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Zwischenseminar – Kiew

Vom 12.11.2017 – 15.11.2017 fand unser Zwischenseminar statt. Wie auch die Freiwilligen aus Estland, Lettland und Weißrussland machten wir uns auf den Weg nach Odessa, um dort den Rest unserer Gruppe aus der Ukraine zu treffen.

Odessa ist eine Stadt an der Südküste der Ukraine. Da kulturweit den Verzicht auf unnötige Emissionen fördert, wurden wir aufgefordert, eine Bus- oder Zugreise zu buchen. Der Ansatz ist lobenswert, die Umsetzung eine Herausforderung.

Um von Kaunas nach Odessa zu kommen muss ich entweder durch Weißrussland fahren oder einen Umweg über Polen machen. Für Weißrussland wird selbst bei der Durchreise ein Visum benötigt und die Fahrt über Polen erstreckte sich über 48 Stunden Busfahrt. Für die Ukraine ist ein Visum erst dann erfordert, wenn der Aufenthalt 90 Tage überschreitet.

Fliegen war eine deutlich einfachere Reisemöglichkeit. Der Flug lediglich drei Stunden lang und mit nur einem Zwischenstopp in Kiew. Nach Rücksprache mit kulturweit wurde es mir schließlich gestattet, einen Flug zu buchen.

Vor der Buchung kam mir dann der Gedanke, wenn ich schon in Kiew bin, warum nutze ich nicht die Gelegenheit die Hauptstadt zu erkunden. Die Idee war geboren und zwei andere Freiwillige schnell gefunden, die sich dem Plan anschlossen.

So flog ich bereits am 10.11.2017 nach Kiew, traf am Flughafen Anna Klostermann und Laura Gräf, die beide ihren Freiwilligendienst in Tallinn absolvierten und wir machten uns auf den Weg zu unserem Hostel TIU Kreschatik.

Der Weg war ein Abenteuer. Zuerst ging es mit dem Shuttlebus bis zum Hauptbahnhof und von dort dann weiter mit der U-Bahn. Warum das schwierig ist? Die erste Hürde war den Eingang zu der U-Bahn zu finden, die zweite Hürde war das korrekte Ticket zu kaufen (wenn die Kassiererin kein Englisch spricht) und die dritte Hürde war sich ohne ein einziges Wort der Aufschriften zu verstehen nicht zu verirren.

Um den Bahnsteig der U-Bahn zu erreichen mussten wir eine endlose Rolltreppe hinunterfahren. Und mit endlos übertreibe ich nicht. Die ukrainische U-Bahn ist berühmt dafür, so tief unter der Erde zu liegen. Die Kiewer Metro liegt 105,5 Meter unter der Erde und ist damit die tiefste Metro der Welt. Die Abfahrt erstreckt sich über zwei Minuten und man lauscht in dieser Zeitspanne der Musik, die über die Lautsprecher erklingt.

Kurz gesagt, wir waren sehr froh, am Ende das Hostel zu erreichen.

Nach dem Einchecken ging es dann los auf der Suche nach Frühstück. Wir alle waren mitten in der Nacht aufgestanden, genauer gesagt um zwei Uhr, um rechtzeitig am Flughafen zu sein. Das Wetter war grandios. Ohne Jacke draußen zu sein hatte ich in Litauen schon seit längerer Zeit nicht mehr in Erwägung gezogen. Hier in Kiew war es Realität.

Wir besichtigten zuerst den Independence Square. Dort befindet sich nicht nur das Monument der Gründer Kiews und das Welt Monument, sondern auch die Riesenbuchstaben, die die Wörter „I love Kiev“ formen. Die Straße war abgesperrt, sodass man sie gefahrlos überqueren konnte.

Da wir bereits in anderen Städten gute Erfahrungen mit Free Walking Tours gesammelt hatten, beschlossen wir, das Angebot erneut wahrzunehmen. Unsere Tourführerin hieß Olga und führte uns und einen Mann aus Frankreich durch einen Teil Kiews, ununterbrochen am Reden und interessanten Anekdoten vermitteln. Anstatt euch alles neu Gelernte hier mitzuteilen ermutige ich euch lieber, Kiew selbst einen Besuch abzustatten. Es lohnt sich!

