Flashback II

Wir schreiben den ersten März; Aschermittwoch, aschgrauer Himmel, Himbeerteewetter – der perfekte Tag, sich in die dunklen, aber gemütlichen Tage der Weihnachtszeit zurückzuversetzen:

Die Adventszeit 2016 war für mich einerseits geprägt von der Suche nach Geschenken und dem Schreiben von Karten, während aus meiner kleinen Bluetoothbox in Dauerschleife Weihnachtsmusik und auch von Zeit zu Zeit das eine oder andere Hörbuch klangen. Auf dem Pécser Weihnachtsmarkt war ich wohl ein halbes Dutzend Mal, immer wieder fehlte mir noch ein Geschenk. Ich fühlte mich wie ein Weihnachtswichtel. Nebenbei erlebte ich wieder eine Menge: Schul- und Gospelchorkonzerte, das Weihnachtsprogramm der Schule inklusive Abendessen für den Lehrkörper, meine ersten Polkatanzstunden mit der Lehrertanzgruppe, Pécs weihnachtlich geschmückt – in ein Lichterkleid gehüllt, Rentiere im Arkad (zugegeben aus Plüsch) -, nicht zu vergessen die Fahrt zum Grazer Christkindlmarkt…

Andererseits war diese Zeit für mich geprägt von einer starken Vorfreude auf die Wochen zuhause und Sehnsucht nach meiner Familie, meinem Freund und dem windzerzausten Schleswig-Holstein. In meinem kleinen Pécser Zimmer kuschelte ich mich in Kerzenschein und Orangenduft umgeben von lauter Adventspäckchen, immer wieder fand ich einen Abholschein im Briefkasten, an dieser Stelle ein kleines Danke an meine Familie; ihr seid die besten!

Nun aber zu meinen Erlebnissen, Fotos gibt es natürlich auch wieder reichlich.

Aus Zagreb zurück, empfing mich ein strahlend geschmücktes Pécs; ich bummelte über den Weihnachtsmarkt, hörte Konzerte auf dem Széchenyi tér, traf Schüler in der Stadt, half bei dem Schnupperunterricht für Achtklässler und – nicht zu vergessen – entwarf und besprach Unmengen an Arbeitsmaterial über Advent und Weihnachten: Suchsel, Quiz, Vokabellisten und informative Texte; wir erstellten Präsentationen und hörten deutsche Weihnachtslieder.

In dieser Zeit versuchte ich auch, Schüler mit einem liebevoll erstellten Plakat, Schokolade, Keksen und Saft zu einem Deutschclub am Dienstagnachmittag zu motivieren; leider kam jedoch kaum jemand, so dass das Projekt rasch im Sande verlief.

Interessant auch der Versuch, mein Zimmer zu dekorieren – Kerzen, Süßigkeiten und Orangen waren zwar rasch gekauft, kleine Christbaumkugeln für einen Adventsstrauß lagen in dem Adventspaket von meinen Eltern, doch Tannenzweige sowie eine Vase für selbige fand ich lange nicht. Im Blumengeschäft kosteten erstere ein Vermögen, und woanders fand ich keine – bis mir schließlich eine Kollegin, Kriszta, Zweige aus ihrem Garten mitbrachte. Als Vase diente eine große Glaskanne.

Bald folgte die Fahrt nach Graz zum Christkindlmarkt. Kriszta, Timi, eine Busladung Schüler und ich machten uns freitagvormittags auf den Weg. Nach fünf Stunden Busfahrt, Zwischenstopp bei einem riesigen Tesco und einem äußerst mühseligen Weg mit einem viel zu großen Bus durch viel zu kleine und zugeparkte Grazer Straßen erreichten wir schließlich das Schülerwohnheim der Grazer Partnerschule des Leöwey.

Mit Timi, Kriszta und Timis Tochter beim Bummel durch die weihnachtlich geschmückte Altstadt von Graz

Auf ein schnelles Abendessen folgte ein ausgedehnter Bummel durch die Innenstadt über die vielen kleinen Weihnachtmärkte mit gemütlichem Punschtrinken und Unterhaltungen. Zusammen mit Timi, Kriszta und Timis Tochter schlenderte ich durch die festlich beleuchteten Straßen.

Am darauffolgenden Tag, Samstag, ging es bereit um zehn wieder in die Stadt. Mit der Schlossbergbahn fuhren wir – nun, zum Schloss. Dort erneut ein kleiner Weihnachtsmarkt, tolle Ausblicke und, im Gegensatz zu den anderen beiden Punkten eher unerwartet, drei flauschige Lamas. Mittags trennten wir uns – Freizeit. Während die Schüler diese wohl weitestgehend mit Shopping oder ähnlichem verbrachten, ging unser Vierergrüppchen auf eine Sightseeingtour. Von der berühmten Grazer Doppelwendeltreppe bis hin zum Dom sahen wir die Highlights des Stadtbildes. Auch für Shopping bei Zara und einige weitere Themenweihnachtsmärkte blieb Zeit – besonders toll fand ich den Kunsthandwerksmarkt und den internationalen Weihnachtsmarkt, auf dem ich als Andenken ein Paar Ohrringe fand. Hungern mussten wir auch nicht, gingen wir doch zu „Nordsee“ zum Mittagessen – und dafür fahre ich nach Ungarn beziehungsweise Österreich?

Von den vielen Eindrücken der kaum 24 Stunden in Graz redlich müde, stiegen wir in den Bus zurück nach Pécs, der eine halbe Stunde später auch schließlich losfuhr, nachdem alle Mädchen noch einmal schnell zur Toilette gegangen waren – an der Raststätte, an der wir von der (an Adventsonntagen übrigens kostenlosen) Straßenbahn in den Bus wechselten, gab es genau eine.

Bei der Rückkehr nach Pécs erwartet uns Schnee

Verschlafen erreichten wir schließlich Pécs, wo eine Überraschung auf uns wartete: Schnee! Hinter der Schule aber war die weiße Pracht schon zu Ende – eine Schneekante…

 

 

 

Es folgten noch einige Tage Schule, angefüllt mit Festprogrammen wie Weihnachtskonzerten des Schulchors oder einer in die Schule eingeladenen Big Band, Weihnachtsfeiern – offiziell im Festsaal der Schule, privat zwischen den Stunden im Lehrerzimmer, aber dennoch mit großem Buffet-, und am letzten Abend vor den wohlverdienten Ferien die große Feier des gesamten Kollegiums, zu der auch ich eingeladen war. Leckeres Essen und interessante Gespräche – mit einem seltsamen Gefühl im Magen verließ ich schließlich die Schule, die nächsten zweieinhalb Wochen würde ich wieder in Deutschland verbringen.

Die Entscheidung, über Weihnachten nach Hause zu fahren, bereue ich übrigens in keinster Weise. Sicher wäre es auch interessant gewesen, die Feiertage in Ungarn zu verbringen oder das Jahr 2017 in Budapest zu beginnen, doch ebenso wichtig, wie es ist, neue Erfahrungen zu machen, ist es, über lauter aufregenden neuen Erlebnissen seine Wurzeln und die Menschen, die nicht nur flüchtig das eigene Leben streifen, sondern fest verankert im Herzen sind, nicht zu vergessen. Es war unglaublich schön, meine Familie, Freunde und meinen Freund wiederzusehen, den Hund zu knuddeln oder am Ufer des Meeres zu stehen, eiskalte Salzluft in der Nase, sanftes Rauschen in den Ohren – die Gedanken auf den Schwingen des Windes treiben lassen…

Beruhigend zu wissen, dass, auch wenn sich manches verändert hat, einige Dinge doch immer gleich bleiben.

Zwischen viel Weihnachtsstress und diversen Erledigungen flogen die Tage geradezu vorbei, kaum hatte ich Zeit, mich einmal hinzusetzen; die Großeltern kamen oder wurden besucht, die Freunde zur Feuerzangenbowle eingeladen, mein neues altes Kleid aus Zagreb wurde bei der Hochzeit meiner Patin eingeweiht, und selbst den Stadtbummel mit meiner besten Freundin nutzte ich noch für den Gang zur Versicherung. Nur wenige Tage blieben einzig dem Genuss vorbehalten – dem Spaziergang mit meiner Mutter am Meer oder dem Ausflug mit meinem Freund nach Hamburg.

Dennoch fand ich zwischen all dem Trubel eine alte Ruhe, schnell kamen bekannte Routinen zurück, bald war es, als wäre ich nie weggewesen.

Nach einem erneuten Abschied und einer äußerst abenteuerlichen Zugfahrt inklusive langem Warten am unglaublich kalten Bahnhof – durch die schließlich notwendige Umbuchung auf einen Nachtzug auf Kosten der Bahn blieb mir allerdings angenehmerweise die Zwischenübernachtung in Budapest erspart – hatte mich schließlich Pécs wieder. Das alte Lied: Wer günstig reist, reist unbequem.

