Zwei Monate, ein Blo(ck)g

 

Hallo Zusammen,

zwei Monate ist es nun her, dass Ich in Deutschland meine Koffer gepackt  und mich auf  die Reise nach Haskovo, Bulgarien gemacht habe. In diesen zwei Monaten ist viel passiert und Ich habe ebenso viel erlebt, definitiv zu viel für einen Blogeintrag.

Zum jetzigen Zeitpunkt weiß noch nicht welches Format meine Beiträge hier annehmen und in welcher Regelmäßigkeit sie erscheinen werden, denn für ein „Tagebuch seit Tag eins“ ist die Deadline irgendwie abgelaufen und auch für die „Wochen-Highlights-Haskovos“ bin nach zwei Monaten spät dran. Aber was solls.  Besser spät als nie. Und deswegen gibt es jetzt einen mit Sicherheit unvollständigen Kurzüberblick über die vergangenen zwei Monate, Oktober und November.

Mitte Oktober bin Ich im spätsommerlichen in Haskovo angekommen und habe in anderthalb aufregenden Wochen die Stadt, neues Essen und viele neue Gesichter, Namen und Leute flüchtig kennengelernt. Dann kam ein verlängertes Wochenende in Plovdiv- einer sehr sehenswerten Stadt- und in der, aus der Retrospektive betrachtet, logischen Konsequenzen dieses Wochenendes, ein positiver Covid-19 Test und damit  14 Tage Quarantäne mit Paula und Josi in Sofia, einer genauso sehenswerten Stadt.  Der unfreiwillige Verzicht auf Geschmacks und Geruchssinn durch Covid-19 hat während der Quarantäne und auch darüber hinaus keinen Spaß gemacht, vor allem da beide Sinneswahrnehmungen nur sehr langsam zurückkehrten. Auch keinen Spaß machen die Landesweiten, auch durch Covid-19 bedingten, Schulschließungen, denn Sie machen mich quasi „Arbeitslos“. Ursprünglich war es meine Aufgabe die Deutschlehrerinnen am Fremdsprachengymnasium im Präsenzunterricht unterstützen und mit den Schülern und Schülerinnen die mündliche Kommunikation zu üben. Nun sind die Schulen geschlossen und Ich nehme nur sporadisch am Online-Unterricht teil, weil Ich auf der einen Seite die sich für mich ergebende freie Zeit mit all den Freiheiten die Ich aktuell in Bulgarien noch habe auskosten möchte und auf der anderen Seite, weil Ich finde, dass die Rolle der Freiwilligen an meiner Schule nur mir starken Abstrichen in den Onlineunterricht zu verlegen ist. Ich habe an in Punkt ein kleines Dilemma zwischen „Freiheiten auskosten“ und  „meine Rolle als Freiwilliger ausfüllen“.  Covid-19 wird voraussichtlich mit dem neuen Jahr nicht verschwinden und ebenso wenig mein kleinesDilemma, deswegen gilt es für mich einen Kompromiss zu finden, der beide Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Einfacher gesagt als getan , aber das wird schon!

So wie nämlich alles in Bulgarien irgendwie wird. Nach zwei Monaten Aufenthalt ist folgendes meine Beobachtung: Nicht alles ist so korrekt ordentlich und strukturiert wie in Deutschland, muss es aber auch nicht, denn wie Ich mit meinen eigenen Augen und teils auch unter  Verwunderung und mit Erstaunen feststelle läuft alles, irgendwie.

 

Haide, Ciao!

 

Schnee wie Puderzucker

Ich wache auf. In meinem Zimmer ist es warm wie in einer Sauna, aber ich mag es. Mein erster Griff geht an mein Handy und fast schon automatisch wird die DLF-Audiothek geöffnet.

