Da bin ich schon wieder 😉 Mit meinem neuen Visum liegt es ja auf der Hand, dass ich das auch gleich ausnutzen muss. Deshalb ging es unmittelbar nach dem Erhalt meines neuen Visum nach Honkong – einen Tag später.
Ihr müsst euch das so vorstellen: Alex sitzt in seinem Zimmer. Sein Handy klingelt, er geht ran: „Alex, ich habe dein Visum. Komm zum Eingangstor, dort warte ich auf dich und gebe es dir.“ Nicht mal eine Minute später rennt Alex schon das Treppenhaus runter. Damit die anderen nicht denken der Ausländer sei völlig durchgedreht, zwinge ich mich relativ normal, aber trotzdem zügig, zum Eingangstor zu gehen. Dort wartet der Lehrer, von dem ich solange vertröstet wurde und von dem ich endlich mein Visum haben wollte. Bei ihm angekommen reiße ich ihm fast ungeduldig den Pass aus den Händen. Ich klappe ihn auf und sehe unter der Kategorie „Entries“ ein großes M – Multiple. Den Triumph habe ich euch ja letztes Mal ausgiebig unter die Nase geschmiert, das muss ich jetzt nicht mehr. Trotzdem, wo glaubt ihr stand Alex gute 2 Stunden später? Genau, am Ostbahnhof, um sich ein Ticket nach Hong Kong zu kaufen. Direkt nach dem Unterricht habe ich mich auf den Weg gemacht, damit ich ja Tickets für den frühestmöglichen Zug am nächsten Tag bekommen kann.
So ging es also am nächsten Tag, wiederum direkt nach dem Unterricht, nach HK (香港). Dabei war das Wetter eigentlich nicht so prickelnd, es herrschte viel mehr Weltuntergangsstimmung. Morgens um 9 (wo es schon seit 3 Stunden hell sein sollte) war der Himmel schwarz wie die tiefste Nacht, dazu gab es einen Regen, der alle (ausnahmlos alle!) Straßen bis zum Bordstein unter Wasser setzte. Der Rest lief dann über die Bordsteine – Tropensturm eben. Irgendwie habe ich es also relativ trocken in den Bahnhof geschafft und stellte mich für den Zug nach HK an. Zuerst musste ich aber noch meine Departure Card ausfüllen und ich habe bei der Grenzkontrolle (Chinesische Seite direkt im Bahnhof Guangzhou – Einreise nach HK dann erst im HKer Bahnhof) einen schönen roten Stempel in den Pass bekommen – Ausreise. Wie schon erwähnt, die Grenze zwischen HK und der VR China gilt visumstechnisch als Staatsgrenze. Ein paar Minuten später saß ich aber schon im Zug und knapp zwei Stunden später stand ich bei der HKer Einreise in der Schlange. Nach ein paar Minuten Wartezeit hatte ich mein 90 Tage Touristen-Visum und durfte offiziell nach HK einreisen – ein Moment auf den ich lange gewartet habe. Dabei ist der Part ja nicht der Schwierige, eher das Wieder-Einreisen nach China. Daran wollte ich aber erstmal nicht denken und freute mich voll und ganz auf das bevorstehende Wochenende in HK!
Zwar nieselte es auch in HK ein wenig, jedoch nahm der Regen nie diese sturzflutähnlichen Formen wie in Guangzhou an. Generell ist es oftmals so, dass wenn es in Guangzhou regnet oder bewölkt ist, gleichzeitig in HK die Sonne scheint. Dafür gibt es zwei Gründe. Der Hauptgrund dürfte die Lage HKs am Meer sein. Die meisten (Regen-)Wolken in GZ ziehen vom Meer her ins Landesinnere, über HK fegen die Meisten hinweg. Der zweite Grund: Über GZ hängt eine riesige Smogwolke, die die anderen Wolken zusätzlich festhält. Später auf den Bildern könnt ihr mal den Blick von HK Richtung Festland sehen.
