Abschied (Woche 24, um nicht zu sagen: letzte Woche)

Mein Abschied von Rumänien hat sich genau eine Woche lang hingezogen. Vor sieben Tagen hatte ich meine ersten letzten Stunden mit den Schüler*innen und Klassen, die ich eben nur mittwochs sehe. Gesehen habe.

Emotional war diese Woche eine Achterbahnfahrt. Denn natürlich habe ich mich auf zuhause gefreut, auf die Menschen, aber auch darauf, wieder selbstverständlich an jedem Gespräch teilnehmen zu können. Aber gerade in dieser Woche hatte ich das Gefühl, mit einigen Schüler*innen, die mir schon von Anfang an sympathisch waren, wirklich Freundschaften aufzubauen. Und mir wurde immer stärker bewusst, wie sehr mein Leben in Rumänien für mich zum Alltag geworden ist.

Trotz, nein, wahrscheinlich eher wegen dieser Gefühllastigkeit des Abschieds ist der Gedanke daran bis jetzt noch irreal. Weniger die Tatsache, dass ich wieder nach Deutschland zurückfliegen würde, da der Flug nur zwei Stunden dauert, fühlt sich das nicht nach einer riesigen Entfernung an. Sondern mehr, dass es theoretisch keinen Grund gibt, noch einmal nach Zalau zu kommen.

In dieser Hinsicht hat es auch noch keinen aha-Moment gegeben. Wird es wahrscheinlich auch nicht mehr. Denn gerade möchte ich unbedingt noch einmal zurück. Nicht wegen der Stadt, die wirklich nicht viel zu bieten hat, wenn man nicht nur Natur, sondern auch Kultur will. Nicht wegen der Arbeit, die zwar nicht schlimm war, aber auch nichts, was ich weiter machen möchte. Ich will zurück, weil ich noch nicht fertig bin mit den Menschen, die ich kennen lernen durfte. Und natürlich, weil ich dank meiner partiellen Motivationslosigkeit noch viel anzuschauen habe.

Gleichzeitig weiß ich, dass das eventuell nur die direkten Nachwirkungen eines Abschieds sind, bei dem plötzlich die anstrengendsten Schüler*innen unglaublich nett und furchtbar traurig waren, meine Fähigkeiten als Freiwillige (unrealistisch) in den Himmel gelobt wurden und alles eben noch mal ein bisschen schöner war. Mal sehen, was daraus noch wird.

Letzte Chance (Woche 21)

Ich habe ein letztes Mal Ferien, für eine Woche. Der Plan war, diese Ferien zu nutzen, um noch unerforschte Ecken Rumäniens oder vielleicht eines Nachbarlandes zu erkunden.

Stattdessen sitze ich zu Hause, ohne einen wirklichen Plan für diese Woche und ohne Motivation, das zu ändern. Ich habe nicht mal eine vernünftige Ausrede. Ich bin nicht krank. Ich habe Zeit. Ich habe Geld. Vor allem: Es ist meine letzte Chance. Ich möchte zwar nach Rumänien zurückkommen, aber wer weiß, ob ich das schaffe. Also, warum bekomme ich meinen Arsch nicht hoch?

Ein Grund ist sicherlich das Wetter: Es ist kalt, es fällt beständig Schneeregen und überhaupt ist es sehr eklig. Das schreit nicht gerade nach Stadtbesichtigung oder gar Wanderung.

Und zweitens muss ich leider anführen, dass ich momentan so gar keinen Widerwillen verspüre, wieder nach Hause zu kommen und Rumänien vorerst hinter mir zu lassen. Ich hatte erwartet, an diesem Punkt jede Sekunde nutzen und am liebsten noch länger bleiben zu wollen. Aber das ist schlicht und einfach nicht der Fall.

Ich werde versuchen, trotzdem noch irgendetwas zu unternehmen. ich vermute, dass ich es sonst bereuen werde. Aber ganz sicher bin ich mir momentan nicht.

Endzeitgedanken (Woche 19)

Es ist jetzt nur noch ein Monat, und die Zeit zerrinnt mir zwischen den Fingern. Einerseits bin ich froh, wieder nach Hause zu kommen. Andererseits habe ich bei weitem noch nicht genug erlebt, gerade erst angefangen, die Sprache ein kleines bisschen zu verstehen, gerade erst angefangen, Freundschaften zu schließen.

