Leaving Leőwey (magyarul, deutsch)

Sziasztok!

Probalok magyarul írni, mert szeretném hogy minden magyar ismerősöm a Leőweyben, aki szeret, tud megolvasni azt:

Tegnap volt az utolsó hivatalos munkanap a Leőweyben és en kellett mondani „Viszontlátasra“ mindenkinek. Bisztos vissza fogok jönni és bisztos megtalálkozni néhany kollégámmal a nyáron, de most nem tudom kivel és azért egy kicsit szomorú vagyok, mert tölttem a tényleg nagyon jó időt itt az aranyosok kóllegákkal.

Az előzők hétekben sok utolsók eseményék volttak – például az utolsó fáradt „Guten Morgen“ („Jó reggelt“) egy ostályiban, az utolsó óra, az utolsó iskólánap diakokkal. És az is szomorú volt, mert nem csak a kollégaim, de az édesek diakaim is fogok hyiánzik nekem.

Emelett most nem befejezték az utolsók események; lesznek meg az utolsó beszelgetni magyarul az utcán, az utolsó pizzazni a lakótársammal vagy az utolsó sétalni a Széchényi Téren…

Térmészetesen az nem végül lesz, de a pillanaton. És az éleg szomorú… De szerencsere helyette fog jönni masik új dologok amik is jók lesznek.

Most csak szeretnék megköszönni mindenkinek az iskolában – az jó ismerősöket és baratomaimat – köszönöm egy szuper időt: a néhez és a könnyü feladatokot, az érdékes tapasztalatat, a megbeszéléset és a nevetéset…

Tényleg nagyon fogtak hyiánzik nekem!

Puszi

Silja

PS: A következő szövég, ami írtam tulajdonképpen az iskolá újságotra, mond egy kicsit részletesenebb amit csináltam a Leőweyben, miért jöttem ide magyarországon, mit tetszik és fog hyiánzik nekem a legtöbbet, mit szeretnék csinálni most az önkéntes évet útán és más. De az sajnos németül van, mert, még ha nekem nagyon tetszik a magyar nyelv és szeretnék megtanulni azt, most sajnos nem beszélek éleg jól, hogy tudok írni valamit néhezebb mint azt magyarul.

PPS: Tulajdonképpen akartom azt adni a lakótársamnak, hogy ő tud korrigálni a hibák – és vannak sok, az bisztos – de ő mondat hogy cukik vannak, akkor nem korrigáltunk semmit…


Eine kleine Verschnaufpause vor dem Pécser Dom

Hallo du,

hast du letztes Schuljahr im Leőwey auch manchmal ein Mädchen gesehen, das morgens noch halb im Schlaf auf das Deutschlehrerzimmer zutaumelte, den Kopf schieflegte und angestrengt die Stirn runzelte, wenn Ungarisch gesprochen wurde, oder vor Freude strahlte, wenn es mit den Schülern lachen konnte? Klang aus einigen Klassenzimmern manchmal vielleicht zu lautes Rufen oder Musik von Alligatoah?

Dann war das vermutlich ich.

„Silja Heidbrink és egy német önkéntes iskolában vagyok.“

Das Wort „önkéntes“ lernte ich wohl etwa zur gleichen Zeit wie „Jó napot!“ – Doch obwohl ich sogar auf Ungarisch sagen konnte, was ich in Ungarn mache, wurde es selten wirklich verstanden.

Denn was macht so eine Freiwillige eigentlich? Habe ich Lehramt studiert, bin ich eine Lehrerin? Warum wollte ich gerade nach Ungarn kommen? Gefällt es mir hier, lerne ich Ungarisch? Was möchte ich später machen?

Zuerst einmal: Nein, ich bin keine Lehrerin, ich habe noch nicht studiert, sondern bin erst 18 Jahre alt und habe letztes Jahr mein Abitur in Deutschland gemacht. Danach wollte ich, wie so viele junge Menschen, etwas von der Welt sehen, ich wollte reisen, entdecken, andere Menschen kennenlernen, mich selber finden – das volle Programm.

