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Skiausflug im Vitosha-Gebirge

„In der Gegenwart bin ich zufrieden, ziemlich schräge Sache
Ja fast niedlich, denn man sieht sogar die Zähne wenn ich lache“
(Chakuza – Dieser eine Song)

„Skifahren ist wie Fahrradfahren“, an diese Hoffnung klammerte ich mich am vergangenen Wochenende, als es für mich zum ersten Mal seit 18 Jahren wieder auf die Piste gehen sollte. Angesteckt durch Clara hatten auch Finn, Paul und ich den Entschluss gefasst, den „Hausberg“ von Sofia, den Vitosha, endlich einmal nicht nur zu Fuß, sondern auch zu Ski zu erkunden. Am Sonntagmorgen verließen Clara und ich unsere Wohnung, um mit dem Bus an den Stadtrand zu fahren. Dort mussten wir noch einmal in die sagenumwobene „66“ steigen. Doch während Finn und ich noch in unseren Erinnerungen an unseren Wanderausflug vom November schwelgten, von dem klapprigen Bus berichteten, der uns damals an unser Ziel gebracht hatte und innerlich schon präventiv mit der Reisekrankheit zu kämpfen hatten, bog die erste Überraschung des Tages um die Ecke: Statt des knallgelben Mercedes-Oldtimers der uns im Herbst auf den Berg gebracht hatte, fuhr ein relativ moderner und vor allem gut beheizter Reisebus an der Haltestelle vor. Ob diese Neuerung mit der Witterung und den somit erschwerten Anfahrtsbedingungen oder mit dem Versuch das Skigebiet für seine Gäste attraktiver zu gestalten zusammenhing konnten wir nun auf der rund 45-minütigen Fahrt diskutieren.

Oben angekommen liehen wir Skier, Stöcke und Schuhe aus. Auf Helme und Brillen mussten wir verzichten – die führte der Verleih leider nicht in seinem Sortiment. Zum Glück hatte ich meine dicke Pudelmütze mit der Bommel auf – die würde das Schlimmste schon abhalten, hoffte ich und malte mir grauenvolle Unfallszenarien aus. Die passende Skikleidung hatten wir bereits am Samstag in Sofia gekauft. Mit Finn und Paul war ich losgezogen, um Skihosen oder zumindest so etwas ähnliches im Second-Hand-Laden zu erstehen. Paul ergatterte dabei das heißeste Teil: Einen Skianzug in den schönen Komplementärfarben blau, gelb und rot, mit der Aufschrift „Skiadventure unlimited“, dessen letztes Abenteuer im Schnee garantiert noch länger her war als meins. So ausgerüstet konnte doch gar nichts mehr schiefgehen!

Und tatsächlich, Überraschung Nummer zwei an diesem Tag: Nach anfänglichen Schwierigkeiten überhaupt in die Skischuhe zu kommen, geschweige denn mit den Skiern an den Füßen irgendwie vorwärts zu gelangen, klappten die ersten Übungen ganz gut. Clara, als einzige von unserer Gruppe wirklich bewandert in diesem Sport, zeigte uns das Bremsen und Kurvenfahren auf dem „Babyhügel“. Bevor ich jedoch soweit war, musste ich erst einmal eine halbe Stunde rumheulen, zum Aufwärmen sozusagen. „Die Schuhe drücken, mein Knöchel tut weh, ich komme gar nicht vorwärts, ich hab keine Lust mehr, ich höre sofort auf“ jammerte ich eine Weile vor mich hin, bis eine Lockerung der Skischuhe zumindest beim rechten Bein irgendwann für eine Entlastung sorgte. Danach konnte auch ich mich endlich auf das Skifahren einlassen und schon bald entließen wir unsere Trainerin Clara, damit diese nun endlich die richtige Piste fahren konnte, während wir weiter neben zahlreichen sechsjährigen Kindern versuchten nicht ganz bescheuert auszusehen. Paul hatte schon bald genug von diesen langweiligen Übungen und folgte Clara auf die Piste. Dass es sich dabei um eine rote handelte, hatte er in Vorfreude auf seine erste Abfahrt wohl verdrängt.