Was ist hier aus mir geworden?

Zunächst, was ist aus der deutschen Blase geworden? Ich glaube, ich konnte sie verlassen, zumindest manchmal für einige Momente. Die Sprache, in der ich jetzt immerhin kurz Smalltalk halten kann (wenn man nicht die falschen Fragen stellt), war ein großer Teil dessen. Außerdem natürlich, in einem ungarisch-rumänischen Haushalt zu leben, andere Rumänen zu besuchen und Kontakt zu haben. Der Alltag, mehr oder weniger. Vielleicht habe ich jetzt sogar eine kleine rumänische Blase. Wir werden sehen.

Zweitens, bin ich noch wichtig? Antwort: Gelegentlich. Nächste Woche fahre ich zum Beispiel nach Bukarest in die Botschaft, weil Freiwillige dort von ihrem Alltag berichten sollen. Die meiste Zeit fühle ich mich aber eher ausgesprochen unwichtig. Außer, wenn ich in der Grundschule bin. Für die Grundschüler scheine ich nämlich sehr wichtig zu sein. Geradezu absurd. Viele Umarmungen auf Hüfthöhe.

Weiter. Wie steht es um die Abenteuer? Ich muss sagen, ich halte Abenteuer inzwischen für ein schrecklich überstrapaziertes Wort. Die wenigsten Dinge fühlen sich im Nachhinein abenteuerlich an; Vorfreude funktioniert, Nachabenteuer nicht (für mich). Allerdings hatte ich, dank rumänischer Preise, die Möglichkeit, viel und spontan zu reisen, und das ist doch schon mal was.

Es ist anstrengend, jeden Absatz interessant einzuleiten. In diesem geht es um Zeitgefühl. Wie oben schon erwähnt, vergeht die Zeit wie im Flug. Das ist im Klassenzimmer ein Vorteil und liegt wahrscheinlich daran, dass ich inzwischen halbwegs gut vorbereiten kann. In der Freizeit eher ist es allerdings eher traurig und manchmal ein bisschen stressig, weil ich weder auf den nächsten Tag noch auf meine Abreise wirklich vorbereitet bin.

Ebenfalls schon erwähnt habe ich meine Sprachfortschritte. Es geht langsam, aber es geht. Vor allem der Wortschatz ist einfach noch viel zu klein, und es ist nicht hilfreich, wenn Gesprächspartner dann sehr langsam das gleiche Wort wiederholen. Synonyme sind etwas schönes. Aber ich bin entschlossen, weiterzumachen.

 

 

Falls es nicht klar ist: Ich habe in diesem Text noch einmal die Themen aufgegriffen, über die ich am Anfang meines Freiwilligendienstes geschrieben habe. Wer verwirrt ist, kann die entsprechenden Texte ja (nochmal) lesen. Ich hoffe, es zeigt meine Veränderungen, ich würde sogar sagen, Fortschritte. Aber es ist noch nicht das endgültige Fazit. Angenommen, dass ich das überhaupt ziehen kann, kommt es ganz am Ende, vom Flughafen vielleicht.

Weihnachtsstimmung=Nostalgie? (Woche 17)

Weihnachten ist vorbei, und ich habe in den letzten Tagen einige Blogs gelesen, wahlweise darüber, wie es ist, Weihnachten erstmals nicht zu Hause oder seit Monaten mal wieder zu Hause zu sein.

Ich selbst bin ja in Rumänien geblieben und habe mir entsprechend die Frage gestellt, ob ich mit dem allgemeinen Konsens, dass ohne zu Hause auch keine richtige Weihnachtsstimmung aufkommt, zustimme. Kurz gesagt: Keine Ahnung.

Ich bin definitiv nostalgisch geworden in den letzten Wochen. Ich habe mehr und mehr festgestellt, dass ich zu Hause, also meine Freunde und Familie, vielleicht doch ziemlich vermisse. Mein Blick ist wahrscheinlich stark verklärt, nostalgisch eben. Aber die Leute, dich ich zurückgelassen habe, kommen mir gerade alle sehr toll vor; die Orte, an denen ich viel Zeit verbracht habe, sehr schön. Und Nostalgie ist auch irgendwie ein weihnachtliches Gefühl, oder?