Um ehrlich mit euch zu sein, an Ungarn hatte ich dabei nicht gedacht. Aber meine Organisation, kulturweit, bietet jedem Bewerber nur eine einzige Stelle in einem Land unserer großen weiten Welt an. Mir wurde Ungarn vorgeschlagen, und da dachte ich plötzlich: „Warum denn nicht?“

Und so kam ich hierher und habe es keine Sekunde bereut, denn ich liebe Ungarn, Pécs und all die wunderbaren Menschen, die ich hier kennenlernen durfte!

És tanulok magyarul is, mert szeretnék beszélni magyar emberekkel és a magyar egy gyönyörü nyelv. Nagyon imádom.

Aber nun zurück zu der Frage, was eine Freiwillige macht, oder auch konkreter: Was mache ich hier am Leőwey? Die Antwort ist: vieles und auch mal nichts. Spannendes und auch mal Langweiliges. Sinnvolles und auch mal Unsinniges.

Ich unterrichte Grammatik – ja, auch das muss sein -, aber lieber spiele ich mit den Schülern Activity oder quatsche mit ihnen über Gott und die Welt (oder vielleicht eher über Szabolcs und die Schule). Ich korrigiere Texte oder Hausaufgaben und übe mit den Schülern für Prüfungen. Ich kopiere aber auch mal Zettel oder hole das Essen für uns Lehrer.

Kurzum – ich versuche zu helfen, wo und wem ich kann.

Und ich bin euch wirklich dankbar für die vielen großen und kleinen Dinge, mit denen ihr mich täglich zum Lächeln bringt:

Sei es der Moment, wo beim Improvisationstheater mit meiner Deutschgruppe aus der 9kn imaginär die Musik angemacht wird und im Nebenraum tatsächlich Musik angeht (magic exists); Tee trinken mit meinen zwei Lieblingsmädels aus der 10f; die 9a, die mir plötzlich spontan ein ungarisches Volkslied vorsingt; die Deutschgruppe aus den Neunten, bei denen ich einige Wochen im Winter regelmäßig den Unterricht vertrat und die sich immer so freuten, mich zu sehen; oder die vielen ernsten und weniger ernsten Gespräche mit den älteren Schülern – im Unterrricht, in Kleingruppen in der Bibliothek oder auch in einer Kneipe –, selbstverständlich nur mit Fanta oder Cola!

Aber um auch meine Kollegen hier nicht zu vergessen: Danke für die mir immer wieder mitgebrachte Schokolade oder die gehäkelte Blume, die eines Morgens auf meinem Tisch lag: „Ich habe für meine Kinder welche gemacht und ich dachte, du freust dich auch“; das Lächeln, das ich an der Pforte geschenkt bekomme und das Lachen zusammen mit Lehrern aus ganz anderen Ecken der Schule, Physik zum Beispiel – etwa über meine Versuche, Ungarisch zu reden; die vielen Diskussionen über so verschiedene Themen, wie Lehrer verschieden sind; das Vertrauen, das ihr in mich gesetzt habt; und all die bunten Ereignisse: unsere Lehrerpolka bei der Bandweihe etwa, mit allem, was dazugehörte – von den Proben bis hin zum Kauf eines Dirndls -, oder die wunderbaren Abende zusammen bei Feiern und nicht zuletzt natürlich die zwei Fahrten nach Graz, insbesondere die Lehrerfahrt.

Und, liebe Schüler – lasst euch eines gesagt sein: Lehrer sind, tatsächlich, ehrlich, keine Lüge, auch nur Menschen. Sie sind nicht immer gut gelaunt, manchmal sicher ungerecht oder wütend, aber eigentlich meist wirklich nett, humorvoll und intelligent. Genau wie ihr also, nur älter.

Während ich diesen Text schreibe – lange Zeit,  bevor ihr ihn lest -, liegt das Schuljahr in den letzten Zügen, rückt mein Abschied immer näher. Und auch wenn ich mich darauf freue, meine Familie und Freunde daheim in Deutschland wieder etwas regelmäßiger zu sehen, so bin ich doch gerade vor allen Dingen traurig:

