über neue Freundschaften zu Gemüsehändlern und Freiwiligen und einen Wochenendtrip in die lustigste Stadt Bulgariens
Während es zu Beginn der zweiten Woche hier auf meinem Esstisch noch so aussah,
fühlte sich in meinem Inneren alles schon etwas geordneter an. So langsam hat man das Metronetz im Kopf, den Weg zum Lidl in der Tasche und einige aufschlussreiche Kilometer durch Sofia in den Beinen.
Genug eingelebt, um endlich meinen ersten Gast zu empfangen. Die liebe Karla kam am Dienstag aus Schumen hierher nach Sofia, um sich von der unendlichen Schönheit Sofias und meiner Wohnung zu überzeugen. Während ich den Tag über in der Schule verbrachte, machte sie sich ein eigenes Bild von der Stadt (nicht wörtlich zu nehmen, Karla ist nämlich zu faul, um Fotos zu machen) und abends zogen wir dann gemeinsam durch die Straßen.
Wir haben Lifehacks entdeckt (Joghurt und Wasser ist wie Milch), Secondhandläden besucht und auch lebensnotwendige Dinge wie meinen Toaster gekauft. Wer mich kennt, weis, dass ich kein Freund von schnellen Entscheidungen bin. Wenn man jedoch im Toasterladen steht, auf ein zufälliges Gerät zeigt und dann die sehr professionelle Verkäuferin sagt: „this is the best one“, ich meine was muss man dann noch lange überlegen. Zu meinen neusten Errungenschaften gehören jetzt übrigens auch ein Nudelsieb, eine Wasserfilterkanne (nach dem zweiten Einkauf nun auch mit Filtern) und eine wunderschöne aber eher unpraktische handgetöpferte Schüssel vom Ladies Market.
Bei unserem ersten Schumensko auf dem Balkon wurden wir uns dann aber auch einig, dass Alltag einfach anstrengend ist. Jede kleine Besorgung ist ihr eigenes Abenteuer und wird durch die (immer noch vorhandene) Sprachbarriere nicht gerade erleichtert. Auch das üben von Ja und Nein mit der entsprechenden Bewegung (genau umgekehrt wie in Deutschland) ist mühsam und manchmal auch verwirrend.
Jedoch lohnen sich diese Anstrengungen auch immer öfter. Habe ich mich diese Woche endlich zum Stand meines lokalen Gemüsehändlers getraut und versucht mich mit Bulgarischbrocken durchzukämpfen, hat er mir sofort mit bestem Schulenglisch meinen Beutel mit Leckereien befüllt und diese dann später wiederum auf seiner manuellen Messingschalen-Gewichtswaage abgewogen. Dieses Spiel der Gegensätze, das Sofia hier gerade eindeutig gegen mich gewinnt, ist also noch nicht vorbei. E-Scooter auf alten Ausgrabungsstätten und Pferdekutschen als Fortbewegungsmittel vor meiner Haustüre, diese Bilder sind hier Realität.
Am Freitagnachmittag hieß es dann mal wieder „Hajde, Hajde“ und ein Wochenendtrip nach Gabrovo stand an. Laut internen Informationen ist das die lustigste Stadt Bulgariens. So ganz nebenbei ist sie auch 28 km lang und hatte das erste Mädchengymnasium in ganz Bulgarien. Karla hatte es irgendwie geschafft, Tickets zu kaufen für einen Bus dorthin und einem Treffen mit allen Freiwilligen stand nichts mehr im Weg. 3 Stunden Busfahrt und keine Ticketkontrolle später standen wir dann tatsächlich in der 50.000 – Einwohner Stadt in Zentral Bulgarien. Es war leicht überfordernd, Leute zu begrüßen, die man zwar von zehn Tagen Online Seminar kennt, jedoch noch nie in echt gesehen hat. Aber wenig später saßen wir dann fast vollständig bei Pestonudeln und einer lokalen Bierverkostung in der Wohnung von Tom und Connor, zwei Jungs die dort ihr FöJ machen.
Nach wenig Schlaf und vielen Gesprächen ging es am nächsten Tag mit Sergey, der Ansprechperson der Jungs, die, aufgrund ihrer super offenen und netten Art, von uns auch liebevoll Ehrensergey genannt wird, in das Etara Dorf. In diesem Freilichtmuseum etwas außerhalb der Stadt kann man viel über das historische und damals wasserbetriebene Handwerk der lokalen Bulgaren lernen. Man kann aber auch sehr gut das schöne Wetter, die Natur und die Leute erleben. Weniger gut kann man Boza genießen. Dieses beliebte bulgarische Getränk ist wohl nicht nur in Gabrovo nicht ganz nach meinem Geschmack…
Nach einem netten Mittagessen mit Spüli-Limo und Knoblauchbrot ohne Knoblauch ging es dann ohne Sergey aber dafür mit den nachgereisten Pius den Berg hinauf, zum Kloster Sokolski. Mal wieder kamen wir aber mit der bulgarischen Wegbeschreibung nicht zurecht und fanden uns wenig später mitten im Wald, ohne einen blassen Schimmer des Weges, wieder. Man muss aber dazu sagen, dass es ein sehr schöner Wald war. Dieser Faktor und die fehlende Motivation veranlassten uns dazu, einfach weiter querfeldein zu gehen. Wenig später erreichten wir dann aber sogar ein kleines Dorf und wurden von den hiesigen Bauarbeitern auch gleich mit einem: „Look, Beton, Beton“, empfangen.
Der Weg zum Kloster war dann nur noch kurz, die Pause vor Ort ziemlich entspannend und die Atmosphäre wunderbar angenehm.
Nach einem Gruppenfoto und einigen Meinungsverschiedenheiten über den Rückweg, kamen wir dann irgendwann wieder unten an. Mit einem Eis in der Hand gings dann über die Bushaltestelle und einigen Minuten des Wartens wieder zurück in die Stadt. Den Abend ließen wir mit leckerer Linsensuppe, süffigen Bier und einem aufregenden Barbesuch enden. Am letzten Tag/Sonntag/Abreisetag ging es dann über mehrere lustige Zwischenstopps (Frühstück auf dem Billa Parkplatz, Museum des Humors und verpasste Busse) nach Hause. Nach Hause…Also nach Sofia. Klingt verrückt oder?
Bis ich diesen Artikel zu Ende verfasst habe, ist schon wieder super viel passiert. Angefangen bei einem nervenaufreibenden Ausflug zu Decathlon bis hin zur Schnäppchenjagd bei Lidl (die Kruscht-Ecke wird mir immer sympatischer!). Aber auch die Ungewissheit, wie es mit der Corona Situation weitergeht hat mich die letzten Tage hier beschäftigt. Die Schüler ab der 8.Klasse müssen wieder ins Homeoffice und die Zahlen steigen stetig an. Ich versuche hier jeden Tag zu genießen und zu hoffen, dass es weiterhin so schön bleibt…
Aber Kopf hoch, muss ja irgendwie weitergehen! Hajde, Hajde
Josi