Life Update

Wenn der Alltag und die Routine eintreten und man vergisst auf dem Blog zu schreiben, dann weiß man, dass man angekommen ist. Zwei Monate in Bosanska Krupa sind herum und manchmal fühlt es sich an, als wäre ich schon seit Monaten hier, weil ich mich so an alles gewöhnt habe. In diesen zwei Monaten habe ich Freunde gefunden, Herausforderungen gemeistert, viel gelacht und so viel erlebt. Fotos findet ihr am Ende des Blogposts, für alle, die ungern lange Texte lesen. :D Ich weiß gar nicht, wo genau ich anfangen soll mit dem Erzählen. Ich erlebe hier vielleicht keine krassen Abenteuer und reise viel wie manch andere Freiwillige. Dafür fühle ich mich wirklich wie ein Teil dieser Stadt und dieser Schule und alleine hier zu wohnen ist schon ein Abenteuer für mich. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal alleine vor einer Klasse voller 16- bis 19-jährigen stehen und alleine den Unterricht führen werde, wenn Edisa (die Deutschlehrerin) nicht da ist. Teilweise musste ich improvisieren, weil sich kurzfristig ergeben hat, dass Edisa anderweitige Verpflichtungen hat.

Ich bin immer wieder positiv überrascht mit welcher Offenheit und Gastfreundschaft mir begegnet wird. Ich war schon mehrmals bei Freunden zu Gast und wurde immer wieder gefragt, ob ich nicht noch mehr essen will. Einmal wurde ich gefragt, ob es mir nicht geschmeckt hätte oder warum ich so wenig gegessen hätte. Dabei hatte ich einen Teller mit Suppe, einen Teller mit Reis und Hähnchen und drei Stunden vorher noch Brot gegessen. :D Aber darüber will mich natürlich nicht beklagen, das Essen hier ist unglaublich lecker. Zu einem guten Essen gehört für Bosnier immer eine Vorspeise (meistens Suppe), ein Hauptgericht mit Fleisch und ein selbstgemachter bzw. selbstgebackener Nachtisch. Ihr versteht vielleicht, dass ich gerne bei anderen eingeladen bin. :D Ansonsten habe ich mich aber auch schon daran gewöhnt für mich selbst zu kochen und genieße es in den Supermarkt zu gehen und dafür einzukaufen.

Da hier schätzungsweise ¾ aller Menschen Muslime sind, hatte ich auch schon viele interessante Gespräche über den Islam und Religion allgemein und verstehe vieles besser. Mir wurden auch einige Fragen über das Christentum gestellt und einige haben mir sogar frohe Ostern gewünscht, das fand ich wirklich lieb. Morgen beginnt Ramadan (auf Bosnisch ramazan) und ich bin gespannt, das als Außenstehende mitzuerleben.

Mir haben auch schon drei Menschen gesagt, dass es sich anfühlt, als wäre ich schon länger hier bzw. als würden sie mich schon lange kennen. Ich finde, das ist eines der schönsten Sachen, die einem gesagt werden können. Es zeigt, dass ich angekommen und nicht nur akzeptiert, sondern auch wertgeschätzt werde. Für manche mag es vielleicht komisch sein, dass ich mit „meinen“ Schülern befreundet bin, etwas mit ihnen unternehme und mit ihnen feiern gehe. Aber ich kann das ganz gut voneinander trennen und schließlich bin ich auch nur wenig bis gar nicht älter als die Schüler, da ist ein distanziertes und professionelles Verhältnis auch blöd. Natürlich bin ich in der Schule etwas distanzierter, aber wirklich komisch ist es nicht – ich bin schließlich keine richtige Lehrerin.

Am 27. April war die Maturijada der Abiturienten, also deren Abiparty. Ich wurde von den Schülern eingeladen und habe mich an dem Tag wie eine Schülerin gefühlt, da ich als einzige Nicht-Schülerin mit feiern im Club war. :’D Wir haben uns an einem öffentlichen Ort getroffen, Abi T-Shirts mit „Giganti > Migranti“ (aus Giganten werden Migranten –> im Prinzip alle bosnischen Abiturienten werden Bosnien verlassen, ein trauriger Fakt, der lustig gemeint ist) angezogen und sind durch die Stadt gelaufen. Anschließend ging es in einen Club. Am 11.05. war der Abiball. Zunächst wurde sich an der Schule getroffen, wo die Schüler Fotos mit der Familie und Freunden machen konnten, offiziell aufgerufen wurden und von allen bejubelt wurden. Anschließend ging es für die Schüler, Lehrer und mich (anders als in Deutschland ohne die Familie) in ein Restaurant, wo Livemusik gespielt, getanzt und gegessen wurde. Um 1 Uhr nachts ging es für etwa 20 SchülerInnen und mich in ein Hotel etwas außerhalb der Stadt, wo wir noch weiter gefeiert, übernachtet und anschließend morgens gefrühstückt haben.

Ich möchte nicht lügen, es ist nicht immer alles rosig und ich finde es wichtig, nicht nur einen „Alles ist super“ Eindruck auf meinem Blog zu vermitteln. In manchen Momenten fühle ich mich alleine, auch wenn ich hier Freunde habe und ein paar Leute, mit denen  ich mich treffen könnte. Aber irgendwie sind die Schulzeiten und Buszeiten meiner Freunde ungünstig und die Schüler müssen natürlich auch lernen. Manchmal sehe ich Bilder, wie Freiwillige in anderen Ländern sich treffen und wäre gerne dabei. Manchmal sitze ich in einer Gruppe voller Menschen, alle reden bosnisch und ich sitze daneben. Manchmal singen alle meine Freunde bei den bosnischen Liedern mit und ich kann nicht mitsingen. Manchmal macht mich die Sprachbarriere wirklich wütend. Aber all das gehört dazu, wenn man alleine in einem fremden Land lebt und nicht mal eben in die Küche gehen kann, um seine Mutter zu umarmen.

Aber wenn mich jemand fragt: „Hast du Heimweh?“ würde ich trotzdem nein sagen. „Heimweh ist die Sehnsucht in der Fremde, wieder in der Heimat zu sein.“ (Wikipedia) Aber ich will nicht nach Hause, ich bin doch gerade erst angekommen. :) Natürlich vermisse ich meine Familie und Freunde, aber die Telefonate zwischendurch reichen mir, um wieder auf dem neuesten Stand zu sein. Mich haben auch schon Leute gefragt, ob ich es bereue hier her gekommen zu sein. Was ich aus vollster Überzeugung sagen kann, ist, dass es die richtige Entscheidung war hierher zu kommen. Nächste Woche Montag geht es schon nach Mali Idjos (Serbien) für mein Zwischenseminar. Ich bin super gespannt ein paar andere Freiwillige wiederzutreffen.

Hier noch ein paar Bilder der letzten Wochen:

Den Unterricht vorbereiten. ;) Im Hintergrund sehrt ihr den Deutschraum der Schule. Ganz ungewohnt für mich am Lehrertisch zu sitzen.

Bosanska Krupa und die Una

So klar ist das Wasser der Una, im Sommer wird es noch klarer sein.

Die Una

Die Maturijada, hier die Klasse IV1

Der 13. Jahrgang beim Abiball vom letzten Freitag. :)

Und zum Abschluss ein Sonnenuntergang, fotografiert von meinem Balkon.

Bis bald! :)