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Hier lebe ich

Keine weiteren Bären und Berge mehr (für jetzt)

Wie viele wahrscheinlich schon wissen oder erahnt haben, bin ich inzwischen schon längst nicht mehr an meiner Einsatzstelle in Brașov tätig, sondern sitze nun seit beinahe vier Wochen bereits wieder in Deutschland. Am 16.03. ereilte alle Kulturweitfreiwilligen, die noch in der großen, weiten Welt verstreut waren, die dringende Bitte, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Angesichts der immer unübersichtlicher werdenden Lage auf der ganzen Welt war dies die Schutzmaßnahme, die die UNESCO-Kommission und das Auswärtige Amt für angemessen hielten.

Und auch wenn das im ersten Moment nicht leicht hinzunehmen war, so zeigt sich spätestens jetzt, dass es die einzig verantwortliche Option war. Denn nun, fast vier Wochen nachdem ich so übereilt Abschied nehmen musste von einem Ort, der mir im vergangenen halben Jahr ans Herz gewachsen und zu einer zweiten Heimat geworden ist, ist die Lage in Rumänien wie in Deutschland und wie im Rest der Welt angespannter denn je. Dort herrscht weiterhin der Nationale Notstand, die Schulen werden (nach dem was ich gehört habe) frühestens im Juni wieder geöffnet und es wird wohl noch viel Zeit und leider Gottes auch viele Kranke und Tote fordern, bis in diesem Land, das gerade auf so einem vielversprechenden Weg war, wieder so etwas wie Normalität einkehren kann.

Ich habe einige Zeit seit meiner Abreise ins Land ziehen lassen, sodass ich nun mit einem etwas klareren Blick auf das Geschehene zurückschauen kann. Denn meine ersten Reaktionen waren beherrscht von Unverständnis und Trotz, angesichts dieser scheinbar überharten und übervorsichtigen Order. Ich hatte doch gerade einmal die Hälfte des eigentlich vorgesehenen Jahres hinter mir – und noch dazu die kalte! Für Frühling und Sommer waren so viele tolle Dinge geplant: Ich wollte Städte besichtigen, bei angenehmem Wetter durch die Karpaten wandern, ja – wir hatten sogar Karten für ein EM-Achtelfinale in Bukarest! Doch nun sollte dies alles mit einem Schlag nicht mehr sein. Einfach so, wegen einer Gefahr, die (zu diesem Zeitpunkt) noch nicht einmal wirklich sicht- oder greifbar war. Doch bekanntlich heilt die Zeit alle Wunden und auch meine Wut und Enttäuschung wurden gedämpft durch die Anwesenheit eines anderen Freiwilligen, der bei mir in Brașov war, als uns die Hiobsbotschaft erreichte und schwollen so langsam ab. Schließlich hatten wir bereits in unserem ersten halben Jahr so viel Neues kennen- und schätzen gelernt, wie vermutlich noch nie zuvor. Wir kamen mit neu gewonnen Fähigkeiten und Erfahrungen zurück, die unseren Blick auf die Welt verändert und geschärft hatten. Ja, wir hatten sogar eine neue Sprache gelernt. Und auch wenn die Zeit nun doch schneller als gedacht vorbei war, ist doch eines sicher: Es war eine unvergessliche Zeit und das war sicherlich nicht mein letzter Aufenthalt in diesem wundervollen Land! Dies wissend, konnte ich Rumänien – wie man so schön sagt – mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlassen; wobei es bei der Abreise aus Brașov vielleicht doch eher zwei weinende waren.

