Kulturexkurs: Karneval in Montevideo

Pünktlich zum Ende der Faschenacht (in Deutschland) berichte ich nun über den Karneval in Uruguay.

Der montevideanische Karneval (der sich doch stark vom brasilianisch geprägten im Norden von Uruguay unterscheidet) ist der längste der Welt, weshalb ein Großteil von uns Uruguay-Freiwilligen das letzte Wochenende in der Hauptstadt verbracht haben, um uns das Treiben anzuschauen.

Ein zentraler Aspekt waren die Llamadas, die hiesigen Karnevalsumzüge, bei denen die verschiedenen Candombe-Gruppen (spät-)abends durch die Calle Isla de Flores ziehen.

Der Ablauf innerhalb einer dieser Gruppen ist für gewöhnlich wie folgt: 

Zunächst kommt ein Banner mit dem Namen der Gruppe, oftmals folgen kleinere mit Sponsoren bzw. Werbung. Danach folgt die Gruppe der Fahnenträger, die ihre Stofffahnen hin und her und auch über die sich nach ihnen reckenden Hände der Massen schwenken, hiernach einige Personen, die Monde und Sterne an langen Stöcken tragen. Jetzt folgt eine große Gruppe an Tänzerinnen, die immer wieder stehen bleiben und in Formation ihren Tanz aufführen. Hinter ihnen kommen ältere Leute, meist in Paaren, die Frauen in wallenden Kleidern (als „Mama Vieja“) und die Männer in Anzug mit Stock, Hut und Rauschebart, auch wenn letzterer in den seltensten Fällen echt und oftmals umgehängt ist. 

Ihnen folgen ein oder zwei Samba-Tänzerinnen mit Federschmuck und für gewöhnlich auch ein bis zwei Männer (ihre Tanzpartner?), die besonders farbenfrohe und ausgefallene Anzüge tragen.

Den Schluss machen die Candombe-Musiker, die unter ohrenbetäubendem Trommeln vorbeiziehen. Zu allerletzt kommt nochmals ein Banner, bevor mit großem Abstand die nächste Gruppe in etwa gleicher Anordnung folgt. Den leeren Raum zwischen den Gruppen nutzten Kinder, um auf der Straße zu tanzen, und auch die zuschauenden Erwachsenen bewegen sich rhythmisch zur Musik.

(Wir halten nicht bis zum Ende des Zuges durch, sondern gehen “schon” gegen halb Zwei, da wir noch etwas essen wollten.)

Ein andere typische Facette des Karnevals hier sind die Theaterwettbewerbe zwischen den verschiedenen Murga- und Humoristengruppen. Die Murga ist eine Form des politischen Gesangstheaters und wird dazu genutzt, die politischen Verhältnisse im Land zu kritisieren. Man kann sich das ein bisschen wie eine Mischung zwischen einem Musical und einer politischen Büttenrede vorstellen. 

(Auch bei dieser Veranstaltung halten wir nicht bis zum Schluss durch, sondern gehen noch vor Ende.)

Eine Murga

Was mich überrascht hatte, war, dass man den Karneval wirklich nur abends und eben während der Veranstaltungen mitbekam, tagsüber sah ich nichts in der Art, auch die Häuser und Schaufenster waren nicht besonders geschmückt. Hier dominierte eher die Valentinstagsdeko.

Die überwiegend sonnigen Tage verbrachten wir daher in Museen, im Punta Carretas Shopping und im Parque Rodó, wo wir Unmengen an Churros aßen. Da wir aber nie zu lange Glück mit dem Wetter in Montevideo haben können, verabschiedeten wir uns montags im strömenden Regen von der Stadt und denjenigen Freiwilligen, die in wenigen Tagen schon wieder nach Deutschland zurückreisen. 

Fahrradfahrer im Parque Rodó
Die Feria de Tristán Narvaja

10 Tage Urlaub

Nach zehn Tagen Montevideo beginnt nun der eigentliche Freiwilligendienst, fern der Hauptstadt im Interior. Ein guter Zeitpunkt also, diese ersten Tage ein wenig zusammenzufassen. 