Ungarn; das Leőwey; meine niedliche kleine Wohnung und meine ungarische Mitbewohnerin; die gefühlt immer sonnige Belváros (ich komme aus Norddeutschland; Regen ist unser bester Freund); Kollegen, Freunde; Schüler, die begeistert „Hallo Silja!“ rufen; kleine, aber schöne Reisen durch ein kleines, aber schönes Land, mal allein, mal mit Freunden aus Ungarn, Deutschland oder ganz anderen Ländern; den ständigen Wechsel zwischen Deutsch, Englisch und Ungarisch und manchmal sogar Französisch („Nagyon magnifique von euch“), die in meinen Ohren wiederklingende Ansage im Bus „Ez a 2/2A Uránváros felé“; der Pálinka, dem aus dem Weg zu gehen unmöglich ist; meine Versuche, Ungarisch zu reden, und meine geduldige Sprachlehrerin; mein häufig besuchtes liebenswertes Budapest und die Bekanntschaften, die ich auch dort gemacht habe; die EINMALIGEN anderen Kulturweitler; das Gefühl, immer spontan irgendwo vorbeikommen zu können…

All das werde ich nun bald hinter mir lassen, zusammen mit einem ordentlichen Stück meines Herzens.

Aber ich komme wieder!

Wenn auch nur für einen Besuch – doch ich vermisse euch bereits jetzt alle, also sage ich Viszontlátasra und nicht Hélo, während in meinem Kopf leise Cat Stevens singt:

„Oh very young, what will you leave us this time
You\’re only dancin\‘ on this earth for a short while
And though your dreams may toss and turn you now
They will vanish away like your dad‘s best jeans
Denim blue, faded up to the sky
And though you want them to last forever
You know they never will
(You know they never will)
And the patches make the goodbye harder still“

Bleibt so tökjó, wie ihr seid!

Eure Silja

Flashback II

Wir schreiben den ersten März; Aschermittwoch, aschgrauer Himmel, Himbeerteewetter – der perfekte Tag, sich in die dunklen, aber gemütlichen Tage der Weihnachtszeit zurückzuversetzen:

Die Adventszeit 2016 war für mich einerseits geprägt von der Suche nach Geschenken und dem Schreiben von Karten, während aus meiner kleinen Bluetoothbox in Dauerschleife Weihnachtsmusik und auch von Zeit zu Zeit das eine oder andere Hörbuch klangen. Auf dem Pécser Weihnachtsmarkt war ich wohl ein halbes Dutzend Mal, immer wieder fehlte mir noch ein Geschenk. Ich fühlte mich wie ein Weihnachtswichtel. Nebenbei erlebte ich wieder eine Menge: Schul- und Gospelchorkonzerte, das Weihnachtsprogramm der Schule inklusive Abendessen für den Lehrkörper, meine ersten Polkatanzstunden mit der Lehrertanzgruppe, Pécs weihnachtlich geschmückt – in ein Lichterkleid gehüllt, Rentiere im Arkad (zugegeben aus Plüsch) -, nicht zu vergessen die Fahrt zum Grazer Christkindlmarkt…

Andererseits war diese Zeit für mich geprägt von einer starken Vorfreude auf die Wochen zuhause und Sehnsucht nach meiner Familie, meinem Freund und dem windzerzausten Schleswig-Holstein. In meinem kleinen Pécser Zimmer kuschelte ich mich in Kerzenschein und Orangenduft umgeben von lauter Adventspäckchen, immer wieder fand ich einen Abholschein im Briefkasten, an dieser Stelle ein kleines Danke an meine Familie; ihr seid die besten!

Nun aber zu meinen Erlebnissen, Fotos gibt es natürlich auch wieder reichlich.

Aus Zagreb zurück, empfing mich ein strahlend geschmücktes Pécs; ich bummelte über den Weihnachtsmarkt, hörte Konzerte auf dem Széchenyi tér, traf Schüler in der Stadt, half bei dem Schnupperunterricht für Achtklässler und – nicht zu vergessen – entwarf und besprach Unmengen an Arbeitsmaterial über Advent und Weihnachten: Suchsel, Quiz, Vokabellisten und informative Texte; wir erstellten Präsentationen und hörten deutsche Weihnachtslieder.

In dieser Zeit versuchte ich auch, Schüler mit einem liebevoll erstellten Plakat, Schokolade, Keksen und Saft zu einem Deutschclub am Dienstagnachmittag zu motivieren; leider kam jedoch kaum jemand, so dass das Projekt rasch im Sande verlief.

