Zwischen Alltag, Heimweh und kleinen Abenteuern

Zwischen Alltag, Heimweh und kleinen Abenteuern

Über zwei Wochen ist es her, dass ich in meinem neuen Zuhause angekommen bin, meistens fühlt es sich aber schon viel länger an..

Letzte Woche Freitag wurde der gesamte Unterricht verkürzt, weil in der Schule auf dem Pausenhof ein Art Basar veranstaltet wurde. Aus allen Jahrgangsstufen haben Eltern und Schüler Essen und Getränke gekauft. Zum einen war es für mich schön zu sehen, wie viele Leute ich schon kennen gelernt habe, besonders die 5. Klässler kamen die ganze Zeit zu mir und haben mir Essen angeboten. Zum anderen konnte ich einige kleine Spezialitäten probieren und die schöne Stimmung aufnehmen.

Mein Wochenende in den Bergen hat mir vor allem gezeigt, dass ich so langsam mein neues Zuhause hier auch wirklich als Zuhause sehe. Nach zwei Tagen in einer sehr kalten und nicht ganz sauberen Ferienwohnung habe ich mich total gefreut, wieder in meinem eigenen warmen Zimmer schlafen zu können.

Das Wetter war leider sehr schlecht, sodass wir die zwei Tage nur im Haus verbracht haben. Aber einmal mitbekommen, wie ukrainische Jugendliche feiern und zusammen Zeit zusammen verbringen, war auf jeden Fall auch eine schöne Erfahrung. Und nach einem ganzen Wochenende, in dem ich fast nur ukrainisch gehört habe, war ich auch echt froh, wieder in die Schule zu gehen und Deutsch zu hören und zu sprechen.

Anfang der Woche ist dann auch meine Gastschwester nach Polen abgefahren. Meine Gastmutter hat sie begleitet. Eigentlich habe ich mich schon gefreut, die Woche mal alleine zu sein, aber für die Zeit ist eine Freundin meiner Gastmutter mit ihrer Tochter, die in die 8. Klasse geht gekommen, damit ich nicht alleine bin. Die Mutter ist auch echt total lieb, macht mir immer sofort essen, wenn ich aus der Schule komme. Also genieße ich es noch ein bisschen, nicht selber kochen zu müssen

Mit Google Übersetzter klappt das Unterhalten auch irgendwie, sodass wir abends auch länger zusammen saßen und uns „unterhalten“ haben.

Immer wenn ich mal was auf ukrainisch sage wie „Danke“ oder „Guten Appetit“ sage, freuen sich alle und wollen mir noch mehr Wörter beibringen. Ich habe sogar schon relativ viele Vokabeln und etwas Grammatik gelernt, aber mittlerweile hat es sich schon so eingespielt, dass ich immer deutsch rede. Auch wenn ich gerade in der Ukraine bin, fehlen mir tatsächlich die Anlässe, um das bisschen gelernte Ukrainisch anzuwenden. Mein Sprachkurs hat leider immer noch nicht begonnen, die Lehrerin ist noch krank, aber spätestens dann werde ich bestimmt auch mal etwas auf ukrainisch reden können. Im Moment ist es aber immer noch so, dass ich außer am Wochenende kaum Zeit finde, um ukrainisch zu lernen.

Einmal bin ich nach der Schule mit einer Studentin in die Stadt gegangen. Erst sind wir oben aufs Rathaus gegangen, von dem man echt eine tolle Aussicht auf die ganze Stadt hat. Danach hat Katja mir nochmal mehr von Drohobytsch gezeigt (es gibt immer noch Gebäude, Kirchen und Ecken, die ich nicht kenne) und am Ende sind wir noch zum Gefängnis außerhalb der Stadt gelaufen, sodass ich auf dem Hin und Rückweg auch nochmal echt viel gesehen habe.

Was mir in der letzten Zeit aufgefallen ist, dass besonders die 11. Klässler, aber auch die 10. Klässler, ziemlich viel für die Schule machen müssen und dementsprechend wenig Zeit haben, um etwas zu unternehmen. Ich muss zwar mittlerweile auch einige Sachen für den Unterricht vorbereiten, aber habe natürlich auch viel freie Zeit, die ich gerne mit anderen SchülerInnen verbringen würde. Die 11. Klässler machen im November die DSD-Prüfung, für die sie unter anderem eine Präsentation vorbereiten müssen, was viel Zeit in Anspruch nimmt. Dazu machen sie im Frühjahr/Sommer ihren Abschluss, den man mit dem deutschen Abitur vergleichen kann, sodass sie dafür auch schon anfangen zu lernen.

Wenn man die SchülerInnen fragt, was hier besonders schön ist oder was man hier machen kann, sind alle der Meinung, dass es hier hässlich ist und Lemberg viel schöner sei. Mir gefällt Drohobytsch aber immer mehr. Ich finde die Stadt auch schöner als Lemberg. In Drohobytsch gibt es so viele schöne griechisch-orthodoxe Kirchen, kleine Cafés und Restaurants. Und trotzdem gibt es hier natürlich kaum Touristen und man trifft nur auf Einheimische. Lemberg ist dagegen eine richtige Touristenstadt, in der es zwar richtig viel zu anschauen gibt, aber wohler fühle ich mich eindeutig hier in Drohobytsch.