Zum Abschluss möchte ich euch nun noch einige Impressionen des Pécser Schneezaubers nicht vorenthalten:

Bis auf ein Weiteres

Silja

Flashback I

Ende Februar und schönster Sonnenschein, doch die bereits langsam verblassenden Erinnerungen an das Zwischenseminar und die Weihnachtszeit klopfen an, möchten endlich aufgeschrieben, festgehalten werden, schon beinahe verdrängt von vielen aufregenden und schönen neuen Erlebnissen.

Auf die Herbstferien in Budapest folgte eine kurze trubelige Zeit in Pécs, in der ich kaum Zeit hatte, meine Koffer auszupacken – an einem Freitagnachmittag im November fuhren Isi, Greta, Peter und ich schließlich los nach Budapest, wo wir Lorenz, Marvin und am Samstag auch noch Marius trafen. Bis Sonntagnachmittag durchstreiften wir die Stadt, spazierten an der Donau entlang und wanderten hoch zur Fischerbastei, zogen abends von Bar zu Bar und tranken Cocktails, aßen scharfes Gulasch im Brot und spielten Wizard; ich traf auch noch einen Bekannten aus den Herbstferien. Teuer, aber ein Erlebnis besonderer Art der Besuch in der Széchenyi-Therme: Heißes Wasser, kalte Luft, Dampfwolken ziehen über die Köpfe der Badenden, die gelben Wände leuchten in der Abendsonne (an dieser Stelle ein kleiner Hinweis: Wer im 50-Meter-Becken schwimmen möchte, braucht eine Badekappe); und in den Innenräumen Schwefelbäder, Dampfsauna, Sauna, Eisbad und Eiswürfel.

Am Sonntagnachmittag schließlich das Treffen mit unseren zwei Teamerinnen, Steffi und Anja, und den übrigen Freiwilligen. Im Anschluss an ein kleines (Wieder-)Kennenlern-Programm und die Frage, wie es uns so ginge, liefen wir durch die Stadt und machten etwas, das ich das letzte Mal wohl vor acht Jahren auf einem Kindergeburtstag gemacht habe: Dinge tauschen. Vom Überraschungsei über Kugelschreiber und Feuerzeuge hin zu Metrotickets und Salzstangen, und ganz nebenbei wurden wir zu einer Hochzeit nach London eingeladen. Später das Musical „Fame“ im Operettentheater – eine typische amerikanische Teeniestory, aber meisterhafte Tanz- und Gesangseinlagen.

Am Ende eines langen Tages, um ein Uhr nachts, bezogen wir unsere Zimmer im beschaulichen Gardony bei Budapest, und das Zwischenseminar begann wirklich.

Auf anderen Blogs wurde bereits viel darüber berichtet, meist ausschließlich positiv. Für mich war es zwar auch eine gute und wichtige Zeit mit vielen wunderbaren Momenten, jedoch recht anstrengend und teils positiv wie negativ sehr emotional. Eine Menge wurde angestoßen, manches aufgewühlt; etliche Fragen gestellt, manche auch beantwortet. Zwischen gemütlichen Momenten in der Küche, dem Versammlungsraum und am Seeufer lagen viel ernsthafte Arbeit und die Reflektion unserer Erfahrungen und unseres Verhaltens. So stellten wir uns die Frage, was für uns Zuhause bedeutet, analysierten unser Auftreten in der Gruppe oder dachten über Probleme und Konfliktlösungen nach.

Äußerst interessant, ja schockierend der Vortrag zur Situation von Sinti und Roma in Ungarn mit dem Fokus auf Antiromaismus, zur weiteren Information gab es eine von Steffi und Anja aufgebaute kleine Ausstellung. Entspannend unser kreativer Nachmittag, amüsant der Talentabend am letzten Tag, für den Chris und ich aus meinen Fotos der letzten Tage ein Video zusammenstellten. Langwierig, letztendlich aber immerhin erfolgreich, Leos und mein Versuch, den bereits kaputten Korken aus einer Weinflasche zu ziehen. Schade meine Erkältung, die sich erstaunlicherweise nicht gut mit pausenloser Action und wenig Schlaf vertrug; aus diesem Grund ging ich an unserem letzten Abend auch als erste schlafen – um zwei Uhr nachts.

Waren wir anfänglich wohl alle etwas enttäuscht, dass unser Zwischenseminar nicht etwa in Budapest oder Bratislava in einer schicken Jugendherberge mit Vollverpflegung, sondern im menschenleeren Gardony in einem kleinen Schullandheim und mit selbst zu kochendem Essen stattfand, so erwies sich diese Entscheidung im Nachhinein als genau richtig: der gemeinsame Großeinkauf für 17 Leute am Montagmorgen; das selbstgekochte Essen, besser als jede Kantinenkost; unser allmorgendliches großzügiges Frühstücksbuffet; die Abgeschiedenheit des Ortes, in der wir – ich etwa beim Spaziergang mit Chris und Lina am Seeufer – das Erlebte wunderbar verarbeiten, Probleme besprechen und über die Welt, unsere Existenz und den Sinn des Lebens philosophieren konnten. All das trug dazu bei, dass diese Tage den perfekten Raum boten, sich einmal auszutauschen, Abstand vom Alltag zu finden und die eigene Situation zu reflektieren.

Donnerstagnachmittag fuhren die meisten von uns direkt weiter nach Zagreb. Auch wenn ich mich schon lange auf dieses Wochenende gefreut hatte, hätte ich in diesem Moment auch nichts dagegen gehabt, einfach nach Pécs zurückzufahren und zu schlafen, schlafen, schlafen…

In  Zagreb bezogen wir unsere Unterkünfte: fünf von uns eine AirBnb-Wohnung, sieben das enge Achter-Zimmer eines Hostels zusammen mit einem einzelnen Argentinier, einem ehemaligen Tennisprofi – immerhin fand an diesem Wochenende das Davis-Cup-Finale zwischen Kroatien und Argentinien in Zagreb statt. Woher ich das weiß? Während die anderen gleich am Donnerstagabend loszogen, verbrachten Ulrike und ich den Abend in der Hostelbar mit ihm und unterhielten uns. Sie verspürte wenig Lust, noch loszugehen und auch ich wollte mich lieber ausruhen, da ich immer noch angeschlagen war.

Voll frischer Energie brachen Ulrike und ich dann am nächsten Morgen mit Leo und Marius zu einer Free Walking Tour durch Zagreb auf; wir waren stundenlang unterwegs und lernten dank eines sehr kompetenten und sympathischen Guides sowohl touristische Punkte als auch versteckte Ecken kennen. Ganz nebenbei erfuhren wir viel über die Geschichte der hübschen Stadt und die politische Situation in Kroatien. Nach so viel Input bummelten wir den Rest des Tages entspannt durch die Innenstadt, verbrachten  viel Zeit in einem kleinen Secondhandshop – tolles neues/altes Kleid gekauft!-, trafen Freiwillige des Zagreber Zwischenseminars… und entdeckten anschließend in einer riesigen Gruppe aus kulturweit-Freiwilligen das Zagreber Nachtleben.

Am Morgen darauf brunchte unsere Gruppe sehr gemütlich, und als Marius und ich endlich Richtung Unterstadt spazierten, wurde es schon bald dunkel. Lebkuchen knabbernd ließen wir alte, charmant abblätternde Hausfassaden und Sehenswürdigkeiten, die große Zagreber Eisbahn, eine Bühne mit Vielzulautsprechern und den frisch eröffneten Weihnachtsmarkt – Gelegenheit für den Erwerb erster Weihnachtsgeschenke – auf uns wirken; trafen die anderen und gingen gemeinsam etwas essen; Ulrike und ich schlenderten erneut über den Weihnachtsmarkt, wo wir uns mit viel zu süßer heißer Schokolade mit Marshmallows in einen Hauseingang setzten und über unserer Unterhaltung die Zeit vergaßen.

Am nächsten Morgen ging es auch schon zum mit den anderen Pécsern zum Zug, wo wir alle schon mal etwas Schlaf nachholten. Bis heute gibt uns die kroatische Ticketpreisgestaltung Rätsel auf, war doch tatsächlich eine Hin- und Rückfahrt günstiger als eine einfache Fahrt…

Als wir schließlich in Pécs ankamen, herrschte auch hier vorweihnachtliche Stimmung – aber davon ein andermal, jetzt ist es zunächst einmal Zeit, wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Liebe Grüße an alle, die mich auf dieser kleinen Reise in die Vergangenheit begleitet haben

Eure Silja

Die kleine Schwester von Paris

Nach langen Überlegungen, was ich mit meinen Herbstferien anfangen sollte, entschied ich mich, nach Budapest zu fahren. Geplant waren ursprünglich nur einige Tage, schließlich blieb ich die gesamten Ferien. Ich hatte das Glück, dass ich bei Fabian, einem deutschen Studenten, den ich im Zug kennengelernt hatte, übernachten konnte.

