27. August 2012
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von Nuri Hamdan

In ungefähr 12 Stunden bin ich wieder in Deutschland. Ich will meine Gefühlslage mal so beschreiben: Aaaaaaaaahhhhhhh!

Noch nie

26. August 2012
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von Nuri Hamdan

25 Grad Innentemperatur im Sommer waren noch nie so angenehm kühl 
10 Grad im Winter waren noch nie so kalt
Deo war noch nie so machtlos
Gutes Essen war nie so günstig, günstiges Essen war nie so gut
Lange Gespräche in der Muttersprache waren nie so wertvoll
Klaustrophobie war nie so unpraktisch
Röcke und Shorts waren nie so kurz
Facebook war nie so uninteressant
Tage, Wochen, Monate waren nie so kurz
Buchhandlungen waren nie so deprimierend
Smalltalk in der Landessprache hat nie so glücklich und stolz gemacht
Bahntickets kaufen war nie so nervenaufreibend
Schlaf war nie so allgegenwärtig
Nie war dunkelhaarig sein so angenehm, nie war blond sein so auffällig 
Schokolade war nie so köstlich
Flexibilität war nie so praktisch
 

Meine letzte Langstreckenfahrt

25. August 2012
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von Nuri Hamdan

Die letzte Langstrecke, die ich in China mit dem Zug fahre, war auch meine erste: Guangzhou-Shanghai.

Nur diesmal hat der Zug erstmal 4 1/2 Stunden Verspätung. So bekomme ich am Ende doch noch mit, dass ein Zug nicht pünktlich kommt. Zum Glück bin ich nicht unter Zeitdruck und muss erst am 27. meinen Flug nach Deutschland kriegen. Bis dahin habe ich vor, nochmal Shanghai zu besichtigen und Abschied von China zu nehmen. Seltsame Aussichten.

Meine Instantnudeln und ein Tofusnack, den ich neu ausprobiert habe und der gar nicht schlecht schmeckt, habe ich schon verdrückt bevor es überhaupt losgeht.

Im Zug sitzen zwei Männer, die aus ihren auffüllbaren Plastikflaschen grünen Tee trinken, Sonnenblumenkerne knabbern und sich darum streiten, wer die Pflaumen bezahlen darf, die sie sich am vorbeikommenden Obstwagen ausgesucht haben.

Wieder bekannte Fragen: „Woher kommst du? Wie lange bist du schon hier? Was machst du hier?“

Und da liege ich zwischen dem Geschmatze und Nudelschlürfen, den schmutzigen Toiletten und den Bettlaken, die höchstwahrscheinlich nicht für jeden Passagier frisch gewechselt werden und merke, dass ich das alles, diesen ganz normalen Reisealltag wohl ganz lange nicht mehr erleben werde.

Wissen was Weite ist, oder: Sitzen auf einem ganz neuen Level

24. August 2012
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von Nuri Hamdan

Unsere spontane Entscheidung nach Gansu, in den Nordwesten Chinas zu fahren ließ uns keine andere Wahl, als die einzigen Tickets, die für den 37 Stundenzug ins über 2300 km entfernte Lanzhou noch zu haben waren, zu kaufen. Hardseater. Das bedeutet kerzengerade Sitze, drei Sitze nebeneinander und sechs Sitze einander gegenüber mit einem Tisch in der Mitte. Mit unseren Büchern, leckeren Jackfruitchips, viel Optimismus und einem Eis zur positiven Konditionierung machten wir uns auf den Weg. Die erste Nacht war lang. Sehr lang. Höchstens eine Stunde Schlaf am Stück. Mein Kopf auf Franzis Schulter, Franzis Kopf am Fenster. Franzis Kopf auf ihren Armen auf dem Tisch, mein Kopf auf Franzis Rücken und andersherum. Schockiert mussten wir feststellen, dass sogar einige Fahrgäste nicht einmal mehr Sitzplätze bekommen hatten und so weite Teile der Fahrt stehen mussten.
Den Tag bekamen wir erstaunlich gut rum. Lesen hilft und auch Essen und gelegentliches Einnicken.

