Ein paar Gedanken, die mir gerade so durch den Kopf gehen

Ich beobachte die aktuellen Ereignisse mit sehr gemischten Gefühlen. Noch hält er ein wenig an der Schock darüber, wie ein Virus die geamte Weltbevölkerung stilllegt, auch wenn sich nach zwei Wochen absoluter Ruhe in innerlicher Unruhe in meinem eigenen kleinen Kosmos langsam wieder alltagsartige Gefühle einstellen. Für manche aber muss sich das Leben, wie sie es kannten gerade in einen kompletten Albtraum verwandeln und das nimmt mir manchmal den Atem. Gleichzeitig erfüllt es mich auch mit einem besonderen Gefühl, wenn ich mitbekomme, wie mitfühlend sich ein Großteil unserer Mitmenschen in so einer neuartigen und verwirrend bedrohlichen Situation zeigt. Seien es die Menschen in Italien, die singend und gemeinsam musizierend auf ihrer Balkone treten, um einander Halt und Zuversicht zu geben, oder die Initiativen zur Versorgung älterer und gefärdeterer Menschen, welche überall zu beobachten sind. Sei es das ganz neue Maß an Wertschätzung, welches die Menschen in den Berufen, die sie gerade wahrhaftig zu „Helden des Alltags“ machen, erhalten oder die damit einhergehende Mahnung vieler Politiker und anderer Stimmen, über wunderschöne Gesten wie einen täglichen Applaus vom Balkon in Städten wie Köln hinaus, diesen Leuten zukünftig aber auch gehalttechnisch die Vergütung zu gewährleisten, die ihnen verdammt nochmal schon lange zusteht. Ich möchte um Gottes Willen kein einziges Menschenleben auf die Waage legen, noch den Verlust und das Leid welches viele gerade erfahren ignorieren, wenn ich sage, dass ich auch ein paar positive Nebenerscheinungen in der Krise zu erkennen glaube. Denn diese missliche Lage gerade zeigt doch, dass in vielen von uns noch sehr viel Empathiefähigkeit und Solidarität stecken, die jetzt ganz anders zum Vorschein kommen, wenn scheinbar sonst so erstrebenswerte Größen wie Konsum, Ehrgeiz oder Konkurrenzfähigkeit in unserer furchtbar schnellen Welt zerfallen und uns in dieser entschleunigten Verdutzheit mit uns selbst zurücklassen. Vielleicht, und mir ist bewusst, dass ich an dieser Stelle die Worte so manches anderen Zeitgenossen in den Mund nehme, birgt dieses erzwungene Umdenken und das sich Besinnen auf die wirklich notwendigen Handlungen im Sinne eines gemeinsamen Krisenmanagments, so manche Chance für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Sicherlich liegt vielen Leuten, die im Zuge der sich anbahnenden Wirtschaftskrise wirklich finanziell wie sozial oder gar existenziell gebeutelt sind, nichts ferner als jetzt einen Gedanken daran abzugeben, inwiefern unsere Art des Wirtschaftens von dieser unfreiwilligen Pause (oder möglicherweise einem RESET) vielleicht profitieren könnte, dennoch möchte ich aber doch zumindest mal aussprechen, dass unser Planet gerade seit langem mal wieder aufatmen kann, und dem auf einmal blauen Himmel über China oder den klaren Kanälen in Venedig doch auch ein gewisser “ Frieden“ oder perspektivisch eine Aussicht auf „gute Besserung“ innewohnen.