Interessant auch der Versuch, mein Zimmer zu dekorieren – Kerzen, Süßigkeiten und Orangen waren zwar rasch gekauft, kleine Christbaumkugeln für einen Adventsstrauß lagen in dem Adventspaket von meinen Eltern, doch Tannenzweige sowie eine Vase für selbige fand ich lange nicht. Im Blumengeschäft kosteten erstere ein Vermögen, und woanders fand ich keine – bis mir schließlich eine Kollegin, Kriszta, Zweige aus ihrem Garten mitbrachte. Als Vase diente eine große Glaskanne.

Bald folgte die Fahrt nach Graz zum Christkindlmarkt. Kriszta, Timi, eine Busladung Schüler und ich machten uns freitagvormittags auf den Weg. Nach fünf Stunden Busfahrt, Zwischenstopp bei einem riesigen Tesco und einem äußerst mühseligen Weg mit einem viel zu großen Bus durch viel zu kleine und zugeparkte Grazer Straßen erreichten wir schließlich das Schülerwohnheim der Grazer Partnerschule des Leöwey.

Mit Timi, Kriszta und Timis Tochter beim Bummel durch die weihnachtlich geschmückte Altstadt von Graz

Auf ein schnelles Abendessen folgte ein ausgedehnter Bummel durch die Innenstadt über die vielen kleinen Weihnachtmärkte mit gemütlichem Punschtrinken und Unterhaltungen. Zusammen mit Timi, Kriszta und Timis Tochter schlenderte ich durch die festlich beleuchteten Straßen.

Am darauffolgenden Tag, Samstag, ging es bereit um zehn wieder in die Stadt. Mit der Schlossbergbahn fuhren wir – nun, zum Schloss. Dort erneut ein kleiner Weihnachtsmarkt, tolle Ausblicke und, im Gegensatz zu den anderen beiden Punkten eher unerwartet, drei flauschige Lamas. Mittags trennten wir uns – Freizeit. Während die Schüler diese wohl weitestgehend mit Shopping oder ähnlichem verbrachten, ging unser Vierergrüppchen auf eine Sightseeingtour. Von der berühmten Grazer Doppelwendeltreppe bis hin zum Dom sahen wir die Highlights des Stadtbildes. Auch für Shopping bei Zara und einige weitere Themenweihnachtsmärkte blieb Zeit – besonders toll fand ich den Kunsthandwerksmarkt und den internationalen Weihnachtsmarkt, auf dem ich als Andenken ein Paar Ohrringe fand. Hungern mussten wir auch nicht, gingen wir doch zu „Nordsee“ zum Mittagessen – und dafür fahre ich nach Ungarn beziehungsweise Österreich?

Von den vielen Eindrücken der kaum 24 Stunden in Graz redlich müde, stiegen wir in den Bus zurück nach Pécs, der eine halbe Stunde später auch schließlich losfuhr, nachdem alle Mädchen noch einmal schnell zur Toilette gegangen waren – an der Raststätte, an der wir von der (an Adventsonntagen übrigens kostenlosen) Straßenbahn in den Bus wechselten, gab es genau eine.

Bei der Rückkehr nach Pécs erwartet uns Schnee

Verschlafen erreichten wir schließlich Pécs, wo eine Überraschung auf uns wartete: Schnee! Hinter der Schule aber war die weiße Pracht schon zu Ende – eine Schneekante…

 

 

 

Es folgten noch einige Tage Schule, angefüllt mit Festprogrammen wie Weihnachtskonzerten des Schulchors oder einer in die Schule eingeladenen Big Band, Weihnachtsfeiern – offiziell im Festsaal der Schule, privat zwischen den Stunden im Lehrerzimmer, aber dennoch mit großem Buffet-, und am letzten Abend vor den wohlverdienten Ferien die große Feier des gesamten Kollegiums, zu der auch ich eingeladen war. Leckeres Essen und interessante Gespräche – mit einem seltsamen Gefühl im Magen verließ ich schließlich die Schule, die nächsten zweieinhalb Wochen würde ich wieder in Deutschland verbringen.