Es war ja nicht mein erstes Mal in Hongkong. Ich war mit meiner Familie vor mittlerweile fast drei Jahren im Urlaub für einen Stopover dort und das war der Wahnsinn. Deshalb muss ich zugeben, dass es mich nicht mehr ganz so umgehauen hat wie am Anfang. Ich glaube das lag aber vor allem am Wetter. Denn nach kurzer Zeit habe ich wieder das Flair dieser einzigartigen Stadt voll in mich aufgesogen. Diese Mischung aus Chinesisch, Britisch, Kolonialzeit, Moderne, Hochhausschluchten, wunderschöne Natur, Hektik, Lärm, Ruheoasen, international gemischte Küche, traditionellen Sitten, Westlicher und Östlicher Welt und das allseits gegenwärtige Kantonesisch machen diese Stadt für mich zu etwas ganz Besonderem. HK ist meine Lieblingsstadt in China!
War das Wetter am ersten Tag nicht der Hit, war es am Samstag und vor allem am Sonntag dann umso fantastischer: Strahlend blauer Himmel, Sonne pur (mit anschließendem leichten Sonnenbrand), Wärme und Urlaubsstimmung. So machte es natürlich auch Spaß auf den Peak, einem Hügel/Berg auf der Hauptinsel Hong Kong Island, von dem man einen grandiosen Blick über die Stadt hat, zu gehen, mit der Star Ferry mehrmals den Victoria Harbour nach Kowloon oder zurück zu überqueren, durch das Szene-Viertel Soho auf der längsten Rolltreppe der Welt zu fahren, auf der Avenue of Stars die Skyline zu bewundern, in eine der seit 90 Jahren dort verkehrenden Straßenbahnen zu steigen, auf dem Nachtmarkt der Temple Street zu schlendern, die hektische Nathan Road entlang zu gehen oder in den berühmt-berüchtigten Chungking Mansions abzusteigen, um ein leckeres indisches Mittagessen zu haben. Zwar gab es an diesem Wochenende auch ein paar Dämpfer, wie zum Beispiel meine Unterkunft in den Chungking Mansions selber (es würde zu lange dauern diese kultige Stätte zu erklären, deshalb lasse ich das Wikipedia für mich machen: http://de.wikipedia.org/wiki/Chungking_Mansions), die ziemlich heruntergekommen war, oder eben das Wetter am Anfang. Dennoch hat sich dieser Trip auf jeden Fall gelohnt, die Stadt ist einzigartig. Ich plane auf jeden Fall mindestens noch einen Besuch während meiner Zeit hier ein. Dann aber auch um einen Ausflug in die Natur auf und um Hongkong Island zu machen, die angeblich sehr schön sein soll. Zudem gibt es unzählige kleine vorgelagerte Inseln, die z.T. Traumstrände haben sollen. Mit der Fähre braucht man nur etwa 30 min. von Downtown.
Tja und nicht mal eine Woche später sollte es schon wieder auf Reisen gehen. Es war das Wochenende vor dem 1. Mai. Da dieser in China sehr wichtig ist und zudem auf einen Dienstag gefallen ist, gab es ein verlängertes Wochenende. Also machten sich Nuri, die aus Shenzhen vorbeigekommen war, und ich auf nach Xi’an (西安).
Xi’an ist eine Stadt in Zentralchina. Sie war früher (damals unter dem Namen Chang’an 长安) die Hauptstadt des Chinesischen Reiches. Sie wurde, wie fast alle chinesischen Städte, von einer riesen Stadtmauer umgeben. Der Unterschied zu den meisten anderen Städten besteht aber darin, dass diese vollständig reastauriert wurde. Sprich die Innenstadt wird von einer am Sockel 18m dicken, 12m hohen und 13,6km langen Stadtmauer umgeben. Die Innenstadt beherbergt ein großes muslimisches Viertel, in dem die meisten der Bewohner der Hui-Nationalität angehören. Diese stammen, im Gegensatz zu der ebenfalls muslimichen Volksgruppe der Uighuren, von den Han-Chineschen (der großen Mehrheit der Chinesen) ab, sind jedoch muslimischen Glaubens. Deshalb werden sie als eine eigene der insgesamt 56 Ethnien Chinas gezählt. Zudem gilt die Stadt als der Anfang der Seidenstraße. Heutzutage ist die Stadt vor allem aufgrund der Terrakotta-Armee bekannt, die 1974 von einem Bauern ein paar Kilometer außerhalb Xi’ans entdeckt wurde. Aber dazu später mehr.