Piep, Pieeep, Pieeeeep, 8.30 die Nachrichten… 

 

Dann sehe ich es, die Balkone meines Nachbarhauses sind weiß! Als ich aus dem Fenster gucke freue ich mich immer mehr. Es liegt endlich Schnee! Und gar nicht mal so wenig! Ich mache direkt ein Foto und freue mich weiter wie ein kleines Kind. Im Hintergrund läuft weiter mein Morgenprogramm.

Zuerst die Meldungen im einzelnen, Attentat auf Iranischen Atomphysik-Wissenschaftler, Iran schwört auf Rache, Bund plant nationale Gesundheitsreserve…

Während leise die Nachrichten in meinem Kopf ankommen begebe ich mich in Richtung Bad, um mich fertig zu machen. Als ich am Frühstückstisch sitze läuft ein Gespräch mit einem Nahost-Experten der dem Radiomoderatoren die Folgen des Mordes erklärt. Ich verspeise mein Müsli und mache mich auf den Weg ins Goethe Institut. Auf dem Weg mache ich mir den BBC Global News Podcast an.

Hello, this is the global news podcast from the BBC world service, reports and analysis from across the world latest news 7 days a week…

Kleine Schneeflocken spüre ich auf der Nase, es müssen noch -5 Grad sein. Die Busanzeige verrät mir, es sind -7. Ich bin froh so gut von meinen Eltern ausgerüstet worden zu sein. Der Schnee ist eigentlich perfekt für eine Schneeball schlacht nicht zu frisch aber auch nicht zu nass. Leider habe ich dafür keine Zeit. Im Park fahren manche Kinder mit ihren Eltern von kleinen Hügeln Schlitten.

We begin in Iran where a state funeral has taken place. The Nation has honored the prominent nuclear scientist…

Ich bin voll in meinen Gedanken da nimmt mich fast ein Schneeräum-Truck mit. Das letzte Mal als ich so viel Schnee gesehen habe war zwar letzten Winter, aber das war auf 2300 m Höhe zum Skifahren, zählt also nicht. Also das letzte Mal, dass ich so viel Schnee gesehen habe und ich in einer Stadt war, war in Leipzig vor mindestens 7 Jahren. Dementsprechend habe ich mich so sehr über die weiße Überraschung gefreut.

Es ist wirklich kalt gewesen, hat man auf jeden Fall schon am aufsteigenden Atem gemerkt, wenn man durch die Stadt gestreunt ist. Nach der Arbeit im Institut war ich dann noch mit ein paar Freunden auf dem deutschen (!) Weihnachtsmarkt. Es wirklich ein deutscher Weihnachtsmarkt, organisiert von der deutschen Botschaft gibt es so kleine Hütten, wo Punsch, Eierkuchen oder Bratwurst drauf steht. Der Glühwein ist aber leider nur warmer Wein und gar nicht mit richtigem Glühwein vergleichbar.

This was the global news podcast from BBC. Thank you for listening! 

 

3 Tage in Plovdiv und 14 Tage in Birkenstocks

Geheimtipps der Kulturhauptstadt 2019 und zur möglichst effektiven Infizierung mit Corona (Obacht: Ironie)

Die Blätter fallen von den Bäumen, die Mützen sitzen auf den Köpfen und die Sonne geht um sechs Uhr schon unter…na, nach was hört sich das für euch an? Richtig nach Herbstferien! Deshalb packte ich Ende Oktober vorfreudig meinen Rucksack, machte den Kühlschrank leer und sagte Tschüss zu meinem neuen Zuhause. Über die Kulturhauptstadt 2019 Plovdiv, die sich 3h Zugfahrt Süd-Östlich von Sofia befindet, sollte es mit Zwischenhalt in Veliko Tarnovo nach Schumen und danach ans Schwarze Meer gehen. Aber wie sagt man so schön… Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Aber dazu später mehr.

