Ungarn in 26 Buchstaben. (F – J)

F wie Fidesz – Die Fidesz ist die regierende Partei in Ungarn. Gewählt wird 2014 wieder, bis dahin hat die Fidesz noch viel Spielraum, ihre 2/3-Mehrheit auszunutzen. Gegründet wurde sie als ein demokratischer und liberaler Bürger_innenbund, mittlerweile ist sie die stärkste Partei und nationalkonservativ ausgerichtet. In ihren inhaltlichen Standpunkten ist sie pro-kirchlich, autoritär und nationalistisch. Trotz berechtigter Kritik an der Art, in Ungarn Politik zu machen, ist die Fidesz weiterhin Mitglied der EVP, also der christlich-demokratischen Partei auf europäischer Ebene. Dieses Jahr (März 2013) hat die Fidesz ihren 25. Geburtstag gefeiert.

F wie Fornetti – Das mag jetzt vielleicht banal sein, aber ich erwähne Fornetti trotzdem. Fornetti heißt eine Bäckereikette hier, die es an fast jeder Metro-Station gibt. Hier gibt es vor allem Gebäck, Croissants und Süßes. Wer in Budapest ist, sollte das unbedingt probieren. Oft gibt es auch kleine Croissants (mit Schokolade, Apfel, Pudding, …) in der größe von Keksen, sodass man viele verschiedene probieren kann. 

G wie Gulyás – Es wird oft gesagt, dass man in Ungarn nur Gulasch isst. Das ist absoluter Blödsinn. Der Gulyás hier ist zum Einen nicht das, was wir uns in Deutschland unter Gulasch vorstellen. „Unser“ Gulasch heißt hier Pörkölt. Gulyás ist eine ungarische Gulaschsuppe, mit Mehl und Paprikapulver angedickt, mit viel Paprika. Das Fleisch wird mit Zwiebeln angeschmort und lange mit relativ geringer Hitze gegart. In Ungarn wird ausschließlich die Suppe mit „Gulyás“ bezeichnet. Beim Geschmack kann ich als Vegetarierin nicht mitreden. Allerdings kommt dabei auch oft die Frage auf, wie man hier als Vegetarier_in klar kommen kann, wo doch nur Fleisch gegessen wird. Ja, in der Schulmensa ist so gut wie nie etwas für mich dabei, wenn, dann gibt es nur trockenen Reis oder trockene Nudeln für mich. Aber im Restaurant oder Imbiss findet man immer etwas Vegetarisches, zumal es hier auch viele arabische Restaurants gibt. Die Falafel und der Hummus sind hier auf jeden Fall – auch für Fleisch-Esser_innen – zu empfehlen. In traditionellen ungarischen Restaurants findet man natürlich meist Gulyás und Paprikás, da wird es für mich als Vegetarierin schwierig.

G wie Gastfreundschaft – Ungarn ist für die Gastfreundschaft bekannt. Viele wollen sich treffen, um gut zu kochen und beim Essen Deutsch zu sprechen. Denn als Muttersprachlerin ist ein Gespräch mit mir auf Deutsch sehr bereichernd für viele, die überlegen, später nach Deutschland zu gehen. Aber man will mich nicht nur einladen, weil ich Deutsch spreche, sondern auch, weil man es als wichtig erachtet, dass Menschen, die hier nur zu Besuch sind, sich so wohl wie möglich fühlen. Wenn man eine solche Einladung bekommt, sollte man vorher nicht zu viel essen, um dem Anspruch, mindestens zweimal einen Nachschlag zu bekommen, gerecht zu werden. 😉

G wie GlaubeDie meisten Menschen sind nach wie vor römisch-katholisch. 54,5 Prozent der Menschen gehören der katholischen Kirche an. Etwa 16 Prozent sind evangelisch, sodass das Christentum als Ganzes die weit verbreiteteste Religion in Ungarn ist. Durch den Einfluss des kommunistischen Regimes haben sich auch viele Richtung Atheismus bewegt, da das vom Staat so vorgegeben wurde. Durch die Shoa leben nur noch etwa 80.000 Menschen jüdischen Glaubens in Ungarn. Für mich ist das Judentum trotzdem die Religion, die ich am stärksten wahrnehme, was aber durch meinen Wohnort zu begründen ist. Ich wohne in Erzsébetváros, dem jüdischen Viertel Budapest und laufe gerade mal zwei Minuten zur größten Synagoge Europas. Durch die neue Präambel der Verfassung (das „Nationale Bekenntnis“), durch die Fidesz in Kraft getreten, wird das Christentum als Staatsreligion vorgeschrieben. Das „Nationale Bekenntnis“ soll in allen Amtsstuben ausgehängt werden und beruft sich auf den christlichen Ursprung Ungarns. Es wird klargestellt: Roma und Menschen jüdischen Glaubens sind in der Gesellschaft, wie Orbán sie will, nicht erwünscht.

H wie herzlich – Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man überall sehr herzlich empfangen wird. Gerade als ich gerade mal „Hallo“ und „Danke“ sagen konnte, war ein Lächeln, das von Herzen kam, mehr wert als alles andere. Generell freuen sich die meisten Menschen immer, wenn ich versuche einen Satz zu sagen, egal, wie falsch er ist. Und die meisten sagen einer_einem dann auch noch, dass die Aussprache wunderschön ist (najaaaa). In meiner Schule wurde ich auch sehr herzlich empfangen, in einer Klasse wurde sogar veganer Kuchen für mich gebacken.

