23,5 Kilo leichter

Nach meiner Rückkehr vom Vorbereitungsseminar am späten Abend des 10. September ging alles ganz schnell. 6 Maschinen Wäsche vom Seminar waren zu bedienen um anschließend alles ordentlich im Koffer  verstauen zu können, das eigene Bett musste nochmal ausgiebig zum Nachholen des Schlafs genutzt werden, Einkäufe von Schoki und anderem Lieblingsschnützzeugs mussten getätigt werden, ein Besuch in meiner ehemaligen Schule stand noch bevor, Mamas Rouladen mit Rotkohl und Knödeln mussten verputzt werden und ganz nebenbei waren da auch noch die vielen Abschiede von meinen Lieben…

13.September: 2 Stunden vor dem Wecker aufwachen. Den Koffer das zehnte mal umräumen, weil er immer noch zu schwer ist. Die Entscheidung treffen, ob die zwei Tafeln Schoki oder die dritte Jeans mitkommt  (die Schoki ists geworden).  Mit Mama auf der Couch quatschen. Spaghetti Bolognese zum Mittag. Und dann war es auch schon soweit……Nochmal tief  dieses Wonnegefühl von ZuHause-Sein einatmen um dann den Koffer, den Rucksack, die Handtasche, meine Winterjacke und mich ins Auto zu verfrachten um Richtung Frankfurter Flughafen aufzubrechen.

2,5 Stunden um Mama und Papa nochmal so richtig meine Anwesenheit spüren zu lassen. Singen aus vollem Halse, ganz viel Gelaber und Fragen wie ‚Wie weit ist es noch?‘. Bei der Ankunft am Flughafen hätte man Denken können, dass ganz Deutschland heute fliegt…Stau an der Ausfahrt und alle Parkhäuser voll. Nachdem wir dann schließlich doch einen Parkplatz finden konnte, bewegten wir uns wie kleine Packesel Richtung Lufthansa-Schalter, der dank der nicht gerade blendenden Ausschilderung nicht gleich zu finden war. Dort trafen wir dann wie verabredet auf meine Mitfreiwillige Florine und ihre Eltern um gemeinsam den Check-In zu erledigen um im besten Fall den 14h Flug nebeneinander verbringen zu können. Dem Mann am Lufthansa-Schalter, der uns eingecheckt hat und unser Gepäck entgegen genommen hat, bin ich übrigens bis zum Ende meiner Tage dankbar! Der gute Herr hat nicht nur über unsere insgesamt 1,5 kg Übergewicht und über die Übergröße unseres Handgepäcks hinweg gesehen, sondern uns auch auf Grund von Überbuchung der Economy Class ein Upgrade zur Premium Economy organisiert. Auch wenn wir leider nicht nebeneinander sitzen konnten, hatte ich wohl trotzdem den entspanntesten und bestversorgtesten 14h Flug, den ich mir hätte vorstellen können. Die verbliebene Zeit verbrachten wir damit das letzte Mal ein McMenü auf Kosten unserer Eltern zu genießen und dann hieß es auch schon Abschiednehmen von Mama und Papa. Der Abschied vor dem es mir am meisten gegraut hat. Viele Tränen und Umarmungen später, musste ich mich dann loseisen und durch die Passkontrolle laufen. Das letzte Mal für ein ganzes Jahr in die vertrauten Gesichter meiner Eltern gucken und dann schließt sich die Tür hinter mir. Im Nachhinein sage ich, dass ich es schlimmer erwartet hätte, aber stimmt das? Es war schlimm meine Eltern mit Tränen in den Augen zu sehen, weil sie sich für mich freuen, aber sie mich andererseits nicht gehen lassen wollen, da sie mich am anderen Ende der Welt nicht vor allem Bösen beschützen können. Ich finde an dieser Stelle passt der  Poetry Slam von Julia Engelmann mit dem Titel ‚Für meine Eltern‘:

https://www.youtube.com/watch?v=IgohtkqYoA0

Aber nun weg von traurigen Abschieden und hin zum Abenteuer.

Normalerweise bin ich es gewöhnt, dass man von den Leuten am Sicherheitscheck äußerst unfreundlich durchgescheut wird, doch auch hier hatten wir Glück und erwischten einen Mitarbeiter, der nicht sofort rumblöckte, nur weil wir unsere riesigen Rucksäcke wieder zusammen packen und Gürtel, Schmuck und Jacken anziehen mussten. Am Gate sind wir dann nach und nach auf alle ‚kulturweit‘-Menschen getroffen, die den selben Flug gebucht hatten. Einige zitterten bis zum Schluss, ob sie noch einen Platz bekommen würden, weil der Flug hoffnungslos überbucht war.

