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Beinahe-Sofia in Sofia

Bevor ich das Licht der Welt erblickte, schwankten meine Eltern zwischen zwei weiblichen Vornamen: Sofia oder Lina sollte es werden. Ich schmunzelte etwas, als ich erfuhr, in welcher Stadt ich den Frühling und Sommer verbringen würde.

Im Südosten Europas – oder auch bis dato bekannt als der toten Winkel meines Bewusstseins – liegt Bulgarien. Ein Land am Meer, ein Land mit Gebirgsstacheln auf dem Rücken, ein Land, dessen Hauptstadt Sofia ich für das kommende halbe Jahr mein zu Hause nennen werde. Dort werde ich in den kommenden Monaten meinen Kulturweitfreiwilligendienst an zwei DSD-Schulen leisten.

Ich wurde herzlich mit warmen  Lächeln und blühenden Orchideen empfangen, wobei  mir augenzwinkernd mitgeteilt wurde, dass Bulgarien eigentlich für seine Rosen bekannt sei. Es brauchte etwas Zeit, bis ich im Labyrinth aus beigen, braunen und grauen Wohnblocks den richtigen fand. Ganz bewusst hatte ich meine Erwartungen gegenüber  meiner zukünftigen Unterkunft zuvor weit nach unten geschraubt, trat dann jedoch in eine Wohnung, die charmantes Potential ausstrahlte. Sobald wie möglich möchte ich die noch nackten Wände mit Postern und Tüchern bekleiden, um dem Zimmer einen persönlichen Charakter zu verleihen.

Der erste Tag an der Einsatzstelle:  Aufregung, Adrenalin, Anspannung. All das war jedoch schnell verflogen, als mir wache neugierige Gesichter jeden Alters entgegenblickten. Sofort stand ich im Fragenregen, versuchte dabei selbst, möglichst viele der Namen im Kopf zu behalten. Das sprachliche Niveau der Schüler hat mich wirklich sehr beeindruckt. Der Akzent findet sich im angerollten „R“, was dem Deutschen etwas fröhlich-hüpfendes schenkt.

Den Nachmittag verbrachte ich im Stadtzentrum, wo ich mich kurzerhand in einem Büchercafé einrichtete, um ein paar Briefe zu schreiben. Noch ist es ungewohnt, dass meine Augen die kyrillischen Lettern nur sehen und nicht verstehen. Zeichen und Klang kennen einander noch nicht. Es sind nur leere Buchstaben. Bald  aber werde ich sie mit Worten, mit Bedeutung füllen.

Trotz der Abschaffung der Roaming-Gebühren konnte ich leider  nicht auf mein Datenvolumen zugreifen. So hatte ich einen wunderbaren ersten Anlass, um in Kontakt mit meinem Umfeld zu treten. Ich wurde mal in die eine, mal in die andere Richtung geschickt und drei Mal im Kreis gedreht. Irgendwann wurde mir ein Handy in die Hand gedrückt und während das Rattern der Straßenbahn im linken Ohr rauschte, hörte ich mit der rechten Ohrmuschel der Stimme am anderen Ende der Strippe zu, die mir auf Englisch mit starkem bulgarischen Akzent eine Wegbeschreibung lieferte. Jetzt hat sich endlich auch mal das Hörverstehen im Til-Schweiger-Stil aus der Schule ausgezahlt! Den richtigen Weg fand ich durch das Telefonat trotzdem nicht. Dafür schenkte mir ein Blumenverkäufer, obwohl ich mehrmals dankend ablehnte, ein Hyazinthe.

Schließlich stieg ich in den Bus mit der richtigen Nummer ein. Verließ ihn bei der nächsten Haltestelle jedoch wieder. Merkt euch eines, Kinder: Busse fahren nicht nur in eine Richtung! „Sofia für Dummies“ – das könnte der Titel meines ersten Ratgebers werden und ich seine Protagonistin.

Doch wie nie zuvor erkannte ich die Schönheit im Verlaufen. Man irrt nicht umher, man erkundet, man entdeckt. Am Ende fand auch ich den Weg zurück. Dank freundlichen Helfern mit spannenden ersten Eindrücken von einer Stadt, die Blumen verschenkt.