Gerade erst wurde das eine Frachtschiff aus dem Suez Kanal befreit, schon ist das nächste unterwegs – und damit meine ich natürlich mich selbst. Mit langen Umarmungen verabschiede ich mich von meinen Mitbewohnerinnen und mache mich mit vier vollgestopften Taschen auf den Weg zum Bus in die Hauptstadt.
Mit einem freundlichen Abwinken lässt der Fahrer mein Sammelsurium als Handgepäck durchgehen und gut gelaunt lasse ich mich in meinen Sitz fallen. Ein Problem gelöst, bleiben noch zwei weitere: Strom und WLAN, die Grundbedürfnisse eines Digital Natives – gerade in Zeiten des Home Offices.
Letztes lässt sich mit Hilfe des Fahrkartenkontrolleurs schnell einrichten, doch in Punkto Stromzufuhr erweist sich der Bus leider als Steckdosenfreie-Zone. Und so gibt mein braver, alter Laptop auch nach einer Stunde Nachbereitungsseminar traurig blinkend den Geist auf.
Mit dem Handy geht es weiter, wenngleich auch ohne WLAN. Denn obwohl wir uns langsam aber sicher der Hauptstadt näher, Internet ist und bleibt im 21. Jahrhundert so eine Sache.
Pünktlich zum Beginn der Mittagspause komme ich in Zagreb an und ächze ein wenig über den Weg vom Busbahnhof zum Hauptbahnhof. Aber ist er auch länger als gedacht, so führt er mich zumindest an einer bunt besprühten Mauer vorbei. Im Bahnhof schließe ich mein Gepäck ein und kehre wortwörtlich erleichtert an die frische Luft zurück.
Eineinhalb Stunden habe ich, bis es mit dem Seminar weitergeht. Und für die habe ich mir vorgenommen den letzten großen Park auf meiner Zagreb-Liste abzuhaken. Das Blöde an den Parks in Zagreb ist allerdings, dass sich diese meist etwas außerhalb befinden. Und mit etwas meine ich circa drei bis vier Blocks alias rund 30 Minuten. Entlang großer, stark befahrener Straßen stiefel ich los, überquere die Sava und erreiche einen kleinen Baggersee. Im Sommer muss es hier echt nett sein, mit der Open-Air-Bühne, den Spielplätzen und Eisständen. Auch ich kann natürlich nicht widerstehen und gönne mir ein spottbilliges Eis.
Was mich allerdings noch mehr verzückt, ist die Erkenntnis, dass einige Bänke des Parks Solarbänke mit Ladekabelanschlüssen sind. Mein Akku-Problem scheint gelöst – bis ich feststelle, dass sie nicht funktionieren. Die Buchsen sind verrostet…
In den verbleibenden fünfzehn Minuten bis zum letzten Teil des Seminars umrunde ich also den See und halte fleißig Ausschau nach Steckdosen. Und tatsächlich – am Ende werde ich fündig: In einem kleinen Toilettenhäuschen. Nicht gerade das Ritz, aber wen kümmerts! Ok, die Putzfrau schaut ein wenig verwirrt, als sie mich pfeifend auf dem heruntergeklappten Toilettendeckel findet, aber wer Out-of-Home-Office machen will, braucht einfach etwas Humor.
Mit ganz wundervollen 89 Prozent Akku breche ich schließlich wieder auf Richtung Innenstadt. Auf dem Damm begegne ich dabei einigen Schüler*innen-Trauben und frage mich schon, was die denn hier treiben, als wir an einem Mann vorbeikommen, der mit seinem Handy Codes auf den Handys der Schüler*innen einscannt. Sportunterricht in Zeiten Coronas – nicht übel.
Eigentlich hatte ich vor, auf dem Rückweg noch einen Lost-Place zu erkunden, aber leider kann ich die verlassene Fabrikhalle nicht finden. Aber vielleicht auch besser so, schließlich möchte ich mich noch mit Helen auf einen Kaffee treffen. Während ich auf sie warte, setze ich mich in den Park vor dem Hauptbahnhof und genieße den Blick auf das von Magnolienblüten eingerahmte Museumsgebäude im Vordergrund und die Spitzen des Doms und des Zagreber „Hausbergs“ Sljeme im Hintergrund. Ein Taubenmännchen schwirrt laut gurrend um ein Weibchen herum, dann pingt mein Handy:
Helens Bahn will nicht kommen und meine fährt bald schon wieder ab. Und so setze ich mich schon einmal ins Café und bestelle unsere Getränke.
Kurz darauf sehen wir uns das erste Mal in Person – und ich muss Arne zustimmen: Helen ist eine „Nette“ 😉 Außerdem hat sie das kroatische Bezahlen schon super drauf (das nächste Mal geht auf mich 😉 ). Nach unserem kurzen, aber knackigem Gespräch bringt sie mich noch schnell zum Zug. Dabei hätten wir – wie ich endlich entspannt in meinem Sitz angekommen bemerke – noch ganze zehn Minuten gehabt… Aber egal, denn am Wochenende sehen wir uns ja schon wieder. Und dann auch ein wenig länger!
Doch jetzt steht erst einmal ein anderes Wiedersehen an: Es geht nach Bjelovar. Sanft ruckelt der Zug vorbei an unzähligen Feldern und kleinen Örtchen. Ich schreibe ein wenig und als ich auf die Uhr schaue, sehe ich, dass meine Ankunft direkt bevorsteht.
Kaum aus dem Zug gehopst, steht Arne auch schon vor mir. Das etwas bockig Rennrad vor sich herschiebend führt er mich durch die Blickachsen des Festungsstädtchen – natürlich nicht ohne die kleinen aber feinen Sehenswürdigkeiten hervorzuheben. Nach einem weiteren kurzen Abendspaziergang vor dramatisch gerötetem Himmel zaubert Arne noch ein vollendetes Drei-Gänge-Menu auf den Tisch, dann geht es für uns ab in die Falle. Denn Arne muss morgen früh raus und auch ich bin hundemüde aber glücklich.