Schon mit Verspätung ging es dann ins Flugzeug und dort konnte ich dann meine 3m² für die nächsten Stunden begutachten. Man hab ich Glück gehabt! Ein Sitzplatz am Fenster am Notausgang in der Premium Economy! Was übersetzt bedeutet unendlich viel Beinfreiheit, die Sitznachbarin nicht fragen zu müssen, ob sie mal aufstehen kann, eine Fußliege, einen Dauenkissen & eine richtige Decke, kleine Geschenke, Service wann immer man ihn braucht, Snacks & Getränke aller Art und Mahlzeiten bei denen ich mich für Flugzeugessen wirklich nicht beschweren möchte.

Mit 1,5 Stunden Verspätung hob das Flugzeug dann endlich ab um dann 13 Stunden später (ja nicht 14) am Aeropuerto Internacional Ezeiza in Buenos Aires zu landen. Ein bisschen Langeweile schwingt bei einer so langen Zeit auf beengten Raum immer mit, aber dank einer guten Film- und Musikauswahl und der Tatsache, dass es ein Nachtflug war, konnte ich alles gut überstehen.

Nach einer ziemlich langen Zeit in der Warteschlange für die Einreise in Argentinien konnte ich dann schließlich einen neuen Stempel in meinem Pass begutachten und endlich ein Bad aufsuchen um mich ein bisschen frisch zu machen, was nach einer unerträglichen Hitze im Warteraum definitiv notwendig war.

Auf dem Weg zum Gepäckband haben wir dann noch ein bisschen rumgewitzelt, dass unser Gepäck bestimmt nicht angekommen sei und als alle anderen ihren Koffer längst neben sich stehen hatten und die selben drei verbliebenen Koffer auf dem Rollband das zehnte Mal an mir vorbei gefahren sind, habe ich dann gecheckt, dass mein Koffer wirklich nicht da war.

Eine Sache, die ich gelernt habe: auch wenn Leute ein Lufthansa-Outfit tragen, heißt das nicht, dass sie Deutsch oder Englisch sprechen.

Bei einer Nachfrage meinerseits, habe ich dann herausgefunden, dass einige Koffer tatsächlich in Frankfurt stehen geblieben sind, mein Name stände mit Sicherheit aber nicht auf der Liste und deshalb sei der Koffer auf jeden Fall in BA. Mit einigem Hin und Her konnte ich dann schließlich eine Vermisstenmeldung aufgeben und mir wurde versichert, dass ich am nächsten Tag telefonisch benachrichtigt werden würde, wie der Stand der Dinge ist. 23,5 kg leichter ging es also mit einem Taxi, dass vom Goethe-Institut geschickt wurde, zum Hostel mitten in der Stadt.

Müde und geschafft wurden ich dann mit zwei anderen Mädels vor dem Hostel abgesetzt. Der Aufzug funktioniert laut Anschrift nur zwischen 8-13 Uhr. Es war 10 Uhr und trotzdem bewegte sich der Aufzugwagon keinen Zentimeter. Jetzt war ich ausnahmsweise mal im Vorteil: ich musste meinen Koffer nicht zwei Stockwerke hochtragen.

Bei Öffnen meines Rucksacks war ich dann sehr stolz und unheimlich froh, wie gut ich gepackt habe. Ich hatte tatsächlich von einem Paar Schuhe über Jacken, T-Shirts, Jeans, Unterwäsche & Socken, Leggins und Handtüchern alles eingepackt um ein Paar Tage ohne Koffer halbwegs überleben zu können. So etwas wie eine Bürste, Shampoo und eine Pinzette konnte ich mir ja dann glücklicherweise bei den sieben Mitmenschen in meinem Zimmer leihen.

Nach einer extrem heißen Dusche begann das nächste Abenteuer: die Suche nach einem Geldautomaten, der unsere Kreditkarten akzeptiert. Bis zum Flug nach Santiago am Samstag habe ich es geschafft keinen einzigen argentinischen Peso zu besitzen. Keine Angst verhungert und verdurstet bin ich nicht, denn mit Kreditkarte zahlen ist fast nirgends ein Problem.

Da wir ziemlich vielen Banken abgeklappert haben und dennoch erfolglos waren, war die Zeit schon stark vorgerückt, so er gab sich an diesem Tag kein Sightseeing, sondern nur noch ein Besuch bei Subway für Judit und mich. Jaaaa, was sind wir nur für Kulturbanausen. Aber an diesem wirklich beschissenen Tag hatte ich wirklich keine Nerven mehr, noch nach argentinischen Speisen Ausschau zu halten.

