Archiv für den Monat: Juni 2015

El Mundo Chiquitito

Chico heißt klein. Chiquito ist die Verniedlichung von klein, also so etwas wie „kleinchen“, klitzeklein oder mini. Chiquitito ist die Verniedlichung von der Verniedlichung, und ich bin raus, wenn es darum geht, dieses hyperniedliche Wort exakt ins Deutsche zu übersetzen. Es beschreibt aber ganz gut, wie mir die Größe der Welt immer öfter vorkommt. Nämlich mini-klitzeklein.

Dafür erlebe ich immer mehr Beispiele (ganz zu schweigen von den vielen Zufallsbegegnungen mit Bekannten in der Stadt)…

Santiago de Chile ist ein Dorf
Vor ein paar Jahren habe ich in den USA die liebe Vale aus Chile kennengelernt.
Vor ein paar Monaten dann hat sich herausgestellt, dass ein guter Freund von ihr in Santiago mit dem Cousin meiner (teilweise chilenischen) Freunde Tobi und Emilio aus Deutschland zusammenwohnt.

Der mysteriöse Mendoza-Mann
(siehe Beitrag Kurzgeschichten)

Freundesfreunde
Auf der Bootsfahrt zurück von Uruguay habe ich ganz zufällig Johanna kennengelernt, die in der Nähe von Buenos Aires auf einer Biofarm arbeitet..
An einem Nachmittag in Buenos Aires habe ich mich mit Anna im Jardín Japonés getroffen. Die gemeinsame Freundin, die wir in Deutschland haben, hat uns also erfolgreich „verkuppelt“.
Wie sich herausstellte kannte, kennt Anna auch Johanna und war schon zu Besuch auf der Farm.

Das Highlight
Ende Januar habe ich auf der Wassersportmesse boot in Düsseldorf ausgeholfen. Auf der Rückfahrt in der Düsseldorfer U-Bahn hat uns ein rothaariger Fußballfan mit seinem Gespräch mit ein paar Austauschschülern aus Buenos Aires unterhalten:
Er fragte sie, ob everything creamy sei (englisch für alles cremig bzw. alles gut), ihnen den Unterschied zwischen herb (wie sein Bier) und Herpes und Vokabeln wie Harndrang beibrachte. Als ich mich fragte, was diese armen Argentinier wohl für ein Deutschlandbild bekommen würden, erklärte der Fußballfan sich selbst für dumm. Aber da könne er nichts für, das liege an seiner roten Haarfarbe. Achso.
Wie dem auch sei, einen dieser argentinischen Schüler habe ich heute bei dem Schülerwettbewerb „Deutsch mit Herz und Verstand“ getroffen. Buenos Aires ist also doch nicht so groß, genauso wenig wie Düsseldorf und die Welt im Allgemeinen.

(Herzlichen Glückwunsch an alle, die diese Zusammenhänge und Bekanntschaftsverhältnisse verstehen!)

Also entweder sind Globalisierung und internationale Netzwerke viel willkürlich alltäglicher als sich diese Begriffe anhören, oder ich habe einfach eine (bestimmt wahnsinnig wertvolle) Gabe für Zufälle.

Kunst und Szenen

Die Kunstmesse arteBA ist eine große und wichtige Sache in Buenos Aires mit viel Interessantem, Schönen, Beeindruckenden, Verwirrenden und Ironischen. Aus meiner Sicht waren aber die Menschen, die Besucher das Allerspannendste. Wie eigentlich immer.
Da waren all die auf gutes und/oder interessantes Aussehen bedachten Kunstinteressierte mit tausenden von Versionen ach so stylischer „Hipster“-Brillen und ach so hoher Plataformaschuhen … mittendrin ein angeleuchtetes Kind … ein Mädchen, das von einer Freundin tanzend vor einem Kunstwerk fotografiert wird und dabei selbst das Beste am ganzen Kunstwerk ist … und so viele andere people, people, people, people.

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Zwei Fremde und ich.

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P6070198Mein Liebling: Ein Vogel auf weiß … der Schatten von einem Hauch von Schmiere.P6070202   P6070186Dieser echte, lebendige Mann hielt verschiedene Posen für jeweils einige Minuten – unfassbar ruhig und deshalb unfassbar anstrengend.

P6070148„FOLGE“. Haha.

Zwischendrin

Das kulturweit-Zwischenseminar macht seinem Namen alle Ehre. Gefühlt mittendrin hat es mich kurz in die (frische Land-)Luft gehoben, mir einen Überblick verschafft und mich schließlich wieder zurück auf bekannteres Pflaster gesetzt. Ein bisschen, als wäre nichts gewesen, ein bisschen, als hätte sich in der kurzen Zeit alles verändert.