 

Die Tour endete mit einem gemeinsamen Abendessen im „ukrainischen McDonalds“. Dort gab es überraschenderweise eine Variation an – ebenfalls gesunden –  Speisen. Einen Fakt muss ich hier festhalten. Essen ist in der Ukraine unglaublich günstig. Eine traditionelle Speise in der Ukraine sind Dumplings gefüllt mit Kirschen. Zusammen mit noch einer Suppe habe ich gerade mal einen Euro bezahlt.

Die Währung in der Ukraine sind Hrywnja. 30 Hrywnja sind circa so viel wert wie ein Euro.

Nach dem Abendessen wanderten wir noch etwas durch die erleuchtete Stadt und genossen die Atmosphäre. Vom Krieg bekommt man in der Hauptstadt nicht besonders viel mit. Das Militär ist zwar sehr präsent, aber nichts schreit „Krieg“.

Weil uns die Free Walking Tour so gut gefallen hatte, beschlossen wir, am nächsten Tag an der zweiten teilzunehmen. Diesmal waren wir mit Olga alleine. Der größte Unterschied war jedoch das Wetter. Es war eiskalt und regnerisch. Keine idealen Bedingungen wenn man mit dünnen Nike-Schuhen am Reisen ist. Nach 10 Minuten lief ich in Pfützen, nach einer Stunde fing es zu schneien an, nach eineinhalb Stunden machten wir eine Pause in einem kleinen Café, sodass meine Füße wieder auftauen konnten. Anschließend beendeten wir die Führung und ich atmete erleichtert auf, als wir an der letzten Station angekommen waren.

Beide Führungen kann ich sehr empfehlen, nur wünsche ich jedem, der sie macht, besseres Wetter als unseres. Wir eilten zurück zum Hostel, wickelten uns in warme Kleidung, schauten der  hosteleigenen Katze beim Spielen zu  und tranken Tee ohne die geringste Intention, dass Hostel zeitlich wieder zu verlassen.

Leider existierte ein minimales Essensproblem, sodass wir uns wider Erwartens erneut in den Schneeregen wagten, um unseren Hunger zu stillen. Den Rest des Abends verbrachen wir im Gemeinschaftsraum des Hostels, das unsere Anwesenheit ohne Widerspruch akzeptierte, obwohl das Auschecken bereits um 11 Uhr vormittags ist.

Dazu kommt noch, das und die Studentin, die an dem Tag für das Hostel verantwortlich war, ein Taxi rief, mit uns um 23:00 Uhr an der Straße darauf wartete und letztendlich ein zweites Taxi anfordern musste, da das erste uns über einen Anruf mitteilte, dass es nicht frei war.

Der Straßenverkehr in der Ukraine: Welches Wissen weiterhilft.

In der Ukraine ist es nicht erforderlich, einen Führerschein zu machen. Diesen kann man einfach kaufen und er wird gerne von Großeltern als Geschenk an ihre Enkel gegeben. „Bei so viel Schulstress hat mein Enkelkind keine Zeit, einen Führerschein zu machen.“

Es sterben pro Tag acht Menschen auf den Straßen in der Ukraine. Das sind mehr als im Krieg. Beim Überqueren der Straßen muss man also wachsam sein, da viele Fahrer keine Verkehrsregeln beherrschen.

Man kann nicht nur einen Führerschein, sondern auch ein Taxi Schild kaufen. Steigt niemals in ein Taxi, was am Straßenrand bereit steht, sondern fordert eins an, damit der Fahrer qualifiziert ist und fragt schon im Voraus nach dem Preis.

Keins der Taxis, mit denen ich gefahren bin, hatte auf der Rückbank Sitzgurte und auch auf dem Beifahrersitzt wurden diese manchmal abmontiert. Daran kann man leider nichts ändern. In der Ukraine sehen es die Taxifahrer als unhöflich sich anzuschnallen, so als würde man seine Kompetenz als Fahrer anzweifeln.

Taxifahren in Kiew war ein Abenteuer, Busfahren war nicht anders. Aufgrund der Straßenbeschädigungen bekam man kaum ein Auge zu und keiner von uns drei hatte auf der nächtlichen Busfahrt viel Schlaf gesammelt.