Die Entscheidung, über Weihnachten nach Hause zu fahren, bereue ich übrigens in keinster Weise. Sicher wäre es auch interessant gewesen, die Feiertage in Ungarn zu verbringen oder das Jahr 2017 in Budapest zu beginnen, doch ebenso wichtig, wie es ist, neue Erfahrungen zu machen, ist es, über lauter aufregenden neuen Erlebnissen seine Wurzeln und die Menschen, die nicht nur flüchtig das eigene Leben streifen, sondern fest verankert im Herzen sind, nicht zu vergessen. Es war unglaublich schön, meine Familie, Freunde und meinen Freund wiederzusehen, den Hund zu knuddeln oder am Ufer des Meeres zu stehen, eiskalte Salzluft in der Nase, sanftes Rauschen in den Ohren – die Gedanken auf den Schwingen des Windes treiben lassen…

Beruhigend zu wissen, dass, auch wenn sich manches verändert hat, einige Dinge doch immer gleich bleiben.

Zwischen viel Weihnachtsstress und diversen Erledigungen flogen die Tage geradezu vorbei, kaum hatte ich Zeit, mich einmal hinzusetzen; die Großeltern kamen oder wurden besucht, die Freunde zur Feuerzangenbowle eingeladen, mein neues altes Kleid aus Zagreb wurde bei der Hochzeit meiner Patin eingeweiht, und selbst den Stadtbummel mit meiner besten Freundin nutzte ich noch für den Gang zur Versicherung. Nur wenige Tage blieben einzig dem Genuss vorbehalten – dem Spaziergang mit meiner Mutter am Meer oder dem Ausflug mit meinem Freund nach Hamburg.

Dennoch fand ich zwischen all dem Trubel eine alte Ruhe, schnell kamen bekannte Routinen zurück, bald war es, als wäre ich nie weggewesen.

Nach einem erneuten Abschied und einer äußerst abenteuerlichen Zugfahrt inklusive langem Warten am unglaublich kalten Bahnhof – durch die schließlich notwendige Umbuchung auf einen Nachtzug auf Kosten der Bahn blieb mir allerdings angenehmerweise die Zwischenübernachtung in Budapest erspart – hatte mich schließlich Pécs wieder. Das alte Lied: Wer günstig reist, reist unbequem.

Zum Abschluss möchte ich euch nun noch einige Impressionen des Pécser Schneezaubers nicht vorenthalten:

Bis auf ein Weiteres

Silja

Hier fängt die Geschichte an.

Oder eigentlich fing sie bereits vor einigen Tagen, Wochen, Monaten oder sogar Jahren an.

Lasst uns eine kleine Zeitreise machen:

Vor Jahren bereits entschied ich mich, nach meinem Abitur ein Jahr im Ausland zu verbringen, am besten im Rahmen eines Freiwilligendienstes. Nach langem Suchen und dem Besuch mehrerer Messen zum Thema Auslandsaufenthalt war die Organisation kulturweit gefunden. kulturweit

Ich fieberte dem Zeitpunkt entgegen, an dem ich mich bewerben konnte, doch als er endlich da war, hatte ich so viel um die Ohren, so viel anderes im Kopf, dass ich die Bewerbung nur als eine lästige Pflicht empfand. Stundenlang mussten Dokumente zusammengesucht werden, ich bat um Bescheinigungen für dieses und für jenes und auch um eine Referenz. Texte über meine Motivation, über den Umgang mit verschiedenen Situationen, über meine Vorstellungen und Wünsche wurden geschrieben, verworfen, um Mitternacht neu geschrieben.

Die Bewerbung Ende November endlich abgeschickt, konnte ich mich wieder auf Anderes konzentrieren: Die Vorweihnachtszeit, Weihnachten, die ersten Januarwochen zogen vorbei, bis schließlich Ende Januar die Nachricht kam – ich war zu einem Auswahlgespräch bei der Organisation PAD/ZfA eingeladen worden. Zusammen mit einem Freund von mir, Rune, der sich auch bei kulturweit beworben hatte und bei der gleichen Organisation, am gleichen Tag, zur gleichen Zeit wie ich sein Auswahlgespräch hatte, fuhr ich den von Schleswig-Holstein aus doch recht weiten Weg nach Bonn.

Auswahlgespräch – aufgeregt, aufgedreht… aufgerufen… aufgepasst, aufgetaut, aufgefallen und vorbei.

