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Nur noch wenige Wochen

„Gib die Schlüssel ab, mach die Türen zu.
Wirf den Unsinn ab und was bleibt bist du.
Die nächste Ausfahrt runter, da gehts zum Horizont.
Die Welt wird bunter, mit mir ist es nicht gekonnt“
(Liedfett – Von Zeit zu Zeit)

Als ich klein war, wollte ich Kindergärtnerin werden, später dachte ich lange über den Beruf der Lehrerin nach. Heute denke ich mir „Hilfe“ und suche ein Versteck sobald ich bemerke, dass sich lärmende Mini-Monster nähern. Die Bibliothek ist in den vergangenen Wochen zu einem Kindergarten geworden. Die Kinder, die an den Sommerkursen der Sprachabteilung teilnahmen, verbrachten hier die erste Zeit nach der morgendlichen Ankunft am Institut und warteten am Nachmittag hier auf ihre Eltern. Dabei hockten sie vor der Playstation, im Spielzelt oder auf der neuesten Errungenschaft: Einer Holztreppe, die durch das Fenster nach  draußen in den Hof führt. Problematisch daran war vor allem eins: Die Lautstärke, die es unmöglich machte, in der Zeit zwischen 16 und 17 Uhr irgendeine Form von Konzentration aufzubringen.

Glücklicherweise fielen eh nicht mehr so viele Aufgaben an, die mit der Anstrengung des Geistes zu tun hatten. Stattdessen leisteten wir eher körperliche Arbeit: Gemeinsam mit meinen Kolleginnen räumte ich den Bestand der Bibliothek in Kisten. Grund dafür ist der baldige Umbau. Nach der Sommerschließung soll die Bibliothek neuen Fußboden, neue Decken, neue Regale und generell eine modernere Fassade bekommen. Auch wenn wir davon nicht mehr allzuviel mitbekommen werden, freuen wir uns natürlich über die Veränderungen.

Ansonsten versuchten wir nicht durchzudrehen, wenn das immer gleiche Kinderlied in Dauerschleife durch das Institut schallte und dabei letzte Aufgaben am PC zu erledigen. Es hieß angefangene Projekte zu beenden, Übergaben zu schreiben und nebenbei schon Vorbereitungen für die Rückkehr in das eigentliche Leben zu treffen. Bewerbungen schreiben, bzw. überhaupt erstmal interessante Nebenjobangebote ausfindig machen, ein bisschen im Seminarangebot der Uni stöbern, erste Klamotten einpacken und aussortieren etc.. Daneben natürlich auch noch Pläne für die verbleibenden Wochen in Bulgarien schmieden und diese dann auch aktiv in die Tat umsetzen. Da ich neulich noch einmal Besuch aus Deutschland hatte, habe ich nun langsam aber die Nase voll von Denkmälern, Museen und allgemein der Innenstadt. Stattdessen verschlug es mich an den vergangenen Wochenenden eher an Orte, die ich bisher noch nicht so auf dem Schirm hatte. Mit meiner Mitbewohnerin fuhr ich Tretboot auf dem Pancharevo-See, am nächsten Tag besuchten wir ein öffentliches Freibad. Die zahlreichen Muskelpakete mit Goldkettchen, die es sich auf den Liegestühlen um den Pool herum gemütlich gemacht hatten und dabei verzückt den Klängen eines schlimmen Remixes nach dem anderen lauschten, haben definitiv Eindruck hinterlassen. Wenn auch nicht einen ganz so romantischen, wie unser Spaziergang durch das angrenzende Wohngebiet, zurück zur Bushaltestelle. An einem anderen Wochenende war ich in Veliko Tarnovo, der früheren Hauptstadt Bulgariens. Im Vergleich zu Sofia wirkt hier alles viel kleiner und übersichtlicher. Es gibt eine alte Festung, verwinkelte kleine Gassen, viele Fachwerkhäuschen und überall der Blick auf die umliegenden Berge oder den Fluss Jantra, der sich durchs Zentrum der Stadt schlängelt.

Jetzt bin ich wieder in Sofia, morgen früh wird der erste Montag seit langem sein, an dem ich nicht aufstehen und zur Arbeit gehen muss. Denn: Es ist Sommerpause. Und somit ist auch das Ende meiner Arbeit am Goethe-Institut angebrochen. Die letzten Tage im Büro waren seltsam: Zwischen Kuchen, Abschieden und Geschenken hieß es den Platz zu räumen, E-Mails und Dokumente zu löschen, Übergaben zu schreiben und irgendwie nochmal den Blick durch die mittlerweile leere Bibliothek schweifen lassen und sich zu wundern, wie schnell die Zeit hier vergangen ist.

 

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