Gleichzeitig habe ich die Gesellschaft der Freiwilligen, mit denen ich Weihnachten verbracht habe, sehr genossen. Die Nostalgie war letztendlich doch eher ein unterschwelliger, nur selten aufwallender Zustand.

Überhaupt fällt es mir schwer, festzulegen, was „Weihnachtsstimmung“ für mich ausmacht. Wie habe ich mich die letzten Weihnachten gefühlt? Gibt es für mich einen „jetzt ist Weihnachten“-Moment, der jedes Jahr irgendwann eintritt?

Setzt man also voraus, dass Nostalgie weihnachtlich ist, hatte ich dieses Jahr vielleicht das weihnachtlichste Weihnachten meines Lebens. Setzt man voraus, dass es ein anderes, aber eindeutiges Weihnachtsgefühl gibt, ist Weihnachten wohl einfach nicht so meins.

Vergessen (Woche 14)

Ich dachte lange Zeit, ich hätte ein ziemlich gutes Gedächtnis. Gedichte und Theatertexte konnte ich mir schon immer problemlos merken, und auch der Schulstoff war nie ein Problem. Irgendwann stellte ich fest, das es wohl doch nicht so grandios ist; meine Mutter ist regelmäßig erstaunt (und enttäuscht), weil ich mich partout nicht mehr an Reisen oder Ausflüge erinnern kann, bei denen ich nun wirklich nicht mehr so klein war.

Heute muss ich, selbst enttäuscht, feststellen, dass mein Gedächtnis ganz schön bescheiden ist. Um nicht zu sagen: beschissen. Diese Erkenntnis hat sich jetzt schon länger angebahnt. Ich komme zu ihr, weil ich anscheinend keine wirkliche Erinnerung an den Großteil meiner Schulzeit habe. Ich beziehe mich bei dieser Behauptung vor allem auf die Tatsache, dass ich nicht mehr sagen kann, wie wir (als Klasse) uns bei Gruppenarbeiten benommen haben. Was mir in der siebten, oder gar der fünften Klasse schwierig vorkam. Wann ich das erste mal bewusst das Wort „Argument“ gehört und/oder benutzt habe. Und das alles führt zu meiner Tendenz, alle Schüler wie beinahe-Abiturienten zu behandeln.

Mit den Lehrplananforderungen komme ich ja noch klar. Ich weiß, dass deutsch eine Fremdsprache für die Schüler ist und (ungefähr) auf welchem Niveau ich mit ihnen kommunizieren kann. Ich versuche mir zu merken, welche grammatikalischen Konstruktionen bekannt sind und welche nicht. Mein Versagen liegt beim Einschätzen von Sozialkompetenz. Ich gehe davon aus, dass Gruppenarbeiten in einer bestimmten Zeit erledigt werden können, weil die Schüler*innen in der Lage sind, zusammenzuarbeiten. Ich bin mir sicher, dass sie verstehen, wie viel einfacher es für uns alle ist, wenn sie in einem Mindestmaß mit mir kooperieren. Ich setze voraus, dass sie einschätzen können, bei wem die Schuld für eine schlechte Note liegt. Sozialkompetenz ist nicht das richtige Wort dafür. Selbstreflexion? Selbstreflektiertheit? Irgendwie sowas.

Ich muss manchmal an meine Schulfreundinnen denken, wenn ich wieder so im Klassenzimmer stehe und mich frage, warum denn diese Schüler*innen keine, meiner Meinung nach simple Gruppenarbeit zustande bringen. Diese Freundinnen, die gerade zum Teil als Au-pairs in der Welt verteilt sind und mir wahrscheinlich von vornherein hätten sagen können, warum das mit dieser Klasse nicht klappen wird. Es sind doch Kinder!

Es ist nicht das einzige Problem, das ich als „Lehrer“ habe – ich kann mittlerweile mit Sicherheit sagen, dass ich weder für diesen Beruf geboren bin noch Interesse habe, hineinzuwachsen. Ich brauche nur an den Papierkrieg, die Gefühlsarbeit und die Erwartungen mancher Eltern zu denken und freue mich schon darauf, hier fertig zu sein.

