Schwanenflüsterin 2016?!

Willkommen 2016. Da ist es auch schon wieder hin das vergangene Jahr. 2015 verlief (wie soll es auch anders sein) mit Höhen und Tiefen. Manchmal verging die Zeit rasend schnell und manchmal wiederum so zäh wie Kaugummi. Es wurde viel gelacht, geweint. Neues entdeckt, Altes verworfen. Gehetzt und entspannt. Viel gelernt und noch mehr vergessen. Rundherum war es doch sehr durchwachsen und der Weg teilweise auch mit Dornen behaftet. Doch nun schreiben wir eine neue Zahl. Aus fünf wird sechs (so sagte es schon die kleine Hex). Für die meisten Leute zieht das neue Jahr immer wieder ein bekanntes „Problemchen“ mit, da man auf sämtliche Arbeiten, Dokumente immer noch 2015 statt 2016 zu schreiben scheint. Nicht so bei mir. Da kann man nämlich fast täglich Februar statt Januar lesen. Man könnte also meinen ich würde versuchen an der Uhr zu drehen, damit die Zeit schneller vergeht oder aber auch nur, dass ich jetzt endgültig durchdrehe.

Weihnachten und die Feiertage vergingen wahnsinnig schnell. Und dann war es auch schon Silvester und das Feuerwerk kündigte das neue Jahr frohlockend bunt (und vor allem laut) an. Diese Zeit habe ich zu Hause verbracht und was soll ich sagen sie ist wahnsinnig schnell vergangen. Wie im Flug. Mir kommt es vor als wäre ich erst gestern nach 3,5 Monaten mal wieder zu Hause angekommen. Aber nichts da. Nun bin ich schon wieder zurück in Pécs und frage mich wo diese kostbare Zeit zu Hause doch nun schon wieder geblieben ist.

IMG_2023

Ich bin also wieder zurück in Pécs. Im winterlichen Pécs. Hier kann man nämlich deutlich mehr von Winter sprechen, als während meiner Zeit zu Hause. Auch wenn ich nichts gegen weiße Weihnachten und einen Spaziergang im Schneegestöber gehabt hätte. Aber wie wir alle bereits gelernt haben ist das Leben ja kein Wunschkonzert und so erlebe ich hier also den ersten Schnee (der nicht gerade wenig fällt) und „angemessene” Temperaturen dazu (-10°C). Der Weg in die Schule dauert nun meistens bis zu 15min länger, da sich die Fußwege in reine Eislaufbahnen gewandelt haben (und wer mich kennt weiß, dass Schlittschuhlaufen nicht gerade zu meinen Paradedisziplinen gehört). So heißt es also rutschen, versuchen den „Sturz“ mit hysterischen Armbewegungen „auszupendeln“ und sich gaaaaaanz viel Zeit nehmen.

IMG_2093 IMG_2101 IMG_2114 IMG_2120

Zeit ist Moment leider ein Faktor von dem ich viel zu viel habe. An Zeit mangelt also nicht, sondern eher daran diese unendlich erscheinende Zeit sinnvoll zu nutzen. Ob die Lehrer sich derzeit noch im Winterschlaf befinden oder sich aufgrund der eisigen Temperaturen in die Winterstarre begeben haben ist nicht die Frage. Es liegt wohl einfach wie immer daran, dass man nichts für mich zu tun hat. Die Schüler sind einfach zu gut. Jeder Lehrer spricht Deutsch (Ja, ich weiß es könnte deutlich schlimmer sein, aber eben diese Tatsache raubt mir tatsächlich die Möglichkeit an Arbeit zu kommen). So versuche ich also auf allen Wegen Arbeit an Land zu ziehen aber statt Arbeit ernte ich dann wohl eher die Genervtheit (gibt’s das Wort überhaupt? Wenn nicht, dann sollte es tatsächlich in den Duden aufgenommen werden) der Lehrer. Fragen wie „Warum bist du nicht länger zu Hause geblieben oder wie lange bleibst du eigentlich noch hier?“ lassen mich nicht gerade gelassener werden. Aber die Wirkung des tiefen Ein-und Ausatmens sollte tatsächlich nicht unterschätzt werden und so sitze ich meine Zeit in der Schule einfach ab und fühle mich dabei wie auf der Auswechselbank. (Ja, immer hin bin ich noch Teil des Teams aber ich hoffe diese unfreiwillige, schon viel zu lang anhaltende arbeitsfreie Phase, dauert nicht allzu lange an).

