Archiv für den Monat: April 2015

Wetter- und Blickwechsel

Am 15. April, genau einen Monat und einen Tag nachdem ich in Buenos Aires angekommen bin, hat es so gestürmt, dass meine Haare in alle Richtungen, Staub in meine Augen und bunte Blätter durch die Luft geflogen sind.
Einen Tag später war ich beim Goethe-Stammtisch, den die Freiwilligen Ronja und Laura im Rahmen des Goethe Instituts ins Leben gerufen haben, „um sich nach Feierabend auf Deutsch in entspannter Atmosphäre auszutauschen, zu plaudern und zu diskutieren“ (Goethe-Stammtisch). Die Atmosphäre war total schön und inspirierend, nicht zuletzt wegen der idealen Rahmenbedingungen in der zauberhaften Pulpería Quilapán in San Telmo: ein Innenhof zwischen Backsteinmauern, Wein aus Pinguinkrügen, Live-Musik und -Chacarera (Folklore)…

Scheint wie ein perfekter Sommerabend?
Auf dem Heimweg wurden wir zuerst mal wieder ordentlich durchgepustet. Und trotz dieser mehr als deutlichen Vorwarnung, trotz unterstellen, Bus fahren, rennen, und für die letzten paar Cuadras doch noch ein Taxi nehmen, kam ich bis auf die Haut triefend nass zuhause an.
Vielleicht gibt es hier doch ein bisschen Herbst. Dieser Wetterwechsel passte jedenfalls ganz gut dazu, wie ich mich in den letzten Tagen gefühlt habe. Durch den Wind trifft es wirklich ganz gut (wie mir auch in der Schule bestätigt wurde). Denn ich bin umgezogen, aber irgendwie noch nicht angekommen.


Mein bisheriges Zimmer und Heim war wunderschön, sauber und ruhig (zu ruhig, aber gut). Und trotzdem wollte ich seit dem ersten Tag etwas anderes finden. Mit der Entfernung zur Arbeit hätte ich mich anfreunden können, aber der große Haken war das absolute Verbot jeglichen Besuchs. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass diese Regel in verschiedenen Varianten in dieser sicherheitsbewussten Stadt gar nicht so unnormal ist. Aber welchen Sinn haben Räume, wenn nicht, um mit Menschen und Leben gefüllt zu werden. Hier also ein kleiner Abschied von den schönen aber unbelebten Räumen.

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Also habe ich per Wohnungssuche Sightseeing auf die etwas andere Art gemacht. Das kann ich übrigens nur empfehlen für Einblicke in (innen-)architektonische Schmuckstücke, in Privatleben (auf vollkommen legitime Art) und für neue Bekanntschaften.

Zu gern würde ich jetzt noch eine Fotoreihe über mein ach so perfektes neues Zuhause machen. Aber da bin ich leider noch nicht. Das heißt: jetzt gerade bin ich in einer Wohnung, die mir aus verschiedenen Gründen aber nicht so gut gefällt, und deshalb weiterhin auf der Suche. Diesmal aber ziemlich guter Hoffnung. Mehr dazu, wenn ich dann – wo auch immer – tatsächlich angekommen bin.

Montevideo

So ungefähr das erste Detail, das ich über Montevideo gehört habe, war das mit dem von Fahrrädern angetriebene Freiluftkino. Damit der Film läuft, müssen die Zuschauer strampeln. Soviel zum ersten (sympathischen) Eindruck. Bei Montevideo scheint es vor allem um den Charakter zu gehen, und der ist sehr gemütlich. Die Stadt wirkt überschaubar und ruhig; die Häuser haben viel weniger Stockwerke als die in Buenos Aires, es gibt wenig (Auto- und Fußgänger-)Verkehr, und nach einem mehr oder weniger ausgiebigen Spaziergang wüsste ich nicht so genau, welche großen Highlights – abgesehen vom Strand – es noch zu sehen gäbe. Die Stadt ist weniger eine zum Besichtigen, sondern vielmehr eine Lebestadt und dadurch umso sympathischer. So jedenfalls habe ich sie letztes Wochenende erlebt – inklusive Freiluft-Fahrrad-Film.