So kommt wohl auch dieser Blog nun langsam zur Ruhe. Auch wenn ich nicht so häufig geschrieben habe, wie geplant (jetzt, wo ich ja mehr Zeit habe, kommen vielleicht nochmal ein oder zwei Beiträge zu Themen, die ich unbedingt noch behandeln wollte), so hoffe ich doch, dass ich einen bescheidenen Teil dazu beitragen konnte, dass ihr mehr über dieses wunderbare Land, das kulturell wie naturell so viel zu bieten hat, erfahren konntet. Vielleicht stattet ihr ihm ja eines Tages, wenn das Reisen wieder so möglich ist, wie wir es gewohnt sind, selbst mal einen Besuch ab. Denn das ist immernoch der beste Weg, sich von Vorurteilen zu befreien und seine eigene Sicht der Dinge zu erlangen.

Falls ihr noch Fragen zu Rumänien, diesem Blog oder irgendetwas anderem habt, so lasst sie mir doch gerne per Kommentar oder E-Mail (ulrichinbrasov@web.de) zukommen. Zeit genug hab ich ja 😉

Einen wunderbaren Frühling

Der Märzbeginn ist in Rumänien gleichzeitig Beginn des Frühlings und wird auch als solcher auf eine gewisse Art und Weise zelebriert. Da mir diese Tradition der Mărțișoare (Singular: ‚Mărțișor‘, auf deutsch soviel wie „Märzchen“) gänzlich neu war, aber sehr gut gefällt, möchte ich euch ein bisschen darüber erzählen.

Prinzipiell geht es darum, dass Jungen und Männer den Mädchen oder Frauen, die ihnen in irgendeiner Weise wichtig sind, dies ausdrücken, indem sie ihnen ein kleines Präsent überreichen und dabei einen schönen Frühling wünschen. Dieses Präsent besteht meist aus einem kleinen Anstecker, der ganz unterschiedliche Motive zeigen kann, z.B. Blumen, Tiere, Herzen, usw., jedoch immer mit einer rot-weißen Schnur versehen ist. Die Farben Rot und Weiß sind das Grundlegende, was alle Mărțișoare gemeinsam haben. Für die Bedeutung der Farben gibt es verschiedene Interpretationen, ich empfehle da das Lesen des Wikipediaartikels (der englische ist detaillierter) und falls ich selbst nochmal von einer Deutung Wind kriege, die mehrheitlich vertreten wird, ergänze ich das hier. Doch zurück zu den Präsenten: Zu dem Anstecker (‚Mărțișor‘) gibt es häufig auch noch einen kleinen Strauß Blumen – meist Tulpen (die sind übrigens mein rumänisches Lieblingswort: „die Tulpen“ = ‚Lalelele‘) und ab und an sogar noch etwas Essbares (Kekse, o.ä.). Die Menge der verschenkten Mărțișoare hängt ganz von einem selbst ab, d.h. vor allem von der eigenen Verschenklaune und dem eigenen Geldbeutel. Denn je nachdem, wie weit man den Kreis fasst, kann ein Junge gut und gerne mal 20-30 Mărțișoare verteilen, so wurde es mir zumindest von einigen erzählt. Und da ein klassisches Mărțișor zwischen 3-5 Lei kostet (4,8Lei = 1€) kann das schon ein bisschen ins Geld gehen. Denn nach Valentinstag und Märzanfang gibt es – aller guten Dinge sind drei: heute, am 8. März, dem Weltfrauentag, werden auch nochmal reichlich Geschenke gemacht, diesmal hauptsächlich Blumen. Das erklärt auch die vielen, vielen Stände, die man zu dieser Zeit in der ganzen Stadt finden kann, an denen Blumen und die gefragten Anstecker in allen möglichen Varianten angeboten werden. Die Menge der erhaltenen Mărțișoare hängt – zumindest bei erwachsenen Frauen – auch mit dem Beruf zusammen. So durfte ich am Montag nach Märzbeginn eine junge Lehrerin in einige Klassen begleiten und dort erst einmal mit anschauen, wie fast jeder Schüler – Jungen wie Mädchen – ihr ein Mărțișor schenkten. Auf meine Nachfrage hin antwortete sie, dass das vor allem in den niedrigeren Klassen gang und gäbe sei und sie so jedes Jahr eine beträchtliche Menge an Ansteckern zusammenkriege.

