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Der Countdown läuft

So brach das unerwartete Ende meines Abenteuers an, welches auch der Grund war, wieso ich im Januar und Februar gar nichts mehr auf diesem Blog geschrieben habe.

Jede Sekunde versuchte ich so gut wie möglich auszunutzen um noch so viel zu erleben wie es irgendwie ging.

Die letzten Wochen waren definitiv die besten und schönsten von meinem ganzen Mexikoaufenthalt, aber vermutlich auch – Achtung kitschig – meines Lebens.

Ich glaube noch nie habe ich so viel erlebt und gesehen wie in dieser Zeit.

Jedes Wochenende verbrachte ich an einem anderen Ort und ein Ereignis folgte dem nächsten. Sobald es nur auf das Wochenende zu ging, sprang ich förmlich aus dem Schulbus und direkt in das nächste Taxi, dass mich in einen Park, ein Café oder Museum fuhr, was ich noch nicht kannte.

So verbrachte ich einen herrlichen Tag im Park „Bosque Colomos“. Er ähnelt ein bisschen einem Wald, wo ab und zu eine Statue den Weg säumt, ein burgartiges Gebäude oder plötzlich auch ein chinesischer Garten auftaucht. Wer möchte, kann den Park aber auch auf dem Pferd erkunden, welche man am Haupteingang bei einer Art „Mini-Range“ leihen kann.

Den Tag darauf waren wir in dem Restaurant „Santo Coyote“. Bei meiner Suche nach dem Namen den ich für einen Moment vergessen hatte, wurden mir aber wieder köstliche Gerichte, der vermutlich hunderttausenden Restaurants, Bars und Cafés, die es in Guadalajara gibt, gezeigt. Obwohl ich mich fast nur in Bars, Museen, Cafés oder Restaurants aufgehalten habe, ist es glaube ich unmöglich jemals alle in (der Metropolregion) Guadalajara zu besuchen.

Bei der Konkurrenz muss man also herausstechen! Das tut dieses Restaurant in jedem Fall. Bunt verziert, mit vielen Schnitzereien, Skulpturen, kleinere Bühnen auf denen abends Musik gemacht wird und einer Fläche, die vermutlich Platz für sämtliche Großfamilien Mexikos bietet, erscheint das Essen fast nebensächlich.

An meterlangen Tischen befindet sich alles, was (m)ein Herz begehrt. Mehrere Variationen von scharfen gulaschähnlichen Gerichten, Tacos, Pfannkuchen, Obst in allen Farben und das beste: Alles wird direkt vor deinen Augen frisch zubereitet.

Man hört und liest viel über die mexikanische Küche, aber nichts beschreibt das herrliche Gefühl in eine warme Quesadilla (Maisfladen mit Käse gefüllt) zu beißen.

Steinerne Gefäße in denen das Essen zubereitet und warmgehalten wird.

 

Ich stelle einfach kurz meine Lieblingsgerichte, neben einer simplen Quesadilla vor:

Mole

Bezeichnet eigentlich verschiedene Saucen und die darauf basierende Gerichte und Eintöpfe. Das besondere an Mole sind die verschiedenen Chilisorten kombiniert mit diversen Gewürzen. Deshalb ist es oft recht scharf und intensiv im Geschmack.

Das berühmteste Mole ist vermutlich „Mole Poblano“ aus dem mexikanischen Bundesstaat Puebla. Ich glaube, das ist auch das einzige das ich gegessen habe, welches meiner Meinung auch das gängigste in Guadalajara ist.

Es ragen sich viele Legenden darum, wie das Gericht entstanden ist. Ich habe gehört, dass im 16. Jahrhundert ein Kloster in Puebla, besuch von einem Erzbischof bekommen sollte. Während sie einen Truthahn oder Hähnchen kochten flog einem Mönch/Nonne/Koch/Köchin ausversehen Schokolade in den Kochtopf. Sie hatten aber nicht genug Zeit das Essen erneut zu kochen und servierten es dem Bischof. Der fand`s super und schon war das Mole Poblano geboren.

Ich. Liebe. Mole. So unfassbar sehr, ich kann nicht mal ansatzweise beschreiben, wie toll es ist und vor allem schmeckt.

Durch die Schokolade ist es vermutlich nicht jedermanns Sache, aber diese Note sollte in dem Gericht auch eigentlich nicht dominant sein. Ich persönlich schmecke die farbgebende Bitterschokolade auch gar nicht.

Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder einmal die Köstlichkeit von Mole in seinem Leben auf der Zunge spüren sollte und wenn ihr jetzt Interesse bekommen hat, ermutige ich euch eines der vielen Rezepte, die es im Internet zu finden gibt auszuprobieren.

Nun aber Schluss mit meiner Liebesbekundung und weiter mit dem nächsten Gericht.