Tagsüber streifte ich meist allein mit meiner Kamera durch die zauberhafte Stadt, bis mir in meiner viel zu dünnen Jacke wirklich zu kalt geworden war und ich vor dem schneidenden Wind ins Warme floh, erst in die Straßenbahn oder U-Bahn, dann in die Wohnung. Oft blieb ich dort jedoch kaum und zog mit Fabian gleich wieder los, zu einer WG-Party, zu Freunden, in eine Kneipe – so lernte ich nicht nur die für Budapest typischen Ruinenbars kennen, sondern auch eine Menge wirklich netter Leute.

Viel mehr möchte ich an dieser Stelle zu den Herbstferien auch nicht schreiben, stattdessen lasse ich die vielen folgenden Fotos für sich sprechen.

Zusammenfassend kann ich jedoch sagen, dass mir die Zeit in Budapest unglaublich gut tat. Ich habe mich nicht nur in die Stadt verliebt und konnte ohne Termine und Verpflichtungen einfach umherstreifen, entdeckte ständig Neues, sondern konnte mich auch mal wieder entspannt auf Deutsch unterhalten – im gleichen Atemzug über Partys und hochpolitische Themen -, einfach mal wieder tanzen und mich im Kreise eigentlich fremder Personen wirklich wohlfühlen. Es war eine richtig gute Zeit!

Nachdem wir den ersten Abend bereits lange aus gewesen waren und am folgenden Tag in Ruhe eingekauft und gekocht hatten, bekam ich den ersten richtigen Eindruck von der Stadt im Dunkeln; meine Schritte führten mich zuerst in Richtung Heldenplatz, dann stieg ich in die nächstbeste Metro, die an die Donau fuhr – atemberaubend schön!

Zurückschreckend vor den vielen kulturellen Highlights, die Budapest zu bieten hat, begann ich meine Erkundungstour ganz entspannt mit einem ausgedehnten Bummel über die Margareteninsel und streifte anschließend noch etwas das Pester Donauufer entlang:

Mittlerweile trieb mich meine Neugier doch zu dem Touristenhighlight in Budapest – das Burgviertel in Buda. Zu sehen gibt es dort die Fischerbastei, die Matthiaskirche, weite Ausblicke über Buda, die Donau und Pest, hübsche kleine Gassen mit alten Häusern und niedlichen Cafés und Läden und nicht zuletzt den Burgpalast. Ursprünglich hatte ich mir alles für einen Tag vorgenommen, da ich mich jedoch insbesondere bei den Ausblicken zu lange aufhielt, den Aufstieg in einem großen Umweg machte und abends noch verabredet war, verschob ich den Burgpalast auf einen anderen Tag – ich hatte ja noch so viele…

Abends spazierten Finn, ein neu gewonnener Freund, und ich noch durch Pest; er zeigte mir die Stephansbasilika und das Parlament von nahem und später setzten wir uns noch in eine Bar und schnackten.

Tags darauf zog ich erneut los, das Burgviertel zu erkunden. Dort blieb ich, bis es dunkel geworden war, und die Stadt zu meinen Füßen ein Lichtermeer.

Mittwoch, der 02. November, die Hälfte meiner Zeit in Budapest vorbei, und noch lange nicht alles entdeckt. Doch an diesem Tag lag etwas anderes Spannendes an: Besuch in der deutschen Botschaft in Budapest.

Nach einem ausführlichen Bummel durch die zentrale Markthalle, in der ich mich auch mit ausreichend Picknick für den Nachmittag eindeckte, traf ich um 14 Uhr Isabella und Greta vor der Tür der deutschen Botschaft. Diese ist übrigens in traumhafter Lage in einem Gebäude auf dem Burgberg untergebracht; langsam bekam ich das Gefühl, mich dort auszukennen…

Im Anschluss an das informative Gespräch in der Botschaft verabschiedete ich mich gleich wieder von Isi und Greta (die beiden waren noch zum Essen verabredet) und machte es mir mit meinem Picknick gemütlich; nun, so gut das in der Kälte eben ging. Halb erfroren bummelte ich noch ein wenig durchs Burgviertel und genoss die Lichter, bis ich schließlich Gefahr lief, ganz zu erfrieren, und in das nächstbeste öffentliche Verkehrsmittel floh. Da es noch recht früh war, verschlug es mich in ein Shoppingcenter, wo ich schließlich auch endlich einen neuen Wintermantel für mich fand – und was war der kuschelig warm!

Nach so vielen Tagen auf der Budaer Seite blieb ich am Donnerstag in den Straßen von Pest. Ich sah mir den Heldenplatz bei Tag an, unterhielt mich vor den Toren von Burg Vajdahunyad ein Stündchen mit einem netten jungen Mann, spazierte durch das Stadtwäldchen, warf einen Blick auf und in das Széchenyi-Heilbad und nahm schließlich die Metro in Richtung Jüdisches Viertel.

Dieses fand ich jedoch nicht auf Anhieb. Stattdessen lief ich durch eine bei Tag recht ausgestorbene Partygasse und stolperte auf der Suche nach einem Café in einen Club, in dem gerade für den Abend vorbereitet wurde. Schließlich stand ich aber doch im Jüdischen Viertel, einer ausgesprochen charmanten Ecke von Budapest. Mein Plan, die Große Synagoge und vielleicht auch noch eine weitere zu besichtigen, ging jedoch nicht auf – Eintrittspreis und Uhrzeit in Kombination sprachen dagegen. Ich musste am nächsten Tag wiederkommen.

Und so kam ich am nächsten Tag wieder – bei mittlerweile nicht mehr ganz so strahlend sonnigem Herbstwetter wie in den ersten Tagen schien es genau das Richtige, erst die Große Synagoge und das anschließende Jüdische Museum zu besichtigen, dann die Staatsoper. Letztere ist übrigens an Prunk und Pracht der Opéra Garnier in Paris ebenbürtig, nur die Decke ist, wenn auch schick, so doch kein Vergleich mit der Chagall-Decke in Paris.

Samstag, mein letzter Tag und grau. Meine Schritte führten mich zur Kathedrale, die ich von innen besichtigte, bevor ich auf den Kirchturm stieg, auf dem ich lange blieb. Wieder am Boden angelangt, begann es zu regnen, aber egal, ich wollte noch einmal zur Donau. Vorbei an den Klothildenpalästen stiefelte ich über die Freiheitsbrücke, am Gellért-Bad vorbei und, Schutz suchend vor dem Regen, verschlug es mich in eine merkwürdige kleine Höhlenkirche, bevor ich auf den Gellértberg kletterte… Doch seht selbst:

Nach vielen Worten und Bildern habe ich nun erneut das Ende meiner Zeit in Budapest erreicht. Ich hoffe, euch hat die Reise in Bildern und Gedanken mit mir gefallen! Und wer plant, demnächst Budapest zu besichtigen – was sich allemal lohnt! -, findet hier vielleicht die eine oder andere Anregung…

♡ Silja

23. Oktober

Der 23. Oktober ist einer von immerhin drei ungarischen Nationalfeiertagen.  An diesem Tag begann im Jahr 1956 der Volksaufstand mit einer von Studenten organisierten Großdemonstration in Budapest. Diese forderten bürgerliche Freiheitsrechte, Parlamentarismus, nationale Unabhängigkeit und schließlich das Wiedereinsetzen von Imre Nagy als Staatsoberhaupt.

Dieser war von 1953-55 Ministerpräsident gewesen; durch die Förderung von Landwirtschaft und Konsumgüterindustrie stieg der Lebensstandard unter ihm erheblich. Sein von Stalin eingesetzter und von Chruschtschow seines Amtes enthobener Vorgänger, Mátyás Rákosi, hatte vor allem die Schwerindustrie subventioniert. Nagy führte auch die Terrorherrschaft Rákosis nicht fort. Dieser hatte tausende Regimegegner ohne Gerichtsverfahren verhaften und in Arbeitslager bringen oder ermorden lassen. Mehr noch: In seiner Amtszeit 1952-53 waren rund 10 Prozent der ungarischen Bevölkerung angeklagt worden. Unter Nagy hingegen besserte sich die Situation im Ungarn der 1950er stetig. 1955 gelang es jedoch Rákosi als Oberhaupt der kommunistischen Partei, Nagy des Amtes als Ministerpräsident zu entheben und ihn aus der Partei auszuschließen.

Symbol des Volksaufstandes: die ungarische Nationalflagge, in der das in der Mitte herausgeschnittene sozialistische Wappen fehlt

Die Unzufriedenheit in Ungarn stieg nun erneut an und führte schließlich im Oktober 1956 dazu, dass die ursprünglich friedliche Studentendemonstration über Nacht in einen teils blutigen Volksaufstand überging; selbst Polizei und Militär schloss sich den Regimegegnern an. Imre Nagy wurde noch in derselben Nacht vom Zentralkomitee der Partei der Ungarischen Werktätigen zum Ministerpräsidenten berufen.