Alles in allem mag das Ganze wohl ähnlich wie der Valentinstag ein inzwischen stark kommerzialisierter Anlass sein, Frauen seine Wertschätzung zu zeigen, doch mir scheint es dennoch ein ganz charmanter Brauch zu sein, der gleichzeitig ein gewisses Maß an Alleinstellung mit sich bringt und so Teil der hiesigen, einzigartigen Kultur ist.

Einkaufen – heute hier, morgen dort

So, nach längerer Zeit, kommen endlich wieder Zeit, Motivation und genügend Erfahrungen zusammen, um über einen weiteren, wesentlichen Part meines Alltags zu berichten. Die Rede ist vom Einkaufen. Dies ist nämlich eine durchaus vielfältige Erfahrung. So gibt es neben Supermärkten wie Carrefour (große französische Supermarktkette), Kaufland  oder Lidl (große deutsche Supermarktketten) auch noch durchaus lohnende Alternativen. Da wären die kleinen, in „Tante-Emma-Laden-Manier“ gehaltenen ‚Magazin alimentar‘ (= Lebensmittelladen), die mit allem ausgestattet sind, wessen man so im Haushalt bedarf – lediglich nicht in der Markenvielfalt, die ein Supermarkt bietet – die dafür aber an jeder Straße zu finden sind. Wenn man jedoch Lust auf noch ein bisschen frischere Waren hat und es einen nicht stört, wenn die Karotten mal nicht alle identisch, geometrisch perfekt aussehen und die Äpfel nicht alle mit knalligstem Rot ins Auge fallen, dann ist der herkömmliche Markt die Option der Wahl. Es gibt in Brașov mehrere Märkte, überdacht und unter freiem Himmel, auf denen man die ganze Woche lang Obst, Gemüse, tierische Erzeugnisse sowie Konfitüren, Zacuscă oder Blumen kaufen kann. Bei dieser Fülle an Möglichkeiten fiel es mir anfangs schwer, zu entscheiden, wo ich was kaufen sollte, doch inzwischen habe ich einen guten Rhythmus gefunden, in dem ich die verschiedenen Stellen abklappere und mich so immer vielfältig versorgen kann.

Eine Anekdote zum Einkaufen auf dem Markt habe ich auch noch zu bieten: Es war relativ am Anfang meines Aufenthalts, ich ging über den Markt und erblickte an vielen Ständen ein Gemüse, das ich für bunte, spitze Paprika hielt. Es hieß ‚ardei iute‘, ich kannte zu diesem Zeitpunkt allerdings nur das Wort ‚ardei‘ = Paprika. So ließ ich mir getreu dem Motto „Probieren geht über Studieren“ einen Beutel voll (vielleicht 750g) geben und registrierte noch den Blick der Verkäuferin, den ich in diesem Moment nicht so recht deuten konnte. Da ich nur eine Person war, kaufte ich immer weitaus weniger als die anderen Besucher des Marktes, die wahrscheinlich für ihre Familien einkauften und so dachte ich, sie ärgere sich darüber, wie wenig ich wieder kaufen würde. Im Nachhinein betrachtet, war es vielleicht eher das genaue Gegenteil – die Verwunderung, dass ich so viel davon kaufte. Denn als ich nun ein Weilchen später, kurz vor Beginn des Sprachkurses auf die Idee kam, die frisch erstandene Ware zu kosten, erkannte ich, was ich da gekauft hatte. Es war wie erwartet eine Form der Paprika, allerdings bedeutet das Wort ‚iute‘ im Deutschen „scharf“. Und das war sie. Weil die Schärfe sich anfangs noch nicht so bemerkbar machte, hatte ich bereits munter drauf los gegessen und musste dann nach der Hälfte feststellen, dass es in meinem Mund nun doch ordentlich zu brennen begann und ich nichts Flüssiges zum Gegenwirken dabei hatte. So hatte ich eine Weile gut zu tun, was scheinbar auch nach außen hin sichtbar wurde, denn eine andere Kursteilnehmerin fragte mich mehrmals, ob alles okay sei; doch schließlich hatte ich es hinter mir und war um eine Erfahrung reicher. Später beim Aufbrauchen des ganzen Beutels, den ich gekauft hatte, stellte ich noch fest, dass die Schärfe der Teile weder mit der Farbe, noch mit der Größe zusammenhing. Manche schmeckten einfach wie normale Paprika, während von anderen ein kleiner Bissen völlig ausreichte. Ich traf noch auf eine, an der ich tatsächlich mehrere Tage saß, weil es mir nicht möglich war, mehr als zwei Bissen nacheinander zu nehmen. Seitdem habe ich dieses Gemüse nie wieder gekauft, obwohl es eigentlich – wenn man wusste, auf was man da biss – nicht schlecht schmeckte. Der Hauptgrund ist wahrscheinlich eher, dass es nicht wirklich zu dem passt, was ich sonst so koche. Es wird nämlich hier hauptsächlich zu der Suppe, die fester Bestandteil einer rumänischen Mahlzeit ist, zusammen mit ein paar Scheiben des typischen Weizenbrots gegessen. Da ich selbst jedoch bisher keine Suppe selbst gekocht habe, erübrigte sich das mit diesen speziellen Paprikas. Aber wer weiß, jetzt wo ich so darüber berichte, bekomme ich doch wieder Lust ein paar pur zu essen. Bloß nehme ich diesmal vielleicht ein bisschen weniger auf einmal 😉