Unseren kleinen Ausflug nach Punta del Este habe ich bereits zur Genüge ausgeführt, aber natürlich haben wir auch Montevideo selbst erkundet. Am Sonntag nahmen wir dazu an einer Stadtführung durch die Altstadt teil, die uns die wichtigsten (Reiter-)Denkmäler und Gebäude zeigte, aber auch auf die Geschichte von Uruguay einging und die liberale Politik des Landes (Ehe für Alle, Recht auf Abtreibung, Cannabis-Legalisierung) thematisierte. 

Auf ebendieser Führung wurde uns auch eine alternative Herkunft des Namens der Stadt präsentiert: Statt des typischen “Ich sehe einen Berg”-Montevideos wird hierbei der Name in Monte-VI-deo aufgeteilt. VI steht jetzt für die römische Zahl und “deo” für “del este a oeste” (von Osten nach Westen), da der Hügel, auf dem sich Montevideo befindet, der sechste von Osten nach Westen gezählt sein soll. (Halte ich diese Erklärung für sehr weit hergeholt? Möglicherweise.)

Der Sonntag endete aber nicht mit dieser Stadtführung, denn als einige von uns sich durch ein Schild und das schlechte Wetter eine bunte Treppe in der sonst menschenleeren Altstadt hinauflocken ließen, entdeckten wir dort eine kleine Fería, einen Markt, auf dem alles von Essen, Traumfängern, Tattoos bis zu Sex-Spielzeug dargeboten wurde. Es gab auch die Möglichkeit, verschiedene Gesellschaftsspiele zu spielen, weshalb wir uns mit der spanisch-sprachigen Version von Taco-Katze-Ziege-Käse-Pizza (Taco-Gato-Cabra-Queso-Pizza) und einem Spiel, in dem es darum geht, die Haustiere der anderen für das Häufchen auf dem Teppich verantwortlich zu machen, den hagelnden Nachmittag vertrieben. 

Am Montag begann dann der Sprachkurs, den wir bei der Academia Uruguay absolvierten. Morgens waren wir Teil des regulären Unterrichts der Sprachschule, während nachmittags semi-private Stunden stattfanden, die nur aus uns Freiwilligen, aufgeteilt nach Niveau-Stufen, bestanden. Am Morgen wurde Grammatik wiederholt und Landeskunde gemacht, was, nachdem ich die Niveaustufe gewechselt hatte, ziemlich spannend war; der beste Teil des Kurses aber waren die Nachmittage. In meiner Gruppe waren wir zu fünft und wir verbrachten die erste Einheit mit Sprechen, dann schrieben wir Reizwürfel-Geschichten und schauten “Tiranos temblad”, eine Youtube-Sendung, die Beiträge zu Uruguay auf lustige Art und Weise wöchentlich sammelt und veröffentlicht. 

Zusammen mit den anderen Freiwilligen hatten wir auch eine Einführung in die Kunst, Mate zu machen (dazu kommt wahrscheinlich irgendwann ein eigener Beitrag) und zum Abschluss führten wir eine kleine Schnitzeljagd durch, deren Preis Alfajores waren, ein uruguayisches Gebäck, das aus zwei Keksen besteht, die mit Dulce de Leche gefüllt und mit Schokolade überzogen sind. 

Zwischen Sprachschule, Einkauf und Kochen für neun Leute war so ein Tag schon ganz gut ausgefüllt, aber gerade am Abend konnten wir dann doch noch die ein oder andere Aktivität hineinquetschen. Wir versuchten uns am Asados, dem für Uruguay (und auch Argentinien) typischen Grillen, was wir im Rahmen unserer Möglichkeiten nicht schlecht machten – es fehlten uns schließlich essenzielle Hilfsmittel wie Grillzangen.

Auch ein Krimi-Dinner veranstalteten wir, sogar kostümiert, zumindest so weit das unsere Koffer hergaben. Es konnte ja niemand mit einem 20er-Motto rechnen! Am Tag des Mordes improvisierten wir aber nicht nur unsere Kostüme, sondern auch Linsen und Spätzle, was ohne die meisten Gewürze, Spätzle-Presse oder auch nur ein Brett als ordentliche Leistung verzeichnet werden darf. 

In der Hauptstadt darf Kultur natürlich nicht fehlen, weshalb wir über die Sprachschule das Ballett “La Viuda Alegre” besuchten, das die Operette “Die lustige Witwe” adaptiert. Die Vorstellung ist fantastisch, nicht nur im Tanz, sondern auch bei Kostüm und Bühnenbild – was mich aber nicht davon abhielt, den Großteil des zweiten Aktes lang gegen meine zufallenden Augen kämpfen zu müssen. 