Um noch einmal auf den Zeit Faktor einzugehen und die viele Freizeit dann doch irgendwie sinnvoll zu nutzen (sinnvoll sei dabei reine Interpretationssache) haben Jule und ich gleich am Montag das schon lange anvisierte, nun schon nicht mehr so neue, Palatschinken-Restaurant ausprobiert. Limonade und Palatschinken waren durchaus lecker nur das mit dem Ambiente klappt dort noch nicht so ganz. Das Wochenziel war also schon am Montag erreicht und um auch während dem Rest der Woche wenigstens teilweise der langen Weile zu umgehen, wurde prompt ein Erwachsenen-Malbuch und viele bunte Stifte gekauft.

Nach der „harten, „anstrengenden“ Schulwoche ging’s gestern dann ab ins ca. 2,5h entfernte Siófok. Der ein oder andere hat den Namen vielleicht schon einmal gehört oder ist selbst schon einmal da gewesen, denn Siófok liegt am Balaton. Um noch etwas präziser zu werden ist Siófok die „Hauptstadt“ des Balaton. So heißt es zu mindestens hier und mit 25.000 Einwohner auch die größte Stadt des Balatons. Den Balaton einmal im zugefrorenen Zustand zu sehen konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Nun gut, ich glaube ich war dann doch dezent mehr begeistert als Jule aber sie musste eben mit. Doch bevor es zum „Strand“ und „Hafen“ ging sind wir erst einmal auf den Wasserturm, welcher als historisches Wahrzeichen gilt und auf dem Freiheitsplatz im Zentrum der Stadt steht. Mit einer Höhe von 45 m ist er das höchste Bauwerk der Stadt. Ab mit dem Fahrstuhl ging es nach oben und dort erwartete uns eine Überraschung. Im obersten Stockwerk gab es eine Art Café, das sich drehte. Man suchte sich also einen Platz auf der Drehplattform aus und schon ging es eine (oder beliebig viele) Runden im Kreis. So konnte man die gesamte 360° Aussicht des Turmes bei einer Tasse heißer Schokolade genießen. Zusätzlich konnte man im ganzen Turm Städtenamen (vorrangig Hauptstädte) finden, die nach ihrer Himmelsrichtung und Entfernung nach Luftlinie von Siófok aus geordnet waren. Normalerweise kann man von diesem Turm aus ebenfalls den nur wenige hundert Meter entfernten Balaton sehen. Da die Sicht jedoch wetterbedingt sehr eingeschränkt war konnten wir „nur“ die nähere Umgebung von Oben betrachten.

IMG_2123 IMG_2127 IMG_2136 IMG_2134

12548860_811888885586338_5882911329313874091_n  12400819_811888902253003_3780711662748645615_n 12494680_811888968919663_8160791681481481810_n IMG_2176

Der Wasserturm war also super aber eigentlich ging es ja um den Balaton und so ging’s also ab zum Wasser. Dort war es kalt, eiskalt, die Sicht war getrübt und ein laues Lüftchen wehte ABER da war er der Balaton und meine Begeisterung war kaum zu bändigen. Jule dachte, dass ich nun endgültig den Verstand verloren habe dabei war ich einfach nur begeistert das Wasser zu sehen. So viel gibt’s davon hier nämlich nicht, da Ungarn mitten im Land liegt und somit kein Meerzugang besteht. Der Balaton ist also der heilige Gral und meine Begeisterung war für Jule kaum nachzuvollziehen. Schau mal da, Wasser! Die Enten sitzen auf dem Eis! Es ist gefroren! Wie schön das aussieht! Ja, wer hätte gedacht, dass der Balaton mir eine solche Freude nach dieser öden Schulwoche bereiten könnte. Natürlich konnte man auch hier aufgrund des Nebels nicht gerade weit sehen, aber die Tatsache, dass der See auf Sichtweite hin gefroren war hat sichtlich beeindruckt (mit 594 km² ist dieser nun wirklich nicht klein). Natürlich haben wir es uns auch nicht entgehen lassen den Steg/ Brücke entlang zu laufen um die Szenerie noch ein wenig länger zu genießen.

