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Kann niemandem schaden

Einen wunderbaren Frühling

Der Märzbeginn ist in Rumänien gleichzeitig Beginn des Frühlings und wird auch als solcher auf eine gewisse Art und Weise zelebriert. Da mir diese Tradition der Mărțișoare (Singular: ‚Mărțișor‘, auf deutsch soviel wie „Märzchen“) gänzlich neu war, aber sehr gut gefällt, möchte ich euch ein bisschen darüber erzählen.

Prinzipiell geht es darum, dass Jungen und Männer den Mädchen oder Frauen, die ihnen in irgendeiner Weise wichtig sind, dies ausdrücken, indem sie ihnen ein kleines Präsent überreichen und dabei einen schönen Frühling wünschen. Dieses Präsent besteht meist aus einem kleinen Anstecker, der ganz unterschiedliche Motive zeigen kann, z.B. Blumen, Tiere, Herzen, usw., jedoch immer mit einer rot-weißen Schnur versehen ist. Die Farben Rot und Weiß sind das Grundlegende, was alle Mărțișoare gemeinsam haben. Für die Bedeutung der Farben gibt es verschiedene Interpretationen, ich empfehle da das Lesen des Wikipediaartikels (der englische ist detaillierter) und falls ich selbst nochmal von einer Deutung Wind kriege, die mehrheitlich vertreten wird, ergänze ich das hier. Doch zurück zu den Präsenten: Zu dem Anstecker (‚Mărțișor‘) gibt es häufig auch noch einen kleinen Strauß Blumen – meist Tulpen (die sind übrigens mein rumänisches Lieblingswort: „die Tulpen“ = ‚Lalelele‘) und ab und an sogar noch etwas Essbares (Kekse, o.ä.). Die Menge der verschenkten Mărțișoare hängt ganz von einem selbst ab, d.h. vor allem von der eigenen Verschenklaune und dem eigenen Geldbeutel. Denn je nachdem, wie weit man den Kreis fasst, kann ein Junge gut und gerne mal 20-30 Mărțișoare verteilen, so wurde es mir zumindest von einigen erzählt. Und da ein klassisches Mărțișor zwischen 3-5 Lei kostet (4,8Lei = 1€) kann das schon ein bisschen ins Geld gehen. Denn nach Valentinstag und Märzanfang gibt es – aller guten Dinge sind drei: heute, am 8. März, dem Weltfrauentag, werden auch nochmal reichlich Geschenke gemacht, diesmal hauptsächlich Blumen. Das erklärt auch die vielen, vielen Stände, die man zu dieser Zeit in der ganzen Stadt finden kann, an denen Blumen und die gefragten Anstecker in allen möglichen Varianten angeboten werden. Die Menge der erhaltenen Mărțișoare hängt – zumindest bei erwachsenen Frauen – auch mit dem Beruf zusammen. So durfte ich am Montag nach Märzbeginn eine junge Lehrerin in einige Klassen begleiten und dort erst einmal mit anschauen, wie fast jeder Schüler – Jungen wie Mädchen – ihr ein Mărțișor schenkten. Auf meine Nachfrage hin antwortete sie, dass das vor allem in den niedrigeren Klassen gang und gäbe sei und sie so jedes Jahr eine beträchtliche Menge an Ansteckern zusammenkriege.

Alles in allem mag das Ganze wohl ähnlich wie der Valentinstag ein inzwischen stark kommerzialisierter Anlass sein, Frauen seine Wertschätzung zu zeigen, doch mir scheint es dennoch ein ganz charmanter Brauch zu sein, der gleichzeitig ein gewisses Maß an Alleinstellung mit sich bringt und so Teil der hiesigen, einzigartigen Kultur ist.