So trafen sich Nuri und ich also an einem, wieder mal, schwül bewölkten Freitag vor dem Guangzhouer Hauptbahnhof. Bevor es auf die 2000 km lange Reise ging, die über 24 Stunden dauern sollte, haben wir uns noch einmal bei einer Portion Lanzhou Lamian (兰州拉面) gestärkt. Dies sollte ein kleiner Vorgeschmack auf die kulinarische Beschaffenheit vor Ort in Xi’an sein. „Lamian“ bedeutet langezogene Nudeln, eine Spezialität der Stadt Lanzhou – daher der Name. Ähnlich wie in Xi’an gibt es dort viele Muslime, vielleicht sogar mehr, da es schon deutlich westlicher und damit näher an der Autonomen Region Xinjiang der Uighuren liegt, die ja bekanntermaßen muslimisch sind. Kleine Lanzhou-Lamian-Imbisse gibt es so gut wie an jeder Ecke in den chinesischen Städten. Man kann sie in etwa mit Dönerläden bei uns vergleichen: Es gibt dort immer die gleichen Gerichte zu günstigen Preisen. Allesamt sind sie aber extrem lecker, ich gehe wöchentlich um die zwei- bis dreimal zu meinem Stammladen hier um die Ecke.
Nun denn, gut gestärkt ging es bei einem plötzlichen Wolkenbruch also los. Etwa 26 Stunden später rollte unser Zug in Xi’an ein. Als wir ausstiegen gefiel uns das Wetter sofort richtig gut: Warm, jedoch nicht zu heiß, sonnig und trockene Luft. Nicht zu vergleichen mit dem feucht-warmen Tropenklima im Süden. Mit einer Rikscha ging es dann ins Hostel. Auf der Fahrt konnten wir schon ein bisschen die Stadtmauer und Innenstadt bewundern. Im Hostel angekommen mussten wir uns natürlich erstmal frisch machen, bevor wir unseren ersten abendlichen Ausflug ins Muslimische Viertel unternahmen. An sich war das Hostel sehr schön. Die Lage direkt an der Stadtmauer war perfekt, am Abend konnte man in einem der vielen Bars und Cafés um die Ecke die abendliche Stimmung richtig gut genießen.
Im Muslimischen Viertel wimmelte es von Leuten, natürlich hauptsächlich Touristen. Hunderte von Leuten schoben sich durch die Gassen und bestaunten die unzähligen Restaurants, Imbisse und Essensstände. Dementsprechend gut roch es natürlich auch. Nuri und ich mussten uns wirklich zwingen erst noch ein bisschen herumzuschlendern bevor wir selbst irgendwo einkehren und die Köstlichkeiten probieren. Als wir uns endlich entschlossen hatten zu essen, war das gar nicht so einfach. Wir konnten uns einfach nicht entscheiden, es gab einfach zuviel Auswahl. Irgendwann haben wir es dann aber geschafft und konnten die muslimische Küche Xi’ans genießen.
Am nächsten Tag stand der Besuch der Terrakotta-Armee an. Ganz früh gingen wir los, damit wir pünktlich um halb 9 da sind und den großen Massen an Touristen entgehen können. Auf der einen Seite erfasst einen schon ein wenig das Gefühl der Erhabenheit, wenn man die riesigen Hallen der Tonkrieger betritt und sich bewusst wird, wie alt die Schätze sind, die man da gleich zu Gesicht bekommt. Vor allem die Halle über der Pit 1 (Grube 1) ist wirklich gigantisch! Blickt man dann auf die Krieger selber herunter wird man ein wenig enttäuscht – zumindest mir ging das so. Denn was in Bildern oder im Fernsehen aussieht wie Reihen von tausenden und abertausenden von Kriegern, sind in Wirklichkeit gerade ein mal ein paar hundert. Klar, das ist auch nicht wenig. Nur sind die Reihen (so wie es einem eben vermittelt wird) nicht bis ans andere Ende der Halle, sondern maximal bis ins erste Viertel gefüllt.