Immerhin nehme ich ein viel größere Wertschätzung für alle Lehrer*innen mit, die mich ertragen mussten. Sogar für die Schlechten. Ihr hattet es wahrscheinlich nicht einfach – nicht, dass ich mich an allzu viel erinnern könnte.

Gastfamilie (Woche 12)

Ich lebe ja nun seit mittlerweile drei Monaten bei einer Gastfamilie. Und um es in einem Wort zusammenzufassen: komisch.

Komisch wie ungewohnt. Es hat sich zwar inzwischen gelegt, aber vor allem zu Beginn ist der „Familien“-Teil von Gastfamilie wesentlich schwächer ausgeprägt als der „Gast“-Teil. Es fühlte sich seltsam an, einfach mal ins Wohnzimmer zu kommen und dort zu was-auch-immern, weil ich gerade nicht allein sein wollte. Denn letztendlich waren es eben erstmal Fremde, mit denen ich mich da umgab. Dieses Gefühl wurde schwächer – ich traue mich jetzt sogar, einfach Sachen aus dem Kühlschrank zu nehmen – aber es ist nicht ganz verschwunden. Und ich bezweifle, dass es das noch wird.

Komisch wie lustig. Stichpunkt Sprachbarriere: meine Gastmutter spricht deutsch, aber eher schlecht; mein Gastbruder deutsch (schlecht) und englisch (ziemlich gut), aber allgemein eher wenig; und mein Gastvater kann weder deutsch noch englisch wirklich, bemüht sich jedoch, in einem fröhlichen Mix der beiden mit mir zu kommunizieren. Manchmal auch einfach auf ungarisch, denn dazu kommt, dass meine Gastfamilie zur ungarischen Minderheit gehört, ich aber rumänisch lerne. Das ganze ist mal lustig (zum Beispiel als mein Gastvater sich entschuldigen wollte, dass er auf ungarisch geflucht hatte, nachdem ich aus Versehen das Licht auf dem Dachboden ausgeschaltet hatte), mal ein bisschen frustrierend. Zum Glück öfter lustig.

Komisch wie seltsam. Das hängt wahrscheinlich mit diesem halbgaren Gastdasein zusammen, dass ich hier führe, aber ich fühle mich in dieser Familie manchmal wieder wie ein Kind. Während meine Mutter und ich den Haushalt zu Hause in Deutschland mehr oder weniger gemeinsam schmissen, wird meine Hilfe hier weder erwartet noch gewünscht. Ich wasche nicht, ich koche nicht, ich sauge gerade mal mein eigenes Zimmer und wechsle die Bettwäsche. So wie damals, als Mama mir nach und nach die Verantwortung für mein eigenes Zimmer übertrug. Wie alt war ich da? Auf jeden Fall jung. Wenn man bedenkt, dass der Freiwilligendienst zum Teil auch ein Schritt in die Unabhängigkeit sein sollte, fühlt sich das lächerlich an.

Ich weiß noch nicht, ob ich froh bin, in einer Gastfamilie anstatt alleine hier zu leben; wahrscheinlich werde ich es auch am Ende dieser sechs Monate nicht wissen. An dieser Stelle fällt mir gerade kein guter, abschließender Satz ein, also:

ENDE

Kaputtbenutzt (Woche 9)

Ich habe das Gefühl, an einen Auslandsaufenthaltsblog besteht eine gewisse Erwartungshaltung. Man muss doch irgendwann über die Unterschiede zwischen diesem Ausland und daheim schreiben. Gerne in Listenform, das ist so schön übersichtlich, aber wenn es denn sein muss, liest man auch einen längeren Fließtext.

Ich glaube, spätestens nach dem Vorbereitungsseminar haben alle Kulturweitfreiwilligen ein ambivalentes Verhältnis zu diesen Artikeln. Denn egal wie oft man dazusagt, dass es sich natürlich nur um die eigenen Erfahrungen handelt und die Menschen auch in anderen Ländern Individuen und keine Stereotype sind, beeinflusst man mit diesen Artikeln oder Blogeinträgen doch das Bild der Leser vom jeweiligen Land. Und das tendenziell irgendwie stereotyp-negativ. Manchmal auch positiv. Aber immer verallgemeinernd.