Ich weiß, dass wir sind wie wir sind. Es gibt nichts schwierigeres für uns, als uns in einer uns selbst scheinbar benachteiligenden oder einschränkenden Art und Weise zu verhalten, wenn die Umstände, welche uns angeblich zu solchen Maßnahmen zwingen so abstrakt und unnachvollziehbar sind, dass wir sie nicht selbst richtig zu spüren bekommen. Nicht umsonst gibt es nach wie vor so viele Gegner der fridays for future Bewegung und nicht umsonst ist es manchmal unverschämt einfach den Blick von dem Übel in der Welt abzuwenden und sich hinreichend befriedigt und unbekümmert dem eigenen, unbedrohten Dasein hinzugeben. Das ist menschlich und hat ja auch irgendwo etwas mit Selbstschutz zu tun, eigentlich sichert es uns unsere Lebensqualität. Deshalb wünsche ich auch niemandem, dass er die Folgen dieser Pandemie auch wirklich zu spüren bekommt. Genauso wenig, wie ich je einem von uns gewünscht habe, dass er von einer Umweltkatastrophe getroffen wird, die ihm den Klimawandel auch mal so richtig bewusst und die Notwendigkeit unseres dringenden Handelns begreifbar macht. Nun sind wir aber so einer Situation ausgesetzt, die jeder von uns in großem, wenn auch nicht dem gleichen Ausmaße zu spüren bekommt. Ich hoffe niemand versteht mich falsch, wenn ich an dieser Stelle gerne aussprechen möchte, dass dies vielleicht in der Theorie die einzige Möglichkeit ist, die jemals existieren wird, um uns Menschen alle zusammenzubringen: eine Krise, die alle in gleichem Maße betrifft. Mir missfällt die allgegenwärtige Kriegsmetapher, wenn ich ehrlich bin, da es sich hier weder um ein menschengemachtes Problem handelt, noch um eines, dass verschiedene Parteien und Interessengruppen mit sich bringt. Es sind auch keine Entscheidungen erforderlich die unser moralisches Bewusstsein in irgendeiner Weise beschmutzen. Denn sicherlich müssen Kompromisse gefunden werden, sicherlich gibt es keinen Königsweg mehr und sicherlich fürchtet momentan jeder Entscheidungsträger nichts mehr, als mit seinen Handlungen „dem größeren Teil“ der Menschen zu schaden, aber dennoch müssen wir uns doch eines vor Augen halten: seit langem geht es mal wieder um einen gemeinsamen Willen. Um den Wunsch, den jeder in gleichem Maße für sich hegt, gesund aus der Sache herauszukommen und der ihn dazu befähigt in gleicher Intensität für den Mitmenschen und sein Wohl solidarisch miteinzustehen. Wer in Tagen wie diesen tatsächlich noch Häme oder Hass gegenüber Flüchtlingen verspüren kann, fällt doch wirklich aus der Reihe und das macht mir irgendwie doch bewusst, zu welch großem Mitgefühl unsere Gesellschaft in der Lage ist, wenn Privilegien und „Klassenunterschiede“ bei der Formulierung unserer höchsten Prioritäten wegfallen. Du möchtest Gesundheit für dich und deine Liebsten? Das verstehe ich gut, denn das möchte ich auch. Während wir physisch erzwungener Maßen gerade ein wenig voneinander abrücken, kommen wir uns emotional vielleicht wieder näher.

Meine einzige Sorge ist auch jetzt, dass wir nicht ganz in der Lage sind die seifige Wand unserer Blase zu durchbrechen. Denn sind wir mal ehrlich. Wir alle fiebern mit Italien mit, fassungslos über die Krise, die das Land gerade durchlebt- weil wir es nicht erwartet hätten, weil sie uns wie ein Schlag ins eigene Gesicht trifft- es hättet auch ihr sein können- und weil wir ihr so nah sind. Was aber ist mit den Ländern des globalen Südens? Ländern, die auch sonst nicht unbedingt rekordverdächtig viel Screentime in unseren Nachrichten erhalten und von denen wir eigentlich ganz genau wissen, dass sie mit einem, wenn überhaupt existenten, mangelhaften Gesundheitssystem und dem Missstand an Hilfsmitteln und notwendigen Einrichtungen kaum eine Chance haben sich dem Virus zur Wehr zu setzen? Was ist mit Kriegsgebieten wie Syrien? Was ist mit ganzen Landstrichen in Afrika, die nicht im geringsten auf die Pandemie vorbereitet sind? Wir hören fast nichts von ihnen. Wir schlucken lediglich beklommen den Kloß im Hals runter, wenn doch mal einer ihrer Namen fällt. In stiller Resignation? Was mich in dieser Situation wirklich belastet ist unser Unwissen darüber, ja die Frage, die nie zu hundert Prozent oder nachweisbar ehrlich zu beantworten sein wird, ob wir, hätten wir nicht mit der Situation im eigenen Land in solch hohem Maße zu kämpfen gehabt, Solidarität gezeigt und in erforderlichem Maße Hilfe geleistet hätten. Ob wir aus der Abstraktheit und Unbegreifbarkeit der Gravität heraus, im hypothetischen Falle einer lokalen Katastrophe, nicht doch wieder nur schweigend den Blick abgewandt und genauso weitergemacht hätten. Solche Fragen mögen belastend und unschön sein, sie sind aber wichtig, denke ich, um uns ein Herz zu fassen, uns dankbar zu schätzen und die Chance, die sich uns jetzt aus dem Geschehen ergibt, zu erkennen und auch daran festzuhalten, wenn die Wogen sich glätten.

Děkuju moc à uvidíme se brzy!

