„Oh, da ist Markt!“ – Allerheiligen in Polen

Allerheiligen ist am 1. November und in Polen ein Feiertag. An diesem Tag ist in den öffentlichen Verkehrsmitteln Gruppenkuscheln angesagt und ALLE Polen besuchen die Friedhöfe, auf denen ihre Vorfahren begraben liegen. Soweit war mein Kenntnisstand vor diesem langen Wochenende.

Am Sonntag ging ich mit einem anderen Freiwilligen, Ludger aus Thorn, zur Bushaltestelle und sah in einer Nebenstraße viele Blumen und Menschen auf dem Bürgersteig stehen.“Oh, das ist Markt!“ war meine Reaktion und wir sahen uns die Sache etwas genauer an. Nach ein paar Schritten merkten wir, dass dort nur Blumen und Grablichter verkauft wurden, nach ein paar weiteren haben wir uns gedacht, dass sich die Aktivitäten um Allerheiligen nicht nur auf Dienstag beschränken.

Schon mindestens seit Sonntag fuhren spezielle Buslinien zu den Friedhöfen Warschaus. Man erkennt sie am „C“ für Cmentarz (=Friedhof) vor dem Namen der Linie. Die Polizei regelt den Verkehr, damit diese Busse möglichst direkt zum Friedhof fahren können, Straßen werden gesperrt, um Platz zu schaffen für die Stände mit Grablichtern, Blumen, Süßigkeiten, Kleidung und allerlei eher unnützem Kleinkram, den man wohl besser in einem Kinderzimmer als auf einem Friedhof gebrauchen könnte.

Heute, am richtigen Allerheiligen, konnten Ludger und ich am Kulturpalast in Ruhe ein Brötchen essen, während sich der ganze Rest der Stadt auf den Friedhöfen und in den C-Bussen befand. Was für ein ungewohntes Gefühl! Auch die Metro kam mir deutlich leerer vor.

In der Abenddämmerung bin ich dann auf dem Powązki-Friedhof gewesen. Dort liegen viele berühmte polnische Persönlichkeiten und es lassen sich auch mehrere Gräber vom Aufstand 1944 finden. Sie wurden heute mit besonders vielen Lichtern bestückt. Obwohl auf dem Friedhof dichtes Gedränge herrschte, überkam einen ein besonderes Gefühl, das gar nicht mal so traurig sondern einfach nur schön war. Die vielen kleinen Kerzen erleuchteten die Bäume, über denen sich der dunkle Himmel absetzte, und bald untermalten Geigenklänge diesen Feiertag. In der Nähe des Ausgnags hörte man wieder den Verkehrslärm und man erinnerte sich, dass man in einer großen Stadt war, die man vorher zwischen den endlosen erleuchteten Reihen von Gräbern fast vergessen hatte.

Ich würde hier gerne ein Foto vom Friedhof zeigen, doch leider kann man auf dem einzigen brauchbaren Bild von meinem Spaziergang den Namen einer Verstorbenen erkennen. Daher möchte ich es nicht veröffentlichen.

 

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Eine Antwort zu „Oh, da ist Markt!“ – Allerheiligen in Polen

  1. Ruben sagt:

    Die haben aber zu dieser Zeit im Jahr einen sehr fröhlichen Umgang mit den Verstorbenen. Naja, macht ja keinen Unterschied, ob die sich in ihren Gräbern umdrehen oder sich darüber freuen würden. Es scheint aber ein recht cooler Brauch zu sein. 🙂

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