Die ungarischen Bürger lehnten sich gegen die sowjetische Unterdrückung auf – mit Erfolg, wie es zwei Wochen lang schien.

Der Aufstand weitete sich auf andere Städte aus; im ganzen Land wurden Arbeiter-, Revolutions- und Nationalräte gegründet, auch ein landesweiter Generalstreik wurde organisiert, und es erschienen wieder erste Ausgaben unabhängiger Zeitungen. Imre Nagy bereitete Wahlen vor und führte erneut ein Mehrparteiensystem ein. Außerdem erklärte er am 1. November 1956 die Neutralität Ungarns.

Auf dem Szechény ter in Pécs stand zum Gedenken an die Revolution von 1956 tagelang ein Panzer

Die Revolutionäre lieferten sich blutige Kämpfe mit den in Ungarn stationierten sowjetischen Truppen, und schon bald schien die Revolution gewonnen. Die Sowjetunion jedoch schickte Verstärkung, am 4. November rollten sowjetische Panzer in Ungarn ein, die Sowjetarmee griff an; der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen, die Regierung Nagy für ungültig erklärt.

Über 200 000 Ungarn flohen über Österreich in den Westen. Imre Nagy sowie 350 weitere Menschen wurden hingerichtet.

Gesichter der Revolution
Statue von Imre Nagy in Budapest

Heute werden sie als Helden gefeiert; kaum eine Stadt, in der keine Statue von Imre Nagy steht.

 

 

 

Die Statue Nagys blickt direkt auf das Parlament; vor der Brücke liegen Blumen und Kerzen

Besonders am 23. Oktober wird der Opfer gedacht – Imre Nagy, aber auch Menschen wie dem beim Aufstand erst 15jährigen Péter Mansfeld, der aufgrund seiner Jugend zunächst zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, um dann nur 11 Tage nach seinem 18. Geburtstag doch hingerichtet zu werden.

Das große Plakat an den Treppen zeigt Péter Mansfeld

In diesem Jahr waren aufgrund des 60. Jahrestags die Feierlichkeiten besonders aufwendig, noch Tage und Wochen lang fand man Plakate oder Installationen, Kerzen und Blumen.

Auch auf einem Kreisel wird an die Revolution erinnert

Mit den Aufnahmen möchte ich zeigen, wie wichtig der 23. Oktober für Ungarn ist. Vielleicht seid ihr beim Betrachten insbesondere des Videos ähnlich ergriffen wie ich. Mir ist dabei wieder einmal aufgefallen, wie wenig wir in der Schule über die Geschichte anderer Länder gelernt haben, selbst über die jüngste Geschichte der anderen europäischen Nationen – und doch wäre dieses Wissen so wichtig, um die Menschen dort und ihr Denken zu verstehen.

Ein Lebenszeichen

Um ehrlich zu sein – einen Blog führen, das ist nicht mein Ding. Aus diesem Grund fand sich hier auch so lange kein Eintrag mehr. Entweder habe ich wirklich keine Zeit oder ich mache so ziemlich alles andere lieber, manchmal sogar Wäsche falten. Das liegt vermutlich daran, dass ich zwar gerne schreibe, allerdings dazu neige, stundenlang an den Texten zu feilen; und es zwar liebe zu fotografieren und Fotos zu zeigen, es aber hasse, sie zu sortieren. Dennoch ist es mir wichtig, diesen Blog fortzuführen; um euch zu erzählen, was ich erlebe, um ein kleines Erinnerungsbuch auch für mich persönlich zu schaffen, und weil mich ein neuer Artikel stets stolz macht.

Insofern versuche ich in den nächsten Einträgen nachträglich die letzten zwei, drei Monate zusammenzufassen; an dieser Stelle bereits ein paar Stichworte: Herbstferien in Budapest, Nationalfeiertag, Zwischenseminar in Gardony bei Budapest, Kurztrip nach Zagreb, DSD-Prüfungen, neue Freunde, ausgefüllte Tage und daraus resultierender Schlafmangel, Weihnachtsmärkte, Geschenkekauf und Weihnachtskarten, Ausflug mit der Schule nach Graz, Wiedersehen in Deutschland…

In diesem Sinne bis bald

eure Silja

Hier zum Schauen schon mal ein paar bereits im Oktober aufgenommene Fotos von dem wöchentlichen Pécser Kunsthandwerksmarkt – jeden Freitag vor der Synagoge:

Hétvége

Nach dem Bericht über meine Arbeitstage hier in Pécs folgt nun natürlich auch ein Text, der euch daran teilhaben lässt, wie ich so meine Wochenenden in Ungarn verbringe.

Der Plan ist jedes Wochenende der gleiche: die Hausarbeit erledigen – einkaufen, aufräumen, die Wohnung putzen, etwas richtig Leckeres kochen, Ungarisch lernen, Pécs oder die Umgebung besichtigen, etwas Sport machen, für den Unterricht Materialien vorbereiten, Organisieren – was ich immer wieder aufschiebe, so z.B. den Antrag auf die Fahrtkostenerstattung -, endlich ein paar Fotos ausdrucken gehen und mein Zimmer damit schmücken, mit verschiedenen Leuten skypen oder telefonieren, an meinem Blog arbeiten… und natürlich mich erholen, um Montagmorgen mit frischer Energie in aller Frühe motiviert aus dem Bett zu federn!

Die Realität sieht zugegeben etwas anders aus. An den letzten Wochenenden hing ich zunehmend müde auf meinem Bett rum – ich schiebe das jetzt einfach mal aufs Wetter. Der Herbst wickelt die Stadt in eine kalte Nebel- und mich in eine warme Kuscheldecke. Besonders an meinen ersten Wochenenden hier habe ich aber schon viel von Stadt und Land gesehen und auch eine ganze Menge schöne Fotos gemacht, die ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte.

Noch Ende September waren Dóra und ich an einem Donnerstagnachmittag  zusammen um einen See spazieren,  bei schönstem Sonnenschein und ersten Herbstblättern.

Tags darauf sah ich mir – verbunden mit einem gemütlichen Bummel über das Pécser Weinfest und durch die Innenstadt – den frühchristlichen Friedhof von Pécs bzw. das Besucherzentrum Cella Septichora an. Die Bauwerke und Malereien sind wirklich beeindruckend! Auch die Ausstellung ist schön gestaltet, nur die deutschen Kommentare auf den Erklärern sind etwas gewöhnungsbedürftig…

Abends trafen wir uns noch zu fünft – Peter, Isabella, Greta, ihr Freund Andi und ich – zum Pizzaessen.

Auch am Samstag unternahmen wir etwas zusammen, wir fuhren mit dem Bus in die Nähe von Orfü, um eine dort gelegene Höhle zu besichtigen. Nach der gut halbstündigen Führung durch die ganz nette, aber auch nicht gerade umwerfende Höhle machten wir uns auf den Weg nach Orfü. Da wir leider keinen Fußweg fanden, liefen wir die Straße entlang, schöne Ausblicke gab es jedoch auch dort. Schließlich in Orfü angekommen, ging es einen kleinen Fußweg am Wasser entlang bis hin zu der einzigen Gaststätte, die wir finden konnten – es gab dort Pizza. Schließlich bei schon schwindendem Licht und bald im Dunkeln suchten wir eine Bushaltestelle, die wir letzendlich auch fanden, allerdings mussten wir beinahe zwei Stunden in der Kälte warten… Die Zeit vertrieben wir uns jedoch auch irgendwie, sei es mit Musik oder Wortspielen, und trotz dieser „kleinen Unannehmlichkeit“ war es ein schöner Tag.

Sonntag zog ich dann allein los, ich wollte auf den Jakab Hegy wandern, den mit 602 Metern höchsten Berg  des Mescek-Gebirges.

Motiviert packte ich meinen – für einen solchen Auflug eigentlich viel zu großen – Rucksack, hetzte zum Busbahnhof, um den richtigen Bus noch zu erwischen; und dann die Frage aller Fragen: An welcher der vier Stationen in dem Dorf mit dem klangvollen Namen Kővágószőlős muss ich austeigen? Der Reiseführer gab mir auf diese Frage leider keine Antwort; aber an einer Kirche sollte die Wanderung beginnen. Also stieg ich bei der ersten Kirche, die ich sah, aus, nur leider handelte es sich hierbei nicht um die Kővágószőlőser Kirche, sondern um die von Cserkút, einem direkt neben Kővágószőlős gelegenen kleinen Dorf.

