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Mondrestaurants und Bergluft

Ferien sind ein sehr willkommene Nebenwirkung des Lehrerdaseins. Ich verbrachte die freien Frühlingstage im Nachbarland Rumänien. Abends stand ich an der Haltestelle, um den Nachtbus nach Bukarest zu nehmen. Die beiden Amerikanerinnen vor mir in der Schlange hatten Schwierigkeiten mit ihrem Busticket. Es stellte sich heraus, dass sich im Datum vertan und das Ticket versehentlich für den Tag zuvor gebucht hatten. Genügend Geld für zwei Fahrscheine hatten sie nicht dabei. Ich gab ihnen jeden Schein, den ich bei mir trug. I’m not gonna lie: Ich habe mich so heilig gefühlt, man hätte mich zu den Ikonen in der Kirche stellen können.

Ich setzte mich um dem kalten rumänischen Morgen zu entkommen in ein Café, versuchte mich dabei wenig am Malen. Sofort wurde ich angesprochen und gefragt, ob ich Künstlerin sei.

Ich lachte.

Der Fragende lachte.

Meine Kunst-Lehrerin aus der  5. Klasse,  die mir für meine ,,Werke‘‘ eine 5 gegeben hatte, lachte.

Gemeinsam schlenderten Leonie und ich am Abend durch die Altstadt, die sie als ,,Oase‘‘ bezeichnet, denn dort entkommt man endlich der Hektik des Verkehrs.

Als wir um die Ecke bogen, errichtete sich ein Gebäude vor uns, dessen Schönheit mich mitriss wie ein Sturm lose Blätter. Ich eskalierte. „Dass Menschen noch so staunen können!“, sagt sie lächelnd und verblüfft. Sofort flackerten Erinnerungen an Harry Potter auf. Irgendwie sah ein die Bank Gringott darin wieder, besonders wegen der Kuppel, durch die die goldenen Drei mithilfe des Drachens im siebten Teil entkommen. Ich schoss ein paar Fotos, doch sie werden dem Anmut des Bauwerks nicht gerecht. Das ist ähnlich den Situationen, wenn eine Freundin eine neue interessante Bekanntschaft gemacht hat und während sie das Foto des Burschen zeigt, versichert, „dass er in echt viiiiiiel besser aussieht“.

Auf eine Empfehlung eines Rumänen, den ich eigentlich nur nach dem Weg zur Bushaltestelle gefragt hatte, stehen wir hungrig vor einem Fahrstuhl, der sich nicht öffnen will. Also steigen wir die Treppenstufen hoch, die uns an Wänden vorbeiführen, die mit Postern von Stars aus den frühen 2000er Jahren tapeziert sind. Oh Britney.

Oben werden wir nicht nur wegen der vielen bestiegenen Stufen unseres Atems beraubt. Wir blicken über die Stadt, setzen uns in eines der kleinen Iglus und merken, dass das Restaurant „Closer to the moon“ seinem Namen alle Ehre macht. Ein wundervoller Abend geteilt mit einem wundervollen Menschen. Was ein Glück, dass wir zur selben Zeit existieren.

Den Link zu Leonies Blog, der einen sehr kreativen Namen trägt, findet ihr hier: https://kulturweit.blog/leonieinbukarest/

 

Den nächsten Morgen verbrachten wir in einem der erblühten Parks. Im Anschluss begann der Roadtrip. Kurt Cobain sang und schrie für uns. Mein Haar wurde entkemmt von der Bergluft, die ins Auto wehte. Wir besuchten die von Erdfalten umgebene Stadt Brasov, aßen auf dem Marktplatz rumänische Spezialitäten. Am nächsten Tag besichtigten wir Schloss Peleș in der Nähe von Sinaia. Neben dem Gebäude selbst war auch die davor angelegte Parkanlage mit ihren Skulpturen wunderschön.

 

 

 

 

Am Abend, an dem meine Abreise bevorstand, stärkten wir uns bei Ikea und blickten, als die Nacht schon dunkel war, auf das größte Gebäude Europas: den rumänischen Parlamentspalast. Ein Bauwerk für das die Bevölkerung unter der Herrschaft Ceaușescus Hunger leiden musste.

Ich fahre durch die Nacht und komme mit dem Morgen in Sofia an. Und es fühlt sich ein bisschen an, wie nach Hause zu kommen.