In der zweiten Nacht waren viele schon ausgestiegen. Wir konnten zusammengerollt auf unserer Sitzbank liegen. Später wurde es sogar so leer, dass wir sogar jede eine eigene Bank hatten und uns fast schon ausstrecken konnten. In der Nacht sind die Stunden verschwommen. In einem Rausch aus lähmender Müdigkeit und verschlafener Benommenheit wachten wir ständig aus dem Halbschlaf auf, mussten uns anders positionieren und weiterschlafen. Manchmal wusste ich beim Aufwachen nicht wie ich in die Position gekommen war, in der ich geschlafen hatte.

Weil wir bei der Ankunft in Lanzhou das Gefühl hatten noch nicht genug gefahren zu sein, gönnten wir uns lediglich eine Portion Lanzhou lamian, sehr leckere Nudeln, die auf eine bestimmte Art mit der Hand gezogen werden, sodass sie wie dicke Spaghetti aussehen und überall in China zu bekommen sind. Anschließend fuhren wir etwa drei Stunden mit dem Bus in einen kleinen Ort mit dem Namen Xiahe.

Als wir abends einen kleinen Spaziergang am Kloster entlang machten hatten wir eine sehr interessante Unterhaltung mit einem Mönch, der sehr gut englisch sprechen konnte. Er erzählte uns, dass er sowohl an der Beida, als auch an der Qinghua, zwei der renommiertesten Universitäten Chinas, studiert hatte und sich dann entschloss sein Leben dem Buddhismus zu widmen. Auf knapp 3000 m überm Meeresspiegel und unter einem klaren Sternenhimmel gehört dies wohl mit zu einem meiner schönsten Chinaerlebnissen.

Davon sollten in den nächsten Tagen auch noch einige folgen. Zum Beispiel der Anblick der unbeschreiblichen Weite in der Steppe Ganjia mit unseren Zimmernachbarn aus dem Hostel mit denen wir uns auf Chinesisch unterhielten oder das Klettern in einer stockfinsteren Höhle, in der uns ein Mönch mit Taschenlampen durch enge Gänge und über rutschige Steine hoch und runter führte oder beobachten zu können wie tief der Glaube der Menschen verwurzelt ist, die morgens im riesigen Tempel Labrang beteten und einen Pilgerweg um den Tempel herum entlanggingen.

Nach zwei Nächten fuhren wir in den kleinen Ort Lamu, der auf der Grenze zwischen Gansu und Sichuan liegt und deshalb zwei Tempel hat, einen auf Gansu-Boden, den anderen Sichuan-Boden. Dort trafen wir Johanna, die bereits zwei Wochen durch Sichuan gereist war und stiegen mit ihr und unserem chinesischen Freund aus Xiahe, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte unser Reisebegleiter zu sein auf einen Hügel, um von dort aus die Aussicht zu genießen. Wieder diese unglaubliche Weite.
Als wir Donner hörten, machten wir uns jedoch schnell auf den Rückweg. Sobald wir im Hostel ankamen, fing es an in Strömen zu regnen, sodass die nichtasphaltierte Straße zu einem großen Schlammweg wurde. Der Strom in unserem Hostel musste mit einem Generator produziert werden, aber der Ofen in der Mitte des Gemeinschaftsraumes verbreitete eine wohlige Wärme.