Doch zuerst hatte ich ein anderes, viel größeres Problem zu lösen: Meine Weste mit MP3-Player und vor allen Dingen sämtlichen Schlüsseln war in dem Bus liegen geblieben. Auf erste Panik folgte ein Anruf bei Dóra. Sie sagte, sie versuche jemanden von dem Busunternehmen zu errreichen. Ich wartete, wartete und verfluchte meine eigene Dummheit. Schließlich kam der Rückruf und mit ihm die Erleichterung, die Weste war gefunden worden und lag im Busbahnhof am Schalter, wo ich sie bis sieben abholen sollte. So weit, so gut, nur fuhr der nächste Bus auch erst abends, daher ein Dank an Greta fürs Abholen.

Nun machte ich mich doch noch auf den Weg den Berg hinauf, wenn auch nicht der durch den Reiseführer vorgeschlagenen Route folgend, da ich mich dafür ja im falschen Dorf befand. Von dort ging jedoch auch ein Pfad den Berg hoch, sogar auf der Karte eingezeichnet, erst auch wunderbar gekenneichnt, durch Wanderzeichen, breit ausgetreten, dann plötzlich nur noch Dickicht vor mir: Umdrehen oder Weitergehen? Ich ging weiter. Der Querweg musste bald kreuzen – und tatsächlich, nachdem ich rückwärts beinahe den Abhang wieder runtergerutscht wäre, nasses Laub ist da tückisch, traf ich auf ihn. Von nun an verlief alles nach Plan, ich fand den Weg, die Sonne schien und ließ die Felsformationen leuchten – ein magischer Anblick, bei einer gemütlichen Pause aß ich mein Picknick, genoss wunderschöne Ausblicke und schließlich, nachdem ich das letzte Stück ins Dorf gejoggt war, schaffte ich sogar noch den passenden Bus (und vermied dadurch, zwei Stunden im Dunkeln warten zu müssen).

Festhalten kann ich nach diesem Tag dreierlei:
– Stress maximiert die Leistungsfähigkeit; ich bin diese Wanderung in weniger als der angegebenen Zeit gelaufen, trotz etwas längerer Route, Picknick und vielen Fotopausen.
– Eine Wanderung auf den Javab-Hegy ist wirklich uneingeschränkt zu empfehlen, besonders im Herbst und wenn man im richtigen Dorf startet – traumhaft schön!
– Bin ich wirklich so blöd, meine Schlüssel im Bus zu vergessen, an der falschen Haltestelle auszusteigen, und das zudem zunächst nicht einmal zu merken? Ja, bin ich.

Das Wochenende darauf wollte ich endlich auf den Pécser Fernsehturm – motiviert zog ich gleich freitags nach Schulschluss los… und musste feststellen, dass der Bus um kurz nach zwei gerade gefahren war und der nächste und letzte erst abends fuhr. Also streifte ich mit meiner Kamera eher planlos durch Pécs, einmal nicht nur im touristischen Zentrum, doch seht selbst:

Eine Zufallsbekanntschaft, die auch fotografierend durch die Straßen lief, erzählte mir, dass am selben Abend das große Abschlusskonzert des Pécser Musikfestivals sein würde – was für ein Festival? Das hatte ich gar nicht gewusst. Aber einmal am Szécheny ter, die Bühne und die an verschiedenen Stellen stehenden, für jedermann benutzbaren Klaviere entdeckt, beschloss ich noch ein wenig zu bleiben – eine gute Entscheidung! Ich sah ein fantastisches Tschaikowsky Konzert, ein mich überrraschendes und daher zuerst erschreckendes Feuerwerk, verschiedene Kapellen und viele glückliche Menschen.

Tags darauf brachen Isabella, Peter und ich nach Villány auf, um dort das bekannte Villányer Weinfestival zu besuchen. Wie üblich etwas zu spät, schwang ich mich auf mein Fahrrad und hetzte Richtung Bahnhof.

Schließlich im Zug sitzend überlegten wir uns, eine Station früher auszusteigen, uns noch das hübsche Dorf Villánykövesd anzusehen und die paar Kilometer bis Villány zu laufen. Versehentlich stiegen wir jedoch zwei Stationen früher aus. Dadurch sahen wir zwar zwei pittoreske Dörfer, Villánykövesd und Palkonya, hatten jedoch auch ein paar mehr Kilometer zu bewältigen, weshalb wir in Villánykövesd erst einmal Pause in einem sehr schönen Restaurant machten. Nachdem der Kellner bereits zweimal an unseren Tisch gekommen war, wir jedoch immer noch nicht gewählt hatten, brachte er uns unaufgefordert eine mehrsprachige Speisekarte. Das machte die Auswahl zugegeben einfacher.

Am späten Nachmittag erreichten wir endlich Villány, dort trennten wir uns, so konnte ich in Ruhe fotografieren, ohne dass die beiden auf mich warten mussten. Ich bummelte durch die mit Menschen angefüllten Straßen, schaute mir die vielen Stände mit Wein (natürlich), verschiedenen Köstlichkeiten, Souvenirs, Spielzeug und anderem an, probierte und kaufte Honig, aß eine Art ungarischen Flammkuchen – ziemlich scharf -; und kaum war ich wieder bei der großen Bühne angekommen, um Isi und Peter wiederzutreffen, wollten diese auch schon los. Ich überlegte, alleine noch zwei Stunden bis zu dem nächsten und letzten Zug dort zu bleiben, fuhr aber letzendlich doch mit.

Alles in allem muss ich sagen, dass ich mir das Weinfest in Villány etwas anders vorgestellt hatte – vielleicht besonderer, nicht so sehr den Straßenfesten ähnelnd, die ich kenne; es war aber dennoch schön dort.

Am folgenden Wochenende stieg ich aufgeregt in den Bus – nach Kővágótöttös diesmal. Dort wollte ich nach vielen Jahren wieder mit dem Reiten beginnen. Die Besitzerin des Reiterhofs dort hatte auf meine auf Deutsch und Englisch verfasste E-Mail freundlich auf Englisch geantwortet, sie könne mir auf Englisch Reitunterricht geben.

An diesem Samstagmorgen jedoch war ich etwas beunruhigt, nicht so sehr wegen des Reitens als vielmehr aus Sorge, die richtige Bushaltestelle zu verpassen, da in vielen ungarischen Bussen, so auch in diesem, die Haltestellen weder angesagt noch angezeigt werden. Mithilfe von Google Maps stieg ich schließlich an der eigentlich richtigen Haltestelle aus, von dort aus kann man allerdings den Reiterhof nicht erreichen, da der Weg über Privatgelände führt. Ich ging, mir dessen nicht bewusst, erst durchs Dorf, dann über verschiedene kleine Wege, schließlich kreuz und quer über Felder, wurde von gefährlich aussehenden Hunden an langen Ketten verbellt, den Blick verwirrt auf die Karte gerichtet, da ist ein Zaun im Weg, aah, wo komme ich hier lang?

Eine halbe Stunde zu spät erreichte ich schließlich doch den Hof, auf dem ich eine schöne Zeit verbrachte. Pferde, Hunde, Lamas, ein Minischwein… Eine tolle Aussicht hat man von dort auch. Und es ist unglaublich entspannend, zur Abwechslung einmal nicht von einer Sprachbarriere aufgehalten zu werden – den Tieren ist es nämlich völlig egal, ob man sie auf Ungarisch, Englisch, Deutsch, Französisch oder auch Elbisch anspricht.

Seit diesem Samstag war ich einige weitere Male dort, ich habe allerdings nie Fotos gemacht, von daher überlasse ich den Hof – zumindest erst einmal – eurer Vorstellungskraft.

Tags darauf gab mir das eher graue Wetter endlich einen Anlass, das gleich neben meiner Schule gelegene Csontváry Museum zu besuchen – überraschenderweise musste ich nicht einmal Eintritt zahlen, da der Besuch für unter 26-Jährige einen Sonntag im Monat kostenlos ist.

Der Apotheker Tivadar Kosztka Csontváry erhielt – dem Künstler selbst zufolge – mit 41 Jahren eine Eingebung und widmete sein Leben fortan der Kunst und dem Reisen. Zu seinen Lebzeiten fanden seine im Stile des Impressionismus und frühen Expressionismus gehaltenen Werke jedoch keinen großen Anklang, einzig Picasso begeisterten die Malereien des Ungarn; heute ist er der wohl bekannteste ungarische Maler.

Das Csontváry Museum in Pécs zeigt eine abwechslungsreiche Sammlung der Werke Csontvárys – von Schwarz-Weiß-Zeichnungen über kleinformatige und großformatige Ölgemälde bis hin zu Skizzen.

Im Anschluss an die Ausstellung spazierte ich noch an der Stadtmauer entlang, um ein wenig zu fotografieren, inzwischen war auch die Sonne wieder rausgekommen. Gezeigt hatte mir Timi die Stadtmauer eines Morgens in einer Freistunde, fotografiert hatte ich sie deshalb noch nicht. Von der Schule aus ist es dorthin nicht weit, das wirklich beeindruckende Bauwerk grenzt direkt an die Kathedrale.