Für diese halbe Stunde und einige neue Bleistifte so viele Stunden Zugfahrt? Das Warten begann, das Abitur rückte näher – schriftliche Prüfungen, Ferien, Mottowoche und mittendrin die Zusage.

Ungarn? Pécs? Emotionen, Überlegungen, Gedanken überschlugen sich. Pause. Warum eigentlich nicht?

Es folgten die Platzannahme und der motivierte Versuch, erstes Ungarisch zu lernen, der jedoch allzu bald überlagert wurde von Reisen, Treffen mit Freunden und dem Lernen für die mündlichen Abiturprüfungen, schließlich Abistreich, -entlassung, -ball.

Abiturentlassung
Mein Jahrgang bei der Abiturentlassung

So viele Dinge hatte ich noch vor, so viel war noch zu erledigen – von Frankreich aus die Suche nach einer Wohnung mithilfe von Facebook, Googleübersetzer und Englisch; bald schon die ersten Verabschiedungen. Ich versuchte, mich dazu zu motivieren, einen Blog zu erstellen, scheiterte jedoch bereits an der Wahl eines Namens, ich versuchte, mich dazu zu motivieren, die ersten Sachen zu packen, doch was packt man ein, was lässt man da? Stress. Und schon saß ich im Zug Richtung Hamburg, dann Richtung Berlin, Richtung Vorbereitungsseminar.

So schnell war die Zeit vergangen, hatte ich mich nicht eben erst beworben?

Vor dem Berliner Bahnhof traf ich die ersten Mitfreiwilligen, unter anderem Isabella, Margareta und Peter, die anderen „Pécser”. Es folgten gefühlt tausendfach die Fragen: „Wie heißt du? Wohin gehst du? Und wie lange? Auch ein Jahr? Hast du auch gerade Abitur gemacht oder studierst du schon?” Zum Glück bekamen wir nach einer über eine Stunde langen Busfahrt, auf der ich mich mit Nicolas, den ich bereits in Bonn kennengelernt hatte, unterhielt, Schilder mit Namen und Einsatzland, die zumindest die ersten Fragen etwas seltener werden ließen. Außerdem erhielten wir eine Kulturweit-Trinkflasche und unsere Zimmerschlüssel. Eigentlich. Denn auf der Liste für die Zimmer fehlten ein paar Namen, unter anderem der von Lukas, Hannes und mir. Also brachten wir unser Gepäck ins Seminarhaus und gingen erst einmal an den wunderschönen See.

Werbellinsee
Entspannte Stimmung am Werbellinsee
Werbellinsee
Am Ufer sind neben der großen Badestelle regelmäßig kleine Badebuchten zu entdecken

Bald begann das Seminar offiziell; schon die Einführungsveranstaltung warf Fragen auf und irritierte. Schnell stellte sich heraus, dass das Hauptthema des Vorbereitungsseminars Rassismus, die priviligierte Stellung Weißer sein würde. Im Verlaufe des Seminars hörten wir Vorträge und diskutierten, verschiedene Meinungen kristallisierten sich heraus. Besonders die ersten unserer zehn Tage am Werbellinsee waren durchaus anstrengend, emotional, in jedem Fall aber lernten wir daraus. Später wurde es etwas ruhiger, wir verbrachten viel Zeit in den sogenannten „Mikroblicken”, kleinen Gruppen mit jeweils einem Trainer oder einer Trainerin. Bald kannte man sich, wir sangen zusammen, lösten einen „Gordischen Knoten”, ernste Gespräche fanden aber auch Raum. Aufgelockert wurde die Thematik zusätzlich durch Workshops zu anderen Themen, wie etwa Theater oder Unterrichtsgestaltung.