Einkaufen – heute hier, morgen dort

So, nach längerer Zeit, kommen endlich wieder Zeit, Motivation und genügend Erfahrungen zusammen, um über einen weiteren, wesentlichen Part meines Alltags zu berichten. Die Rede ist vom Einkaufen. Dies ist nämlich eine durchaus vielfältige Erfahrung. So gibt es neben Supermärkten wie Carrefour (große französische Supermarktkette), Kaufland  oder Lidl (große deutsche Supermarktketten) auch noch durchaus lohnende Alternativen. Da wären die kleinen, in „Tante-Emma-Laden-Manier“ gehaltenen ‚Magazin alimentar‘ (= Lebensmittelladen), die mit allem ausgestattet sind, wessen man so im Haushalt bedarf – lediglich nicht in der Markenvielfalt, die ein Supermarkt bietet – die dafür aber an jeder Straße zu finden sind. Wenn man jedoch Lust auf noch ein bisschen frischere Waren hat und es einen nicht stört, wenn die Karotten mal nicht alle identisch, geometrisch perfekt aussehen und die Äpfel nicht alle mit knalligstem Rot ins Auge fallen, dann ist der herkömmliche Markt die Option der Wahl. Es gibt in Brașov mehrere Märkte, überdacht und unter freiem Himmel, auf denen man die ganze Woche lang Obst, Gemüse, tierische Erzeugnisse sowie Konfitüren, Zacuscă oder Blumen kaufen kann. Bei dieser Fülle an Möglichkeiten fiel es mir anfangs schwer, zu entscheiden, wo ich was kaufen sollte, doch inzwischen habe ich einen guten Rhythmus gefunden, in dem ich die verschiedenen Stellen abklappere und mich so immer vielfältig versorgen kann.

Eine Anekdote zum Einkaufen auf dem Markt habe ich auch noch zu bieten: Es war relativ am Anfang meines Aufenthalts, ich ging über den Markt und erblickte an vielen Ständen ein Gemüse, das ich für bunte, spitze Paprika hielt. Es hieß ‚ardei iute‘, ich kannte zu diesem Zeitpunkt allerdings nur das Wort ‚ardei‘ = Paprika. So ließ ich mir getreu dem Motto „Probieren geht über Studieren“ einen Beutel voll (vielleicht 750g) geben und registrierte noch den Blick der Verkäuferin, den ich in diesem Moment nicht so recht deuten konnte. Da ich nur eine Person war, kaufte ich immer weitaus weniger als die anderen Besucher des Marktes, die wahrscheinlich für ihre Familien einkauften und so dachte ich, sie ärgere sich darüber, wie wenig ich wieder kaufen würde. Im Nachhinein betrachtet, war es vielleicht eher das genaue Gegenteil – die Verwunderung, dass ich so viel davon kaufte. Denn als ich nun ein Weilchen später, kurz vor Beginn des Sprachkurses auf die Idee kam, die frisch erstandene Ware zu kosten, erkannte ich, was ich da gekauft hatte. Es war wie erwartet eine Form der Paprika, allerdings bedeutet das Wort ‚iute‘ im Deutschen „scharf“. Und das war sie. Weil die Schärfe sich anfangs noch nicht so bemerkbar machte, hatte ich bereits munter drauf los gegessen und musste dann nach der Hälfte feststellen, dass es in meinem Mund nun doch ordentlich zu brennen begann und ich nichts Flüssiges zum Gegenwirken dabei hatte. So hatte ich eine Weile gut zu tun, was scheinbar auch nach außen hin sichtbar wurde, denn eine andere Kursteilnehmerin fragte mich mehrmals, ob alles okay sei; doch schließlich hatte ich es hinter mir und war um eine Erfahrung reicher. Später beim Aufbrauchen des ganzen Beutels, den ich gekauft hatte, stellte ich noch fest, dass die Schärfe der Teile weder mit der Farbe, noch mit der Größe zusammenhing. Manche schmeckten einfach wie normale Paprika, während von anderen ein kleiner Bissen völlig ausreichte. Ich traf noch auf eine, an der ich tatsächlich mehrere Tage saß, weil es mir nicht möglich war, mehr als zwei Bissen nacheinander zu nehmen. Seitdem habe ich dieses Gemüse nie wieder gekauft, obwohl es eigentlich – wenn man wusste, auf was man da biss – nicht schlecht schmeckte. Der Hauptgrund ist wahrscheinlich eher, dass es nicht wirklich zu dem passt, was ich sonst so koche. Es wird nämlich hier hauptsächlich zu der Suppe, die fester Bestandteil einer rumänischen Mahlzeit ist, zusammen mit ein paar Scheiben des typischen Weizenbrots gegessen. Da ich selbst jedoch bisher keine Suppe selbst gekocht habe, erübrigte sich das mit diesen speziellen Paprikas. Aber wer weiß, jetzt wo ich so darüber berichte, bekomme ich doch wieder Lust ein paar pur zu essen. Bloß nehme ich diesmal vielleicht ein bisschen weniger auf einmal 😉

