Halbzeit oder auch: Bevor hier irgendetwas läuft, läuft der Wasserkocher

Halbzeit oder auch: Bevor hier irgendetwas läuft, läuft der Wasserkocher

Vor 83 Tagen bin ich in Deutschland losgeflogen. In 83 Tagen komme ich wieder an. – Wahnsinn wie schnell die Zeit vergeht. Leicht amüsiert, denke ich zurück, wie ich mir einige Sachen hier vorgestellt habe:Ich dachte doch ernsthaft  wir Freiwilligen würden uns auf dem Zwischenseminar auf Spanisch unterhalten. Mein Spanisch würde ja sowieso nach 2 Wochen perfekt sein. Haha, weit gefehlt.

Trotzdessen bin ich ein sehr glückliches Menschenkind hier. Ich hätte nie gedacht, dass ich im Ausland leben so anfühlt. Mir hat nichts gefehlt in Deutschland. Ich wusste auch zu schätzen, was ich hatte. Zudem hatte ich eine Zusage fürs Studium. Mein Leben wäre auch ohne das halbe Jahr hier gut gewesen. Wahrscheinlich leichter. Mit Sicherheit aber um eine Erfahrung ein Lebensgefühl ärmer.

Alle sprechen immer von „Erfahrung“ und „reifen“, wenn sie über Auslandsaufenthalte von Jungendlichen bzw. jungen Erwachsenen sprechen. Ich bin hier, weils mich interessiert hat. Ich kann keinen konkreten Grund nennen. Ich habe aufgehört auch alles nur an „Erfahrung“ zu messen. Ich bin hier. Ich habe eine tolle Zeit. Ich nehme viel mit. Dadurch ändere ich aber auch nicht meinen Charakter oder werde ein besserer Mensch.

 

So, wie finde ich jetzt die Überleitung? – 11.000 Kilometer weiter südwestlich – Argentinien – neulich:

15:00 Uhr Kursbeginn  – Abfahrt 14 Uhr zum vorbereiten – Ankunft 14:10 Uhr

14:11 Uhr – Der Schlüssel passt zwar, die Tür des Instituts öffnet sich dennoch nicht. Wie kann sowas gehen?

Das Problem mit Schlüsseln und Schlössern habe ich hier schon des öfteren mitbekommen.

„Ach und der Schlüssel – den steckst du richtig rum rein, dann nimmst du ihn raus, steckst ihn falschrum rein, machst eine halbe Drehung und steckst ihn wieder richtig rein – kein Problem.“

„Dieser Schlüssel funktioniert zwar, du kannst deine Wohnung auch damit öffnen, aber dann nicht von innen abschließen. Der Schlüssel bleibt dann stecken.“

14:12 Uhr Jaja aber auch die Nummer im Institut ist schon vorgekommen. Der Schlüssel funktioniert sonst immer. Nur eben heute nicht. Wie auch immer sowas geht.

14:13 Uhr Chabuela wird angerufen. Sie soll schnell mit ihrem Schlüssel vorbeikommen. Solange: zähes warten bei 38 Grad und normalerweise Siesta- Zeit.

14:45 Uhr Ankunft Chabuela – Türchen öffne dich.

Während ich jetzt normalerweise rotiert wäre, um alles vorzubereiten, bewegte sich alles, wie immer, entspannnt in die Küche um den Wasserkocher anzuschmeißen. Eigentlich kann Wasser hier auch nie kalt werden, der Kocher läuft quasi unaufhörlich.. ständig. Brauch man das heiße Wasser doch zum Mate trinken und auch für den cafecito, der nunmal hier zumeist aus Instant-Kaffeepulver besteht. Naja also tranken wir in Ruhe Kaffee. Eigentlich war ja sowieso nichts besonderes vorzubereiten.

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Wie kann man dieses Land nicht lieben?

Ich habe gelernt ruhig zu bleiben und Sachen entspannter zu sehen, geduldiger bin ich trotzdem nicht.

Ich wusste auch vorher, wie wertvoll mir meine Familie ist, hier habe ich gelernt was für ein Wert Familie ist.

Ich kannte schon vorher meine wahren Freunde, aber es ist schön zu sehen, dass einer wahren Freundschaft 11.000 Kilometer nichts ausmachen.

 

Les mando un beso! Nos vemos (in 83 Tagen).

Bis dahin nehme ich alles mit. Jeden Sonnenuntergang, jede schöne Blume, jedes Mal unter Palmen lang gehen. Zudem sind es meine letzten beiden Wochen in der Schule. Danach sind Sommerferien und ich werde Projektarbeit, Sprachkurs machen und auf Reisen gehen.

Chiao!

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