Mittlerweile bin ich mit meiner Erzählung Mitte Oktober angelangt; ich unternahm nicht mehr jeden Tag etwas, dazu reichte meine Energie nicht aus. Außerdem hielt langsam, aber sicher der Herbst Einzug und der Alltag meldete sich: Einkäufe mussten erledigt, Essen wollte gekocht, Wäsche gewaschen und die Wohnung geputzt werden. Zeit für einen kleinen Herbstspaziergang mit meiner Kamera fand ich dennoch:

Am letzten Wochenende vor den Herbstferien ging es schließlich doch noch zum Fernsehturm. Schließlich begrüßte mich samstagmorgens eine strahlende Sonne und die Sicht war gut, so beurteilte ich es zumindest aus meinem Fenster im vierten Stock. Da es noch verhältnismäßig früh war, plante ich nicht nur den Fernsehturm, sondern auch den Zoo zu besichtigen, da dieser für mich auf dem Weg liegt.

Schnell die Tasche gepackt, einen Screenshot von der auf Google Maps gezeigten Route für Fußgänger gemacht und losmarschiert, denn Bus fahren ist doch langweilig. Und tatsächlich entdeckte ich auf dem Weg einige interessante Dinge.  Ich besichtigte die Piuskirche, auch wenn ich mich erst nicht hineintraute, da der Eingang aufgrund von Renovierungsarbeiten durch die Sakristei führt, und sah die Nachbildung eines türkischen Brunnens. Außerdem weiß ich nun, wo die Pécser Brauerei liegt und dass die Häuser am Mecsek zwar wunderschön und sicher teuer sind, ich da abends nach der Arbeit mit meinem Fahrrad aber bestimmt nicht hochfahren möchte. Nach einem ziemlich steilen und recht anstrengenden Weg bergan fand ich mich endlich in den letzten Ausläufern der Pécser Bebauung wieder; bereits von hier bot sich ein traumhafter – und zunehmend diesiger – Ausblick.

So weit so gut, doch ich wäre ja nicht ich, wenn ich ohne Probleme den Weg fände. Und so musste ich feststellen, dass auf meiner Karte vier Straßen existierten, in Realität aber nur drei, kurzum – ich stand wohl an der falschen Kreuzung. Nach mehreren frustrierenden Versuchen, die richtige Stelle zu finden, packte ich die Karte weg und lief aufs Geratewohl weiter bergan.

Nach einer Weile traf ich eine ältere Frau, die mir, wie ich glaube, erzählte, dass die Sicht nicht gut sei. Ah, igen, igen, köszönöm szépen. Vielleicht erzählte sie aber auch von ihrer Katze, die seit neuestem Shakespeare liest. Wer weiß das schon so genau.

Bald begann ich zu zweifeln, ob ich auf dem richtigen Weg war – kein Zoo weit und breit. Als ich schließlich auf einen Wegweiser zum Fernsehturm traf, strich ich den Zoo. Noch ein steiler Anstieg, ein Picknick im Wald, schließlich fuhr ich mit dem Fahrstuhl den Fernsehturm hinauf – und siehe da, die Sicht hatte sich wieder etwas verbessert!

Ich verbrachte sage und schreibe drei Stunden dort oben, bewunderte die atemberaubende Aussicht über bunte Herbstwälder und die Stadt, fotografierte und lernte zwei Studenten kennen, Ayham aus Jordanien und Yelena aus Kasachstan. Wir unterhielten uns so lange in der Kälte, bis wir fast erfroren waren, dann setzten wir uns ins Panoramacafé. Dort hielten sich Lena und ich an unseren warmen Tassen fest, bis die Sonne unterging – Pécser Lichterzauber von hoch oben! Noch bevor es ganz dunkel war, mussten wir aber den Rückweg antreten, der letzte Bus fuhr. Gemütlich plaudernd stapften wir zu dritt durch die Kälte von der Haltestelle nach Hause, denn lustigerweise wohnen wir drei nur wenige Minuten Fußweg auseinander. Den Abend verbrachten wir noch bei Ayham, schauten arabische Musikvideos, aßen kasachische Schokolade und original aus Jordanien mitgebrachten Hummus – und wusstet ihr, dass arabischer Kaffee ganz anders als der uns altbekannte und sehr gut schmeckt?

Abschließend bleibt nur zu sagen, dass der Samstag – unter anderem dank meiner neuen Bekanntschaften und  allen Irrwegen und aller Kälte zum Trotz – ein wunderbarer Tag voller schöner Eindrücke und Erlebnisse war.

Gratuliere, Leser, nun bist du beinahe am Ende dieses Artikels angelangt, denn nach einer weiteren Woche, in der ich unter anderem verzweifelt versuchte, diesen Artikel zu beenden, und mit Lena auf eine Halloweenparty an der Uni ging, begannen die Herbstferien. Diese verbrachte ich in Budapest, doch das ist eine andere Geschichte. Es sei nur so viel gesagt: Die Stadt ist wunderschön und die Woche dort mit die beste Zeit, die ich hier in Ungarn bisher verbringen durfte!

Seit ich wieder zurück in Pécs bin, stecke ich bis zum Hals in Arbeit; DSD-Pilotprüfungen und DSD-Vorbereitung, Lehrermangel aufgrund von Fortbildungen, Planung einer Deutsch-AG und einer Schülerzeitung, kulturweit-Unterlagen mussten eingereicht werden, und eigentlich muss ich auch noch zum Einwohnermeldeamt… Das alles wirkte sich natürlich auch auf mein erstes Wochenende nach den Herbstferien aus; für dieses blieb nämlich leider sämtliche Hausarbeit liegen – Auspacken, dazu war ich bisher nicht gekommen, Aufräumen, Putzen, Waschen und Einkaufen. Letzteres tat ich unter anderem auf dem Pécser Sonntagsmarkt, mit wenigen ungarischen Worten, wildem Gestikulieren und steif gefrorenen Händen bei Minusgraden – unter anderem deswegen verließ ich vom Einkaufen abgesehen die kuschelig warme kleine Wohnung letztes Wochenende nicht.

Anbei hier noch zwei letzte Fotos:

Wer bis hierhin gelesen hat, der muss wirklich interessiert an mir sein; an euch ganz liebe Grüße aus dem schönen Pécs,

eure Silja

 

Hétköznap

Es ist noch früh und ich habe Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten. Ein grauer Oktobermorgen, es regnet, ich habe verschlafen und nur noch den späteren Bus erwischt; letztendlich in der Schule angekommen, ist nichts zu tun.

Das ist allerdings gerade sehr entspannt, und im Allgemeinen bilden sich in der Schule mittlerweile meine Aufgaben heraus: Ich arbeite mit einzelnen Schülern (z.B. helfe ich bei der Prüfungsvorbereitung), unterstütze aber auch die Lehrer im Unterricht, was mir großen Spaß macht, auch wenn ich feststellen musste, dass manche meiner Unterrichtsideen nicht realisierbar sind, weil die Schüler etwa zu schüchtern sind. Für den Unterricht bereite ich natürlich vor, ich suche Vokabeln raus zu Alligatoahs Lied „Lass liegen“ für die zwölfte Klasse (DSD-Prüfungsthema Umwelt) oder Ideen für Spiele in der neunten. Zum Alltag  gehört jedoch auch das anstrengende Korrigieren von Hausaufgaben, ich ertappe mich immer wieder dabei, einfachste grammatikalische Fragen nachzuschlagen, weil ich mir plötzlich nicht mehr hundertprozentig sicher bin, ob ich Recht habe oder nicht doch der Schüler.

Durch meine Arbeit hier kann ich meine ehemaligen Lehrer nun zugegeben besser verstehen:

Was mache ich mit einer Klasse, die geschlossen ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, wenn ich den folgenden Unterricht mit einer Gruppenarbeit, auf den Aufgaben basierend, gestalten wollte?

Wie korrigiere ich einen Text auf einem eng beschriebenen Blatt ohne Rand?

Warum sind die Schüler nur so unmotiviert, obwohl ich mir ein wirklich, ja wirklich, tolles Programm für die Stunde überlegt habe? Na los, wer macht mit? Lasst mich nicht so hängen. Das macht doch richtig Spaß!

Alles in allem fühle ich mich aber wohl, besonders in den Klassen – eine neunte, in der ich bereits mehrfach war, ist mir mittlerweile richtig ans Herz gewachsen.  Ich kann inzwischen auch tatsächlich alle Namen…

Wie der heutige Tag verlaufen wird lässt sich absehen; meine Arbeitstage spielen sich mittlerweile nach einem mehr oder weniger gleichen Muster ab.  Nach vier Wochen hier in Ungarn ist Alltag eingekehrt.

