Endlich fand das langersehnte Zwischenseminar statt, das so schön war, dass es danach erst mal einen kleinen Tiefpunkt bei mir auslöste.
Wir haben erst in Lviv, wo ich die anderen Freiwilligen schon am Sonntag getroffen habe, einen schönen Tag verbracht. Ich war schon einige Male dort, aber die anderen waren so begeistert von der Stadt, dass ich nun nochmal ein anderes Bild auf Lviv bekommen habe und in Zukunft öfters dorthin fahren möchte.
Nach einigen Problemen am Bahnhof beim ersten richtigen Schnellfall und Minustemperaturen ging es für uns dann mit dem Bus nach Iwano- Frankiwsk. Dort fanden dann knapp fünf Tage Seminar statt, in denen wir viele neue Unterrichts- und Spielideen erarbeitet haben, uns ausgiebig über unsere Einsatzstelle und unser Leben austauschen konnten, uns die Stadt bei einer Führung anschauten und einen sehr interessanten und bewegenden Vortrag über die Ukraine zu hören bekamen. Ziemlich kaputt, mindestens genauso glücklich und auch etwas traurig, dass die Woche schon vorbei ist, ging es dann Freitagmittag zurück nach Drohobytsch.
Eine Woche voller Menschen, die einem immer mehr ans Herz wachsen und spätestens nach dem Zwischenseminar zu echten Freunden geworden sind. Eine schöne Abwechslung zu dem Schulalttag und viel neue Motivation, Inspiration und Ideen sowohl für den Unterricht, als auch für meinen Alltag an der Einsatzstelle. Zurück Zuhause war ich erst mal voller Tatendrang noch die letzten Sachen anzupacken, die vielleicht noch nicht so gut laufen auf der Arbeit oder wo ich mich noch mehr einbringen könnte. Die Ruhe tut nach der Woche dann auch mal wieder gut, aber ziemlich schnell habe ich die ganzen „Homies“ ziemlich vermisst und habe ich einfach nur alleine gefühlt.
Der erste Tag in der Schule war für mich etwas ernüchternd. Mein anfänglicher Tatendrang ist dann doch wieder schnell verflogen, die Komfortzone ist dann doch zu gemütlich. Für das, was ich verändern möchte, muss ich da eben wieder raus und Sachen direkt ansprechen, anders machen und das, was mir besonders schwer fällt, mehr Geduld mitbringen. Montag saß ich die ganze Zeit nur herum, was ich mir nach dem Seminar und meiner neuen Motivation anders vorgestellt habe. Dann habe ich noch festgestellt, dass die Aufgaben für die DSD-Prüfung, die am Mittwoch statt finden sollte, noch nicht da waren. Nach einigen Schrecksekunden (eher Stunden) hatte ich dann die Aufgaben sicher in meinem Rucksack. Damit war zumindest eine Sache geklärt.
Dann ist auch in Drohobytsch der Winter endgültig angekommen. Seit einer Woche schneit es und im Unterschied zu Deutschland bleibt der auch länger als einen Tag liegen. Das hat meine Stimmung auch noch bedrückt. Etwas leichtsinnig bin ich am Montag noch mit Sneakers zur Schule gegangen, die habe ich nun endgültig weggepackt und meine Winterschuhe herausgeholt. Die Mischung zwischen Schnee, Matsch und Eis macht das Laufen auf den Bürgersteigen oder anderen Wegen noch schwieriger als sonst. Aus deutscher Sicht ist die Situation hier, glaube ich, unvorstellbar. Ich erinnere mich, dass bei uns, sobald der erste Schnee fällt, Schneeschübe und Salz herausgeholt werden, damit ja kein Glatteis entsteht. Davon kann ich hier nur träumen. Die Straßen und Bürgersteige sind alle, ganz egal ob im Zentrum oder außerhalb, fast vollständig vereist. In der letzten Woche bin ich schon dutzende Male ausgerutscht, aber bis jetzt zum Glück noch nicht hingefallen, mal sehen wie lang das noch dauert. Das alles hat mich die ersten Tage deprimiert, ich konnte weder draußen trainieren noch vernünftig in die Stadt gehen. Nach einigen Tagen habe ich mich aber ziemlich gut an diese Situation gewöhnt, kann immer besser auf Glatteis laufen und versuche mich einfach, so gut es geht, an dem Schnee zu erfreuen. Trainieren kann ich natürlich immer noch nicht draußen, aber ins Zentrum gehe ich trotzdem, eben nur etwas langsamer und vorsichtiger.
In der Schule habe ich meinen inneren Schweinehund auch überwunden, habe wie vorgenommen einige Sachen umgesetzt und fühle mich jetzt auch wieder fast so wohl an meiner Einsatzstelle wie vor dem Seminar. Die ersten im Seminar neu erlernten Spiele habe ich auch schon ausprobiert, die aber sehr viel Geduld erfordern und bei weitem nicht so gut funktionieren wie mit der Homezone. Aber das wird sich bestimmt mit der Zeit noch ändern.
Heute hat mich meine Schulleiterin mit den Worten begrüßt: „Im Lehrerzimmer liegt ein neuer Stundenplan für dich, andere Schüler wollen dich jetzt auch mal im Unterricht haben.“ Auch wenn es an sich ziemlich belanglos ist, habe ich mich darüber irgendwie sehr gefreut.
Am Mittwoch fand, wie gesagt, die DSD-Prüfung statt, bei der ich, wie die anderen Freiwilligen in der Ukraine, Prüfungsvorsitzende war. Die letzten Jahre kam dafür immer ein Externer, dieses Jahr wurde wohl Geld gespart, sodass wir es übernehmen mussten. Es lief ähnlich ab wie das Abitur, nur dass ich diesmal eben auf der anderen Seite stand. Etwas aufgeregt war ich am Morgen trotzdem, schließlich war ich dafür verantwortlich, dass alles reibungslos abläuft. Und das tat es dann auch zum Glück. Ich konnte mich ziemlich gut in die Rolle der Schüler hineinversetzten, vor etwas mehr als einem Jahr saß ich auch dort. Wie schnell sich das ändern kann:) Deswegen war es für mich auch ganz interessant, das alles von der anderen Seite zu sehen. Für die SchülerInnen und Lehrerinnen lief es leider nicht ganz so reibungslos ab. Sie gingen mit großer Sicherheit davon aus, dass das Thema Migration abgefragt werden würde. Ein halbes Jahr Vorbereitung auf dieses Thema, ich habe in den letzten Wochen auch einige Präsentationen und Arbeitsblätter dazu erstellt, war alles umsonst. Ein anderes Thema kam wider Erwarten dran, auf das sich keiner nur ansatzweise vorbereitet hat. Dementsprechend sank die Stimmung ziemlich schnell und ich konnte nur noch schockierte, frustrierte und verzweifelte Gesichter erkennen. Auch das hat mich etwas an mein Abitur erinnert.. In wenigen Wochen findet die Mündliche Prüfung statt, ich hoffe sehr, dass es da für die SchülerInnen besser laufen wird.
Für mich bedeutet das Zwischenseminar auch gleichzeitig, dass die Hälfte meines Freiwilligendienstes vorbei ist. So wirklich darüber nachdenken, was das bedeutet, will ich noch gar nicht. Schon in drei Wochen geht mein Flieger nach Hause. Auch wenn ich Anfang der Woche am liebsten sofort abgereist wäre, versuche ich jetzt wieder die verbleibenden Wochen bis Weihnachten nochmal voll zu genießen.