 

Tamales

Wenn mich jemand fragt, was ein „Tamales“ ist, sage ich meistens eine gefüllte Riesennudel. Korrekter ist aber Maismehlbrei mit Fleisch-, Käse- oder Gemüsefüllung, zu einem Päckchen eingewickelt in einem (Bananenpalm-) Blatt. Ich habe festgestellt, dass die Konsistenz und der Geschmack wirklich stark variieren und die meisten einfach zum Tamales-Meister ihres Vertrauens gehen, die sich an jeder Straßenecke Guadalajaras aufhalten. Tamales werden im Dampf gegart bis sie eigentlich eine kuchenähnliche Konsistenz haben. Die, die ich aber meistens gegessen habe, waren eher wie eine Nudel. Je nach Koch/Köchin können Tamales auch scharf sein und werden oft mit einer grünen oder roten Salsa (Soße) serviert.

 

Enchiladas

Ein weiteres, tolles Gericht, wofür Mexiko international auch sehr bekannt ist.  In den meisten Fällen kann man zwischen „Enchiladas rojas“ (roter Sauße) oder „Enchiladas verdes“ (grüner Soße) wählen und das Beste… oftmals werden Enchiladas auch mit Mole serviert! Eine typische Beilage ist auch ein Bohnenmus, welches schwer zu beschreiben ist und ehrlich gesagt auch schwer herauszufinden, was drin ist. Auf jeden Fall ist es auch köööstlich.

 

Ach, wenn ich jetzt so darüberschreibe, vermisse ich das mexikanische Essen sehr und werde in nächster Zeit mal meine Familie bekochen.

Eigentlich sollte das auch mein letzter Eintrag werden zum Januar/Februar aber dann werde ich wohl noch einen zu den Ereignissen des Februars machen… oder auch zwei!

Seit gespannt… Es gibt mal wieder eine aufwühlende Flughafen-Story 😀

Neubeginn

Wie in meinem letzten Post angekündigt bin ich nach meiner Rückkehr aus Deutschland bei einer mexikanischen Freundin eingezogen, die ich zufälligerweise kurz vor meiner „Mexiko Pause“ kennengelernt habe.

Was für manch eine/n vermutlich etwas beängstigend klingt, schließlich ist Mexiko wie viele andere lateinamerikanische Länder mit dem Vorurteil „niemandem trauen zu können“ behaftet.

Ich stimme dem teilweise zu. Ich habe mich oft bei einer gewissen Misstrauenshaltung ertappt und auch viele Mexikaner/innen haben mir empfohlen, zunächst nicht allem Glauben zu schenken.

Aber wie bei so vielem, bin ich der Meinung immer eine gewisse Balance zu haben. Ja, Mexiko befindet sich auf der Liste der Länder mit hohem Sicherheitsrisiko. Trotzdem ist es nicht wie in der Netflix-Serie „Narcos“, wo an jeder Ecke wilde Schießereien stattfinden und du im Minuten Takt Drogen angeboten bekommst.

Ich möchte immer so offen wie möglich sein und Gegenden, Menschen, Essen, Tieren und vielem mehr eine Chance geben.

Um die Sorge allerdings aus dem Weg zu räumen: Die Familie zu der ich zog, waren Bekannte meiner (ehemaligen) Gastfamilie.

Auf den ersten Blick schien diese neue Situation nicht ganz so toll. Mein Zimmer war deutlich kleiner, ich teilte mir Bad und Kleiderschrank mit meiner Freundin, von der Wand bröckelte Farbe und Tapete ab und das Zusammenleben mit Ana (meiner Freundin) und ihrem Vater glich eher einer WG als einem klassischen Familienleben.

Es entpuppte sich aber als das Beste, was ich mir hätte wünschen können.

Hatte mich meine ehemalige Gastfamilie bei allem unterstützt, musste ich nun durch häufiges Erfragen selber die neue Bus Route zur Schule herausfinden. Dadurch bemerkte ich auch, was für Fortschritte ich beim Spanischsprechen gemacht hatte!

Nachdem ich also die ersten male noch mit dem Uber (einer Art Taxi) zur Arbeit fuhr, nahm ich bald jeden Morgen und Nachmittag den Schulbus. Danach kam ich nach Hause, aß etwas, schaute mit meiner Freundin etwas fern und hatte sogar Zeit nochmal ins Fitnessstudio zugehen, bevor ich 22 Uhr ins Bett ging und tatsächlich angenehme acht Stunden Schlaf bekam bevor ich um 6 Uhr aufstehen musste.

Es war also Schluss mit ewigen Familientreffen und Vorwürfen, nicht genug zu sein und ich konnte endlich wieder aufatmen.

