Aufstehen, Medo knuddeln, Dosi und die Schüler*innen verabschieden – schon steht mein Uber bereit. Es bringt mich dorthin, wo meine Reise in Rijeka angefangen hat: An den Heimathafen. Eine Heimat, die ich jetzt jedoch hinter mir lassen muss. Denn es geht weiter, dorthin, wo meine Reise in Kroatien angefangen hat, nach Zagreb.
Während ich im Bus sitze, denke ich mir, dass ich nach Corona wohl doch etwas vermissen werde: Einen Doppelsitz für mich allein zu haben. Draußen vor dem Fenster rauschen drei Jahreszeiten vorbei. Außerdem sehe ich noch einmal viele der Orte, die ich in den letzten Monaten besucht habe. Eine Abschiedstour. In Zagreb angekommen nehme ich das erste Taxi in der Reihe. Kein Sitzgurt, Maske (ganz Croatian Style) unter der Nase und mit Vollgas geht es los. Eigentlich habe ich es nicht eilig, aber lustig ist es schon, dass der Fahrer eine Straßenbahn aus dem Weg hubt.
Am Flughafen – einem architektonischen Meisterwerk aus Stahl und Glas – werde ich ausgespuckt und mache mich auf den Weg zum Schalter. Stattliche 22,8 kg bringt mein Gepäck auf die Waage und zugegeben: Ich bin ein wenig stolz auf diese Punktlandung (obwohl ich streng genommen beschissen habe). Auch die Frage nach meinem Corona-Test kann mich nicht aus der Ruhe bringen, denn die Mail mit dem negativen Ergebnis war das Erste, was ich heute Morgen gesehen habe. Spannend wird es allerdings noch, als der Schalterbeamte meine Einreiseanmeldung sehen möchte, denn die hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm. Doch kein Problem, schließlich kann man das Ganze ja schnell und umkompliziert online beantragen – normalerweise jedenfalls. Ich lande erst bei einer Seite, die einen abzocken möchte und dann spuckt die offizielle Webseite Fehlermeldungen am laufenden Band aus. Irgendwann merke ich, dass ich einfach nur oft genug auf den „senden“-Button tippen muss – jaja, Vorsprung durch Technik und so.
Mit dem Boardingpass in der Tasche mache ich einen raschen Kassensturz: Drei Kuna sind alles, was von meinem kroatischen Vermögen übrig geblieben ist. Eigentlich schade, denn hier in Zagreb haben die Cafes noch immer offen. Aber mit umgerechnet 50 Cent kommt man am Flughafen nun einmal nicht besonders weit und so landet mein letztes Geld in einer Trinkgeld-Büchse.
Weiter geht es, die Sicherheitskontrolle wartet. „Do You have any technology or liquids with You?“, fragt mich der dortige Beamte und ich muss lachen: „Lots!“, antworte ich und bekomme ein Lächeln zurück. „Take Your time“, sagt er entspannt – eine Aufforderung, der ich gerne Folge leiste. Drei volle Boxen später fühle ich mich hinreichend entblättert und will gerade durch die Kontrolle gehen, als die Kollgen dahinter kopfschüttelnd auf meine Schuhe zeigen. Entwürdigend. Sockig tapse ich also durch den Scanner (der natürlich trotzdem piepst) und lasse mich abtasten. Ein wenig erinnert mich die Szene an das Känguruh:
Um die optimale Security-Erfahrung abzurunden, wird mein Rucksack noch einem Sprengstofftest unterzogen, während ich mich und meine Sachen langsam wieder sortiere. Sagen wir’s so: Der Sicherheitsbeamte ist deutlich schneller fertig, als ich. Beim Einpacken stelle ich außerdem etwas frustriert fest, dass ich vergessen habe, meine Postkarten einzuwerfen. Und jetzt nach der Kontrolle sind die Briefkästen doch etwas dünn gesäht. Also frage ich die Verkäuferin eines Imbissstandes, ob sie so nett wäre, die Karten für mich abzusenden. Kurz: Sie ist es.
Von meinem Platz neben dem Gate schaue ich zu, wie unser Gepäck in das Flugzeug eingeladen wird, dann ist die Zeit für’s Boarding gekommen. Kaum im Flieger, wird mir eine medizinische Maske in die Hand gedrückt und ich werde zum Wechseln aufgefordet. Ein wenig melancholisch verstaue ich meine Stoffmaske in der Tasche – ob ich sie jemals wieder gebrauchen kann? Ein paar Minuten später sind wir von weißen Schäfchenwolken umgeben und obwohl ich gar keinen Versuch mache sie zu zählen, döse ich weg.
Als ich schließlich wieder aufwache, zeichnet sich bereits ein geordnetes Muster an Feldern unter uns ab. Der Landeanflug ist etwas holprig, „Aprilwetter“ erklärt der Pilot in ungewohntem Deutsch. Und nicht nur die Sprache hat sich geändert: Zurück am Boden soll diesmal – ganz regelkonform – nach der jeweiligen Sitzreihe ausgestiegen werden. Eine nette Idee, die jedoch gandios scheitert.
Als eine der Letzten verlasse ich das Flugzeug und werde von einem Spalier aus Polizisten begrüßt. Ein Anblick, der einen doch etwas nervös machen kann. Aber glücklicherweise warten sie nicht auf mich, denn ich darf sie ungehindert passieren und mich auf die Suche nach meinem Gepäck machen. „Convenient distance“ hatte uns die Stewardess versprochen, allerdings erscheint mir die Wanderung zum Gepäckband in der hintersten Ecke doch eher wie ein etwas fehlgeleiteter Versuch von Social Distancing. Immerhin: Auf dem Weg dorthin mache ich wenigstens einen Passkontrolleur „wunschlos glücklich“, als ich ihm meinen Pass, das negative Testergebnis und die Einreiseanmeldung vorzeigen kann.
Ebenfalls glücklich (da wiedervereint mit meinem Koffer), gönne ich mir eine Pause. Dabei stelle ich irritiert fest, dass auch am Frankfurter Flughafen einige Masken unter der Nase baumeln. Sofort fühle ich mich ein wenig heimisch. Noch mehr Vertrautheit kommt allerdings auf, als die S-Bahn zum Hauptbahnhof fünfzehn Minuten Verspätung hat. Aber als alte Häsin im Deutsche Bahn-Business habe ich natürlich extra eine Verbindung vorher genommen – sonst säße ich jetzt noch in Frankfurt. Und auch der ICE gibt sein Bestes, mich in Deutschland willkommen zu heißen: Aktuell haben wir zwar nur zehn Minuten Verzug (hihi – tolles Wort in diesem Kontext), aber ich bin mir sicher: Da geht noch was!
Und trotzdem: Wenn nicht alles schiefgeht, bin ich in wenigen Stunden in Leipzig – meinem alten, neuen Heimathafen. Wobei, trotz Kanälen und Seen passt der Hafen hier nicht wirklich. Dann vielleicht nur Heimat? So oder so: Leipzig ist eine ganz andere Geschichte…
Bin froh, dass du gut in Deutschland gelandet bist!! 🙂
Danke dir =) wer weiß, vielleicht trifft sich hier ja mal im Real-life