Einen guten Abend aus Mainz,
in Deutschland
von zuhause
also zuhause zuhause, mit Familie meine ich
nicht Brünn,
hach Brünn

Noch immer ist der Abschied nicht so richtig verdaut. Die Enttäuschung ist groß, na klar, und von dem überrumpelten Gefühl des Abbruchs, der Perplexe beim Packen können sicher alle Freiwilligen gerade ein Lied singen. Viele wissen ja nicht einmal wie sie es in absehbarer Zeit zurück nachhause schaffen sollen. Insofern nein, ich bin nicht unglücklich hier zu sein, meine Gedanken sind zurzeit vorwiegend von großer Dankbarkeit gefüllt. Dafür, dass ich jetzt bei meiner Familie sein darf, dafür, wie gut und zügig unsere Reise aus Tschechien über lediglich EINE Grenze verlaufen ist und vor allem aber dafür, dass in meinem Umfeld noch alle gesund und wohlauf sind. Ich glaube, um das abrupte Ende unseres Freiwilligendienstes richtig zu begreifen, müssen sich erstmal die sich überschlagenden Ereignisse und Veränderungungen dieses skurrilen Moments etwas einstellen. Bisher lag mir nichts ferner, als mich hinzusetzen und mit dem Schreiben zu beginnen. Zu unruhig war ich innerlich, zu unbegreiflich, geschweigedenn schriftlich erfassbar schien mir diese Welle an Veränderungen, die uns da überrollt. Und sie überschlägt sich noch immer, deshalb glaube ich, habe ich unseren „Schiffbruch“ auch nach wie vor nicht so richtig realisiert. In diesem Gerade, in dem sich nichts wie ein Jetzt anfühlt, in dem man mal ausharren und sich besinnen könnte, wird es einem glücklicherweise unverschämt einfach gemacht „Absagen“ zu akzeptieren und die Dinge plötzlich und sehr schnell in ganz anderen Relationen zu sehen. Meine Gedanken sind zurzeit vor allem bei denen, die wirklich in Gefahr schweben, egal ob wegen des Virus selbst, oder wegen der Folgen, die sich aus den zu ergreifenden Maßnahmen ergeben. Sie sind bei den Menschen, die gerade funktionieren wie Superpowermaschinen und aus Ressourcen schöpfen, die sie zum Teil garnicht haben. Und sie sind natürlich bei meinen Freunden und anderen Menschen, die noch irgendwo anders in so mieser Ungewissheit ausharren müssen. Ein paar dahinschwindende Pläne, Ideen, Projekte erscheinen da auf einmal ganz und gar untragisch- nichtig. Und noch blieb irgendwie auch keine Ruhe um ihnen nachzutrauern. Wenn ich ehrlich bin lächle ich sogar manchmal darüber, weil sie mir noch bis vor wenigen Tagen in anhaltender Frequenz im Kopf aufploppten, um mit „ach nee, geht ja nicht“ liquidiert zu werden, und mir mein sonst so freiheitlich geprägtes Denken und die Privilegiertheit seiner Uneingeschränktheit einmal mehr bewusst machen. Ja, das ist es auch was ich sehr an kultuweit schätze. Dass man uns Jugendlichen stets die Rechtmäßigkeit dieser Freiheit und unserer zahlreichen Möglichkeiten suggeriert hat. Mit geradezu verklärtem Blick spreche ich von diesem Programm und der Organisation dahinter, wenn ich gefragt werde. Denn trotz der final notwendig gewordenen Beendung unseres Freiwilligendienstes haben wir in jeder besorgten Email, jeder Entscheidung bis zuletzt die Respektierung unserer Freiheit zu spüren bekommen, die es auch so schwer machte uns zuletzt doch zu unserer Heimreise aufzufordern. Die Reflektiertheit dieser Entscheidung, die Behutsamkeit und die Sensibilität mit welcher sie getroffen wurde, führte mir noch einmal vor Augen, was für eine großartige Chance es für mich war, mit kulturweit meine erste große Auslandserfahrung zu machen. Auch wenn in diesem Jahr alles ein bisschen anders kam, als wir gedacht hätten, habe ich mich bis zuletzt aufgefangen und unterstützt gefühlt und dafür möchte ich dieser ganzen großartigen Community einfach mal meine Bewunderung und Dankbarkeit aussprechen.

Gestern habe ich einenText gefunden, den ich ganz zu Anfang unseres Freiwilligendienstes geschrieben hatte, nachdem ich mit Julia ein bisschen durch die frühherbstliche Sonne spaziert war, beseelt von diesem ganz neuen Freiheitsgefühl. Seine Akkuratheit zu diesem Zeitpunkt ist fast schon von tragischer Schönheit..