Auf dem Schulweg
Auf dem Schulweg

Ich stehe zwischen halb und viertel vor sieben auf, also um sieben, mache mich fertig, packe meine Tasche, schlinge schnell ein Müsli runter, das Geschirr landet in der Spüle, ich kämpfe mit dem Riegel an der Haustür, vier Stockwerke nach unten und in den Keller, das Fahrrad hochgeholt und schnell zur Schule gefahren, die Klänge meines MP3-Players im Ohr. In der Schule angekommen, verheddere ich mich dann gewöhnlich in meinen Kopfhörern, schließlich sitze ich, mit Glück um viertel vor acht, an meinem Schreibtisch.

Das Lehrerzimmer, im Vordergrund mein Schreibtisch
Das Lehrerzimmer, im Vordergrund mein Schreibtisch
Mein Fahrrad
Mein Fahrrad

Jedenfalls wäre es so, wenn nicht gerade letztes Wochenende mein Fahrrad kaputtgegangen wäre. Aber laufen ist zur Abwechslung auch ganz entspannt, zumindest nachmittags und wenn ich es nicht eilig habe – für morgens weiß ich inzwischen immerhin die Busfahrzeiten und die Linie.

Essen aus der Kantine - ein ungarisches Gericht, Schupfnudeln mit Mehl und Marmelade
Essen aus der Kantine – ein ungarisches Gericht, Schupfnudeln mit Mehl und Marmelade

Anschließend verbringe ich an den meisten Tagen erst einige Zeit im Deutschlehrerzimmer – es gibt tatsächlich ein eigenes, durchaus gemütliches Lehrerzimmer für den deutschen Zweig. Dort korrigiere ich Texte, bereite etwas vor oder beschäftige mich auch mal anderweitig, zum Beispiel mit diesem Blog. Im Laufe des Tages treffe ich einzelne Schüler, gehe in Stunden oder helfe spontan dort, wo es notwendig ist. Zwischen elf und eins holen dann ein oder zwei von uns, oft ich mit wechselnder Begleitung, das Mittagessen, das am Anfang der Woche in der Kantine der benachbarten Grundschule bestellt wird.

Der Nachmittag schließlich vergeht meist schnell. Ich arbeite noch etwas, trage Termine in meinen Kalender ein, lerne einige ungarische Vokabeln oder ich schnacke einfach eine Weile, zum Beispiel mit der Praktikantin oder der Bibliothekarin. Die Schule verlasse ich zwischen drei und vier, manchmal setze ich mich noch in ein Café oder gehe in ein, zwei Läden, ich treffe mich auch schon mal mit Dóra in der Stadt, zum Shoppen oder Eis essen. Meist jedoch zieht es mich nach Hause:

Ich räume auf oder koche, lese etwas oder schaue einen Film, schreibe Nachrichten, telefoniere oder skype, quatsche mit Dóra oder mache einfach nichts. Die Abende gehen so immer schnell vorbei, ohne dass ich recht weiß, wie und womit. Und oft gehe ich zu spät ins Bett, denn müde bin ich zwar morgens, manchmal auch mittags oder nachmittags, nie aber abends…

Und morgen beginnt auch endlich mein Sprachkurs – ich bin gespannt. Megszeretnék tanulni magyarul!

Szeretettel!

Silja

Hier fängt die Geschichte an.

Oder eigentlich fing sie bereits vor einigen Tagen, Wochen, Monaten oder sogar Jahren an.

Lasst uns eine kleine Zeitreise machen:

Vor Jahren bereits entschied ich mich, nach meinem Abitur ein Jahr im Ausland zu verbringen, am besten im Rahmen eines Freiwilligendienstes. Nach langem Suchen und dem Besuch mehrerer Messen zum Thema Auslandsaufenthalt war die Organisation kulturweit gefunden. kulturweit

Ich fieberte dem Zeitpunkt entgegen, an dem ich mich bewerben konnte, doch als er endlich da war, hatte ich so viel um die Ohren, so viel anderes im Kopf, dass ich die Bewerbung nur als eine lästige Pflicht empfand. Stundenlang mussten Dokumente zusammengesucht werden, ich bat um Bescheinigungen für dieses und für jenes und auch um eine Referenz. Texte über meine Motivation, über den Umgang mit verschiedenen Situationen, über meine Vorstellungen und Wünsche wurden geschrieben, verworfen, um Mitternacht neu geschrieben.

Die Bewerbung Ende November endlich abgeschickt, konnte ich mich wieder auf Anderes konzentrieren: Die Vorweihnachtszeit, Weihnachten, die ersten Januarwochen zogen vorbei, bis schließlich Ende Januar die Nachricht kam – ich war zu einem Auswahlgespräch bei der Organisation PAD/ZfA eingeladen worden. Zusammen mit einem Freund von mir, Rune, der sich auch bei kulturweit beworben hatte und bei der gleichen Organisation, am gleichen Tag, zur gleichen Zeit wie ich sein Auswahlgespräch hatte, fuhr ich den von Schleswig-Holstein aus doch recht weiten Weg nach Bonn.

Auswahlgespräch – aufgeregt, aufgedreht… aufgerufen… aufgepasst, aufgetaut, aufgefallen und vorbei.

Für diese halbe Stunde und einige neue Bleistifte so viele Stunden Zugfahrt? Das Warten begann, das Abitur rückte näher – schriftliche Prüfungen, Ferien, Mottowoche und mittendrin die Zusage.

Ungarn? Pécs? Emotionen, Überlegungen, Gedanken überschlugen sich. Pause. Warum eigentlich nicht?

Es folgten die Platzannahme und der motivierte Versuch, erstes Ungarisch zu lernen, der jedoch allzu bald überlagert wurde von Reisen, Treffen mit Freunden und dem Lernen für die mündlichen Abiturprüfungen, schließlich Abistreich, -entlassung, -ball.

Abiturentlassung
Mein Jahrgang bei der Abiturentlassung

So viele Dinge hatte ich noch vor, so viel war noch zu erledigen – von Frankreich aus die Suche nach einer Wohnung mithilfe von Facebook, Googleübersetzer und Englisch; bald schon die ersten Verabschiedungen. Ich versuchte, mich dazu zu motivieren, einen Blog zu erstellen, scheiterte jedoch bereits an der Wahl eines Namens, ich versuchte, mich dazu zu motivieren, die ersten Sachen zu packen, doch was packt man ein, was lässt man da? Stress. Und schon saß ich im Zug Richtung Hamburg, dann Richtung Berlin, Richtung Vorbereitungsseminar.

So schnell war die Zeit vergangen, hatte ich mich nicht eben erst beworben?

Vor dem Berliner Bahnhof traf ich die ersten Mitfreiwilligen, unter anderem Isabella, Margareta und Peter, die anderen „Pécser”. Es folgten gefühlt tausendfach die Fragen: „Wie heißt du? Wohin gehst du? Und wie lange? Auch ein Jahr? Hast du auch gerade Abitur gemacht oder studierst du schon?” Zum Glück bekamen wir nach einer über eine Stunde langen Busfahrt, auf der ich mich mit Nicolas, den ich bereits in Bonn kennengelernt hatte, unterhielt, Schilder mit Namen und Einsatzland, die zumindest die ersten Fragen etwas seltener werden ließen. Außerdem erhielten wir eine Kulturweit-Trinkflasche und unsere Zimmerschlüssel. Eigentlich. Denn auf der Liste für die Zimmer fehlten ein paar Namen, unter anderem der von Lukas, Hannes und mir. Also brachten wir unser Gepäck ins Seminarhaus und gingen erst einmal an den wunderschönen See.

Werbellinsee
Entspannte Stimmung am Werbellinsee
Werbellinsee
Am Ufer sind neben der großen Badestelle regelmäßig kleine Badebuchten zu entdecken

Bald begann das Seminar offiziell; schon die Einführungsveranstaltung warf Fragen auf und irritierte. Schnell stellte sich heraus, dass das Hauptthema des Vorbereitungsseminars Rassismus, die priviligierte Stellung Weißer sein würde. Im Verlaufe des Seminars hörten wir Vorträge und diskutierten, verschiedene Meinungen kristallisierten sich heraus. Besonders die ersten unserer zehn Tage am Werbellinsee waren durchaus anstrengend, emotional, in jedem Fall aber lernten wir daraus. Später wurde es etwas ruhiger, wir verbrachten viel Zeit in den sogenannten „Mikroblicken”, kleinen Gruppen mit jeweils einem Trainer oder einer Trainerin. Bald kannte man sich, wir sangen zusammen, lösten einen „Gordischen Knoten”, ernste Gespräche fanden aber auch Raum. Aufgelockert wurde die Thematik zusätzlich durch Workshops zu anderen Themen, wie etwa Theater oder Unterrichtsgestaltung.