Mit dem Taxi fuhren wir zum Hotel Arcadia, voller Hoffnung verfrüht einchecken zu können. Um halb sieben erreichten wir dann das Hotel und atmeten erleichtert auf, denn zwei der Zimmer für unsere Gruppe waren bereits frei. Überaus glücklich ließen wir uns in unsere Betten fallen.

Hat jemand zufällig die Karte des Rumtreibers parat?

Wie auch an meiner Schule in Deutschland startete der Unterricht hier um Punkt acht Uhr. Viltė und ich fuhren mit der Buslinie 20. An der richtigen Haltestelle angekommen, begrüßte mich ein fantastischer Ausblick über die Memel. Das ist der Fluss, der durch Kaunas fließt.

Unten am Ufer gingen Menschen spazieren und einzelne waren auch am Angeln. Bis zur Schule waren es etwa hundert Meter.

Viltė brachte mich bis zum Lehrerzimmer, wo ich von Lina herzlich begrüßt wurde. Wie viele Leute in Litauen, ist sie groß und schlank, mit einem einladenden Lächeln im Gesicht und braunen, kurz geschnittenen Haaren. Sie stellte mich gefühlt dem halben Kollegium vor, von welchen ich die Namen alle sofort wieder vergaß. Das lag einerseits an der schieren Anzahl von Menschen, die meine Hand schüttelten und andererseits an dem fremden Klang der Namen.

Ich merke mir Dinge, indem ich sie sehe, mir niedergeschrieben vorstelle oder selbst schnell aufschreibe. Hauptsache ich habe eine Visualisierung. Die litauischen Namen konnte ich mir leider überhaupt nicht vorstellen, weil sie oft ganz anders geschrieben als ausgesprochen werden. So stellte ich mich darauf ein, jeden mehrfach um seinen Namen zu bitten. Insgesamt wurde ich von allen mit offenen Armen empfangen. Auch die Lehrer, die nicht Deutsch unterrichten, versuchten, ein paar Sätze auf Deutsch mit mir zu reden. Ich fühlte mich sehr willkommen.

Das Lehrerzimmer ist groß, lichtdurchflutet und vermittelt eine komfortable Atmosphäre. Auf der rechten Seite stehen um die zwei Dutzend Computer für die Lehrer, weiter in der Mitte des Raumes befindet sich ein großer Tisch zum Arbeiten und links eine gemütliche Sitzecke für angeregten Austausch in den Pausen. Auf dem kleinen Tisch bei der Sitzecke standen Süßigkeiten, die einer der Lehrer für das Kollegium mitgebracht hatte. Mir wurden sogleich welche angeboten. Dieses Muster blieb im Laufe der nächsten zwei Wochen bestehen. Mal war es ein Apfel, mal Schokolade, aber immer wieder wurde mir und den anderen Lehrern spontan und überraschend etwas zum Essen angeboten.

Neben der Sitzecke führt ein Gang zu einer kleinen Küche, wo man Tee und Kaffee kochen kann, oder sein Essen in den Kühlschrank stellt. Gegenüber sind private Büros der Schulleitung und am Ende des Ganges ein großer Raum für Lehrerkonferenzen.

Das ist ein weiterer Unterschied: Die Stundenzeiten. Reguläre Unterrichtsstunden dauern 45 Minuten. Nach jeder Stunde gibt es eine fünf oder zehn minütige Pause. Dann gibt es noch verkürzte Stunden. Diese Stunden dauern 35 Minuten und man hat sie zum Beispiel an einem Tag, an dem Lehrerkonferenzen sind. Die Schüler haben jeden Tag zur selben Zeit eine bestimmte Freistunde. Diese sind nach Jahrgangsstufen unterteilt, damit nicht alle auf einmal frei haben.