Wir müssen irgendwie lustig aussehen, von da unten

Nun ist bereits ein wenig Zeit vergangen, seit wir jungen Menschen unser liebes Deutschland verlassen haben und uns in alle Himmelsrichtungen davon gemacht haben. Gerade wenn ich mich an meine ersten Tage zu erinnern versuche, fällt mir auf, dass ich mich wie in einer Art Trancezustand befunden haben muss, nicht in der Lage Erinnerungen zu schaffen, die ich jetzt in aller Klarheit wiedergeben könnte. Es war ein gutes Gefühl! Versteht mich nicht falsch. Auf einmal realisierte ich diese riesige Freiheit tun und lassen zu können, was ich wollte.. Wonach steht mir denn mein Gusto? Prag? Wien? Na dann los! Nichts würde mich stoppen.. Und dann unterhielt ich mich mit meiner Freundin hier in Brünn über dieses völlig absurde Freiheitsgefühl und wir begriffen, wie glücklich wir sind: Letzendlich fühlen wir uns vielleicht wie auf einer Slackline: Einerseits voller Adrenalin und diesem belebenden Gefühl in der Luft zu schweben, andererseits auch eingeschüchtert von dem Gefühl dort oben so allein gelassen zu sein. Dabei ist dort ein riesiges Netz zu unseren Füßen, was uns auffangen wird, wenn wir das Gleichgewicht verlieren und fallen sollten. Woraufhin ich dachte: Stimmt. Was ist es doch für ein behütetes Gefühl von allen Seiten unterstützt und wohlwollend in jeder neuen Erfahrung bestärkt zu werden. Nun denke ich doch wir müssen irgendwie lustig aussehen von da unten, wie wir so einen Fuß vor den anderen setzen, in dem Glauben als wahre Seilakrobaten unterwegs und so ganz auf uns allein gestellt zu sein.

Nur, dass da eben wirklich ein ganzes Team saß und uns schmunzelnd beobachtete – und im richtigen Moment das Sprungtuch ausbreitete.

Mit der offiziellen Nachricht, dass sich die Grenzen zumindest zu Tschechien aber bis zum Herbst schonmal sicher nicht mehr öffnen werden, macht sich doch so langsam das Bedürfnis in mir breit für eine längere Zeit Abschied von dem schönen Land, das ich mitsamt seinem „Spirit“ in den letzten Monaten so lieb gewonnen habe, zu nehmen und meine wunderbaren Erinnerungen der letzten Wochen mal festzuhalten und einfach ein bisschen dankbar dafür zu sein, was ich alles mitgenommen habe.

ICH WERDE EUCH VERMISSEN

Dich Otto, unsere schönen und hochinteressanten Gespräche und deine super Kartenspielskills natürlich (:

Dich Clara, unsere langen Kaffeemittagspausenplauschs in meiner Wohnung, unser gemeinsames Musik- Faible und unser 100 % have-your-back Gefühl

Dich Kája und die Tatsache, dass wir direkt auf einer Wave waren (egal ob bei einer Tasse Svařák auf dem Weihnachtsmarkt oder im Wake up Wellness Hostel, auch wenn es verflucht war)

Dich Igor und unsere gemeinsame Zeit, egal ob auf der Party oder so und natürlich unsere Chats, die mich regelmäßig vergessen lassen haben, dass du trotz deiner spitzen Deutschskills vielleicht doch keine deutschen Abkürzungen wie „vllt“ oder „bg“ verstehst 😀

You, Kuba, our good talks and your Craft Beer recommendations!!

Noch viel mehr tolle Leute, die ich jetzt nicht alle nennen kann, die aber sicher sein können, wieder von mir angesteuert zu werden, wenn ich back in the hood bin!

Und all die lieben und kreativen Klassen, die ich besuchen durfte. Das hat so viel Spaß gemacht mit euch und ich bin vielleicht ein kleines bisschen traurig, weil ich noch ein paar echt coole Ideen hatte, die mir mit euch wirklich viel Spaß gemacht hätten!!

Mein WUNDERBARES Kabinet und alle anderen lieben Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich zu tun hatte und alles mögliche teilen und bequatschen konnte. („Bis morgen macht ihr bitte die Aufgabe (..)“ – „Ale, pan Sturma je přísný. Máme moc prace..“ – „Ich bin AUCH streng!“)

Selbstgeschriebene Märchen

Wortneuschöpfungen wie den „Schweinsmann“ (Metzger)

Vokabelneuerrungenschaften wie „Schluckauf“

Und sogar Assoziationsketten wie „Haus“ … „FRAU“

Alles ist noch irgendwo behutsam in meinen Erinnerungen verwahrt und kommt manchmal wieder auf, wenn ich mit dem neunjährigen Anton Schule spiele. (Er liest und schreibt nicht SOOO gerne deutsch wie ihr 🙂 also falls ihr ein paar Motivations – Tipps habt…)

Hezký den,

Emma