Von unserem Plan durch die tolle Landschaft zu reiten, mussten wir uns aufgrund des anhaltenden Regens am nächsten Tag verabschieden. Stattdessen entschieden wir, in einen anderen Ort zu fahren. Klingt einfach, könnte einfach sein, aber irgendwie hat das nicht direkt geklappt. Wir haben zu sechst ein Auto mieten wollen. Nachdem wir schon einen Fahrer auserkoren hatten, nahm unser selbsternannter Reiseführer aber in letzter Minute nach einigem Hin und Her das Angebot eines anderen Fahrers an. Wir stiegen also ein und kamen… nichtmal bis zum Ortsausgang. Unser Fahrer, der kurz nach der Abfahrt einen Anruf bekommen hatte, erklärte uns, dass er etwas erledigen müsse. Also Kommando zurück und nach fünf Minuten waren wir  schon wieder zurück am Hostel. Johanna, von der wir uns schon verabschiedet hatten, wunderte sich auch ein wenig. Wir luden also unser Gepäck in einen anderen Wagen und fuhren mit dem Fahrer, mit dem wir bereits am Anfang gepant hatten zu fahren, durch die grandiose Landschaft.
Wir kamen erst am späten Nachmittag im schönen Songpan an, aber nutzten die Zeit für einen gemütlichen Stadtspaziergang.