Es ist seltsam, sich von den anderen zu trennen. Zusammen mit dem Vorbereitungsseminar waren wir fast drei Wochen lang quasi ohne Unterbrechung beinander und jetzt verstreuten wir uns in alle Ecken von Uruguay. Ein jeder Urlaub muss eben einmal enden…

Ich freue mich aber auch schon darauf, den tatsächlichen Freiwilligendienst zu beginnen, zumal die meisten anderen Freiwilligen außerhalb von Uruguay ihre erste Woche schon hinter sich haben. Mal sehen, was mich in Fray Bentos erwartet – dazu mehr im nächsten Beitrag. 

Auf der Flucht vor der Sonne

Es mag die letzte Sekunde in der Heimat sein, der Moment, in dem die Reifen noch für eine Sekunde an der Rollbahn haften, un sich dann endgültig lösen – das Flugzeug schwebt dem Himmel entgegen und ist bereits Teil der Ferne. Ebendiesen zentralen Moment der Ausreise verpasse ich jedoch, denn als ich aus einem kurzen Schlaf aufwache, ist Frankfurt schon ein entferntes Lichternetz im Dunkeln. 

Ich fliege über Nacht nach São Paulo, eine Nacht, die länger ist als üblich und erst auf dem südamerikanischen Kontinent endet. Während wir sinken, ist der Himmel noch dunkel und nur die hell erleuchteten, modellartigen Hochhäuser strecken ihre flachen Dächer hoch zum Flugzeug, doch hinter den unendlichen Lichtern der Stadt entflammt das Rot des Morgens den Horizont. 

Die Sonne steht schon so hoch, dass der Tag eindeutig die Dämmerung abgelöst hat, als wir durch den Flughafen irren und zu unserem Anschlussflug eilen. Von uns Uruguayern hätten sieben in der gleichen Maschine Richtung Montevideo sitzen sollen, letztlich schaffen aber drei den Umstieg nicht und müssen jetzt später/ morgen nachfliegen. 

Entsprechend leer ist unser Flug nach Montevideo, da ja alle aus der anderen Maschine nicht mitkommen konnten. Ich habe die gesamte Reihe für mich, nutze diesen Luxus aber auch nur, um an meinen Rucksack gelehnt im Sitzen zu schlafen. 

Wir landen am Morgen des 13. Septembers in Montevideo.

Eine Mitfreiwillige und ich fahren mit dem Bus vom Flughafen in die Innenstadt, was mit großen Koffern nur eine sehr begrenzt empfehlenswerte Entscheidung ist; wer uns aber nachahmen möchte oder generell in Uruguay Bus fahren will, sollte vorher wissen, dass man die Busse heranwinken muss, damit sie halten.  Die Leute im Bus sind sehr nett ob unserer Situation und tauschen mit uns Plätze, damit wir unsere Koffer ein wenig aus dem Weg räumen können. 

Auf der Busfahrt können wir einen ersten Einblick in die Stadt gewinnen, wie die Häuser und Straßen aussehen, was die Menschen an einem Mittwochmittag so tun. Einzelne Menschen, genauer Polizist:innen, fahren mit uns Bus, ein Mann (auch im Bus) spielt eine spanische Version von Somewhere over the Rainbow, überall sind Thermoskannen unter Arme geklemmt, an deren Enden Hände Mate-Becher halten. 

Es ist kalt in Montevideo. Natürlich ist es kalt hier, es ist schließlich Winter, aber man glaubt doch immer, wenn man mit dem Flieger Richtung Süden fliegt, dass es wärmer werden muss. Nicht hier, hier sind wir so südlich, dass der Äquator ein fernes Band ist, und fern ist auch die ihm eigene Wärme. Zudem ist es windig und wir müde, aber im Licht der Sonne fühlt es sich bald nicht mehr so schlimm an. 

Wir, also die Freiwilligen in Uruguay, die nicht in Montevideo arbeiten werden, ziehen über den Mittwoch und den Donnerstag in ein AirBnB ein und erkunden die Stadt, denn wir werden zunächst alle gemeinsam den Sprachkurs hier in der Hauptstadt machen. 

Soviel zur Reise und zur Ankunft in Montevideo. Über unsere großen Abenteuer hier werde ich dann demnächst berichten.