Nach einem für mich typisch bulgarischen Nicken-Kopfschütteln-Desaster fand ich schlussendlich noch einen freien Platz im einigermaßen überfüllten Zug Richtung Plovdiv. Der „Daumen nach oben“ einer Mitpassagierin versicherte mir dann auch, dass ich im richtigen Zug saß. Eine junge Familie bei mir im Abteil war fast noch spannender als mein Buch. Während sie ihrem kleinen Jungen englische Kinderlieder vorspielten, wurden Windeln und Schokoriegelverpackungen einfach aus dem Zugfenster geworfen. Schon wieder winken die Gegensätze. Müll einfach aus dem fahrenden Zug zu werfen, nach dem Motto: „Aus den Händen, aus dem Sinn“, unvorstellbar in meiner Welt. Oder in meiner Blase.

Vor Ort hatten wir eine ziemlich coole Wohnung gemietet (Danke an Elias), die sogar über eine Waschmaschine, einen Staubsauger und überdurchschnittlich viele Ikea Möbel verfügte.

Im Laufe des Abends trudelten dann auch die restlichen Freiwilligen in der gemieteten Wohnung ein. Es fühlt sich immer schon wie eine kleine Familie an, wenn wir alle so am Tisch abends unser Schumensko Bier schlürfen. Umso komischer, dass wir uns alle erst ein paar Male gesehen haben. Nach einer süffigen, durchtanzten und langen Nacht ging es dann am nächsten Tag zur Free Walking Tour Plovdiv. Ein bisschen Kultur muss ja auch sein.  Und Plovdiv ist es allemal wert. Wir waren überrascht von dem westlichen Flair, das in der Innenstadt ausgestrahlt wird. Doch neben einem WMF-Haushaltswarenladen steht dann eine wunderschöne Moschee, deren Mauern von großen Palmen geziert werden und in der Mitte der beiden Welten liegen alte Ausgrabungen eines römischen Stadions.

 

Der 1. Mc Donalds in Bulgarien

Plovdiv ist übrigens eine der ältesten Städte Europas und wird seinem Ruf als Kulturhauptstadt alle mal gerecht. Nachdem wir die Tour alle mehr oder weniger aufmerksam verfolgt haben, ging es über ein Mittagessen in der Stadt auf einen der nahegelegenen 7 Hügel. Auf ihm prangert ein kommunistisches Denkmal. Zufällig konnten wir dort oben noch die untergehende Sonne genießen, Fotos machen und den endlos scheinenden Blick über die Stadt wertschätzen.

Am Sonntag ging es nach einem weiteren netten Abend nach Assenovgrad, einem kleinen Ort mit einer beachtlich gelegenen Burg ca. 30 Minuten Zugfahrt von Plovdiv entfernt. Rechtzeitig zum Zug loszulaufen und sich über Preise und Abfahrtsgleise frühzeitig zu informieren, wäre ja wirklich etwas zu erwachsen gewesen. Dennoch haben wir es dann noch rechtzeitig in den Zug geschafft. Bei strahlendem Sonnenschein ging es dann für uns zu Fuß zum Ausflugsziel.

 

Die Strecke wurde uns – mehr oder weniger verständlich – netterweise von der Dame am Ticketschalter erklärt. Eine gute Stunde und einen schönen Spaziergang später kamen wir jedoch wirklich am Ziel an und verbrachten ein paar schöne Stunden zwischen alten Mauern und wunderschöner Aussicht. Zurück in Plovdiv ging es für einen Teil wieder in die Heimatstädte zurück.

Nele, Paula und Pius wollten erst am Montag nach Sofia und für mich ging es von dort aus weiter nach Veliko Tarnovo. Die Zugfahrt dorthin war gleichermaßen aufregend wie anstrengend. Zu meiner Erleichterung traf ich aber gleich zu Beginn eine Französin, die in Veliko Tarnovo wohnt und auch über das Wochenende in Plovdiv war. Mit ihr ging die Zugfahrt schnell vorbei und wir hatten einige schöne Gespräche. Vom Bahnhof in Tarnovo fand ich dann schlussendlich auch einen richtigen Bus, der mich in Richtung des Hostels gebracht hat. Nach einer kurzen Verzweiflung vor verschlossenen Türen des Hostels lag ich ein Telefonat später aber trotzdem im warmen Bett. Kommunikation und Nachfragen bringt wirklich fast immer Licht ins Dunkel. Das habe ich schon mal gelernt.

