Der Nationalfeiertag und andere Geschichten

Der 23. Oktober ist Nationalfeiertag in Ungarn. An diesem Tag gedenken die Menschen des Freiheitskampfes 1956. Die Ungarn selbst nennen diesen Tag: „Tag der Freiheit”. Da dieser Tag wie schon  erwähnt Nationalfeiertag ist und er dieses Jahr auf einen Freitag fällt war auch die Schule an diesem Tag geschlossen. Damit dieser Tag jedoch nicht einfach in der Schule übergangen wird wurde er schon am Donnerstag (also einen Tag zuvor) vorzelebriert.  Es gab eine einstündige Gedenkfeier in der Turnhalle der Schule, die gleichzeitig als Aula fungiert. Die Lehrer (also auch ich) mussten in weißer Bluse/Hemd  und schwarzer Hose/Rock erscheinen. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen war dies tatsächlich der Fall worüber ich über die Maßen froh war, denn ich selbst fühlte mich schon ein wenig verkleidet. Ich sehe aus wie eine Bankangestellte meinte eine der Lehrerinnen zu mir(ich kann ihr in diesem Punkt nur zustimmen). Auch die Grundschulklassenstufen (bis zur 8. Klasse) kamen ebenfalls in Hemd und Hose gekleidet. Sie sahen aus wie kleine Kopien der Lehrer. Die Gymnasialstufe (9.-12.Klasse) trug ihre Schuluniform, die sich nicht viel von den Kleidungen der anderen Unterschied. Sie trugen ebenfalls schwarze Hosen/Röcke, aber das dazugehörige Hemd der Schuluniform. Dieses Hemd ist beigefarben, gerafft an der Leiste wo die Knöpfe zusammen laufen und ist mit ein paar blauen Ornamenten bestickt. Die älteren Schüler bezeichnen dies selbst als „den Sack“, den sie tragen müssen. Ich finde sie sahen gar nicht mal so schlecht aus. Es hätte sie definitiv schlimmer treffen können. So ging es also nach den ersten drei Stunden (die verkürzt wurden auf eine halbe Stunde) in die Turnhalle, in der sich alle Schüler (von der 1.-12. Klasse) versammelten. Als erstes gab es eine kurze Ansprache der Direktorin des Gymnasiums und darauf folgte das Singen der ungarischen Nationalhymne, der „Magyar Himnusz“. Alle Schüler und Lehrer standen auf und sagen mehr oder weniger inbrünstig mit. Nachdem alle sich wieder gesetzt hatten wurde eine Stunde lang ein Theaterstück aufgeführt (durch Schüler der 8. Klasse), welches die Entwicklung bis hin zum Aufstand am 23. Oktober 1956 wiederspiegelte.

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Doch wie schon bei meiner ersten Theatererfahrung am Dienstag habe ich leider nicht wirklich verstanden, worum es in den einzelnen Szenen ging. Das ein oder andere Lied wurde eingespielt, was das Theaterstück sehr unterhaltsam gemacht hat und so auch ich ab und zu meine Freude daran finden konnte. Zwar habe ich auch die Liedtexte nicht verstanden, aber sie waren definitiv eine gelungene Untermalung zum Stück. Schüler sowie Lehrer schauten gespannt zu und es gab jede Menge Applaus am Ende des Stückes. Und dann war es auch schon wieder vorbei. Nach einer Stunde Programm ging es schick gekleidet zurück in den Unterricht. Und auch wenn der ein oder andere Schüler nicht mehr den Weg in seinem sauberen weißen Hemd nach Hause zurück fand war es doch durchaus interessant zu sehen, wie stolz die Ungarn auf diesen Tag sind und das er selbst in der Schule zelebriert wird. Doch dann wurde ich tatsächlich enttäuscht. Da ja nun bereits am Tag zuvor der Tag in der Schule gefeiert wurde hatte ich natürlich große Erwartungen für Freitag den eigentlichen Tag des 23. Oktobers. Doch es war nichts los. Gar nichts. Nullkomma nichts. Keine Menschenseele auf der Straße. Keine Musik, kein Tanz, kein Fest, noch nichteinmalmal mehr flatternde ungarische Fahnen als sonst. An diesen Tag war weniger als jemals zuvor los auf den Straßen (zu meinem Entsetzen). Ich habe mit einem riesen Spektakel gerechnet. War schon bereit das ein oder andere Bild zu schießen und dann einfach nur menschenleere Straßen. Aus war also der Traum. Tja vielleicht feiern die Ungarn diesen Tag auch einfach lieber im Kreise ihrer Familien zu Hause. Den 23. Oktober selbst hätte ich mir aber definitiv spektakulärer vorgestellt.