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Über den Dächern Sofias

Schon in der zweiten Woche wurden alle kulturweit-Freiwilligen, die in Bulgarien tätig sind, von der deutschen Botschaft zum Mittagessen eingeladen. Im ehemaligen DDR-Botschaftsgebäude wurden wir herzlich empfangen und jede unserer Fragen beantwortet.

 

 

 

Ein weiteres unvergessliches Mittagessen verbrachten meine liebe Mitfreiwillige und ich in einem Restaurant hoch oben im World Trade Center, von welchem aus wir auf die Flachdachköpfe der umliegenden Gebäude herabblicken konnten. Der Inhaber lud uns zu einer exklusiven Party am selben Abend ein. Um 18:30 war ich für die Party verabredet. Treffpunkt: dm. Die Zeit verstrich wie Nutella auf frischem Brot. Ich wartete. 10 Minuten. 20 Minuten. Ohne die Sonne wurde es kühl und so suchte ich Zuflucht im Drogeriemarkt. 30 Minuten. Dort lernte ich ein Mädchen kennen, das Zahnmedizin studiert und für eine Zahnpastafirma jobbt. Ich befreite sie von ihrer Langeweile, indem ich ihr auftrug, alle Verkaufstricks an mir anzuwenden. Sie ist in Toronto aufgewachsen und hat bulgarische Wurzeln. 50 Minuten. Wo blieb KS? (Ketchup-Senf). Um 19:30 trudelte er ein, pünktlich, wie sich herausstellte, denn wir waren tatsächlich eine Stunde später verabredet gewesen. Ich stellte ihm meine neue Bekanntschaft vor, die ich sofort zur Party eingeladen hatte. Sie war sich nur unsicher, ob ihre Kleidung partytauglich war, aber ich zeigte nur auf KS, der sich heute dazu entschieden hatte, eine türkisene Hose mit einem weiß-blau gestreiften Pullover zu kombinieren. Ich erzählte ihm davon, wie ich unsere neue Freundin kennengelernt hatte. „Ich liebe es, wie Abenteuer dich immer finden!“.

Ein wunderbar lichtergesprenkeltes Sofia empfing uns im 9. Stock des Word Trade Centers.

Wir tranken Eistee aus ketchup- und aus senffarbenen Dosen. Da die Musik uns irgendwann etwas zu laut für ihre Stumpfheit erschien, gingen wir durch den Gang und nutzen den Boden des Fahrstuhls als eine Sitzgelegenheit. Dann ging das Licht aus. „Wir sind quasi in einem ungekühlten Kühlschrank. Da fragt man sich doch auch immer, ob das Licht ausgeht, nachdem man die Türe schließt“, merke ich an. Nur das giftgrüne Lichtsymbol, das das 9. Stockwerk anzeigte, hüpfte durch den Transportraum. Unzählige kleine neunförmige Lichtquellen in den uns umgebenden Spiegeln, die nichts außer sich selbst beleuchteten. Fast wie in einem Traum. Zuerst erklang typisch dudelnde Fahrstuhlmusik, doch danach ein ruhiges Bulgarisches Lied. Wir versuchten, ein paar Wörter einzufangen, um den Titel herauszufinden. Aber wir vergaßen den Text wieder. So ist das mit den Träumen, sie verblassen nach dem Aufwachen. Irgendwann am nächsten Tag zeigte mir Ketchup-Senf durch Zufall ein Lied namens Matrica, was Matrix bedeutet. Hört es euch an. Es lohnt sich.

Gemeinsam mit der Zahnfee unternahmen wir noch am selben Wochenende eine Wanderung in den Bergen. Unser Ziel war der Boyana –Wasserfall. Wir entschieden uns für den schwierigeren Anstieg, zogen uns an Wurzel, von denen wir hofften, dass sie nicht locker sein würden, die Böschung nach oben. Unsere Bemühungen wurden belohnt. Das Wasser glitt den Felsen entlang und fiel dann von der Hand Newtons gezogen nach unten auf den dunklen Steinboden. Ein wahres Spektakel. Der Matrix-Mensch nahm spontan ein Bad in einem der Naturbecken.

Während des Anstiegs hatte sich eine Gruppe Litauer unserer kleinen Karawane angeschlossen und gemeinsam aßen wir, wieder am Fuße des Berges angekommen, in einem traditionell bulgarischen Restaurant.

Wir planen bereits unsere nächste Wanderung.