Am Freitag war der „Tag der Klassenfahrten“. Die fünften Klassen sind nach Lemberg gefahren und ich durfte eine Klasse begleiten. Leider war es die Klasse, sie sich bis jetzt am wenigstens für mich interessiert hat, aber dadurch war der Tag für mich auch relativ entspannt und ich konnte mir in Ruhe die Stadt anschauen. Wir haben ein Kaffeemuseum, ein Apothekenmuseum und ein Museum über alte Waffen angeschaut. Meine Betreuerin hat für mich übersetzt, sodass ich auch sehr viel gelernt habe. Nach dem Mittagessen haben wir mit der „Touristenbahn“ noch eine Stadttour gemacht. Leider haben meine Kopfhörer erst am Ende der Führung funktioniert, sodass ich das meiste auf deutsch nicht mitkommen habe. Total kaputt von dem Tag und auch von der ganzen Woche, die für mich am Ende durch die immer noch neuen Eindrücke doch ziemlich anstrengend war, ging es dann zurück nach Drohobytsch. Kurz vor der Stadt hat der Busfahrer dann noch einen kleinen Unfall gebaut. Er ist einem stehenden Auto hinten drauf gefahren. Nichts größeres passiert außer einem Sachschaden, aber wir mussten 30 Minuten auf den Ersatzbus warten, während der Busfahrer alles mögliche klärte. Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, dass noch kein Unfall passiert ist, so wie hier gefahren wird, aber so wie ich das nach dem Unfall mitbekommen habe, war es ziemlich selten, dass solche Unfälle passieren.

Die Woche über habe ich mich total wohl gefühlt, hatte immer etwas zu tun und hatte vor allem keine Zeit für Heimweh. Jetzt am Wochenende kommt dann auch leider das Heimweh. Vormittags habe ich mich endlich im Fitnessstudio angemeldet, war dort auch das erste Mal trainieren und bin dann noch Pizza essen gegangen. Wenn ich dann länger alleine zu hause bin, bekomme ich leider schnell Heimweh und bräuchte eigentlich eine Ablenkung. Aber da fehlen leider dann doch noch die sozialen Kontakte und vor allem die Möglichkeiten hier etwas zu machen. Und das fehlende Sprechen der Sprache spielt dabei natürlich auch noch eine Rolle..

Nächste Woche soll ich einige Stunden halten zum Thema „Tag der deutschen Einheit“ halten. Wenig Vorgaben von der Schulleiterin, aber trotzdem war sie mit keinem meiner Vorschläge wirklich zufrieden (was vielleicht auch daran liegt, dass sie nicht wirklich gut Deutsch kann und mich deshalb oft nicht versteht). Am Ende hat sie meine Planung für die verschiedenen Stunden akzeptiert. Eine Präsentation über deutsche Traditionen und ein Kreuzworträtsel für die älteren Schüler, ein Memory über Deutschland, Wortgitter, Tabubegriffe und deutsche (Kinder-) Lieder für die jüngeren habe ich nun in sehr vielen Stunden zu Hause erarbeitet. Ich hoffe wirklich, dass nächste Woche alles gut geht, die Schüler mitmachen, es ihnen Spaß macht, es nicht zu (wenig) anspruchsvoll ist und vor allem die Schulleiterin auch zufrieden ist.

 

Dieser Artikel hat 2 Kommentare

  1. Eine kleine Bemerkung noch: Die meisten Kirchen in Drohobytsch sind nicht griechisch-orthodox, sondern griechisch-katholisch, sie unterstehen dem Vatikan, haben aber den Ostritus behalten, und ihre Priester dürfen heiraten. Zu Sowjetzeiten war die griechisch-katholische Kirche verboten, ihre Priester und Gläubigen waren harten Repressalien ausgesetzt, weil hre Kirche als „Hort des ukrainischen Nationalismus“ galt. Es ist eine Kuriosität, dass es die griechisch-katholische Kirche heute nur in der Westukraine gibt, sie wird auch ukrainisch-unierte Kirche genannt.
    Die Orthodoxen in der Westukraine gehören der ukrainisch-orthodoxen Kirche an. Griechisch-orthodoxe Gläubige gibt es in Griechenland und in der Türkei, nicht aber in der Ukraine.

  2. Liebe Hannah,

    mit großem Interesse lese ich Ihren Blog, weil auch ich all diese Strecken gefahren und diese Orte kennengelernt habe. Die Ukraine und viele ihrer Menschen sind mir ans Herz gewachsen sind. Es freut mich, wenn es anderen auch so geht.
    Mit besten Grüßen aus der entgegengesetzten Ecke Europas! Thomas Urban

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