Durch unsere Frühaufsteher-Aktion konnten wir dem Hauptansturm der Touristen umgehen. Somit waren wir relativ schnell fertig und machten uns wieder Richtung Innenstadt. Dabei sahen wir, wie die Touri-Busse mit Reisegruppen scharenweise angekarrt wurden – nochmal Glück gehabt, wären wir ein bisschen später gekommen hätten wir sicherlich Stunden dort verbracht. In der Innenstadt angekommen stärkten wir uns erstmal bei einer leckeren muslimischen Mahlzeit, was denn auch sonst in Xi’an. Direkt danch ging es hoch auf die gewaltige Stadtmauer. Es ist schon beeindruckend wie lang die jeweiligen Seiten und die Mauer insgesamt sind. Man kann in der Mitte jeweils 2 km in jede Richtung schauen und alles ist kerzengerade. Die Sonne brutzelte schön von oben auf uns herab, sodass ich am Abend einen leichten Sonnenbrand haben sollte. Schnell kamen wir zu einem Fahrradstand, wo wir uns für 100 Minuten jeweils ein Rad liehen. Dann ging es auf die 13,6km lange Fahrt um die Innenstadt. Zum Glück hatten wir Mountainbikes, denn an manchen Stellen waren die alten Steine ziemlich uneben und bildetetn so das manche Schlagloch. Am Anfang unterschätzt man schnell die Entfernungen, da alles so nah aussieht. Nach jeder Ecke in der Stadtmauer sieht man schon das neue Tor. Doch das ist aber noch zwei Kilometer entfernt und von dort sind es nochmal zwei bis zur nächsten Ecke. Dennoch haben wir es mit unserem gemütlichen Fahrstil und vielen Foto- und Aussichtsstops geschafft die Stadt eineinviertelmal zu umfahren.
Danach ging es noch ein bisschen in die Altstadt, besser gesagt ins Muslimische Viertel, um das abendliche Flair dort noch einmal aufzunehmen. Nach ein bisschen Schlendern und Schlemmen brauchten wir ne kleine Pause im Hostel. Den Tag ließen wir dann noch in einer gemütlichen Bar nahe der Stadtmauer ausklingen. Den letzten Tag gingen wir insgesamt ziemlich locker an: Ausschlafen, langes Frühstück, gemütlich sitzen, durch die Gegend spazieren und die Rückfahrt vorbereiten, die ja am Abend bereits anstand. Dabei heißt vorbereiten vor allem Nahrungsmittel heranzuschaffen. Man will ja nicht verhungern auf der langen Reise. Also holten wir uns sämtliche Köstlichkeiten, die wir in den letzten Tagen gegessen hatten und freuten uns schon auf die Fahrt.
Die begann aber etwas chaotisch, da der Zug Verspätung hatte. Dazu muss gesagt werden das Chinesen sehr ungeduldig sind, sprich bereits 1 Stunde vor der geplanten Abfahrt haben sich die ersten vor den Zugang zum Bahnsteig gestellt. Der Zug selber war zu diesem Zeitpunkt schon 3000km unterwegs, dass er da 30 Minuten Verspätung hat ist meiner Meinung nach noch akzeptabel. Sein Anfangspunkt ist nämlich die Stadt Ürümqi (chinesisch 乌鲁木齐 Wulumuqi), Hauptstadt der Autnomen Region Xinjiang – also fast schon in Kasachstan. Die Fahrt hat erstmal mit Schlafen begonnen. Den nächsten Tag verbrachten wir de facto komplett im Zug, da wir erst abends um halb 9 ankommen sollten. Wir nutzten die Zeit zum Lesen (vor allem um mit unseren Reiseführen die nächste Reise zu planen), Chillen und ESSEN! Wir konnten gut von unseren Vorräten zehren, die uns noch einmal an das leckere Essen in Xi’an erinnerten. Haaach…ich werde es vermissen.
Bilanz: 50 Stunden im Zug, 52 Stunden in Xi’an, gefühlte 5 Kilo Gewichtszunahme durch muslimisches Essen und ein tolles Wochenende.
Bei mir geht es morgen schon wieder weiter, diesmal nach Macau. Das ist ja wie HK nicht weit entfernt und deshalb für ein Wochenendtrip gut geeignet. Beim nächsten Eintrag dann der Bericht darüber 😉 Bis bald!