Wer sich fragt, ob es nicht komisch war zu Bekannten der Familie zu ziehen. Ja, war es. Und auch meine heimliche Angst, mein ehemaliger Gastvater könnte Rufmord betreiben, erfüllte sich.

Schneller als ich gucken konnte, erzählte er dem Vater meiner Freundin beim Schwimmen, über ihre Erfahrungen mit mir und ich bekam einige Regeln aufgesetzt.

  1. Keine Jungs im Haus. Niemals.
  2. Unter der Woche musste ich spätestens um 23 Uhr zu Hause sein, am Wochenende um 0 Uhr (nach verhandeln aber um 1 Uhr)
  3. Ich musste mein Geschirr immer abwaschen und wegräumen.
  4. Mein Zimmer aufgeräumt halten.
  5. Falls ich gegen eine dieser Regeln auch nur einmal verstoßen würde, müsste ich meine Koffer packen.

Was für die meisten erstmal nicht so schlimm klingt, schließlich wusste ich, wo ich bei ihm stand, störte mich zu Beginn sehr.

Ich fühlte mich in meiner Freiheit eingeschränkt. Denn ich wollte das Land kennenlernen. Ich war jung. Ich wollte auch mal eine Nacht feiern gehen. Und was sollte die Regel, wenn ich dagegen verstoßen sollte!? Ich hatte das Gefühl in ein Gefängnis zu ziehen.

Ich war sauer, dass mein ehemaliger Gastvater irgendetwas über mich erzählt hatte, bevor sich die Familie ein eigenes Bild von mir machen konnte und das, sobald ich irgendwelche Erwartungen nicht erfüllte auf die Straße gesetzt wurde.

Auch Anas Worte, dass ihr Vater militärische Züge habe und ich mir deshalb keine Sorgen machen solle, heiterten mich anfangs nicht auf.

Zu meinem Glück war es dann aber doch weniger dramatisch und schlimm als ich es mir zuvor ausgemalt hatte.

Wie auch bei meiner Gastfamilie davor, wurde ich in erster Linie nur aufgenommen um Ana (die übrigens im selben Alter war wie ich) Deutsch beizubringen. Das machte mein neuer Gastvater deutlich. Sie wollte nämlich im August in Deutschland ein Studium anfangen.

Während meiner Zeit in Mexiko hatte ich oft mit dem Gefühl zu kämpfen einfach nur ein Objekt und/oder als das Mittel zum Zweck gesehen zu werden. Es fühlte sich an, als wenn sich keiner für mich als Person interessierte und ich bis dahin von allen Seiten eher einen auf den Deckel bekam als mal ein „Danke“ zu hören.

Auch wenn sich meine Situation und Stimmung nach meinem Umzug deutlich verbesserte, beschloss ich relativ schnell, dass ich auf sechs Monate verkürzen wollte und nun also Ende Februar wieder nach Deutschland zurückkehren würde.

Die Entscheidung viel mir nicht leicht, schließlich war ich selbst während der Weihnachtszeit in Deutschland noch felsenfest davon entschlossen für ein Jahr in Mexiko zu leben.

Was also hatte zu meinem Beschluss geführt? Ich wägte ab. Ich dachte darüber nach, was ich alles erlebt hatte, was ich noch erleben und lernen könnte zum einen, wenn ich in Mexiko bleiben würde aber auch, wenn ich zurückfliegen würde.

Natürlich beruhte meine Entscheidung eher auf Spekulationen, Gefühlen und meiner Intention, aber sie schien mir richtig.

Ana war davon sehr enttäuscht und traurig. Sie hatte gehofft, bis August eine Freundin zu haben, die wie eine Schwester alles mit ihr macht. Ihre Prophezeiung, dass ich es bereuen und dem ganzen gar keine Chance geben würde, konnte ich nicht zustimmen.

Ich war noch nie ein Mensch gewesen, der etwas bereut, denn ich weiß immer, dass ich in diesem Moment meine Gründe hatte, so zu entscheiden und zu handeln.

Ja, vielleicht hatte sie recht und ich gab dem ganzen keine Chance, aber dafür war für mich einfach schon zu viel passiert. Meine Umstände auf der Arbeit waren zerrüttet und ich sah nicht, dass sich dies in den nächsten sechs Monaten ändern und ich von allen Ängsten befreit zur Arbeit stolzieren würde.

Als ich meinem Chef meine Entscheidung mitteilte, hörte ich nur, dass es ihm egal sei, ob ich ginge oder nicht, von ihm aus könne ich auch sofort gehen.

Das war die letzte Woge aus Wut und Frustration darüber, dass meine Arbeit und ich nicht wertgeschätzt wurden und von da an hatte ich endlich das Gefühl die verbleibenden sechs Wochen in Mexiko genießen zu können.