Andererseits sind solche Artikel einfach sehr unterhaltsam. Und manche Dinge sind ja auch irgendwie anders. Man möchte etwas erzählen, der Leser versteht doch, dass man nur die eigenen Erfahrungen berichtet. Zusätzlich wäre es auch nicht sehr sinnvoll, das weite Feld der Auslandsberichte denen zu überlassen, die ohne schlechtes Gewissen Klischees verbreiten. Denn gelesen werden diese Artikel auf jeden Fall.

Hier also meine Gedanken zu einem Unterschied zwischen Deutschland und Rumänien. Ohne Wahrheitsanspruch, basierend auf meinen Erfahrungen. Und so.

Es geht darum, ob und wie Dinge kaputtgehen.   

Meine Gastfamilie hat einen Staubsauger. Es ist ein sehr alter Staubsauger, und er besteht gefühlt zur Hälfte aus Klebeband und gutem Willen. Mit diesem Staubsauger zu saugen ist nervig und ineffektiv; das Klebeband beeinträchtigt die Saugkraft erheblich und die Teppichtaste klemmt. Aber der Staubsauger ist noch nicht kaputt, also wird der Staubsauger noch benutzt.

In Zalau fahren auch viele deutsche Busse. Es kleben noch die „bitte beim Fahrer einsteigen“-Schilder an den Türen. Die Sitzbezüge haben 70er Flair. Glaube ich. Diese Busse fahren noch ganz wunderbar, verstoßen aber wahrscheinlich gegen alle Abgasregelungen Deutschlands.

An der Hauptstraße stehen für mein Auge zerfallende und vollständig zerfallene Gebäude, viele noch in Benutzung.

Diese und andere Beobachtungen führen mich zu dem Gedanken, dass Dinge hier wortwörtlich kaputtbenutzt werden. Alles bleibt so lange in Betrieb, bis es wirklich, wirklich, ganz sicher nicht mehr geht. Das ist bestimmt kein ausschließlich rumänisches Phänomen; vielleicht typisch für arme Regionen? Man kann diese Mentalität jetzt gut oder schlecht finden. Sicher ist sie sparsamer als die häufigen Neuanschaffungen der „sparsamen“ Deutschen. Und letztendlich ist es umweltfreundlicher, einen Bus totzufahren, als alle fünf Jahre einen Neuen anzuschaffen.

Die Häuser sind für mich schon schwieriger zu erklären. Warum nicht reparieren und instandhalten? Ich weiß es nicht. Möglicherweise hat das finanzielle Gründe, wahrscheinlich vertsehe ich auch die „rumänische Mentalität“, sofern existent, auch nicht halb so gut, wie ich glaube.

Und zum Schluss noch einmal: Es handelt sich hier ausschließlich um meine persönlichen Erfahrungen, Beobachtungen und Gedanken dazu.

Mir fehlen die Worte (Woche 7) (Verrechne ich mich?)

Ich lerne ja Rumänisch. Nicht sehr diszipliniert, nicht sehr schnell, aber ich lerne. Diese Tätigkeit ist ehrlich gesagt in hohem Maße frustrierend. Nicht, weil ich keine Fortschritte machen würde, sondern weil es nie genug ist. Ich habe noch knapp vier Monate Zeit, und ich weiß schon jetzt, dass ich bis dahin maximal einfachste Sätze bilden können werde.

Wozu lerne ich das ganze dann überhaupt? Was mache ich damit, wenn ich wieder zu Hause bin? Weiterlernen? Reizt mich ja schon irgendwie. Einfach nur so, weil Wissen cool ist. Weil ich dann Bücher auf Rumänisch lesen kann (damit ich es nicht verlerne), mitten in der Bahn, ganz offensiv. Hallo, ich spreche eine Fremdsprache! Ich gebe gern mit Wissen an.

Angesichts meines kompletten Mangels an Selbstdisziplin scheint dieses Szenario aber eher unwahrscheinlich. Vielleicht lade ich mir in Deutschland wieder eine App runter, stelle nach zwei Tagen fest, dass ich Lernapps hasse, und stelle mein Vorhaben wieder ein. Vielleicht kaufe ich mir ein rumänisches Buch, finde es schlecht, lese es doch nicht. Mal sehen.