Den Abend ließen wir dann auf der Terrasse des Hostels im dritten Stock beim gemütlichen Beisammensein ausklingen. Ich freute mich dann aber auch ziemlich schnell auf ein warmes Bett und viel Schlaf, denn die 5 Stunden Zeitunterschied merkt man doch mehr als gedacht.

Aufgrund von fehlender Dämmung und Zentralheizung ist Wärme in der Nacht eher Mangelware und so bibberte ich mich in den Schlaf.

Der nächste Tag war dann der eigentliche Anlass unseres Besuchs in Buenos Aires: eine Einladung vom PASCH-Büro des Goethe-Instituts BA. Nach einem eher spärlichen Frühstück ging es für uns mit einem Stadtplan bewaffnet zu Fuß zum  Palacio del Congreso. In diesem wirklich sehr beeindruckenden Gebäude sahen wir im Saal des Congreso de la Nación Argentina beim Finale eines landesweiten Wettbewerbs zum Thema ‚Bundestagswahl in Deutschland 2017‘ zu. Vier argentinische Schüler vertraten je eine deutsche Partei und argumentierten zu unterschiedlichsten Themen der Politik. Die Gewinnerin wurde schließlich vom Goethe-Institut und der Deutschen Botschaft zu einer Reise nach Berlin eingeladen.

Nach einem Mittagessen machten wir uns dann auf zum Goethe-Institut, wo wir unseren Ansprechpartner kennen lernten, ein paar letzte Anweisungen erhielten und schließlich noch argentinische Medialunas (Croissants mit Zuckerguss) aßen. Unser Ansprechpartner versprach mir Hilfe bei meinem Kofferproblem und wir machten uns auf die Suche nach einem Supermarkt um fürs Abendessen zu sorgen. Weil alles echt teuer war, entschieden wir uns Brötchen mit Käse zu überbacken und dazu ein argentinisches Bier zu genießen. All zu spät wurde es auch heute nicht, da die ersten um 4 Uhr nachts abgeholt werden sollten um zum Flughafen zu fahren.

 

Ein paar Eindrücke aus Buenos Aires.

 

 

 

Nach einer abermals frischen Nacht, ging es daran meine verbliebenen 7 Sachen zusammen zu räumen. Bis das Taxi kam, das Florine und mich zum Flughafen bringen sollte, hatten wir noch genügend Zeit um uns im Aufenthaltsraum des Hostels gemütlich mit den zurückgebliebenen Argentinien-Freiwilligen zusammen zu setzen und zu quatschen. Tag und Uhrzeit ließen es zu, mit zu Hause zu skypen. Meine Eltern hatten in der Zwischenzeit eine Telefonnummer vom Flughafen in BA auftreiben können, die ich promt meinem Ansprechpartner im Goethe übermitteln konnte. Und siehe da beim Einsteigen ins Taxi bekam ich die ersehnte Nachricht, der Koffer kann am Flughafen abgeholt werden. Sie kam jedoch nicht wie versprochen vom Flughafenpersonal, sondern von meinem Ansprechpartner am Goethe, der unter der Nummer, die mir meine Eltern gegeben hatten, tatsächlich jemanden erreicht hat. An dieser Stelle: Vielen Dank an Jörg Müller vom Goethe, meine Eltern und die anderen Freiwilligen, die mir mit kleinen Dingen ausgeholfen haben. In gewisser Weise war ich überrascht von mir , dass ich während der ganzen Zeit recht ruhig geblieben bin. Vielleicht war mir bewusst, dass ich 12.000 km von zu Hause  weit weg bin und das meine Eltern nicht in unmittelbarer Erreichbarkeit sind.

Am Flughafen angekommen, konnte ich dann tatsächlich meinen Koffer in die Arme schließen mit kompletten Inhalt und ohne Kratzer. Was passiert ist, bleibt wohl trotzdem im Verborgenen…

Ohne Probleme konnten wir dann trotz noch mehr Übergewicht (nicht mehr 0,5kg sondern 2,5kg allein in meinem Koffer) einchecken, Koffer aufgeben und durch den Sicherheitscheck gelangen. Der Sicherheitscheck war ein Witz: Florine hat es geschafft eine volle Flasche Wasser durchzuschmuggeln. Und ich Depp hab mir vorher noch nen halben Liter runtergekippt.