La mulţi ani, România!

„La mulţi ani, România!“  (wortwörtlich: “ auf viele Jahre, Rumänien!“) – dieser Glückwunsch war am 1. Dezember häufig zu lesen oder zu hören, denn am Tag des ersten Türchens wurde nicht nur der Brasover Weihnachtsmarkt eröffnet, sondern auch in ganz Rumänien Nationalfeiertag gefeiert. Denn vor nunmehr 101 Jahren – kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs – wurde die Vereinigung Siebenbürgens mit dem Rest Rumäniens zum heutigen rumänischen Staat verkündet. Dieser Tag wird nach wie vor groß begangen, sodass es doch einiges zu entdecken und bestaunen gab – und die Nationalfarben kamen auch nicht zu knapp.

So fand man neben den üblichen Flaggen an öffentlichen Gebäuden auch welche an allen Hauptverkehrsstraßen der Stadt, ebenso wie an manchen Privathäusern und natürlich an den Bürgern selbst, die alle möglichen Blau-gelb-roten Accessoires trugen. Mützen, Handschuhe, Schals waren genauso zu finden wie Anstecker. Wären ich und meine zu Besuch hier verweilenden Mitfreiwilligen ein bisschen schneller gewesen, hätten auch wir noch Schals ergattern können, die auf der Straße kostenlos verteilt wurden. Zur Mittagszeit füllten sich dann die Hauptstraßen Brasovs mit Bürgern und Schaulustigen wie uns, die der angekündigten Militärparade beiwohnen wollten. Und tatsächlich – nach nicht zu knapper Wartezeit – kam ein Trupp Soldaten die prächtigste Straße der Stadt entlang marschiert und stellte sich nicht weit von uns entfernt auf.

