Eine Sache, die mir besonders in dieser Woche nochmal aufgefallen ist und mich beschäftigt hat, ist der Blick von außen auf Deutschland und seine Flüchtlinge.
In den letzten Wochen habe ich in der zehnten und elften Klasse einige Präsentationen über Flüchtlingspolitik und Integration in Deutschland gehalten. Ich habe auch schon vorher mitbekommen, dass die Leute hier ein eher negatives Bild auf das Flüchtlingsthema in Deutschland haben, aber die Antworten und Fragen von den SchülerInnen und Lehrerinnen haben mich dann nochmal zum Nachdenken gebracht.
Schon vor ein paar Wochen hat mir eine Deutschstudentin erzählt, dass sie im Sommer in Berlin gewesen ist, und auf meine Frage, wie es ihr gefallen hat, meinte sie, dass die Stadt ja ganz schön sei, aber überall nur Ausländer wären und das ganz schön schlimm sei. Traurig irgendwie, dass sie anscheinend das von ihrer Berlinreise (und am Ende von Deutschland insgesamt) mitgenommen hat. Ich war im Sommer selbst zweimal in Berlin und die vermeintlich große Zahl an Ausländern ist mir kein Mal aufgefallen. Damit möchte ich überhaupt nicht sagen, dass die Studentin nicht Recht hat, es kommt wahrscheinlich auf die Sichtweise an, wie man eine Stadt sieht, auf was man achtet und was man gewöhnt ist zu sehen.
So ähnliche Reaktionen habe ich auch nach den Präsentationen bekommen. Wenn ich, nachdem ich ausführlich Themen wie Fluchtrouten oder Fluchtursachen behandelt habe, die Folie „Ängste der deutschen Bevölkerung“ geöffnet habe, haben die Lehrer jedes Mal ganz mitfühlend genickt, zustimmende Kommentare abgegeben und die Schüler darauf aufmerksam gemacht, dass jetzt etwas sehr wichtiges kommt. Sie haben eigentlich nur auf diese Folie gewartet, so ist es mir vorgekommen.
Genau die gleiche Reaktion gab es bei der Folie „Willkommenskultur“. Fast alle verbinden Deutschland im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik mit dieser Willkommenskultur, das haben sie mir nach der Präsentation gesagt. Das ist ja an sich etwas positives, aber ich habe das Gefühl, dass Deutschland auch ansonsten bei ihnen immer mehr nur mit dem Flüchtlingsthema verbunden wird. Und dabei haben zumindest diese SchülerInnen die Vorstellung gehabt, dass das Leben in Deutschland nach der Flüchtlingskrise sich verändert hat und für uns nicht mehr „angenehm“ oder ähnliches sei.
Ich habe natürlich versucht so gut es geht, die Realität darzustellen und zumindest, als sie nach meiner eigenen Meinung gefragt haben, erzählt, dass die Flüchtlinge keinerlei negativen Einfluss auf mein eigenes Leben haben. Ich habe so auch die Präsentation genutzt, die echte Situation, aus der Sicht eines Bürgers, nicht aus Sicht der Regierung, darzustellen und aufzuklären.
Am Ende der Präsentationen habe ich nach ihren Meinungen gefragt. Die Schüler im Moment zum Sprechen zu bekommen, ist ziemlich schwer, sie haben so kurz vor der DSD-Prüfung anscheinend ganz verlernt Deutsch zu reden. Ich habe natürlich keine differenzierten Antworten erwartet, schließlich ist Deutsch immer noch eine Fremdsprache für sie und sie haben hauptsächlich das wiedergegeben, was sie für die Prüfung schon gelernt haben. Trotzdem haben ihre Antworten meinen Eindruck verstärkt, dass es ein sehr einseitiges, eben vor allem negatives Bild von Deutschland und der Flüchtlingssituation gibt.
Eine Aussage, dass eine Schülerin sich nicht vorstellen könnte mit so vielen Ausländern (dabei hat sie sich auf Syrier bezogen) nicht zusammen leben würde und könnte, hat ich dann aber schon etwas geschockt. Woher dieses negative Einstellung speziell bei den noch jungen Leuten kommt, kann ich gar nicht wirklich sagen. Persönliche Erfahrungen in Deutschland haben sie mit Flüchtlingen noch nicht gemacht und die Medien haben über das Thema laut den SchülerInnen immer ganz neutral berichtet.
Etwas absurd ist nur, dass es in der Westukraine auch Flüchtlinge gibt, auch wenn sie aus dem eigenen Land sind. Und eigentlich dachte ich deswegen, dass sie die Situation dadurch besser verstehen würden, weil es in ihrem eigenen Land Menschen gibt, die flüchten müssen und dementsprechend dieses Thema gar nicht so weit weg für die SchülerInnen ist.
Und schließlich soll/muss die Ukraine auch Flüchtlinge aufnehmen, um in die EU aufgenommen zu werden. Was dieses Thema angeht, bin ich sehr gespannt, wie die Einheimischen darauf reagieren werden und ob sich dann das Bild auf die Situation in Deutschland etwas verändern wird.
Mich hat es irgendwie traurig gemacht, zu sehen wie sehr dieses Flüchtlingsthema das Bild von Deutschland negativ beeinflusst und Deutschland in bestimmter Hinsicht auch auf dieses Thema reduziert wird. Trotzdem ist mir wichtig klar zu stellen, dass das alles lediglich meine Beobachtungen sind und nicht auf die Gesellschaft oder das Land zu übertragen oder verallgemeinern sind. Die SchülerInnen sind 15 oder 16 Jahre alt und haben nur ihre Meinung zum Thema gesagt.
Liebe Hannah,
ich schreibe Dir, weil Dein Vater mich auf Deinen Blog aufmerksam machte, als ich ihn Mitte Dezember besuchte. Ich war sein Kollege am Erftgymnasium (M, Mu) und wir haben viele Jahre nebeneinander im Lehrerzimmer gesessen.
Mir gefallen Deine Berichte sehr gut. Der Leser kann sich so ein Bild vom Land und von den Menschen dort machen. Meine Frau und ich lesen jetzt viel über Georgien und Armenien. Jedes für uns noch unbekannte Land hat sein ganz eigenen Reiz. Ich wünsche Dir noch viele gute Wochen in der Ukraine – und alles Gute! Helmut Jäger