Die Fahrt des Grauens
Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Bus. Schon wieder. Wir wollten ins 8 Stunden entfernte Chengdu, wo wir am nächsten Tag Franzis Zug nach Peking und meinen nach Shenzhen kriegen wollten.
Unser frühes Aufstehen, um den Bus um 7:00 zu bekommen wurde nicht belohnt. Hier eine Chronik:
5:28 wir werden von unserem Reisebegleiter zwei Minuten vor der ausgemachten Aufstehzeit geweckt und versuchen ihm noch völlig schlaftrunken auf Chinesisch zu erklären, dass wir doch HALB ausgemacht hatten.
5:56 das WC bestehend aus einem riesigen Loch mit zwei Brettern darüber ist eine Zumutung, besonders am frühen morgen
6:30 aus Versehen habe ich Suppe mit Rinderinnereien bestellt. Es sah doch aus wie ganz normales Fleisch. Ich muss mich geschlagen geben. Ich esse vieles zum Frühstück und habe das Gericht auch schonmal gegessen, aber das ist zu viel für mich. Ich tunke das Brot in die Suppe, zu mehr kann ich mich beim besten Willen nicht durchringen.
7:00 wir sitzen im Bus. Schlafen!
9:00 ein kleiner Zwischenstopp, danach lesen
11:00 wir halten an einer Art Raststelle und fahren nicht mehr weiter. Man sagt uns, dass wir erst um 22:00 weiter können, weil die Straße wegen heruntergefallener Steine gesperrt sei
Zeit mit Lesen und Essen totschlagen
14:00 es geht weiter
15:00 wir bleiben am Ende eines ewig lang scheinenden Staus stehen. Kein Weiterkommen bis zum übernächsten Tag sagt man uns. Erstmal raus aus dem stickigen Bus. Es wird gleich viel wärmer, wenn man nicht mehr so hoch ist. Noch keine Panik, eben sind wir ja auch weitergekommen. Erstmal ins Gras setzen und abwarten. Die anderen müssen ja auch alle nach Chengdu gebracht werden. In unserem chinesischen Freund keimt jedoch langsam Panik auf. Er versucht aufgeregt irgendetwas zu regeln.
15:15 wir gehen bis zur nächsten Kurve um eine Idee der Länge des Staus zu bekommen. Wir können bis zur nächsten Kurve sehen, dahinter scheint es noch weiter zu gehen, aber es ist zu warm, um es weiter auszukundschaften. Lieber wieder zurück in den Schatten.
16:00 einige Busse und Autos wenden. Warum macht unserer das nicht? Warum scheint unser Busfahrer keinerlei Anstalten zu machen etwas an der Situation zu ändern? Gibt es wirklich nur einen einzigen Weg nach Chengdu?
16:20 wir fahren weiter, aber nur um die Lücken, die durch die wendenden Busse entstanden sind zu füllen.
16:30 unser reisebegleiter hat einen Fahrer gefunden, der uns für viel Geld nach Chengdu bringen kann und drängt uns zu einer Entscheidung. Wir haben das Gefühl, dass es egal ist wie wir uns entscheiden, wir werden sowieso denken, dass wir die falsche Entscheidung getroffen haben. Schließlich ergreifen wir die Chance- vielleicht die einzige um unseren Zug rechtzeitig zu bekommen.
16:34 wir stehen mit unserem Gepäck bereit, doch der Fahrer will eine andere Gruppe mitnehmen, die ihm noch mehr Geld bietet. Was soll das?
16:40 wir haben uns durchgesetzt und versuchen unser Gepäck unterzubringen
16:45 ohne auch nur einen Anflug von Beinfreiheit und mit Franzis Rucksack auf dem Schoß sitzen Franzi, unser chinesischer Freund und ich ganz hinten in einem Minibus mit noch fünf anderen Passagieren + Fahrer und sind auf dem Weg nach Chengdu
18:30 langsam habe ich das Gefühl, dass ich keine Luft mehr kriege. Beim nächsten Halt muss ich raus. Der Fahrer weiß nicht genau wo er lang fahren soll. Er liebäugelt mit einem sehr steilen Schotterweg. Als wir jedoch sehen, wie sich ein Jeep nur mit Mühe und Not hochkämpfen kann, entscheidet er sich dagegen und wir schlagen einen anderen Weg ein.
19:15 das Licht reicht nicht mehr zum Lesen. Uns bleibt nur noch mein iPod für die restliche Fahrt. Wie lange das auch immer sei mag.
21:15 wir fahren durch die totale Finsternis in Serpentinen einen Berg hoch. Nur vereinzelt sieht man Lichter und wir sind beängstigend langsam.
21:30 wir halten kurz. Unser Fahrer macht irgendetwas am Motor
21:35 wir halten. Aus einem Bach füllt unser Fahrer aus einem kleinen Bach neben der Straße Wasser in Plastikflaschen und aus den Flaschen in den Kühler (?). Man kann sehen, wie das Wasser aus unzähligen Löchern unten wieder herausfließt. Hatte ich erwähnt, dass wir mitten im Nirgendwo sind, unser Fahrer selbst wahrscheinlich nicht genau weiß wo wir sind und es stockfinster ist?
21:40 wir halten an einer Tankstelle, wo ganz viele Leute vor unserem Auto stehen und den Motor begutachten.
21:55 Irgendetwas scheint es bewirkt zu haben. Wir fahren wieder in normaler Geschwindigkeit. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir jetzt nicht mehr bergauf fahren.
23:52 Obwohl man seine Beine nirgends ausstrecken kann, die Rückenlehne zu kurz ist, um seinen Kopf anzulehnen und die Schmerzen in der Steißbeinregion zunehmen, will ich nur noch schlafen
3:30 wir sind angekommen. Wir haben es tatsächlich bis nach Chengdu geschafft. Sogar der Fahrer scheint erleichtert. Das hätte er vielleicht auch nicht mehr erwartet.
4:00 wir sind in einem echt coolen Hostel in Chengdu, Franzi und ich haben sogar ein Zimmer für uns allein. Der Strom funktioniert einwandfrei, die Toiletten sind sauber und es gibt fließendes angenehm warmes Wasser!
4:45 nach einer wunderbaren Dusche liegen wir! Komischerweise sind wir gar nicht mehr müde. Also checken wir unsere Emails. Ich habe die Zusage für meinen Wunschstudiengang an meiner Wunschuni. Jetzt bin ich erst Recht nicht mehr müde. Also schauen wir einen Film zuende, den wir schonmal angefangen hatten.
5:30 schlafen! In diesem himmlischen Bett. Auch wenn es nur bis 11:00 ist.

Nach einem leckeren sichuanesischen Essen heißt es auch schon Abschied nehmen von Chengdu und Franzi. Die Aussicht auf das baldige Nachbereitungsseminar macht es etwas leichter zu akzeptieren, dass unsere gemeinsame Zeit in China vorbei ist.
Dann steht mir eine einsame wieder 37 Stunden dauernde Fahrt bevor, aber zum Glück kann ich die zum größten Teil liegend verbringen.
Noch drei Tage in Shenzhen, dann nach Shanghai, dort auch nochmal drei Tage und dann geht’s schon zurück nach Hause.