Dann fingen vermutlich wichtige Personen der Stadt an, Reden zu halten und ein orthodoxer Priester ging, Weihrauchdöschen schwenkend auf und ab, während er segnende Worte vor sich hersang. Das Ganze wurde uns ehrlich gesagt auf Dauer etwas zu langatmig und die Kälte tat ihr übriges, sodass wir uns gerade auf den Heimweg machen wollten, als wir oben am Himmel in weiter Ferne etwas entdeckten. Es entpuppte sich als ein Fallschirmspringer, der munter auf das Zentrum der Festivitäten zuflog, ca. 100 Meter über dem Boden seinen Fallschirm zog und ein riesiges Tuch entfaltete. Der geneigte Leser wird – genau wie wir – sicher eine Vorahnung haben, was für eine Art Stoff das war und was soll ich sagen; wir wurden nicht enttäuscht. Es handelte sich tatsächlich um eine riesige Flagge in den Farben Blau, Gelb, Rot. Nach dem was ich gehört habe, steht das Blau übrigens für den freien Himmel und die Freiheit, das Gelb für das Land, die Felder und die Gerechtigkeit und das Rot für das Blut und die Bruderschaft (Quelle: https://ro.wikipedia.org/wiki/Drapelul_României).

Am Abend desselben Tages konnte ich – eher aus Zufall – auch noch einem Fackelzug von Militär, Polizei und Feuerwehr beiwohnen, der in einem pompösen Feuerwerk endete, das definitiv nicht zu knapp gehalten war. Alles in allem ein erinnernswerter Tag, der mir einmal mehr vor Augen geführt hat, wie sehr Nationalstolz und damit auch die Bedeutung nationaler Feiertage doch von Land zu Land variieren können.

Târgul de toamnă – Essen & Tanz à la România

Es ist viel Zeit vergangen seit meinem letzten Beitrag – eine Zeit, in der viel geschehen ist, von dem ich nun berichten kann/möchte. Als erstes möchte ich von meinem Besuch des Târgul de toamnă (Herbstmarktes) an einer meiner beiden Schulen erzählen, der nun inzwischen knapp einen Monat zurückliegt. Zum Glück habe ich mir einige Dinge notiert und Fotos gemacht, sodass ich das Erlebte halbwegs akkurat und vollständig wiedergeben kann.

Aber alles von vorne: An einem Samstagvormittag sollte an der Schule, die ich jeweils dienstags und donnerstags besuche (zu den beiden Schulen und meinen Tätigkeiten an ihnen später mehr) ein sogenannter Herbstmarkt stattfinden. Zum Glück wies eine Lehrerin mich darauf hin, denn ansonsten hätte ich den in der Schule hängenden Plakaten, die dafür warben, gar keine weitere Beachtung geschenkt. So machte ich mich also an besagtem Samstagvormittag auf den Weg und wurde bei Betreten des Schulhofes, auf dem sich vielleicht 12-13 Klassen mit ihren Ständen postiert hatten, direkt von einer 10. Klasse, die ich meines Wissens nach bisher nicht einmal unterrichtet hatte, bestürmt und direkt zu ihrem Stand gelotst. Dort war eine Menge traditionellen rumänischen Essens aufgebaut, von dem ich doch am besten alles einmal probieren sollte – und zwar kostenlos (der Name Herbstmarkt war für mich etwas irreführend). Und so arbeitete ich mich allmählich durch die einzelnen Stände hindurch, an denen viele gut gelaunt aussehende Schüler/-innen – manche von ihnen mit Trachtenhemden oder sogar ganzen Trachtenkleidern bekleidet – allerlei typisch rumänische Kost anboten, wobei der Anteil der Süßigkeiten allerdings beträchtlich größer war. Als herzhafte Stärkung gab es meist Zacuscâ – eine Paste aus vinete (Aubergine), ceapâ (Zwiebel), roşie (Tomate) und diversen weiteren, würzenden Zutaten wie Pilzen, Karotten oder scharfen Paprika – auf Brot oder mămăligă  (Maisbrei) gestrichen. Doch hauptsächlich gab es Süßes – zumeist Blätterteiggebäck in unterschiedlichen Formen, gefüllt mit Apfelmus oder einem süßen Käse. Sonst gab es noch verschiedene (meist Apfel-)Kuchen, gebackene und gefüllte Äpfel sowie eine Art Brot aus Schokolade mit Nüssen gespickt. Alles sehr leckere Speisen, die ich mit Freude in den unterschiedlichen dargebotenen Varianten kostete, bis ich am Ende keinerlei Drang nach Mittagessen mehr verspürte.