Das Gästehaus
Das Gästehaus

Doch zurück zu jenem ersten Abend, an dem wir schließlich doch ein Zimmer zugewiesen bekamen; im Gästehaus, etwas abseits von den anderen, aber dafür näher am See und mit gemütlichen Sofaecken ausgestattet, teilte ich mir ein Zimmer mit Benni. Wir packten aus und fielen ins Bett. Dieser Abend sollte der einzige bleiben, an dem ich verhältnismäßig früh schlafen ging, der Tag mit Ausnahme von zwei kalten Regentagen der einzige, an dem ich nicht schwimmen ging. Der Werbellinsee war warm und das Wasser klar. Bei Sonnenschein lagen wir in den Pausen am Wasser, schwammen, redeten, träumten. Abends dann sahen wir vom Steg aus zu den Sternen hinauf, Sternschnuppen so zahlreich, dass sie für unser aller Wünsche genügten, Musik und verständnisvolle Menschen, beginnende Freundschaften, wir teilten Erwartungen und Erinnerungen, blickten in Zukunft und Vergangenheit – bald waren die Abende das vielleicht Schönste. Ein großes Danke an euch, die ihr mit mir diese besonderen Momente teiltet und sie überhaupt erst möglich machtet. Ihr wisst es bestimmt, wenn ihr gemeint seid, deshalb zähle ich an dieser Stelle keine Namen auf. Ich hoffe, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren!

Hervorheben möchte ich noch die Werwolfrunden – Chris, du bist ein grandioser Spielleiter – und den Abend, an dem wir mit einer kleinen Gruppe Improtheater spielten, ich habe lange nicht mehr so gelacht. Außerdem das Regionenabendessen und unseren anschließenden Abend zusammen, ich freue mich sehr darauf, euch alle beim Zwischenseminar im November wiederzusehen! Und schließlich unsere Abschiedsfeier am letzten Abend und die Spaziergänge am Seeufer, tags wie auch nachts.

Zauberhafte Abendstimmung
Zauberhafte Abendstimmung
Danke, Cécile, für dieses tolle Foto!
Danke, Cécile, für dieses tolle Foto!

Alles in allem war das Vorbereitungsseminar eine wirklich schöne Zeit, die mich bereits verändert hat. Danach wieder nach Hause zu fahren war ein seltsames Gefühl. Mein Zuhause fühlte sich plötzlich zu klein an. Als ich nach zwei Tagen mit viel zu viel Gepäck schließlich losfuhr, wollte ich plötzlich aber doch noch ein wenig bleiben.

Nach etwa 24 Stunden kam ich schließlich hier in Pécs an. Bis Budapest war die Fahrt ruhig gewesen und ich lernte hilfreiche und interessante Menschen kennen, in Budapest jedoch verpasste ich meine Haltestelle (hier ein Dankeschön an die ungarische Bahn dafür, dass die Stationen oft nicht angesagt werden) und musste mit meinem doch recht schweren Gepäck per U-Bahn quer durch Budapest fahren, nur um dann wieder zurückzufahren, da der Bahnhof, an dem ich fälschlicherweise ausgestiegen war, sich schließlich als sinnvollste Alternative erwies.  Nachmittags, statt wie geplant mittags, erreichte ich aber doch Pécs – und das mit allen Gepäckstücken.

Meine ausgesprochen nette Ansprechpartnerin, Timi, holte mich ab und fuhr mich zu meinem Zuhause für das nächste Jahr, ein Zimmer in einer kleinen, alten, aber gemütlichen Wohnung etwas außerhalb vom Zentrum im vierten Stock eines Wohnblocks, die ich mir mit einer ungarischen Studentin, Dóra, teile. Sie traf ich dann auch vor der Wohnung und zusammen trugen wir mein Gepäck die Treppen hoch… Anschließend saßen wir zusammen, redeten, ich richtete mich ein und fiel müde ins Bett.

Das Leöwey Klára Gimnazium, meine Einsatzstelle
Das Leöwey Klára Gimnazium, meine Einsatzstelle