Meine ortsbedingte Kommunikationsunfähigkeit hat aber natürlich auch unmittelbarere Effekte auf mein Leben als generelle Sinnfragen. Heute zum Beispiel war ich shoppen – nicht sehr erfolgreich. Ich habe zwei von vier geplanten Dingen erworben. Für viele Freiwillige ist einkaufen jetzt wahrscheinlich schon komplett alltäglich und mein Unwohlsein dabei eher lächerlich. Ich muss aber nunmal nicht einkaufen, ich werde von meiner Gastfamilie rundum versorgt.

Einkaufen an sich ist jetzt auch nicht wirklich in Problem. So im Supermarkt oder in der Drogerie – schlimmstenfalls muss man sich den Preis mit den Fingern zeigen lassen. Unschön wurde es für mich beim Schuhkauf.

Der Schuhladen ist klein, kleiner als ich ihn in einer Stadt dieser Größe erwartet hätte. Und es scheint der Einzige zu sein. Nach etwa zwei Minuten werde ich gefragt, ob man mir helfen könne (glaube ich). Ich antworte mit meinem inzwischen verinnerlichten „Entschuldigung, ich spreche kein Rumänisch. Ich bin eine Freiwillige aus Deutschland“. Ich werde in Ruhe gelassen. Ich suche als nach gefütterten Schuhen ohne Absatz, keine hohen Stiefel, schwarz oder braun. Ich finde ein Paar, das mir gefällt. Ein anderes, das aber doch ein bisschen Absatz hat. Das Paar ist mir ein bisschen zu eng.                                                                                                                         In dieser Situation hätte ich in Deutschland eben einfach gefragt, ob es noch etwas gibt. Ob die Winterschuhe schon da sind. Ob das noch die Herbstmodelle sind. Und so. Mir Fehlen aber die Worte.

Zurück auf der Straße, ohne neue Schuhe, wurde mir mal wieder bewusst, wie isoliert ich hier gewissermaßen bin. Normalerweise kann ich das einfach ausblenden, weil meine Schüler*innen Deutsch und Englisch sprechen, meine Kolleg*innen, meine Gastfamilie. Aber ich kann nicht einfach mit jedem auf der Straße in Gespräch anfangen. Ist jetzt sowieso nicht so meine Art, also kein Problem. Trotzdem fühlt es sich seltsam an – ich schwebe immer noch in meiner deutschen Blase, irgendwie.

Dieses Gefühl erinnert mich an einen Artikel, den ich neulich gelesen habe. Die Zeit spricht mit drei jungen AfD-Wähler*innen. Eine von ihnen sagt, sie fühle sich manchmal fremd, weil sie so viele Ausländer sehe. Ich glaube, dieses Gefühl jetzt nachvollziehen zu können, zumindest ein bisschen. Nur, dass ich mir das eben ausgesucht habe und sie nicht. Ich will jetzt nicht beurteilen, ob diese Frau recht hat, ob Deutschland eine „Überfremdung“ droht. Ich persönlich glaube das nicht, diese Frau (Franziska im Artikel) wohl schon irgendwie.

Was ich sagen will ist (glaube ich): Sprache ist sehr wichtig. Ohne Sprache wird man schnell isoliert. Das ist kein angenehmes Gefühl, und eines, das man ernstnehmen sollte, finde ich. Fremdsprachen lernen lohnt sich.

 

Eigentlich wollte ich hier einen Link zum Artikel einfügen. Geht aber nicht. Was geht: Auf Zeit online nach „Weltoffenheit ist mir sehr wichtig“ suchen.

 

Zeitgefühle (Woche 6)

Bei geregeltem Tagesablauf vergeht die Zeit gleichförmig, sollte man meinen. Es gibt Stunden, die sich dehnen und solche, die scheinbar verschwinden, aber es gibt ein System, Regelmäßigkeiten.

Meine Zeit hier scheint keinen Regeln unterworfen zu sein. Sie dehnt und streckt sich unvorhersehbar, sowohl bei meiner Wahrnehmung der Gegenwart, als auch bei der von Vergangenheit und Zukunft.