Neues aus der Schule? Was mir vor allem in den letzten Tagen aufgefallen, aufgrund der herbstlichen Wetterlage ist, dass es hier tatsächlich eine Phobie gibt das Licht anzuschalten. Wie sich das Herbstwetter gestaltet brauche ich vermutlich nicht zu beschreiben. Zu mindestens denjenigen, die sich im Moment in den nördlicheren Gefilden und Europa aufhalten. Auch in Deutschland daheim zeigt das Wetter sich von seiner „besten“ Seite (nach glaubwürdigen Berichten zu folge 😉 ). Der Himmel wird von Grauschattierungen dominiert. Nur ein wahrhafter Maler wäre in der Lage diese Varianz an Grautönen wiederzugeben. Einen Unterschied zwischen Tag und Nacht kann man kaum mehr ausmachen. Die Uhrzeit scheint in diesem Moment die „wichtigste Stütze“ zu sein. Auch die sinnflutartigen Regenschauer, die man nun des Öfteren „antrifft“ halten gut und gerne einmal 62h ununterbrochen an und sorgen dafür, dass man mit einem Schlauchbot Draußen nun tatsächlich schneller, besser und effektiver vorankommen würde, als mit dem Auto geschweige denn zu Fuß. Die Straßen entwickeln sich zu kleinen eigenständigen Bächen. Es spricht also alles dafür einfach das Licht einzuschalten, um der allgegenwärtigen Dunkelheit die Stirn zu bieten und sich ein bisschen wohliger zu fühlen. Sobald jedoch nur ein Hauch eines künstlichen Lichtstrahles jedoch von einem Lehrer gesehen wird heißt die Strategie: Spüre die Quelle auf, mache den Lichtschalter ausfindig und eliminiere das Licht. Sobald das gewünschte Ziel erfolgreich erreicht worden ist sind alle wieder rundum zufrieden, außer mir. Denn wenn die Lehrer dann auch noch die Vorhänge vor den Fenstern zuziehen ist es schwer nicht in den Schlafmodus zu schalten. Den meisten Schülern scheint dies ebenfalls so zu gehen.

Das in der Schule eine unglaubliche Geräuschkulisse vorzufinden ist brauche ich wohl Niemandem zu erzählen und mit jedem Tag der vergeht frage ich mich wie die Lehrer das nur Jahrzehntelang aushalten können (und wie viel Energie einige Schüler aufbringen). Das Gebrüll aus den Klassenzimmern im ersten Stock ist noch im Dritten zu hören und ständig hat man Angst, dass sich die kleineren Schüler nicht einmal ernsthaft bei den akrobatischen Übungen auf dem Flur verletzen. Man ist tatsächlich schon froh, wenn man es selbst unbeschadet bis ins Lehrerzimmer schafft und hofft dort einen Raum der Entspannung und Ruhe vorzufinden, aber nichts da. Lehrerzimmer zeigen tatsächlich dieselbe Geräuschkulisse auf (gemessen an der Dezibel-Zahl), auch wenn die Lärmquellen und Ursachen ganz woanders liegen. Hier ein kürzlich stattgefundenes Beispiel. Ich habe wie immer auf meinem Stuhl gesessen und ein paar Arbeiten kontrolliert/ korrigiert, als ein paar der anwesenden Lehrerinnen auf einmal anfingen zu singen (angeführt durch die Musiklehrerin). Ein anderer Lehrer machte sich daran etwas zu kopieren und eine Kollegin schlug nur so die Tasten am Computer. Die Kaffeemaschine ratterte munter vor sich hin und auch die Mikrowelle ließ verlauten, dass sie in Betrieb war. Am anderen Ende des Lehrerzimmers probte der Musiklehrer auf seiner Gitarre worauf die Kollegen, die direkt neben ihm standen natürlich ihre Unterhaltung in etwas gehobener Lautstärke fortführen mussten und zu guter Letzt lief auch noch die Spülmaschine, deren „Wasserrauschen“ trotz der vielfältigen Lärmquellen auch noch deutlich zu hören war. Was lernen wir also daraus? Der Lärmpegel in den Klassenzimmern und auf den Schulfluren kommt uns vielleicht wesentlich lauter vor, aber im Endeffekt erzeugen die Schüler mit viel weniger „Aufwand“ nicht mehr Lärm, als „wir“ selbst im Lehrerzimmer. Es wird bloß nicht im selben Maße aufgefasst.

