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Zhuhai und Morning Tea

5. Oktober 2011

Es ist mal wieder an der Zeit aus dem Reich der Mitte zu berichten. Mein letzter Eintrag ging ja über den chinesischen Nationalfeiertag und der ist ja schon wieder eine Weile her.
Wie bekannt bedeutet der Nationalfeiertag nicht wirklich „Tag“, sondern eher Woche, da die meisten Chinesen die ganze Woche, zumindest aber bis heute noch frei haben. Dementsprechend habe ich die Zeit auch genutzt um mal ein bisschen aus Guangzhou rauszukommen.

Gemeinsam mit Clara und Franzi ging es deshalb am Montag nach Zhuhai, der Grenzstadt zu Macau. Macau ist genauso wie Hongkong eine Sonderverwaltungszone Chinas. Das bedeutet sie gehören de facto zu China, es gelten aber andere Gesetze und vor allem Steuern in den beiden Zonen, eigentlich sind sie wie ein kleiner Staat im Staat. Das hängt mit der Geschichte zusammen: Hongkong war bis 1997 Britische, Macau bis 1999 Portugiesische Kolonie. Davor haben die beiden „Staaten“ nicht zu China gehört und waren Teile von GB und Portugal. Für Chinesen war es nicht möglich in die beiden Gebiete zu reisen, die Einwohner Hongkong und Macaus waren keine Chinesischen Staatsbürger. Seit der Rückgabe 1997, bzw. 1999 wurden die Gebiete aber immer mehr Schritt für Schritt an China angegliedert und es wurde für Chinesen, v.a. die in der Region wohnen, einfacher in die beiden Städte zu gehen. Seitdem haben sich genau an der Grenze zu beiden Gebieten „Satelliten-Städte“ gebildet, die vom Grenzverkehr und Grenzhandel profitieren und seitdem unheimlich wachsen. An der Grenze zu Hongkong ist das Shenzhen und an der von Macau Zhuhai.
Schaut man sich auf der Karte die Lage der Städte Guangzhou, Hongkong und Macau an, so sieht man, dass alles sehr nah bei einander liegt. Guangzhou liegt sozusagen an der Mündung des Perlfusses ins Delta, Hongkong am Ostufer und Macau am Westufer des Deltas. Wir wollten also einen Tagesausflug ans Meer machen und dabei „in die Nähe“ von Macau kommen. „In die Nähe“ deshalb, weil Clara und ich kein multiple entry Visum haben. Wenn wir nach Macau gegangen wären, hätten wir China verlassen und wir hätten nicht wieder einreisen dürfen. Aber einen Blick wollten wir erhaschen, wir waren dann auch nur einen Steinwurf von Macau entfernt, schaut euch die Fotos an.

Das Wetter in Zhuhai war leider nicht sonderlich optimal. An dem Tag gab es eine Taifun-Warnung, diese drückte sich in permanentem Nieselregen und einem starken Wind aus. Für eine Stadtbesichtigung nicht besonders von Vorteil. Insgesamt hat mich die Stadt nicht vom Hocker gehauen, sie lebt einfach von der Grenze zu Macau. Dennoch, als Tagesausflug hat es sich gelohnt – man will ja auch die Region ein bisschen kennenlernen.

Der Dienstag war ein typischer Zu-Hause-Tag: Lange ausschlafen, frühstücken, Wäsche waschen, Chinesisch lernen und vor allem Hausaufgaben korrigieren…Demnach ist auch nichts sonderlich Spannendes passiert.

Heute wurde ich von der Deutsch-Klasse (12. Klasse) zum Morning Tea eingeladen. Der Morning Tea ist ganz typisch für Kanton, man kann ihn vielleicht etwas mit der Englischen Teatime vergleichen, nur dass er eher Brunch-Charakter hat. Wie der Name schon vermuten lässt wird Tee getrunken. Ich wusste auch, dass es ein paar Snacks dazugeben wird. Dass es aber eigentlich ein Morning Meal mit ein bisschen Tee sein wird, habe ich nicht erwartet. Es wurde Speise nach Speise hereingebracht und die runde Platte in der Mitte füllte sich mehr und mehr. Es gab – auch typisch für Kanton – Dim Sam (Englische Schreibweise: Dim Sum). Das sind kleine Häppchen, meist in Teigtaschen-Form, die zum Großteil im Dampfgarer zubereitet werden. Sie sind die klassischen „Snacks“ zum Kantonesischen Tee. Wenn ich hier aufzählen müsste was es alles gab und mich entscheiden müsste welches das Beste war, würde ich Ewigkeiten brauchen. Deshalb verweise ich hiermit auf die Fotos. Aber ich kann sagen: Alles vom Feinsten! Es war so lecker, sogar die Hühnerbeine waren köstlich! Ich freue mich auf den nächsten Morning Tea.

Danach sind ein paar Schüler und ich noch in einen Park zum Fahrrad fahren gegangen – gut für die Verdauung. Das hat mich erst ein wenig verwundert, als wir dort aber ankamen sah ich, dass das anscheinend die Attraktion an diesem Park war: Fahrradverleih über Fahrradverleih! Und die Fahrradmassen im Park erst, Wahnsinn. Zuerst hatte ich ein wenig Sorgen um meine Gesundheit, denn der Chinesische Fahrstil war mir bereits bekannt und ich wusste nicht ob ich mir das zutrauen will. Aber nach ein paar Minuten habe ich mich ziemlich gut angepasst. Einfach immer drauf aufs Hindernis und erst kurz vorher bremsen, in den meisten Fällen musste ich das aber nicht tun, da mir schön Platz gemacht wurde. Anders kommt man leider nicht voran: Entweder man nutzt seine Chance oder lässt es bleiben. Aber es funktioniert, ich habe keine Kollision gesehen, es gab keine Staus. Es sieht chaotisch für uns aus, ist es aber nicht wirklich. Es ist eine andere Art zu fahren. Passt man sich ihr an und weiß man wie sie funktioniert hat man keine Probleme.

Morgen geht es dann mit Franzi für zwei Tage nach Shenzhen, in die andere, eigentlich bekanntere und größere Boom-City in der Region Guangdong. Am Samstag geht dann schon wieder die Schule weiter, eigentlich habe ich auch nur bis heute frei. Die Stunden von Donnerstag und Freitag werden nämlich am Samstag und Sonntag nachgeholt. Mal schauen, was die Tage noch so bringen. Bid bald und danke fürs Lesen!

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