Lina hatte die ersten zwei Stunden eine Klasse zu unterrichten und ich begleitete sie, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Schon auf dem Weg zum Klassenzimmer stellte ich fest, ich war zwar nicht in Hogwarts, aber wie in dem großen Schloss, hatte ich keine Ahnung wo ich war und komplett die Orientierung verloren. Dafür gibt es sogar Gründe. Das Gymnasium besteht aus einem Altbau und einem Neubau, welche miteinander verbunden sind. Es existieren mehrere verschiedene Treppenhäuser und Gänge. Auf dem Weg zu dem Klassenzimmer geht es die eine Treppe herunter, einen Gang entlang, dann wieder hoch, um eine Ecke, die nächste Treppe wieder herunter, ab in ein neues Gebäude, welches man an der neuen Wandfarbe erkennt, und wieder eine Treppe herauf, glaube ich jedenfalls. So eine Karte des Rumtreibers wäre jetzt nicht schlecht. Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt auf jeden Fall niemandem versichern, überall pünktlich zu erscheinen. 😀

Zudem gibt es auch eine Kapelle im Schulgebäude. Ich weiß immer noch nicht, wo genau diese liegt, obwohl ich schon mehrfach daran vorbeigelaufen bin. Die Kapelle ist aber wunderschön und wird anscheinend gerne für Trauungen aufgesucht.

Das Jesuitengymnasium ist bereits über 400 Jahre alt, doch meiner persönlichen Meinung nach sieht man dem Gebäude das Alter nicht an. Da wirkt meine Schule in Deutschland älter, die eine Pracht aus roten Backsteinen ist.

Am Anfang der ersten Unterrichtsstunde und am Ende der letzten Unterrichtsstunde wird hier immer gebetet. Mittwoch gibt es auch einen Gottesdienst für die Schüler in der Kapelle. Es macht sich definitiv bemerkbar, dass ich an einem katholischen Gymnasium bin. Lina ist eine gute, aber strenge Lehrerin. Sie erinnert mich etwas an Professor McGonagall, nur lächelt sie mehr. Sie investiert auf jeden Fall viel in ihren Unterricht und ich merke, dass ihr die SchülerInnen sehr am Herzen liegen sind.

Die zwei Stunden waren schnell vorbei und Lina leitete mich zurück zum Lehrerzimmer, welches ich alleine niemals gefunden hätte. Anscheinend geht es jedem am Anfang so und die Fünftklässler brauchen auch immer eine Weile, bis sie sich in der Schule zurechtfinden. Es folgte eine Besprechung meiner Aufgaben an der Schule. Den ersten Tag sollte ich erst einmal Lina begleiten, Dienstag würde ich dann meinen persönlichen Stundenplan erhalten.

Die restliche Zeit führte Lina mich durch die Schule und zeigt mir die wichtigsten Orte. Nicht die Lehrer, sondern die Schöler müssen hier wandern, denn die LehrerInnen haben ihre eigenen Räume. Linas Raum ist Nummer 402, also im vierten Stock. Sie zeigte mir auch die Klassenräume der anderen Deutschlehrer und die Mensa. Meine Orientierung verbesserte sich, darauf verlassen konnte ich mich mit gutem Gewissen jedoch nicht. Jedes Klassenzimmer kann man mit dem gleichen Schlüssel aufschließen, was sehr praktisch ist. In der Schule verteilt gibt es zudem Türen, wie zum Beispiel die Tür zum Lehrerzimmer, welche mit einem elektronischen Schlüssel geöffnet werden. Nach einem kurzen Besuch beim Hausmeister hatte ich nicht nur meinen eigenen elektronischen Schlüssel, sondern auch persönliche Anmeldedaten für die Computer im Lehrerzimmer.

Überall in der Schule gibt es kleine Nischen, wo sich SchülerInnen hinsetzen und arbeiten können. Mal ein paar Bänke und Tische, mal ein Sofa oder ein paar Sitzkissen. Draußen auf dem Schulhof gibt es einen Basketballplatz. Basketball ist sehr beliebt in Litauen, man kann es mit Fußball in Deutschland vergleichen. Drinnen kann man an mehreren Orten Tischtennis spielen.

Im Laufe des Tages observiere ich also Lina beim Unterrichten. Lina kümmert sich um die älteren Schüler, während Vilma und Ingrida die jüngeren Schüler betreuen. Thomas kommt ursprünglich aus Deutschland und unterrichtet jüngere und ältere Klassenstufen. Mit ihm kann ich mich super austauschen. Er ist erst seit einem Jahr in Litauen, davor hat er für zehn Jahre in Lettland als Lehrer gearbeitet. Für den Austausch von Erfahrungen ist das Gespräch mit ihm folglich sehr aufschlussreich.