Lass mal über Orbán reden…

In Budapest bzw. im ganzen Land ist im Moment sehr viel los. Gerade in Budapest gehen fast täglich mehrere tausend Menschen auf die Straße, denn Viktor Orbán und János Áder haben mit ihrer Regierung gestern das Verfassungsgericht abgeschafft. Damit schaffen sie die Gewaltenteilung quasi ab. Auch in meiner Schule haben wir über Politik gesprochen.

In der achten Klasse, in der ich heute war, habe ich mich vorgestellt und die Schüler_innen haben mir anschließend Fragen gestellt. Etwa: Wo wohnst Du? Wie lange bleibst Du in Ungarn? Was ist dein Lieblingstier? Was ist deine Lieblingsfarbe? Was ist dein Lieblingsessen? Wie heißen deine Geschwister? Wie heißen deine Haustiere? Wie heißen deine Eltern?

Und dann: Was denkst Du über Viktor Orbán?

Hm. Was denke ich über Viktor Orbán? Was denke ich über die Fidesz? Und was denke ich generell über die ungarische Politik?
Aber noch wichtiger: Was darf ich hier überhaupt sage? Wie viel darf ich urteilen, nachdem ich gerade erst seit zwei Tagen hier bin, kaum ein Wort verstehe? Wie viel darf ich urteilen?
Deshalb habe ich sehr ausweichend geantwortet und sagte, dass ich in Deutschland viel Schlechtes darüber gehört habe. Als ich Rückfragen stellen durfte, fragte ich schließlich die Schüler_innen, was sie über die ungarische Politik denken. Positiv anzumerken war: Bei der Frage waren alle wach. Alle wollten etwas dazu sagen, alle wussten etwas und fanden es wichtig, zuzuhören. Allerdings haben sie wirklich nur Negatives gesagt. Sie sprachen darüber, wie sich die Politik auf ihr Leben auswirkt, zum Beisipiel, dass sie sich verpflichten, in Ungarn zu bleiben, wenn sie hier kostenlos studieren wollen. Das betrifft gerade die achte Klasse sehr, denn sie haben gerade eine Prüfung abgelegt und werden nun auf das Gymnasium kommen, wo sie das Abitur machen, mit dem sie dann studieren können. Sie sagten auch, dass alle in ihrem Umfeld sehr unzufrieden sind. Dass sie nicht wüssten, wie es weitergeht. Dass die Wirtschaft sehr schlecht sei in Ungarn und dass man von dem Geld nicht leben könnte.

Es macht mich traurig, zu wissen, dass sie um ihre Zukunft bangen müssen, während ich im Herbst zurück nach Deutschland gehe, studieren kann was ich will und in den größten Teilen Deutschlands keine Studiengebühren zahlen muss. Und dass ich trotzdem danach entscheiden kann, ob ich nicht doch in einem anderen Land leben will.

Ich weiß, dass dieser Blog über kulturweit und damit auch über das Auswärtige Amt läuft und ich deshalb nicht viel über Politik schreiben soll. Das kann ich nachvollziehen und respektiere ich. Deswegen werde ich über die Politik in Ungarn vor allem auf meinem privaten Blog schreiben.

Ich finde es aber wichtig, dass ich weiß, was hier um mich passiert. Deshalb werde ich am Freitag runter nach Budapest fahren und ein bisschen gucken, was dort los ist. Die Demonstrationen fanden bisher vor allem am Parlament (Pest) und auf dem Burgplatz (Buda) statt. Das ist von hier etwa 45 Minuten mit der Bahn entfernt. Am Freitag ist Nationalfeiertag, der von der Fidesz extrem instrumentalisiert wird. Von den Feierlichkeiten werde ich berichten.