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P4118976Ein verlassendes Gelände direkt am Wasser – perfekt für eine Art creative space, aber vielleicht liegt es an Montevideos Gemütlichkeit, dass aus so etwas nicht gleich ein Großprojekt wird.

P4118986Parilla auf dem Bürgersteig.

P4118991Und nochmal.

P4118993Das ehemals (für ziemlich kurze Zeit) höchste Gebäude Lateinamerikas.

P4118996Der Nationalheld und die Amateurmodels.

P4118998In die eine Richtung hindurch zu gehen soll das Leben um fünf Minuten verlängern, in die andere Richtung um fünf Minuten verkürzen. Ich glaube ich bin in die richtige Richtung gegangen.

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P4119048Eine Ansammlung von Parilla-Restaurants in einem ehemaligen Bahnhof.

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Und zurück zum Freiluftkino: Nach einem Infofilmchen über die Geschichte und Verbreitung des Fahrrads in den Niederlanden (gar nicht so uninteressant!) lief ein Film über einer uruguayische Familie (Vater mit zwei erwachsenen Söhnen), die innerhalb von ca. vier Jahren mit dem Auto um die Welt gefahren sind. Die selbstgedrehten Videoschnipsel und Interviews mit den drei Männern selbst, Familienangehörigen und Freunden bildeten die perfekte Form für die Authentizität, die dem Film seine ganze Lebendigkeit verlieh. Abgesehen natürlich von den drei Persönlichkeiten haben die Form und die Authentizität den Film ausgemacht, zusammen mit den zwei Konstanten, die sich durch das Auf und Ab der Reise zogen: zwischen realistisch und unvorstellbar, zwischen Krise und Hochgefühl, zwischen Vater und Söhnen und Menschen auf der ganzen Welt immer ein blauer Citroën Mehari und immer ein Becher Mate.

Mehr zu dem Projekt: www.uruguayporelmundo.com

(Der Kommentar meines Sprachlehrers zu dem Projektnamen: [herzhafte Lache] Ja, so sind die Uruguayos, nicht groß rumfackeln mit poetischen Wortspielen, sondern schlicht und einfach auf den Punkt kommen.)

Wein und Berge

Fünfzehn Stunden Busfahrt – so anstrengend sie trotz bequemer Sitze sind – geben einem die Chance, sich etwas mehr auf einen ganz anderen Ort einzustellen. Vor allem natürlich, wenn man die Morgenstunden vor der Ankunft mit begeistertem Landschaft-Gucken verbringt. Trotzdem habe ich das Gefühl, in den wenigen Tagen des Osterwochenendes, der Semana Santa, nicht ganz in Mendoza angekommen zu sein.

Immerhin haben wir uns am Ankunftstag Zeit gelassen, durch die Stadt, auf der Plaza Independencia und im Parque San Martín zu bummeln, in dem Sonnenlicht, das sich im Brunnenwasser, in den Seifenblasen und dem Wasser des Parkteichs spiegelte.
Es ist natürlich wenig sinnvoll, Buenos Aires als Maßstab für andere Städte hier zu nehmen. Die Millionenstadt ist sicher weder optisch noch vom Charakter her typisch für Lateinamerika oder auch „nur“ Argentinien. Aber da es jetzt nunmal „meine Stadt“ ist, kann ich Vergleiche nicht abstellen:
Mendoza ist – oh Wunder – viel kleiner und ruhiger als Buenos Aires (diesen Eindruck haben die Feiertage bestimmt verstärkt). Auf den Straßen sind weniger Menschen unterwegs, und sie bewegen sich langsamer. Im Park ist viel los, aber auf so gemütliche Art, wie in Parks eben was los ist. Dank mitgebrachter Stühle, Picknickausstattung und natürlich Mate wird aus dem Parkbesuch ein aufwändig-entspanntes soziales Event.
Ganz zart klingt in der Stadt ein Echo der Umgebung – der unendlich weiten Flächen einerseits und der überwältigenden Berge andererseits – selbst durch das spätabendliche Treiben zwischen Restaurants und Bars hindurch.