Am nächsten Tag stand die zweite Free walking tour in 3 Tagen an. Zusammen mit einer super netten Einheimischen und zwei Rumänen ging es dann, von pessimistischen Nieselregen umgeben, durch die Hauptstadt des 2. Bulgarischen Königreiches.

Die ist wirklich sehr pittoresk, vor Allem wenn ein tiefhängender Nebel die Festung der Stadt mystisch ummantelt und man sich wie in einem Mittelalterfilm fühlt. Mein Mittagsessen bekam ich von sehr netten Gastgebern und vor wunderschöner Aussicht in einem kleinen Lokal serviert. Auch etwas was ich gelernt habe: Alleine Essen zu gehen ist gar nicht so schlimm. Nur ein Bisschen 😉

Nachmittags ging es dann noch auf die besagte Festung, die ich dank des Wetters und der aktuellen Situation fast für mich alleine hatte. Die „Kirche“ hoch oben auf dem Berg wurde in Zeiten des Kommunismus restauriert. Dementsprechend werden alle Erwartungen und Klischees beim Betreten dieses Gebäudes widerlegt. Nichts, was irgendwie an ein Gotteshaus erinnern könnte. Dafür Malereien und eine Stimmung, die mich nachhaltig beeindruckt hat.

Abends wurde dann alles etwas chaotisch: Am Wochenendende haben sich anscheinend Einige von uns mit Covid infiziert, was sich nach einem Schnelltest in Sofia herausstellte. Deshalb ging es am nächsten Morgen für mich nicht weiter Richtung Schwarzes Meer sondern direkt wieder in die Heimat nach Sofia, zum Testlabor und dann in meine Wohnung. Und auch ich war schlussendlich positiv. Zwei Wochen Quarantäne mit Paula und Pius in meiner Wohnung hier lagen vor uns. Meine erste Reaktion war Lachen. Recht surreal schien mir da noch alles. Nach einigen organisatorischen Telefonaten betrachteten wir dann alles etwas nüchterner. Zwei Wochen nicht raus, in Abhängigkeit von anderen leben und natürlich auch noch krank sein. Aus der Retroperspektive vom heutigen Tag 10 haben wir die ersten Tage mit Tee trinken, Husten und Wifi Einrichtungsversuchen verbracht. Die Kochversuche klappten alle so semi, was aber gar nicht so schlimm war, da wir sowieso nichts schmecken. Zu dritt kommen wir aber noch echt gut aus und gesundheitlich sind wir auch alle auf dem Weg der Besserung. Was mich nur stört ist diese ständige Abhängigkeit von Menschen, das Fragen und Bitten und natürlich auch die anhaltende Monotonie des Tages. Direkt nachzufragen lohnt sich aber (habe ich ja schon gelernt), wenn man bis halb 12 schläft, geht der Tag auch schneller vorbei und jede Beschäftigungsmöglichkeit muss vollkommen ausgenutzt werden… Das waren nur einige unserer Erkenntnisse aus der Quarantäne.

So endete eine schöne Reise schließlich in meinen Birkenstocks zu Hause. Eine Wendung, die sich so natürlich niemand gewünscht hat, schlussendlich aber auch keiner richtig beeinflussen kann. Wir sind einfach froh, dass es uns den Umständen entsprechend gut geht und ich noch ein paar Netflix Serien runtergeladen hatte.

Aber muss ja weiter gehen. Noch 5 Tage, Hajde, Hajde.

Josi