Ein letztes Mal Abendessen

23. August 2012
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von Nuri Hamdan

Ich gehe ein letztes Mal aus meinem Stamm-Sushirestaurant. Mit einem Schlag wird mir klar, dass ich zum vorerst letzten Mal die beleuchtete Skyline Shenzhens sehe.

Die letzten zwei Tage waren erfüllt von einem nie da gewesenen Kaufrausch. Erinnerungsstücke, Mitbringsel, Abschiedsgeschenke, die leckersten Gerichte und Snacks, die ich immer schon probieren wollte, es aber doch nie tat.

Auf dem Weg nach Hause versuchen alles, was normal geworden ist, mit der besonderen Aufmerksamkeit vom Anfang wahrnehmen. Wie konnte ein Jahr so schnell vergehen? Der Gedanke, dass bald nur noch die Erinnerung bleibt, lässt mich wünschen, dass Morgen niemals kommt. Wie konnte die Fremde so selbstverständlich werden?

Ein letztes Mal schlendern durch die Seele Chinas, wie meine Mitbewohnerin den nahegelegenen Park immer nannte. Vorbei an den Tanzgruppen, dem vollen Sportgeräteplatz, den Badmintonspielern und Leuten im Schlafanzug. Eine gewohnte Runde. Werde ich wieder zurückkommen? Wird es dann noch genauso sein? Baustellen an der Schule, im Park. Wohl kaum.

Motive, die ich am Anfang fotografieren wollte, von einem auf den anderen Tag verschob und die schließlich zu alltäglich wurden, um fotografiert zu werden fallen mir wieder ein.

Und zwischen Lachen und Weinen bemerke ich, dass ich mich für’s Lachen entschieden habe.

Das Leben geht weiter. Hier sowieso. Aber für mich auch.

Packen

23. August 2012
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von Nuri Hamdan

Schon wieder. Habe ich doch gerade erst. In meinem Zimmer in Deutschland. Auf den letzten Drücker und im Gefühls-und Klamottenchaos. Wände werden immer kahler in meinem Zuhause für ein Jahr. Chinakarte, Bücher, Hosen verschwinden im unerwartet doch viel zu kleinen Koffer. Im einen Moment tanze ich vor Vorfreude auf meine Familie, Freunde und mein neues Leben in Deutschland durch die Wohnung, im anderen starre ich aus Sorge, Angst und Traurigkeit in die Leere.

Alle Sachen sind verstaut. Bin ich wirklich bereit für die Reise?

Besuch von der Familie

22. August 2012
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von Nuri Hamdan

Unglaublich. Ein lang herbeigesehnter und immer weit weg scheinender Moment ist gekommen. Nach fast neun Monaten in China, nach nervigem Einladungen und Reiseplan Schreiben und Hin-und Herschicken stehe ich spät abends aufgeregt am Hongkonger Flughafen und warte, dass meine Mutter, mein Bruder und mein Onkel 40 Minuten nach ihrer Landung endlich in Sichtweite kommen.

Da endlich, drei bekannte Gestalten mit viel Gepäck erscheinen auf der Bildfläche. Die Freude ist riesig. Mein kleiner Bruder plötzlich auch.

Die nächsten Tage ist Sightseeing in Hongkong, die Aufnahme in den Kreis der Mit-Stäbchen-Esser, Macao und schließlich Shenzhen angesagt. Schön, dass sie endlich sehen, wo ich die letzten Monate gelebt habe. Die Highlights werden stolz präsentiert: Das beste Essen, die verstecktesten Märkte und schönsten Parks inklusive abendlicher Tanztreffen, Workout an den Fitnessgeräten und Hochzeitsmarkt. Es ist seltsam die einzige zu sein, die Chinesisch spricht.

