Pommes im Döner und Kutschen auf den Straßen

Momentaufnahmen aus 6 Monaten Bulgarien

Ich suche die Maske in meiner Tasche, krame 2 lev für das Metroticket zurecht, meine 6-Monats Karte ist vorige Woche abgelaufen, und steige gekonnt die Treppen herunter. Eine Babuschka sitzt auf einem Absatz oberhalb der Metro. Unter ihr ein Stück Karton, soll gegen die Kälte helfen, die hemmungslos durch die ganze Stadt jagt. Der Blick ist nach unten gesenkt, ein Tuch verdeckt ihre grauen Haare. Ihre Hände zeigen sich alt und voller Falten, sie wollen uns eine Geschichte erzählen. Füße, Schritte, Menschen hasten an ihr vorbei. Neben ihren Füßen steht ein Eimer mit Narzissen.

Zwischen Straße und Block steht ein Container, vor ihm ein überfüllter Mülleimer, ein schlammiges Stück Wiese und eine bunt bemalte Bank, die ihre Farbe schon längst veloren hat. Halb volle Pappbecher mit Kaffee säumen die unebene Reihe an Pflastersteinen, eine Schokoriegelverpackung fliegt vorbei. In mehreren Kurven bildet sich eine lange Menschenschange auf dem kleinen Bürgersteig. Der Döner hier muss gut sein, denken wir. Falaffel bestellt, Pommes gibt’s dazu, zusammengerollt und auf die Hand. Ayran und Fanta in der Tasche. Die graue Bank bietet uns ihre Dienste an.  Während Mayonnaise über unsere Finger tropft, zerfällt der Döner schlussendlich in den eigenen Händen. Papierumwickelung, Plastiktüte und Serviette werden in den Container am Straßenrand geworfen. Die Menschenschlange wird länger, es ist Mittag.

Alte Männer in noch älteren Adidas Jogginghosen tänzeln um eine Tischtennispaltte und fixieren den grell orangenen Ball mit ihren Augen. Der Schläger bestimmt die Hand. Bulgarische Ausrufe über Ballgewinn- und verlust prägen die Szenerie. Drei Tauben schlagen mit den Flügen und eilen über uns hinweg in den blauen Himmel hinein.

Im Auto Richtung Meer. Was wir hier erleben ist mehr, denke ich mir und drehe mich zum Fenster. Gebirgsketten brechen sich langsam aber stetig auf. Sonnenstrahlen tanzen in der Ferne, ein Luftstoß kitzelt meine Augen, Möwen segeln in über den Baumwipfeln, wir erreichen die Küste.

Socken trocknen in der Lüftung des Autos. Zwei Hände spielen am Lenkrad. Serpentinen führen uns den Pass hinunter und im Rückspiegel kann ich das Abendrot sehen. Sanfte Stimmen führen leise Gespräche. Es wird wärmer im Auto, die Socken sind trocken.

Das Gras ist schon feucht, ich hebe die Füße und stehe vor einem Block. Der Block ist groß, aber nicht zu groß. Er ist Zuhause in dieser trostlosen Gegend. Sattelietenschüsseln Strecken ihre Antennen in die Luft wie Mücken, die nach Blut gieren. Ist das der Empfang zur Außenwelt? Im Hintergrund verschwimmen Himmel und schneebedeckte Gipfel zu einem weißen Band. Viel dünnere Bänder tragen die Wäsche der Bewohner auf den Balkonen. Die bunte Kleidung wiegt sich ruhig im Wind. Rechts im Bild erstreckt sich Kette aus Strommasten, ein Ende ist nicht in Sicht, es wird von den grauen Ästen der großen Bäume im Hintergrund, verdeckt.

Wir essen Eis auf der Bank am Vitsohka. Sonne scheint uns in die Bäuche, Obdachlose fragen uns nach ein bisschen Geld, wir geben Nichts und eine Taube kackt neben uns auf die Straße.

Die Vorstadt einer bulgarischen Kleinstadt erstreckt sich links von uns. Aus dem Autofenster hinaus beobachte ich passiv die vorbeiziehenden Fabriken und Steinbrüche. Am Straßenrand arbeitet eine Gruppe Sinti und Roma. Äste der, die Straße umgebenden, Bäume werden abgeschnitten und gesammelt. Der alte VW Bus dient als Transporter. Im Radio läuft ein Lied mit dem eingehenden Refrain „Jesus comes“ und die Arbeitenden verschwinden aus meinem Sichtfeld.

Ameisen errichten einen Konstrukt auf dem Weg zwischen unseren Schuhen. Mein Blick schweift aus der Vogelperspektive in Richtung Straße. Die Kirschbäume am Rand versuchen sich gegenseitig an Frühlingsgefühlen zu übertreffen. Wir hören Schritte und eine alte Frau zieht durchs Blickfeld. Ihr Gummistiefel streifen unablässig den Boden. Die braune Weste hält sie warm. Ihr Lachen springt über die Blütenpracht und den Ameisenhaufen zu uns hinüber. Ihr Gesicht ist geprägt durch tiefe und dunkle Falten, die unter dem blumembedeckten Kopftuch verschwinden. Den Holzstock trägt sie in der Linken, ihr Smartphone in der Rechten.

Parkplatz- Ein Kind hält die Hand auf, bittet um einige Stotinki. Der Mann daneben geht zum Auto, öffnet den Kofferraum. Hinter den beiden spiegelt sich die ganze Tristesse eines Landes in einem Ladenfesnter wieder. Es ist grau und kalt. Der Hände des Mannes halten nun ein Kuscheltier und ein Spielauto. Die Hände des kleines Jungens kommen näher, die Augen werden größer. Er traut sich nicht zu lächeln. Der Mann geht weg und öffnet die Türe zum Restaurant. Der Junge verlässt den Parkplatz. Mit dem Kuscheltier streicht er über seine Wange.

Eine kleine Straße. Am Rand große Autos. Links und Rechts mittelgroße Blocks. Die Sonne strahlt direkt von vorne auf mich und die Straße und die Autos und die Blocks. Um die Kurve nähert sich eine Kutsche. Die Ohren des Pferdes streifen die Sonnenstrahlen, verdecken sie kurz und geben sie dann wieder frei. Vater und Sohn sitzen hinter dem Tier. Durch die kleine Straße, zwischen den großen Autos hindurch und mitten zu dem nächsten mittelgroßem Block, wird die Kutsche gesteuert. Ein vollbeladener Anhänger wippt auf und ab und tanzt zwischen den Schlaglöchern im Boden herum.

 

Haide, Ciao!

3 Gedanken zu „Pommes im Döner und Kutschen auf den Straßen“

  1. Salü Josi!
    Fast schon lyrisch, deine Texte. Konnte aus dem Homeoffice kurz zu dir entfliehen. Merci für den kurzen Ausflug!

  2. Liebe Josi,

    Da habe ich mich auch wie die Sonja ganz in deinen schönen Momenten verloren. Bitte mach mehr solche schönen Blogposts.

    Elias

  3. Liebe Josi,
    was für ein wunderschöner Text. Ich bin eingetaucht und hab mich darin ein Stückchen verloren.
    Lg Sonja

Kommentare sind geschlossen.