Am Gate angekommen ging es auf Futtersuche, was recht ernüchternd war. Alles arsch-teuer hier. Schließlich haben wir uns dann eine mittelmäßige Pizza Mozzarella für umgerechnet 11€ geteilt, die sich in diesem Moment wie die beste Pizza unseres Lebens angefühlt hat…

Beim Einsteigen ins Flugzeug stellten wir fest, dass die Landung in Santiago nur ein Zwischenstopp auf einem Flug nach Toronto war und uns somit zu zweit drei Sitze zur Verfügung standen, dieses Mal allerdings tatsächlich in der Holzklasse. Kann man durchaus überleben.

Ein Snack bestehend aus einem Sandwich mit Hähnchen und einem Obstsalat gabs auch, der uns allerdings knapp zehn Minuten später wieder aus den Händen gerissen wurde, weil wir die Chilenische Grenze überflogen und die Einfuhr von Fleisch und landwirtschaftlich erzeugten Produkten streng verboten ist. Da fragt man sich doch glatt, warum wird nicht einfach etwas anderes serviert…? Da wir dank der Pizza sowieso keinen großen Hunger verspürten und der Ausblick aus dem Fenster sowieso viel interessanter war, konnten wir auch das verschmerzen.

Unter uns also Chile und seine wunderschönen Anden. Unser neues ZuHause für das kommende Jahr. Irgendwie unwirklich.

Zwischenzeitlich habe ich mich gefühlt wie in einem Touri-Bus. Der Pilot gab ein paar Infos zu dem unter uns liegenden Gebirge und flog extra am höchsten Punkt der Anden vorbei, bei dem die anderen Passagiere alle große Augen machten, die Anschnallhinweise missachteten um zu den Fenstern zu stürzen und große ‚Woah‘-Ausrufe von sich zu geben.

Die Landung am ‚chilenische Großflughafen Aeropuerto Internacional Comodoro Arturo Merino Benítez‘ (Wikipedia) in Santiago de Chile folgte dann auch ziemlich schnell und wir waren sichtlich froh endlich angekommen zu sein. Der Flughafen ist tatsächlich noch kleiner als Köln/Bonn. Die Einreise konnten wir dann auch ziemlich schnell hinter uns bringen und durften uns hierbei, dank unseres Visums, sogar am Schalter für Chilenen anstellen. Am Gepäckband konnte sogar ich stolz meinen Koffer vom Band heben und auch die Zollkontrolle konnten wir problemlos überstehen. Insgeheim hatte ich ja die ganze Zeit Angst, dass ich eine maximale Einfuhrbestimmung für Schokolade und Tee überlesen habe.

Für die Nacht wollte ich mich bei Florine einnisten um am nächsten Tag mit Bus oder Bahn nach Chillán weiterzureisen. Der Fahrer, der uns abholen sollte, war entweder unsichtbar, hatte kein Schild oder war einfach noch nicht da. Dank der bescheidenden Wlan-Versorgung war die Kontaktaufnahme auch ein bisschen erschwert. Ich konnte mich schließlich an einem bestimmten Ort ins Wlan einloggen um mit Florines Ansprechpartnerin zu schreiben, dann wieder zu Florine und unserem Gepäck zu laufen um die neuen Infos zu übermitteln und wieder zurück zum Wlan zu eilen um zu antworten. Es stellte sich heraus, dass der Fahrer im Stau stand und sich verspäten würde. Bei der Ankunft an der Unterkunft gabs dann große Enttäuschung über Lage & Umgebung. Beim Austauschen von Blicken war schnell klar: das wird hier kein längerer Aufenthalt werden. Nach einem Besuch im nahe gelegenen Supermarkt, entschieden wir uns für einen Anruf bei Florines Ansprechpartnerin, bei der wir kaum eine dreiviertel Stunde später im Auto saßen um zu ihr nach Hause zu fahren. An dieser Stelle: ein großes Dankeschön an Kerstin, die mich bzw. uns bei sich wohnen lassen hat/wohnen lässt und mir auch bei meiner Weiterreise sehr weiter geholfen hat!!!

Am nächsten Mittag konnte ich dann endlich die letzte Teilstrecke meiner Reise bestreiten. Eine Reisebus brachte mich von Santiago ins 5 Stunden entfernte Chillán. Sehr bequem und genügend Platz. Einziges Manko war die verstopfte Toilette, die ich nur all zu sehr gebraucht hätte. Am Busterminal von Chillán wurde ich dann von einer Deutschlehrerin, meiner ‚Gastmutter‘ Angeluz und einer meiner beiden ‚Gastschwestern‘ abgeholt.

Mit dem Taxi gings zum neuen ZuHause. Nach ein bisschen Kofferauspacken, einer erfrischenden Dusche und schließlich Kürbissuppe und Brot mit Palta & Tomate zum Abend ging es dann endlich ins langersehnte eigene Bett auf Zeit.

Endlich angekommen also!