Während ich meiner Aufgabe, den kulinarischen Bereich der rumänischen Kultur genauer zu studieren, nachging, wurde über große Lautsprecher traditionelle rumänische Musik abgespielt, zu der sich dann auch gleich in Kreisen zusammengefunden und auf traditionelle Art getanzt wurde. Hierbei überraschte mich die außerordentliche Bereitschaft und Motivation der Schüler, die ich so nicht erwartet hätte. Und auch ich wurde schließlich von der Probierlust (respektive zwei Schülern) gepackt, die mich in den Kreis integrierten und sogleich war ich mitten in der Hora (das ist der Name des Tanzes) dabei. Meine Nachbarn an den Händen gefasst und dann im Takt ein paar Schritte nach vorn, ein paar zurück, dabei noch leicht seitwärts gegangen und schon hatte ich meinen ersten rumänischen Volkstanz drauf. Danach kam ein Tanz, der auch im Kreis, allerdings wesentlich schneller ablief und mich leicht an eine Aufwärmlaufübung von der Leichtathletik erinnerte. Genauso anstrengend war er auf jeden Fall. Doch nach einer kleinen Pause + Stärkung ging es nochmal weiter. Diesmal mit einem Paartanz, der ebenfalls im Kreis getanzt wurde. Durch das geduldige Führen meiner Partnerin und das Beobachten der anderen Paare im Kreis beherrschte ich nach einigen Fehltritten auch diesen Tanz und konnte nun voll und ganz die Heiterkeit und Lockerheit der ganzen Runde genießen. Umso trauriger war ich, als bald darauf bereits das Tanzen eingestellt wurde, noch einige Klassen für ihre Stände oder Kuchen geehrt wurden und der ganze Markt sich schließlich auflöste.

Schade – aber ich habe an diesem Vormittag viel (kennen-)gelernt. Über traditionelles rumänisches Essen genauso wie über das Tanzen und bei dieser Gelegenheit gleich auch noch ein paar nette Leute. Ein Glück, dass meine Lehrerin mich darauf aufmerksam gemacht hatte, denn diese Erfahrung hätte ich nicht missen wollen. Hoffentlich kann ich solch ähnlichen Veranstaltungen noch öfter beiwohnen – wer weiß: vielleicht gibt es ja einen Frühlingsmarkt.

Der Verkehr – ganz anders und doch vertraut 2/2

Das erste, was mir auffiel, als mein Betreuer mich vom Busbahnhof abholte (ich war via Flugzeug nach Bukarest und von dort mit dem Bus nach Braşov gereist), waren Busse, wie ich sie noch nie vorher gesehen hatte. Sie waren alt, mit analoger Anzeigetafel, vielleicht sogar noch aus der kommunistischen Zeit (1948-1989), doch das auffälligste an ihnen waren die Stromabnehmer, die von ihrem Dach herauf zu den Oberleitungen über der Straße ragten, so wie ich es bisher nur von Straßenbahnen kannte. „Eigentlich eine ganz gute Idee – gerade in der heutigen Zeit, wo alle Welt E-Fahrzeuge will, aber die Batterien der Knackpunkt sind.“, dachte ich mir. Und wer weiß, vielleicht sind solche Busse ja demnächst auch in Deutschland  wieder vermehrt zu sehen (momentan gibt es lediglich drei Verkehrsbetriebe mit solchen Bussen; Quelle: Wikipedia). Doch zurück nach Braşov: Wie ich inzwischen erfahren habe, werden diese sogenannten Trolleybusse (zu dt. auch Obusse) lediglich auf zwei Linien eingesetzt, der Großteil der Busse ist dieses Jahr durch neue ersetzt worden, in denen die Technik schon weiter ist, als in vielen deutschen Bussen. So kann man sein Ticket dort kontaktlos entwerten oder gleich via App bezahlen, indem man einen QR-Code scannt. Freies WLAN gibt’s übrigens gratis obendrauf.

