag uns selber überlassen wollten.
Eine sehr schöne Geste, wie ich finde.
Da ich vermutlich vor Weihnachten und womöglich auch vor Silvester nicht mehr dazu kommen werde, einen neuen Blogartikel zu schreiben, möchte ich hier vorab allen Leserinnen und Lesern ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2012 wünschen! Ich drücke allen die Daumen, dass es Weiße Weihnachten geben wird. Bei mir wird es das dieses Jahr auf keinen Fall geben – darüber bin ich schon ein wenig traurig. Aber das Wichtigste sind die Menschen mit denen man zusammen feiert, und die kommen ja zum Glück.
In diesem Sinne also tschüs und bis bald!
PS: Es war übrigens herrlich wieder im warmen Guangzhou aus dem Flieger zu steigen und die Jacke auszuziehen. 😉