Das Gästehaus
Das Gästehaus

Doch zurück zu jenem ersten Abend, an dem wir schließlich doch ein Zimmer zugewiesen bekamen; im Gästehaus, etwas abseits von den anderen, aber dafür näher am See und mit gemütlichen Sofaecken ausgestattet, teilte ich mir ein Zimmer mit Benni. Wir packten aus und fielen ins Bett. Dieser Abend sollte der einzige bleiben, an dem ich verhältnismäßig früh schlafen ging, der Tag mit Ausnahme von zwei kalten Regentagen der einzige, an dem ich nicht schwimmen ging. Der Werbellinsee war warm und das Wasser klar. Bei Sonnenschein lagen wir in den Pausen am Wasser, schwammen, redeten, träumten. Abends dann sahen wir vom Steg aus zu den Sternen hinauf, Sternschnuppen so zahlreich, dass sie für unser aller Wünsche genügten, Musik und verständnisvolle Menschen, beginnende Freundschaften, wir teilten Erwartungen und Erinnerungen, blickten in Zukunft und Vergangenheit – bald waren die Abende das vielleicht Schönste. Ein großes Danke an euch, die ihr mit mir diese besonderen Momente teiltet und sie überhaupt erst möglich machtet. Ihr wisst es bestimmt, wenn ihr gemeint seid, deshalb zähle ich an dieser Stelle keine Namen auf. Ich hoffe, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren!

Hervorheben möchte ich noch die Werwolfrunden – Chris, du bist ein grandioser Spielleiter – und den Abend, an dem wir mit einer kleinen Gruppe Improtheater spielten, ich habe lange nicht mehr so gelacht. Außerdem das Regionenabendessen und unseren anschließenden Abend zusammen, ich freue mich sehr darauf, euch alle beim Zwischenseminar im November wiederzusehen! Und schließlich unsere Abschiedsfeier am letzten Abend und die Spaziergänge am Seeufer, tags wie auch nachts.

Zauberhafte Abendstimmung
Zauberhafte Abendstimmung
Danke, Cécile, für dieses tolle Foto!
Danke, Cécile, für dieses tolle Foto!

Alles in allem war das Vorbereitungsseminar eine wirklich schöne Zeit, die mich bereits verändert hat. Danach wieder nach Hause zu fahren war ein seltsames Gefühl. Mein Zuhause fühlte sich plötzlich zu klein an. Als ich nach zwei Tagen mit viel zu viel Gepäck schließlich losfuhr, wollte ich plötzlich aber doch noch ein wenig bleiben.

Nach etwa 24 Stunden kam ich schließlich hier in Pécs an. Bis Budapest war die Fahrt ruhig gewesen und ich lernte hilfreiche und interessante Menschen kennen, in Budapest jedoch verpasste ich meine Haltestelle (hier ein Dankeschön an die ungarische Bahn dafür, dass die Stationen oft nicht angesagt werden) und musste mit meinem doch recht schweren Gepäck per U-Bahn quer durch Budapest fahren, nur um dann wieder zurückzufahren, da der Bahnhof, an dem ich fälschlicherweise ausgestiegen war, sich schließlich als sinnvollste Alternative erwies.  Nachmittags, statt wie geplant mittags, erreichte ich aber doch Pécs – und das mit allen Gepäckstücken.

Meine ausgesprochen nette Ansprechpartnerin, Timi, holte mich ab und fuhr mich zu meinem Zuhause für das nächste Jahr, ein Zimmer in einer kleinen, alten, aber gemütlichen Wohnung etwas außerhalb vom Zentrum im vierten Stock eines Wohnblocks, die ich mir mit einer ungarischen Studentin, Dóra, teile. Sie traf ich dann auch vor der Wohnung und zusammen trugen wir mein Gepäck die Treppen hoch… Anschließend saßen wir zusammen, redeten, ich richtete mich ein und fiel müde ins Bett.

Das Leöwey Klára Gimnazium, meine Einsatzstelle
Das Leöwey Klára Gimnazium, meine Einsatzstelle

Am nächsten Morgen brachte mich Dóra mit dem Bus zu meiner Einsatzstelle, dem Leöwey Klára Gimnázium. Mein erster Arbeitstag dort. Gespannt betrat ich die Schule, auf den ersten Blick ein Labyrinth, doch schon bald fand ich mich besser zurecht. Von den anderen Deutschlehrer_innen sowie ausnahmslos allen weiteren Menschen, denen ich vorgestellt wurde, wurde ich sehr freundlich aufgenommen, und schon bald standen erste Sachen auf meinem Schreibtisch, zwei weitere Schlüssel hingen an meinem Schlüsselbund. Hinzu kam der Fahrradschlüssel für mein „Dienstfahrrad”, ein Fahrrad, welches eigentlich dem gesamten Kollegium zur Verfügung steht, das ich aber freundlicherweise dauerhaft benutzen darf. Mittags schlenderte ich das erste Mal durch die Innenstadt von Pécs, die aufgrund ihrer vielen Farben von innen heraus zu strahlen scheint, aß mein erstes Pécser Eis (es gibt hier an jeder Ecke Eisdielen, günstig und viel zu lecker…) und bekam einen ersten traumwandlerischen Eindruck von der Stadt. Später machte ich mich mithilfe einer Karte aus der Touristeninfo mit dem Fahrrad auf den Rückweg und fand auch tatsächlich ohne Probleme heim. Der erste Einkauf (im Laden stand ich verzweifelt vor der Obst- und Gemüsewaage, fand die Zwiebeln nicht, die ich kaufen wollte – Insidertipp: „tovább” heißt weiter), das erste auf dem alten, mehr oder weniger funktionierenden Gasherd gekochte Essen und schließlich, endlich, schlafen.

Nach einem weiteren Tag – noch waren meine Aufgaben in der Schule nicht recht definiert, ich musste meinen Platz noch finden – war bereits Wochenende. Dieses nutze ich dazu, die Stadt zu erkunden, meine Kamera und ich entdeckten neue Straßen, besichtigten den Dom und kletterten auf den Turm, trafen im Zuge des Stadtfestes mehrfach auf einen Karnevalsumzug und besichtigten die Synagoge. Ich traf mich außerdem mit Anna, einer weiteren ungarischen Studentin, die ich über die Wohnungssuche kennengelernt hatte, versuchte, meine ersten Ungarischkenntnisse anzuwenden: „Szeretnék egy Döner”, die Antwort: „Spicy?”, traf mich mit den anderen Freiwilligen und entspannte.

Pécs am Tag:

Pécs abends und nachts:

Die Kathedrale St. Peter und Paul:

Die Synagoge von Pécs:

Mittlerweile sind wir beinahe im Jetzt angekommen. Es ist Mittwochabend, drei weitere Tage an der Schule sind vergangen, ich lerne langsam die Namen, zumindest die der Lehrkräfte, und es bilden sich Aufgaben heraus – Korrigieren, Hospitieren, DSD-Vorbereitung, Hilfe in der Bücherei…

An sich komme ich inzwischen gut zurecht, Forint werden mir immer geläufiger, es fügen sich einige neue Wörter auf Ungarisch in meinen Wortschatz ein, ich erkenne, welcher Schlüssel zu welchem Schloss gehört, das Fahrrad ist auf meine Größe eingestellt und ich finde mich in Schule und Stadt zurecht. Letzteres zumindest, solange ich nicht versuche, mit Einkäufen bepackt bei Regen einen neuen Weg nach Hause zu nehmen. Das führt nur dazu, dass ich mich am völlig falschen Ende der Stadt unter einem Dach wiederfinde, wartend, dass der Regen aufhört, auf meinen Stadtplan blickend, während es langsam dunkler wird.

Ich schmecke noch die Pfannkuchen nach, die ich eben mit meiner wunderbaren Mitbewohnerin gegessen habe, und ich möchte meine Wohnung etwas außerhalb mit der Viertelstunde Fahrradweg nicht gegen eine Wohnung innerhalb mit fünf Minuten Fußweg tauschen. Ich habe mich sogar beinahe daran gewöhnt, mitten auf der Straße zu fahren und mich wie ein Auto auf einem Abbiegestreifen einzuordnen.

Es bleibt noch der Gang zum Einwohnermeldeamt, das endgültige Organisieren eines Sprachkurses, das Verzieren meiner Wände, vielleicht der Kauf eines Papierkorbes und eines Spiegels und schließlich noch so viel zu lernen, zu entdecken, zu erleben, so viele Leute kennenzulernen!

Meinen ersten, verspäteten, aber dafür ausführlichen Blogeintrag möchte ich jedoch nicht mit einem Blick auf Ungarn, sondern auf Deutschland schließen, genauer gesagt auf die Menschen dort, die mich geprägt und unterstützt haben und so dafür verantwortlich sind, dass ich heute hier, in Pécs, an meinem Schreibtisch sitze und diesen Text schreibe. Danke, dass ihr immer für mich da seid!

Liebe Grüße aus Ungarn!