Archiv des Autors: Theresa Kunz

Hallo, ich bin jetzt wichtig (Woche 3)

Meine neu gewonnene Importanz (das ist wirklich ein deutsches Wort) stellte sich eines Tages in Form einer äußerst exklusiven Einladung ein.

Womit habe ich das verdient? Im positivsten Sinne, meine ich. Meine Leistungen hier gehen (bisher) gegen null. Aber die Tatsache, dass ich hier bin, als Deutsche, und mich engagiere(n werde) reicht wohl aus. Ich bin jetzt Teil eines Zirkels von Personen, die zum dritten Oktober zu einem festlichen Empfang in der Oper eingeladen werden.                                                                    Dieser Zirkel ist gar nicht so klein, stellte sich heraus. Wahrscheinlich braucht man gar keinen furchtbar besonderen Status, um eingeladen zu werden. Ein deutscher Pass (und eine Anstellung) genügt. Obwohl man jetzt so einen deutschen Pass durchaus als besonderen, privilegierten Status bezeichnen könnte. Aber das ist jetzt nicht Thema.

Was ist nochmal Thema? Genau, meine kurzzeitige Wichtigkeit, die sich dann doch als relativ bescheiden herausstellte. Aber immerhin habe ich jetzt einem deutschen Konsul die Hand geschüttelt. Und das Buffet war auch recht gut.                                                                                        Die Veranstaltung selbst war natürlich auch sehr wichtig – so wie ich. Es wurden Reden gehalten, die nebst den wunderbaren Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien sogar auch die Wiedervereinigung erwähnten. Die Sache mit den Beziehungen war mir davor auch noch nicht so bewusst. Ist aber natürlich alles ganz toll.                                                                          Dann natürlich noch dem Anlass angemessene Auftritte. Ich wusste nicht, dass München-Pasing ein Zithernorchester hat. Eines, das auf Europatournee geht.

Es bleibt:

  • Wichtig sein ist mal ganz unterhaltsam. Ich bin aber froh, dass es voraussichtlich ein vorübergehender Zustand für mich ist.
  • Wer auf einer Bühne Zither spielt, sieht so aus, als würde er gerade etwas abtippen.
  • Mehrere Redner auf der gleichen Veranstaltung müssen sich dringend mit ihren Themen abstimmen.
  • Sobald jemand den Sponsoren dankt, fühlt sich das Event gleich weniger vornehm an. Auch wenn es in einer Oper stattfindet und alle schick angezogen sind.
  • Hähnchenschlegel nicht auf dem Buffet servieren, wenn es keine Möglichkeit gibt, sie mit Messer und Gabel zu essen.

Betrachtungen aus der deutschen Blase (Woche 2)

Dies ist kein Text über die Bundestagswahl. Zumindest fast nicht.

Am Sonntag saß ich auf glühenden Kohlen. Ich wollte wissen, wie es ausgehen würde, wer die drittstärkste Partei würde, welche Koalitionen in Reichweite wären.                                                     Und das war alles kein Problem. Ich hatte die Auswahl zwischen Newstickern, Livestreams, Zeitungsartikeln. Ich konnte auf interaktiven Landkarten nachvollziehen, wo wie gewählt wurde. Es war also nicht ein Mangel an Informationen, der den Wahltag für mich so seltsam sein ließ.     Es war ein Mangel an Mitfiebernden.                                                                                                          Ich habe zwar mit den Leuten um mich herum über die Wahl gesprochen – mindestens zwei Mal wurde ich gefragt, ob Merkel wieder gewonnen habe – aber das ist nicht dasselbe, wie Sonntagabend vor dem laufenden Fernseher zu hängen, um die aktuellste Hochrechnung nicht zu verpassen. Wie sich als ganze Familie freuen oder ärgern (wenn auch teilweise aus unterschiedlichen Gründen). Wie sich im Freundeskreis über jedes Prozent einer verhassten Partei aufzuregen und sich insgeheim gemeinsam Sorgen zu machen.

Das ist keineswegs ein Vorwurf; ich hatte nicht erwartet, dass sich in Rumänien jemand großartig für die Feinheiten deutscher Innenpolitik interessiert.                                                            Aber es zeigt mir noch einmal, wie sehr ich die Welt aus meiner deutschen Blase betrachte; dass manches, was mir weltbewegend erscheint, eben doch nur deutschlandbewegend ist.

Also, angenommen, der neue Bundestag krempelt die Außenpolitik nicht komplett um; dann könnte es auch noch weltbewegend werden. Oder zumindest EU-bewegend oder so.

Ein schockierender Mangel an Schock (Woche 1)

Man hat mich vor dem Kulturschock gewarnt. Davor, dass alles, also wirklich alles, ganz anders sein würde als zu Hause. Davor, dass mir alles, also wirklich alles, erst einmal schlechter vorkommen würde.

Mir wurde geraten, mindestens drei Monate zu warten, bevor ich irgendetwas kritisiere, besonders alles, was mir „rückschrittlich“ vorkäme. Es wurde wohl erwartet, dass mir dieses Wort zuerst einfallen würde, sollte ich von der Situation in Rumänien berichten.

Ich bin seit mittlerweile einer Woche hier. Die Dinge beginnen, sich einzupendeln. Ich kenne inzwischen meine Buslinie, finde das Lehrerzimmer (und die Toiletten!) und überhaupt fast alles, was mein Herz begehrt. Man könnte sagen, der Schock hat sich gelegt.                                    Das wäre aber gelogen – ich war einfach nicht geschockt. Diesen angeblichen Moment, in dem man realisiert, wie weit man von daheim weg ist, gab es für mich nicht. Ich habe noch nichts entdeckt, wozu ich erstmal „rückschrittlich“ gedacht hätte (obwohl ich das wahrscheinlich auch nicht vor mir selbst zugeben würde).                                                                                                           Vielleicht habe ich den Ratschlag, allem vorurteilsfrei und mit offenem Herzen zu begegnen, erstaunlich erfolgreich beherzigt; oder die Dinge sind einfach nicht so extrem und anders, wie man sich das so vorstellt aus seiner deutschen Blase heraus.

Es ist nicht so, als wäre hier alles genau wie zu Hause. Oder als würde ich mich jetzt schon fühlen wie daheim.                                                                                                                                          Nur das Wort Schock ist eine schlechte Umschreibung dieses Zustandes. Schock bedeutet Erschütterung, ist irgendwie so dramatisch und weltverändernd.                                                          Aber der Zustand, den so ein Umgebungswechsel auslöst, ist, zumindest für mich, viel subtiler. Es ist die Gewissheit, auf eine bestimmte Art ein Außenseiter zu sein. Es ist die gewissermaßen touristische Neugierde, mit der man alles beobachtet (nur ohne diese Eile eines Touristen, der nur ein paar Tage bleibt, und mit einem Fokus auf die kleinen, alltäglichen Dinge). Es ist das kurze Zögern, bevor man etwas sagt oder tut, weil man nicht so genau weiß, wie gut man die Situation einschätzen kann.

Oder wer weiß, vielleicht bin ich auch einfach ein zutiefst unenthusiastischer Mensch.