La mulţi ani, România!

„La mulţi ani, România!“  (wortwörtlich: “ auf viele Jahre, Rumänien!“) – dieser Glückwunsch war am 1. Dezember häufig zu lesen oder zu hören, denn am Tag des ersten Türchens wurde nicht nur der Brasover Weihnachtsmarkt eröffnet, sondern auch in ganz Rumänien Nationalfeiertag gefeiert. Denn vor nunmehr 101 Jahren – kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs – wurde die Vereinigung Siebenbürgens mit dem Rest Rumäniens zum heutigen rumänischen Staat verkündet. Dieser Tag wird nach wie vor groß begangen, sodass es doch einiges zu entdecken und bestaunen gab – und die Nationalfarben kamen auch nicht zu knapp.

So fand man neben den üblichen Flaggen an öffentlichen Gebäuden auch welche an allen Hauptverkehrsstraßen der Stadt, ebenso wie an manchen Privathäusern und natürlich an den Bürgern selbst, die alle möglichen Blau-gelb-roten Accessoires trugen. Mützen, Handschuhe, Schals waren genauso zu finden wie Anstecker. Wären ich und meine zu Besuch hier verweilenden Mitfreiwilligen ein bisschen schneller gewesen, hätten auch wir noch Schals ergattern können, die auf der Straße kostenlos verteilt wurden. Zur Mittagszeit füllten sich dann die Hauptstraßen Brasovs mit Bürgern und Schaulustigen wie uns, die der angekündigten Militärparade beiwohnen wollten. Und tatsächlich – nach nicht zu knapper Wartezeit – kam ein Trupp Soldaten die prächtigste Straße der Stadt entlang marschiert und stellte sich nicht weit von uns entfernt auf.

Dann fingen vermutlich wichtige Personen der Stadt an, Reden zu halten und ein orthodoxer Priester ging, Weihrauchdöschen schwenkend auf und ab, während er segnende Worte vor sich hersang. Das Ganze wurde uns ehrlich gesagt auf Dauer etwas zu langatmig und die Kälte tat ihr übriges, sodass wir uns gerade auf den Heimweg machen wollten, als wir oben am Himmel in weiter Ferne etwas entdeckten. Es entpuppte sich als ein Fallschirmspringer, der munter auf das Zentrum der Festivitäten zuflog, ca. 100 Meter über dem Boden seinen Fallschirm zog und ein riesiges Tuch entfaltete. Der geneigte Leser wird – genau wie wir – sicher eine Vorahnung haben, was für eine Art Stoff das war und was soll ich sagen; wir wurden nicht enttäuscht. Es handelte sich tatsächlich um eine riesige Flagge in den Farben Blau, Gelb, Rot. Nach dem was ich gehört habe, steht das Blau übrigens für den freien Himmel und die Freiheit, das Gelb für das Land, die Felder und die Gerechtigkeit und das Rot für das Blut und die Bruderschaft (Quelle: https://ro.wikipedia.org/wiki/Drapelul_României).

Am Abend desselben Tages konnte ich – eher aus Zufall – auch noch einem Fackelzug von Militär, Polizei und Feuerwehr beiwohnen, der in einem pompösen Feuerwerk endete, das definitiv nicht zu knapp gehalten war. Alles in allem ein erinnernswerter Tag, der mir einmal mehr vor Augen geführt hat, wie sehr Nationalstolz und damit auch die Bedeutung nationaler Feiertage doch von Land zu Land variieren können.