Am Dienstag fand eine gekürzte Seminarveranstaltung für die Projektlehrer der „Lesefüchse“ an meiner Schule statt, zu der ich ebenfalls eingeladen wurde. Neben Susan Kersten, die die Veranstaltung leitete nahmen nur noch eine Lehrerin von meiner Schule und eine Lehrerin eines anderen Gymnasiums und Jule teil. Da wir also nur in einer kleinen gemütlichen Fünferrunde waren verlief dieses 3-stündige Seminar sehr entspannt bei einem (oder in meinem Fall auch zwei) Stück selbstgebackenen Kuchen und einer heißen Tasse Tee (für die anderen gab’s Kaffee). So lassen sich die kalten Herbstnachmittage angenehm aushalten.

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Ich gehöre nun auch zu der Gruppe von Menschen, die sich „Fack ju göhte 2“ zu Gemüte geführt haben. Ob man den Film nun gut oder schlecht findet sei dabei erst einmal zweitrangig, denn alleine schon der Fakt, dass man hier in Ungarn diesen Film in Originalsprache im Kino anschauen konnte ist kaum zu übertreffen. Wie das überhaupt möglich ist? Hier in Pécs gibt es das „Lenau ház“ eine Begegnungsstätte für alle, die die deutsche Sprache erlernen wollen und ab und zu bietet dieses „Haus“ also auch deutschsprachige Filme an (meistens schon älteren Kalibers). Aber siehe da mit ein bisschen Glück konnte man tatsächlich auch „Fack ju göhte 2“ schauen und das nicht einmal allzu lange nach dem Kinostart in Deutschland.

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Achso und wenn sich jetzt jemand wundert wieso es denn schon wieder einen Beitrag gibt. Morgen früh um 6:00 geht’s erst einmal los nach Serbien. Nach Belgrad um genauer zu sein, da die kommende Woche Schulferien sind. Also schauen wir (Jule, Katharina und ich) uns mal ein bisschen in Serbien um. Der nächste Bericht wird also erst in ca. 1,5 Wochen erscheinen, deshalb noch einmal einen kurzen Beitrag vor der einwöchigen Reise. Wir hören uns dann im November wieder (oder vielleicht auch schon zu Halloween. Das kommt ganz darauf wie lange wir in Serbien bleiben) Bis dahin lasst es euch gut gehen und passt auf euch auf 🙂

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2 Gedanken zu “Der Nationalfeiertag und andere Geschichten

  1. Szia!
    Ich mache gerade auch einen Freiwilligendienst in Ungarn, genauer in Budapest. 🙂 Ich bin zufällig auf deinen Blog gestossen und finde das sehr beruhigend dass es dir scheinbar ähnlich geht wie mir. Vielleicht hast du ja Lust dich ein bisschen auszutauschn. 🙂

    • Hey! 🙂 Es freut mich dich kennen zu lernen. Bis jetzt wusste ich nur, dass es noch Max gibt, der schon seit 8 Monaten seinen Freiwilligendienst hier in Ungarn macht. Schade, dass ich dein Kommentar nicht eher gelesen habe, denn ich komme gerade aus Budapest. Ich würde mich wahnsinnig gerne mit dir mal über deine Erfahrungen/ Auffassungen austauschen 🙂

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