Und auch sonst ließe sich vom Straßenbild her nicht wirklich darauf schließen, dass man sich außerhalb Deutschlands oder gar in einem der ärmsten Länder Europas befindet. Gelegentlich sieht man zwar Autos, die sich wohl schwer täten durch den TÜV zu kommen, doch der Anteil an Mercedes, BMW und Porsche hat heimische Ausmaße. Das ist jedoch im Wesentlichen der – vor allem dank der hier ansässigen Autozulieferer – florierenden Wirtschaft der Stadt geschuldet. Bei meinen Reisen aufs Land bekam ich dann das andere Gesicht Rumäniens zu sehen, wo eher alte Dacias und Pferdewagen auf mäßig ausgebesserten Straßen das Bild prägen. Obwohl ich mir noch nicht sicher bin, welches dieser Gesichter mir besser gefällt, weiß ich bereits eines: es geht sehr unterschiedlich zu in diesem Land.

Der Verkehr – ein Erlebnis für alle Sinne 1/2

Eine Sache, die hier in Rumänien definitiv etwas anders läuft als in Deutschland ist der Verkehr. Wenn man im Auto unterwegs ist, dauert es nicht lange bis einem auffällt, dass man hier wesentlich häufiger in Kreisel statt Ampelkreuzungen geleitet wird und auch deutlich öfter Zebrastreifen überfährt, die hier in Braşov auch bei breiteren Straßen gerne mal anstatt einer Ampel eingesetzt werden. So kostete es mich am Anfang doch immer einiges an Überwindung und auch an Vorsicht, eine vierspurige Hauptstraße zu überqueren, lediglich geschützt durch ein paar weiße Streifen auf dem Asphalt sowie angeblich drakonische Strafen für Autofahrer, die diese missachteten. Dass diese Drohungen jedoch nur begrenzte Wirkung zeigen, merkte ich schnell. Allgemein scheint das innerörtliche Tempolimit von 50 km/h eher eine Richtgeschwindigkeit zu sein, die gewissen Interpretationsraum – insbesondere nach oben zulässt. Genauso werden auch die Überholverbote, selbst an den uneinsehbarsten Orten scheinbar ohne Zögern missachtet. Diese Punkte, zusammen mit dem für mich nicht ganz schlüssigen Gesetz, das nur für Fahrer und Beifahrer eine Gurtpflicht vorschreibt, sind es wahrscheinlich auch, mit denen sich die ca. 2,5 fache Verkehrstotenzahl/Einwohner im Vergleich zu Deutschland erklären lässt, mit der Rumänien sogar den traurigen europaweiten Spitzenplatz hält. (RO: 96 Tote/Million Einwohner, DE: 39 Tote/Million Einwohner, Quelle: Statista, 2018)

Doch es gibt noch ganz andere auffällige Dinge auf der Straße. Die Geräuschkulisse zum Beispiel: Während ich zu Hause vielleicht einmal pro Monat eine Hupe hörte, wird das Hupen hier eher als alltägliche Kommunikationsform genutzt. Hier ein freundliches „Hallo!“, dort ein warnendes „Pass auf!“ und manchmal auch ein entrüstetes „Ey!!“, das dann gerne auch erwidert wird. Dazu kommen unangenehm oft das wesentlich höhere und penetrante Martinshorn eines Rettungswagens oder das Aufheulen eines Motors, der weit jenseits seiner Belastungsgrenzen dreht. Auch keine Seltenheit ist das Quietschen von Reifen, begleitet vom eigenen instinktiven, kurzen Luftanhalten, um zu horchen, ob der Crash folgt – bisher ging es jedoch anscheinend immer nochmal gut aus. Doch auch was sich auf den Straßen so bewegt ist interessant zu beobachten…

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