IMG_2187IMG_2194IMG_2196IMG_2211IMG_2233IMG_2235IMG_2243IMG_2248IMG_2264IMG_2262

Auch in den Schwänen habe ich scheinbar neue Freunde gewonnen. Ein Schwan schien mich tatsächlich zu „verfolgen“. Kurz nachdem ich ein Foto eines seiner Artgenossen gemacht habe und weiter den Steg hinunter bin kam er mir doch tatsächlich „hinterhergelaufen“ und platzierte sich dann tatsächlich wie mit Absicht vor mir. Nach dem Motto „Los, mach schon das Foto“.

IMG_2228 IMG_2229IMG_2230

Kurz danach versuchte er eben genannte Methode noch einmal, nur das er diesmal ein wenig zu weit und somit an mir vorbeiflog. Letztendlich gab es dann aber doch noch ein paar mehr Schwanenfotos von denen ich nun reichlich besitze. Hier bin ich also die neue Schwanenflüsterin 2016 (?!)

IMG_2276IMG_2278IMG_2288

Nur eine darauf folgende Begegnung konnte den Tag ein wenig trüben. Als wir ein paar Postkarten zur Erinnerung gekauft haben fragte uns ein Jugendlicher (ungefähr in unserem Alter) auf Deutsch, ob wir aus Deutschland seien. Als wir diese bejahten bat er uns zunächst freundlich darum zwei Fragen zu beantworten. Die erste Frage war, wie wir die Situation bei uns in Deutschland mit den Flüchtlingen einschätzen und zweitens, was wir über die ungarische Politik mit dem Umgang von Flüchtlingen denken und wie wohl die allgemeine deutsche Bevölkerung darüber denkt. Als ich ihm nun meine Meinung sachlich und objektiv dargelegt hatte fing er auf einmal an wirre Beispiele zu nennen und zu sagen, dass der Umgang der deutschen Politik mit den Flüchtlingen ja wohl auch nicht der beste, wenn nicht sogar schwachsinnig sein. Da er sowieso schon aufgebracht und scheinbar gerade dabei war sich in Rage zu reden habe ich nur gemeint, dass sicherlich auch in Deutschland in Bezug auf Flüchtlinge nicht alles „richtig“ laufe und mich nett von ihm verabschiedet. Dieses Beispiel zeigt wohl wieder einmal mehr, dass der Großteil der Ungarn vollkommen von der landeseigenen Flüchtlingspolitik überzeugt ist und wie abwertend sie doch über Länder denken, die Flüchtlinge aufnehmen. Nach dem Motto: das habt ihr nun davon, versuchte auch der junge Mann mit seinen Beispielen uns (als Deutsche) anzugreifen. Wenn dies von vorherein absehbar gewesen wäre hätte ich seine Fragen natürlich nicht beantwortet, sondern ihn höflich darauf hingewiesen, dass ich zu wenig weiß, um die Situation hier und in Deutschland einzuschätzen. Doch er wirkte auf uns zunächst wie Jemand, der selbst nicht mit der ungarischen Flüchtlingspolitik einverstanden ist. So kann man sich in Menschen täuschen. Nach kurzer Überraschung haben wir uns schnell wieder gefangen und den Tag in Siófok bei Nudeln und Pizza ausklingen lassen.

Was übrigens wirklich schade ist, ist dass wir hier keine Ferien haben und ja ich beneide tatsächlich die anderen Kulturweit-Freiwilligen, die immer noch Ferien haben oder spätestens im Februar Ferien genießen dürfen. Die nächsten „Ferien“ hier sind tatsächlich nur ein paar freie Tage über Ostern. Also genießt eure Zeit und reist ein wenig für uns mit.

Genießt den Schnee zu Hause, rutscht nicht aus, fallt nicht hin und wir hören wieder voneinander!

Eure „Schwanenkönigin“