Eine Woche vor dem Seminar kam meine liebe Freundin Pauline (auch Freiwillige mit kulturweit) aus Posadas in Nordargentinien und Nina, eine Freundin von Pauline. Wir waren mit Stadterkundungen und WG-Leben beschäftigt, bis Pauline und ich am Freitagabend nach einer knappen Woche los mussten.
Beim Aufbruch ließen wir nicht nur einen Haufen noch ungetrockneter Wäsche beim Lavadero um die Ecke zurück, sondern auch einige unerkundete Stadtteile (vor allem Pauline) und den neuen Alltag (vor allem ich).

In einer Busnacht mit viel zu kalter Klimaanlage sind wir dann nach Córdoba Stadt gefahren.
Im zwielichtigen Hostel (im wahrsten Sinne des Wortes, nicht im übertragenen Sinne) haben wir die anderen Freiwilligen aus Argentinien, Uruguay und Paraguay wiedergetroffen, gequatscht, gegessen,…
Auf dem dagegen bunt leuchtenden Artisanenmarktes haben wir eingekauft, noch mehr gequatscht, noch mehr gegessen und Hippie-Freundschaften geschlossen.
Und zwischendrin haben wir die Stadt angeguckt…

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Das Seminar fand statt in dem auf skurrile Art deutsch geprägten Dorf Villa General Belgrano in der Nähe von Córdoba Stadt. Ein wenig abgelegen von dem ein wenig abgelegenen Dorf lag unsere Herberge „El Rincón“ = die Ecke, für dessen Namensherkunft wir zwei Theorien entwickelt haben:
1. Das Gelände befindet sich in der hinter(st)en Ecke des Dorfes.
2. Die Herberge hat etwas von einer gemütlichen Kuschelecke.

Ein bisschen gekuschelt haben wir tatsächlich – und gut gegessen (inklusive hausgemachter Marmelade, Dulce de Leche, Erdnussbutter, Joghurt, einem Traum von Brot,…), Musik gemacht, Schach gespielt, gezeichnet, mal leicht gefroren und mal in der Sonne gesessen.

Um nach einer Woche intensiven Zusammenseins das beste aus dem Tag zu machen, sind Lena und ich an dem Samstag nach dem Seminar in die Umgebung von Córdoba Stadt gefahren.
Der Plan war, mit dem Bus zu dem Dorf Jesús María zu fahren und von dort zu der Estancia Santa Catalina mit dem Taxi, da keine andere Verbindung im Reiseführer erwähnt wurde. Es gab tatsächlich keine andere Verbindung. Als dann auch erstmal kein Taxi in der Nähe des Busbahnhofs von Jesús María zu sehen war (und das auch relativ teuer gewesen wäre), sind wir einfach geblieben.

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Der überlebensgroße Namensgeber

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Die Beschreibung des Reiseführers „verschlafen“ trifft es ganz gut – vor allem natürlich während der Siesta. Aber in diesem Dorf war uns die Verschlafenheit sehr sympathisch, vielleicht wegen des guten Wetters, vielleicht wegen unserer unvoreingenommenen Spontanität.
Die stellte sich mal wieder als sehr lohnenswert heraus. Noch ein Blick in den Reiseführer verriet, dass es auch hier eine Jesuiten-Estancia gab.
So eine Jesuiten-Estancia ist ein architektonisches Schmuckstück. Wie wir erfuhren, wurden sie in der Kolonialzeit von den Missionaren gebaut, um die Universitäten und andere Bildungsstätten finanziell wie auch „moralisch“ zu unterstützen. Das bedeutete, Indigene und Sklaven aus Afrika für sich arbeiten zu lassen und ihnen dafür angeblich ach so wertvolle westeuropäische bzw. katholische Bildung zukommen zu lassen. Mit dem moralischen Verfall, dessen die Mönche der Estancia zeitweise beschuldigt wurden, war aber wohl eine andere Art von Verbrechen gemeint als die, an die ich gedacht hätte.
Umso mehr hat uns die Ausstellung „Una tierra – muchos dioses“ (Eine Erde – viele Götter) gefallen. Sie präsentierte anhand von Skulpturen, Alltagsgegenständen und Symbolen den Reichtum an Glaubensrichtungen der Menschen, die schon lange vor den europäischen Einwanderern hier lebten und dann „moralisiert“ wurden.

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Einmal so komplett draußen – aus der Stadt, aus dem Alltag – habe ich schon eine andere, vielleicht gesamtheitlichere (und ich gebe zu vorläufig nostalgische) Sicht auf die Dinge bekommen. Einerseits ist mir klar geworden, wie schnell die Zeit bisher vergangen ist und wie wenig Zeit nur noch bleibt. Und vor allem habe ich nochmal mehr gemerkt, wie glücklich ich hier bin.