Ich bin schon ewig hier, quasi schon immer. Aber ich hatte noch nicht genug Zeit, wirklich rumänisch zu lernen. Ich habe bald Geburtstag, aber Weihnachten kommt mir näher vor. Das Zwischenseminar im November ist ein diffuser Fleck irgendwo in der Zukunft.

Nur die Schulstunden sind zuverlässig. Die erste halbe Stunde dauert ewig, bis ich befürchte, dass das vorbereitete Material nicht reichen wird; die letzten zwanzig verschwinden und es klingelt, ohne das ich einen Abschluss gefunden hätte.

Es ist wohl schon ein Viertel meiner Zeit hier um, und ich weiß nicht, was ich davon halte. Es fühlt sich häufig an, als würde ich nicht genug aus meiner Zeit machen – aber wenn ich zurücksehe oder erzähle, ist schon viel passiert. Und die Zeit richtet sich eben nicht nach meinen Befindlichkeiten, sondern vergeht, wie es ihr gerade passt. Beziehungsweise, so kommt es mir vor. Was vermutlich bedeutet, dass die Zeit, also mein Zeitempfinden, sich ausschließlich nach meinen Befindlichkeiten richtet.

Letztendlich ist also nicht die Zeit das Problem, sondern ich bin es.

 

Entspannt oder ich hasse Social Media (Woche 3)

Erst fehlte mir der Schock. Mein antiklimaktischer Einstieg in den Freiwilligendienst war (und ist) mir suspekt.                                                                                                                                                    Jetzt hat mich auch noch die Banalität des Alltags eingeholt. Was hat sich schon verändert, seit ich nicht mehr als Schüler zur Schule gehe?

Ich stehe wieder morgens früh auf, erwische den Bus (meistens), fahre zur Schule. Stehe jetzt zwar auf der anderen Seite des Klassenzimmers, aber der Unterschied ist nicht so groß. Komme zwischen zwölf und drei nach Hause und esse. Bin dann müde, sodass ich mit meinem Tag irgendwie nicht mehr viel anfangen kann.                                                                                                Das Lernen auf Klassenarbeiten wurde durch das Lernen der Landessprache ersetzt. Statt Übungsaufsätzen schreibe ich Unterrichtskonzepte.

Der Idee eines Auslandsaufenthaltes haftet ein Geschmack von Abenteuer an. Dauernde Spannung, ständig neue Eindrücke. Die Fremde erleben, indem man in die Fremde eintaucht (übrigens nicht so leicht, wenn man die Landessprache nicht spricht). Der Alltag kennt aber keine Ländergrenzen. Und die Fremde kann vertrauter sein, als man sich das vorstellt; oder sie wird es sehr schnell. Für das Abenteuer ist man selbst verantwortlich – und es ist nicht immer leicht, mal eben ein kleines Abenteuer zu generieren.

Kommen wir nun zur obligatorischen Social-Media-Hasstirade.                                                            Es sieht so aus, als wäre jeder Freiwilligendienst spannender als meiner. Das liegt an den bösen sozialen Medien, wo jeder nur teilt, was besonders grandios ist. Und daran, dass es hier Leute gibt, die auf ihren Blogs jeden Tag als Abenteuer beschreiben. Und ich will mich ja nicht vergleichen, aber was bleibt mir anderes übrig, wenn mich der Content quasi überflutet. Und dann gibt es auch noch Leute, die etwas ganz anderes machen, was scheinbar auch total spannend und neu und anders ist.                                                                                                    Zurück zum Thema.

Ich bin mir sicher, diese Stimmung ist eine vorübergehende Erscheinung. Gemeint ist, dass ich mich nicht jeden Tag fühle, als wäre mein Leben langweiliger als deins. Trotzdem bleibt die Erkenntnis, dass so ein soziales Auslandsdings keine Garantie auf ständige Spannung ist. Hatte ich jetzt bewusst auch nicht so erwartet, unterbewusst wohl irgendwie schon. Werde mir jetzt Mühe geben, ein bisschen mehr Robinsonade (danke, Duden) in meinen Alltag zu bringen.