          

     

Eine Pechsträhne und ganz viel Glück

Doch dann verzetteln wir uns bei der Verspeisung eines köstlichen Fisches, den wir ausgesucht hatten als er noch lebte und verpassen prompt den Zug, der uns nach Guilin bringen sollte. Das muss natürlich ausgerechnet passieren, wenn meine Familie da ist. Da kommt aber die chinesische Flexibilität zum Einsatz. Mein bereits Monate im Voraus ausarbeiteter Reiseplan wird schnell umgestellt, die Tickets nach einer ewig dauernden Anstehaktion im unmenschlich vollen und schwülen Bahnhof umgetauscht (nur noch 1.Klasse-Tickets da, auch egal), kurzerhand eine Unterkunft organisiert und die Besichtigung Guangzhous vorverlegt.

Am nächsten Tag sind wir sehr pünktlich am Bahnhof, nochmal den Zug verpassen muss ja nicht sein. Doch als wir gerade zum Bahnsteig gehen, fällt mir auf, dass meine erst vor wenigen Monaten erstandene Kamera fehlt. 20 Minuten wie im Film in Panik durch den Bahnhof Gerenne, alle fragen, ob sie sie gesehen haben und sogar einem Securitymann meine Handynummer geben  bringen alles nichts. Sie ist weg. Ich fahre also mit meiner Familie erster Klasse in die berühmten Karstberge von Guilin, eine der schönsten Landschaften Chinas und habe keine Kamera.

Erstmal eine Nacht darüber geschlafen die Touristenschwärme hinter sich gelassen, ist die Landschaft aber wirklich wunderschön, daran ändert auch meine fehlende Kamera nichts und ich kann es tatsächlich genießen. Zwischen den Bergen hindurchfahren, die man schon so oft auf Bildern gesehen hat, mit der Familie, die man so lange nicht gesehen hat (und die vorher noch nie so viel geschwitzt hat), ist einfach unbeschreiblich. Was diesen Urlaub perfekt macht, ist, dass eine Freundin aus Guangzhou, die ich verzweifelt kontaktiert habe, meine Kamera am Bahnhof tatsächlich wiederbekommen hat. Ein Sicherheitsmann hatte sie gefunden und im Fundbüro abgegeben.

Die 14stündige Rückfahrt in meiner Geburtstagsnacht, die wir sitzend und schlaflos hinter uns bringen, tut unserem super Eindruck von Yangshuo auch keinen Abbruch.

Der Abschied

Zurück in Shenzhen heißt es vor allem erstmal Schlafen und das vorher noch nicht probierte Essen essen. Dann sind zwei Wochen auch schon vorbei. Obwohl wir wissen, dass wir uns in etwas länger als einem Monat wiedersehen werden, ist der Abschied hart. Plötzlich wieder alleine durch die Stadt zu laufen, den Bus zu nehmen und in der Wohnung sein ist ungewohnt und das kalte Gefühl der Einsamkeit schleicht sich in die Wohnung.

 

Doch Besuch von der lieben Franzi und Johanna+Freundin, leckere gebratene Nudeln von meinem Nudelmann, ein schöner Kochabend mit einer chinesischen Freundin, ein Kinobesuch (die chinesische Version von „Meet the Parents“) und die überraschende Entdeckung einer Gemüse-und Fleischspießschar mitten in der Nacht ganz in der Nähe vom Campus, ließen die Einsamkeit ganz schnell verschwinden. Ich habe übrigens letztens in der U-Bahn sogar jemanden gesehen, der auf seinem Smartphone ein Spiel spielte, bei dem man die Rolle eines Spießebraters übernehmen musste: Bestellungen aufnehmen, Spieße lange genug anbraten, wenden, würzen, Geld kassieren. Ziemlich anspruchsvoll und sehr chinesisch.

Aber auch von meinen chinesischen Freunden musste ich schon Abschied nehmen. Zwei von ihnen studieren nun in den USA. