Das Abenteuer beginnt…

Das Vorbereitungsseminar ist längst vorbei und die meisten haben ihre Reise schon längst angetreten. Auch hier zu kann ich schon von so manchem Erlebnis berichten. Aber trotzdem erstmal der etwas verspätete Blog zum Vorbereitungsseminar.

 

Am 01. September ging es dann morgens mit dem ICE Richtung Berlin HBF. Da am Abend eine große Familienfete stattfinden sollte an der ich ja leider nicht teilnehmen konnte, stieg ich eher wehmütig ein. Da wurde einem schon mal vor Augen gehalten, dass man während des Jahres noch so einiges verpassen wird. Eine Gruppe eher unfreundlicher Damen wollte mir meinen reservierten Platz streitig machen und mir allen Ernstes ihren Platz ohne Tisch, ohne Fenster und gegen die Fahrtrichtung andrehen, was ich jedoch erfolgreich verhindern konnte. Am Berliner HBF haben dann mehrere Shuttle-Busse auf mich und die insgesamt 328 anderen Freiwilligen gewartet um uns zum Seminargelände EJB am Werbellinsee in Brandenburg zu bringen. Noch nie davon gehört? Keine Sorge, außer einem wirklich schönen See gibt es dort auch eigentlich nichts, auch keinen Supermarkt… Ein großer Zufall bescherte mir einen Sitzplatz neben einer anderen Freiwilligen, die auch nach Chile geht. Mit all den neuen Leuten, denen das Selbe nur in anderen Teilen der Welt bevorsteht, gab es genug zu bequatschen, so dass auch die 1-stündige Busfahrt überstanden werden konnte.

Eine Liste teilte mir mit, dass ich im Seminarhaus 8 untergebracht sei. Dieses entpuppte sich als Haus in sehr zentraler Lage zum Speisesaal und Orga-Gebäude. Das Haus 8 entwickelte sich leider während der 10 Tage zum nächtlichen Treffpunkt für extrem laute Trommler, Sänger und Musiker, die den Schlaf nicht unbedingt begünstigten. Darüber, ob Haus 8 ein Segen oder ein Fluch ist, lässt sich also streiten.

Bei einer großen Versammlung vor unserem Haus wurden wir herzlich begrüßt und in Essensgruppen und Homezones eingeteilt. Zur Erklärung:

  1. Essensgruppe sind bei 400 Leuten definitiv nötig, wenn es nur eine Essenausgabe gibt. Auch wenn ich mich nicht dran gehalten habe…
  2. Homezones sind Gruppen aus Freiwilligen, die in dasselbe Land gehen oder die gleiche Region gehen.

Das erste Homezone-Treffen war direkt im Anschluss. In einem Fall habe ich alle meine Mitfreiwilligen aus Chile kennengelernt mit denen ich auch in den kommenden Tagen viel Zeit verbracht habe. Ziemlich schnell habe ich gemerkt, dass ich, der wohl unmusikalischste Mensch mit absolut keinem Takt- und Rhythmusgefühl, in einer Gruppe gelandet bin, dessen Trainer sehr auf Klatschübungen und Rhythmusspiele steht. Nach 10 Tage kann nun auch ich eine einfache Klatschreihenfolge. Das dabei Aufspringen und Rufen beherrsche ich allerdings immer noch nicht.

Zu den Homezone-Treffen, in denen wir unsere Persönlichkeiten und auch sehr sehr sehr intensiv das Thema Rassismus besprachen, kamen Workshops zu verschiedensten Themen. Bei einem Planspiel zu einem Freihandelsankommen zwischen der EU und Ghana, habe ich festgestellt wie schwer es ist zwischen unterschiedlichen Parteien zu vermitteln und eine Entscheidung zu treffen. Da alle so gut ihre Rollen angenommen haben, hatte ich zwischenzeitlich schon ein bisschen Angst, dass wir alle nicht mehr miteinander reden würden und uns am liebsten gegenseitig die Köpfe abreißen wollen, was sich ja Gott sei Dank nicht bewahrheitet hat. Bei anderem Workshops tat es gut mal über die Familie und Ängste & Sorgen zu reden. Und auch Themen wie die ‚Privilegien der Deutschen‘ und ‚Unterrichtsgestaltung‘ kamen auf den Tisch.

Bei einem Ausflug nach Berlin wurden wir dann offiziell von Vertretern der Deutschen UNESCO-Kommission und dem Auswärtigen Amt in der Barenboim-Said-Akademie als größte Ausreise aller Zeiten begrüßt. Anschließend gab es arabische Snacks, die ich interessiert probiert habe, da ich mir vorgenommen habe, möglichst alles zu probieren, was mir während des Jahres auf den Teller kommt. Ja ich habe auch das Tofu-Würstchen probiert und nein, geschmeckt hat es mir nicht! Ganz zu meiner Freude konnten Florine und ich in einer Pause eine türkische Bäckerei aufsuchen, in der wir uns begierig auf ein großes Stück Sahnetorte stürzten um uns direkt danach gestärkt im nahe gelegenen Supermarkt mit etwas Bier für die allabendlichen geselligen Runden einzudecken. Meine Freude war anscheinend ein bisschen zu groß, so dass ich glatt mit meiner Jeans an einem Verkaufsregal hängen blieb und mir ein Loch in die Hose riss.  Am Nachmittag haben wir dann an einer Führung durch Neukölln teilgenommen, die von einem syrischen Flüchtling geleitet wurde. Er zeigte uns die wichtigsten Anlaufstellen für neu angekommene Geflüchtete wie die arabische Einkaufsstraße und Restaurants in denen es original syrische Spezialitäten gibt. Nebenbei erzählt er uns wie er vom reichen Syrer zum vom Staat finanziell abhängigen Mann wurde und welche Strapazen einem eine solche ‚Reise‘ abverlangen.

Trotz meinen Plänen während der Pausen viel Sport zu treiben, muss ich leider zugeben, dass ich nicht sehr erfolgreich war. Mehr als ein kläglicher Versuch Volleyball zu spielen, einem kurzen und sehr frischen Bad im Werbellinsee und ein bisschen Kicken mit dem Ball war nicht drin. Da war selbst der Sprint zu den Teespendern und den leckeren Keksen in den Kaffeepausen schon anstrengender.

Wenn wir schon bei Tee & Keksen sind, kann ich auch direkt weiter machen mit dem Essen. Was soll ich sagen, ich habe mich das ersten Mal in einem Leben aufgrund meiner Liebe zum Fleisch diskriminiert gefühlt. Zwar habe ich Fleisch bestellt, allerdings war außer einer Scheibe Salami am Abend, die ich mir jedes Mal erfragen musste und einem nicht immer appetitlichen Stück Fleisch zum Mittag, nicht mehr drin. So viel Tofu wie dort, habe ich noch nie gesehen. Da tatsächlich fast jeder Salat, sei es Nudel-, Kartoffel- oder Couscous Salat mit Tofu gespickt war. Von 10 Tagen Kartoffeln als Hauptbestandteil des Essens am Mittag und am Abend möchte ich gar nicht sprechen. Dank sehr ausdauerstarken Mitfreiwilligen, die freiwillig fast 2 Stunden (eine Strecke) zum nächsten Supermarkt gelaufen sind, konnte ich gegen Ende des Seminars in einen Döner beißen, der zwar kalt war, aber trotzdem eine willkommene Abwechslung zu den Kartoffeln und dem Tofu bot.

Beim Werwolf-Spielen durfte ich wieder mal feststellen, dass ich warum auch immer, die erste Runde zu 90% nicht überstehe und dann auch spätestens in der zweiten Runde nachts die Augen aufbehalten darf.

Die offene Bühne und die Party am letzten Abend waren auf jeden Fall nochmal sehr lustig und gesellig und am nächsten Morgen waren beim Frühstücken alle noch ein bisschen langsamer als sonst, so dass der ein oder andere es schaffte noch später als sonst zur Homezone zu trotten, ganz zur Freude unseres Trainers der uns bereits am ersten Tag mitteilte, dass er Pünktlichkeit sehr schätzt.

Am Ende des Seminars war ich dann aber auch echt froh nochmal nach Hause fahren zu können um sich von dieser überaus großen Menschenmasse und den vielen Informationen zu erholen und noch zwischen Packchaos und Schlaf-Nachholen, ein bisschen Zeit mit den Lieben zu Hause zu verbringen.

Für die Heimfahrt habe ich leider Gottes einen IC erwählt, der fröhlich von einem unbekannten Kaff zum nächste getingelt ist und ungelogen 1,5 Stunden länger gebraucht hat als der ICE auf derselben Strecke. Meine Gegenüber-Sitznachbarin, die ihre Beine bis zu meinem Sitz ausgestreckt hat, trug auch nicht zu einer angenehmeren Reise bei. Bei meiner Ankunft am heimischen Bahnhof bin ich dann auch ein bisschen wehmütig geworden, weil mir beim Hören des Liedes ‚Kölsche Jung‘ das erste Mal so richtig bewusstgeworden ist, auf was ich mich da eingelassen habe.

Doch die viele Zeit, die ich sehr intensiv mit meinen Chile-Leuten verbracht habe, hat mir definitiv ein bisschen die Angst genommen am anderen Ende der Welt mit niemanden sprechen zu können.

 

Bis zum nächsten Blog??

Marie

 

Entspannung am See

 

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