I wie Infrastruktur – Oft spricht man über die schlechte Infrastruktur in Osteuropa. Ja, es stimmt, die Schienen sind schlechter ausgebaut, die Busse und Züge nicht sehr modern. Bei den Zügen handelt es sich oft um ausrangierte DB-Züge, die man aus Deutschland aufgekauft hat. Meist wurde das DB-Logo nur halbherzig abgekratzt. Das fühlt sich manchmal schon komisch an: Für Deutschland waren sie zu schlecht, „aufgebraucht“, also verkauft man sie nach Ungarn, weil hier kein Geld für neue ist und die scheinbar für Ungarn „gut genug“ sind.
Ansonsten sind aber Bus-, Straßenbahn- und Metronetz gut ausgebaut und die Bahnen und Busse fahren wirklich regelmäßig und pünktlich. Gerade die Nachtbusse aus dem Zentrum in die Randbezirke waren anfangs (als ich noch draußen gewohnt habe) wirklich wichtig für mich.

I wie International – Das beste Beispiel dafür, wie international Budapest ist, ist mein Sprachkurs. Dort sitze ich mit einem US-Amerikaner, der hier als Englisch-Lehrer arbeitet, einer Finnin, die im Kulturbereich arbeitet, einer Ukrainerin und einem Ukrainer, die beide Ingenieur_innen sind und einer Deutschen, die wie ich einen Freiwilligendienst macht. Ansonsten lerne ich immer wieder neue Leute kennen, die es auch in diese Stadt verschlagen hat. Meine Mitbewohnerinnen sind eine Russin und eine US-Amerikanerin, die beide hier auf Jobsuche sind. Es sind viele Freiwillige aus Europa und viele Erasmus-Studierenden hier. Natürlich liegt das auch daran, dass ich in der Hauptstadt bin, trotzdem finde ich, dass diese Stadt mehr als andere durch ihren internationalen Flair überzeugt. Natürlich sieht das auf dem Land in Ungarn ganz anders aus. Aber gerade dafür liebe ich Budapest.

J wie Judentum Während Anfang des 20. Jahrhunderts mehr als 800.000 Menschen jüdischen Glaubens in Ungarn lebten, sind es heute nur noch 80.000, also ein Zehntel. Zur Zeit des NS wurden die Jüd_innen hier nicht nur von den deutschen Nazis verfolgt, sondern genauso auch von deren ungarischen Verbündeten, der Pfeilkreuz-Partei. Miklós Horthy reihte sich neben Adolf Hitler und Heinrich Himmler ein und vertrat ebenso wie die deutschen Nazis das Feindbild des_der „Judäobolschewist_in“. Erst auf den Druck alliierter Mächte stoppte Horthy die Deportation jüdischer Ungar_innen nach Auschwitz im Juni 1944.
437.000 jüdische Ungar_innen waren bis zu diesem Zeitpunkt bereits deportiert worden, nur ein Viertel der vormals über 800.000 jüdischen Ungar_innen überlebte die Shoa.
Heute wird ein alltäglicher Antisemitismus wieder stärker, wie sich zum Beispiel bei der Schließung des Sirály beobachten ließ. Durch meinen Wohnort lerne ich auch offenen Antisemitismus kennen, wie zum Beispiel am Jom haShoa, dem jüdischen Gedenktag an die Shoa. An diesem Tag gab es Trauermärsche und Gedenkveranstaltungen. Zeitgleich fand, keine zwei Minuten zu Fuß entfernt, ein Treffen eines Motorradclubs mit dem Motto „Gas geben!“ statt. Zsolt Vattamány, der Bürgermeister von Erzsébtváros, wollte nichts von der Überschneidung und/oder dem Motto gewusst haben.

J wie Jobbik Die Jobbik Magyarországért Mozgalom („Bewegung für ein besseres Ungarn“) ist eine rechtsextreme Partei in Ungarn. Die Existenz einer solchen Partei ist schlimm genug, noch schlimmer jedoch ist, dass sie mit 12,2 Prozent als drittstärkste Fraktion im Parlament sitzt. Jede_r sechste hat sie gewählt, unter den Studierenden ist es sogar jede_r dritte. Ironischerweise kann „jobbik“ im Ungarisch nicht nur „die Rechteren“ heißen, sondern auch „die Besseren“. Sie sehen sich als die Alternative zur europäischen Politik und fallen auch über die Landesgrenzen hinweg mit ihren antisemitischen, rassistischen und nationalistischen Thesen auf. Unter anderem bezeichneten sie Roma als Tiere, als Menschenaffen und Ungeheuer, die für das Elend aller Menschen verantwortlich sind. Im Sommer 2012 marschierte die seit 2009 verbotene Ungarische Garde in den Straßen Budapests auf. Sie werden europaweit als rechtsradikal und gefährlich eingestuft. Gefeiert wurde das fünfjährige Bestehen. Die Ungarische Garde wurde 2007 von der Jobbik gegründet.