Am nächsten Morgen brachte mich Dóra mit dem Bus zu meiner Einsatzstelle, dem Leöwey Klára Gimnázium. Mein erster Arbeitstag dort. Gespannt betrat ich die Schule, auf den ersten Blick ein Labyrinth, doch schon bald fand ich mich besser zurecht. Von den anderen Deutschlehrer_innen sowie ausnahmslos allen weiteren Menschen, denen ich vorgestellt wurde, wurde ich sehr freundlich aufgenommen, und schon bald standen erste Sachen auf meinem Schreibtisch, zwei weitere Schlüssel hingen an meinem Schlüsselbund. Hinzu kam der Fahrradschlüssel für mein „Dienstfahrrad”, ein Fahrrad, welches eigentlich dem gesamten Kollegium zur Verfügung steht, das ich aber freundlicherweise dauerhaft benutzen darf. Mittags schlenderte ich das erste Mal durch die Innenstadt von Pécs, die aufgrund ihrer vielen Farben von innen heraus zu strahlen scheint, aß mein erstes Pécser Eis (es gibt hier an jeder Ecke Eisdielen, günstig und viel zu lecker…) und bekam einen ersten traumwandlerischen Eindruck von der Stadt. Später machte ich mich mithilfe einer Karte aus der Touristeninfo mit dem Fahrrad auf den Rückweg und fand auch tatsächlich ohne Probleme heim. Der erste Einkauf (im Laden stand ich verzweifelt vor der Obst- und Gemüsewaage, fand die Zwiebeln nicht, die ich kaufen wollte – Insidertipp: „tovább” heißt weiter), das erste auf dem alten, mehr oder weniger funktionierenden Gasherd gekochte Essen und schließlich, endlich, schlafen.

Nach einem weiteren Tag – noch waren meine Aufgaben in der Schule nicht recht definiert, ich musste meinen Platz noch finden – war bereits Wochenende. Dieses nutze ich dazu, die Stadt zu erkunden, meine Kamera und ich entdeckten neue Straßen, besichtigten den Dom und kletterten auf den Turm, trafen im Zuge des Stadtfestes mehrfach auf einen Karnevalsumzug und besichtigten die Synagoge. Ich traf mich außerdem mit Anna, einer weiteren ungarischen Studentin, die ich über die Wohnungssuche kennengelernt hatte, versuchte, meine ersten Ungarischkenntnisse anzuwenden: „Szeretnék egy Döner”, die Antwort: „Spicy?”, traf mich mit den anderen Freiwilligen und entspannte.

Pécs am Tag:

Pécs abends und nachts:

Die Kathedrale St. Peter und Paul:

Die Synagoge von Pécs:

Mittlerweile sind wir beinahe im Jetzt angekommen. Es ist Mittwochabend, drei weitere Tage an der Schule sind vergangen, ich lerne langsam die Namen, zumindest die der Lehrkräfte, und es bilden sich Aufgaben heraus – Korrigieren, Hospitieren, DSD-Vorbereitung, Hilfe in der Bücherei…

An sich komme ich inzwischen gut zurecht, Forint werden mir immer geläufiger, es fügen sich einige neue Wörter auf Ungarisch in meinen Wortschatz ein, ich erkenne, welcher Schlüssel zu welchem Schloss gehört, das Fahrrad ist auf meine Größe eingestellt und ich finde mich in Schule und Stadt zurecht. Letzteres zumindest, solange ich nicht versuche, mit Einkäufen bepackt bei Regen einen neuen Weg nach Hause zu nehmen. Das führt nur dazu, dass ich mich am völlig falschen Ende der Stadt unter einem Dach wiederfinde, wartend, dass der Regen aufhört, auf meinen Stadtplan blickend, während es langsam dunkler wird.

Ich schmecke noch die Pfannkuchen nach, die ich eben mit meiner wunderbaren Mitbewohnerin gegessen habe, und ich möchte meine Wohnung etwas außerhalb mit der Viertelstunde Fahrradweg nicht gegen eine Wohnung innerhalb mit fünf Minuten Fußweg tauschen. Ich habe mich sogar beinahe daran gewöhnt, mitten auf der Straße zu fahren und mich wie ein Auto auf einem Abbiegestreifen einzuordnen.

Es bleibt noch der Gang zum Einwohnermeldeamt, das endgültige Organisieren eines Sprachkurses, das Verzieren meiner Wände, vielleicht der Kauf eines Papierkorbes und eines Spiegels und schließlich noch so viel zu lernen, zu entdecken, zu erleben, so viele Leute kennenzulernen!

Meinen ersten, verspäteten, aber dafür ausführlichen Blogeintrag möchte ich jedoch nicht mit einem Blick auf Ungarn, sondern auf Deutschland schließen, genauer gesagt auf die Menschen dort, die mich geprägt und unterstützt haben und so dafür verantwortlich sind, dass ich heute hier, in Pécs, an meinem Schreibtisch sitze und diesen Text schreibe. Danke, dass ihr immer für mich da seid!

Liebe Grüße aus Ungarn!