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Wir wollten Abenteuer – und haben eine zentimeterhohe Hostelzimmerüberschwemmung
bekommen. Wie war das noch mit der Vorsicht beim Wünschen?

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Eine Kostprobe der Landschaft haben wir bei unserer Fahrradtour durch die Weinfelder und Olivenhaine bekommen. Die wohl berühmteste Traube Argentiniens, Malbec, schmeckt fruchtig und intensiv, wie ein leuchtend heißer Sommertag. Am besten zu genießen ist sie aber wahrscheinlich ein paar Stunden in Richtung Sonnenuntergang, wenn das Licht von strahlend zu warm übergeht…

All das war nach einem etwas schwierigen Start umso schöner: Die Besorgung von Bustickets an einem Karfreitag stellte sich als Odyssee heraus. Ich dachte, es gebe die Situation, in der man geschätzte zehnmal von Kiosk zu Kiosk, „durch die Unterführung durch“, „zwei Blocks weiter und einen nach rechts“,… gelotst wird, nur in der fiktiven Welt. Falsch gedacht. Entsprechend glücklich waren wir, endlich im Bus zu sitzen.

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Sonne, liebe Menschen, Wein, Oliven und Brot… viel mehr braucht es nicht!

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Der absolute Höhepunkt (im wahrsten Sinne des Wortes) war die Alta-Montaña-Tour in die Anden. Nach der anfänglichen Holprigkeit bei unserer Wein-Fahrradtour war es wunderbar entspannend, sich von der durchgeplanten Bustour mit super herzlichem Tourguide durch die Gegend fahren zu lassen. Die teilweise zu lauten und ausführlichen Erklärungen wurden dabei spanisch mit „Chicos!“ und englisch mit „People!“ oder dem belustigenden „Girls! And people!“ eingeleitet.
Wie beschreibt man so eine Landschaft?
Ein Spiel von Licht und Schatten, die Farben, die harte Grenze zwischen rotbraunem Berg und blauem Himmel… Schon jetzt, kurze Zeit später, kann ich kaum glauben, dass ich einmal in der Landschaft auf diesen Fotos mittendrin stand.
„Otherworldly“ – das trifft es ganz gut.

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Wie toppt man so einen Tag, solche Aussichten? Gar nicht. Wir jedenfalls haben einen gemütlichen Ostersonntag verbracht: mit Osterplätzchen (teilweise aus Spekulatiusteig), die die Gastmama von der Freiwilligen Lena gebacken hatte, mit einem Spaziergang von Plaza zu Plaza, mit der Beobachtung eines Ameisen-Keks-Transports und mit großzügigen Portionen Helado. Und ja, man kann für Schokoladen- und Dulce-de-Leche-Eis eigene Kategorien mit jeweils ca. zehn Sorten anbieten!

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Und ein Sonntagsausflug

Nach zwei Wochen Großstadt war so ein Ausflug ins nahe Tigre und Flussdelta die perfekte Art, einen Sonntag zu verbringen – keine Ahnung, wie oft wir meinten, was für ein perfekter Tag das doch war. Ein bisschen mehr Natur, frische Luft und Wasser drum herum… das fühlte sich wunderbar gut an! Außerdem hatten wir das riesige Glück, von der lieben Argentinierin Caro (muchas gracias!), einer Bekannten der Freiwilligen Laura, herumgeführt zu werden.

Das Tigre-Delta ist eine große Fluss- und Insellandschaft mit (auch hier) braunem Wasser und leuchtend grünem, frisch gemähtem Rasen am Ufer. Die kleinen niedlichen Häuser stehen wegen Hochwassergefahr auf Stelzen, sind oft bunt und haben Namen wie zum Beispiel Cuatro Vientos (= Vier Winde). Die Luft ist voller Licht, Urlaubsstimmung, dem Geräusch von Wasser und – später am Abend – Grillenzirpen.


Wasserstraßen und Insellandschaft
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Die gold-blaue Stunde
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Schatten und Licht
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