Und so erlebte er einen starken Adrenalinausstoß, während Finn und ich noch von einfachen Fortbewegungsmethoden träumten. Doch schon bald hatten auch wir die Nase voll von dem flachen Wanderweg auf dem wir trainierten und fassten unser nächstes Ziel ins Auge: Den nahegelegenen Rodelberg. Da wir unsere Ausweichmanöver dann doch als noch nicht sehr ausgeprägt einschätzten, verwarfen wir diesen Plan bald wieder und zogen weiter in Richtung Skipiste. Auf dem Weg dorthin kamen wir an weiteren Hügelchen vorbei, trauten uns aber noch nicht so recht, da auch diese von zahlreichen Kinderskikursen bevölkert wurden. Wir wollten ja niemanden gefährden. Irgendwann (das Fortbewegen auf Skiern im Flachen kam in unserem Fall zunächst einer Schnecke gleich), erreichten wir die Piste. Statt des erwarteten sanften Gefälles gruselten wir uns jedoch vor dem steilen Abhang der sich uns offenbarte. „Da fahre ich niemals im Leben runter“ verkündete ich und fragte mich, wie Paul diese Abfahrt wohl überstanden hatte. Finn, ausnahmsweise einmal auf meiner Seite, hatte ebenfalls wenig Lust sich diesem Risiko auszusetzen und so entdeckten wir wenig später einen kleinen Berg, der uns für unsere Anfängerfähigkeiten optimal erschien. Leider durften wir den Tellerlift, der sich dort befand, nicht benutzen, da er ausschließlich für die Skischulen zur Verfügung stand und mussten den Berg auf unseren Skiern erklimmen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir „oben“ an und stellten fest, dass es von hier aus plötzlich doch tiefer hinabging als gedacht und dass die zahlreichen Snowboarder, die hier anscheinend ihre Pausen einlegten, wirklich alle mitten in der Fahrbahn saßen (ich habe diese Menschen beobachtet, sie haben den ganzen Tag lang nur im Schnee gesessen und dabei wirklich keine sportlichen Bewegungen gemacht). Mutig fuhren wir trotzdem los und da ich kurzzeitig vergessen hatte, wie eine Bremsung funktioniert, schmiss ich mich provisorisch in den Schnee um anzuhalten. Nur Sekunden später lag Finn neben mir. Doch erneut rutschten und fluchten wir den Berg hinauf; die zweite Abfahrt klappte schon besser. Ein drittes Mal wollten wir uns die Tortur des Aufstieges jedoch nicht geben und so kam ich auf die grandiose Idee, die Skier einfach auszuziehen und nur in Skischuhen hinaufzusteigen. Leider hatte ich vergessen, dass Skischuhe einem gewöhnlichen Schuh tatsächlich nicht sehr nahe kommen und so war auch dieses Unterfangen etwas kompliziert. Außerdem etwas unbedacht von mir – wäre ich in ein Loch getreten (und es gab leider einige davon), hätte ich die tolle „Dr. Walter“ Krankenversicherung eventuell in Anspruch nehmen müssen. Doch zum Glück ging alles gut und oben angekommen versuchten wir die Skier wieder anzuziehen. Leider stellten wir uns dabei so dumm an, dass ein paar der rumsitzenden Snowboarder Hilfestellung leisten mussten. Eigentlich hatte Finn beschlossen, dass wir davon niemandem erzählen würden. Doch da ich im Laufe des Tages auch andere Leute beobachtet habe, die diese Taktik anwandten, denke ich, dass es gar nicht so ungewöhnlich ist, bzw. wenn doch, dass wir immerhin nicht alleine dumm waren. Während wir noch einmal den Berg „hinuntersausten“, glitten Paul und Clara im Lift über uns hinweg. Paul hatte also überlebt. Dadurch angespornt beschloss nun auch Finn dieses Abenteuer zu wagen. Da Paul mit den Worten „Ich möchte nie wieder da runterfahren“ wieder zu uns gestoßen war, musste ich Angsthase jedoch nicht alleine bleiben. Während nun also Finn und Clara hinab fuhren, blieb Paul bei mir und während wir über den flachen Weg zwischen den einzelnen Hügeln schlichen, philosophierten wir darüber, dass Langlaufen doch eigentlich auch eine schöne Art des Skisports wäre.

Im Laufe des Tages wagte ich mich dann doch noch einmal auf die beiden überbevölkerten Skischulpisten. Bei einer durften wir sogar den Tellerlift benutzen, doch da es in diesem Moment leider schneestürmte, wurde die Abfahrt vom frisch gefallenen Neuschnee abgebremst. Doch ich ließ mich nicht entmutigen und versuchte es nach einer kurzen Mittagspause erneut. Und, Überraschung Nummer drei, irgendwann hatte ich das Gefühl den Bogen zumindest etwas herauszuhaben. Kurven fahren, Bremsen – das alles klappte plötzlich wirklich gut. Natürlich war ich trotzdem noch nicht mutig genug nun auch die rote Piste in Angriff zu nehmen. Neben der steilen Abfahrt spielte dort auch meine Angst vor dem Sessellift mit hinein. Da ich Fahrten mit solchen Gerätschaften schon unter normalen Bedingungen nicht genießen kann, traute ich mich nicht so recht, dieses Abenteuern mit Skiern unter den Füßen zu wagen.

Diese Befürchtungen sollte ich wohl möglichst bald überwinden. Denn tatsächlich habe ich Spaß gefunden an diesem Sport und große Lust schon bald einen wirklichen Berg hinabzufahren, statt mich um sitzende Snowboarder und rodelnde Kinder herumwinden zu müssen.

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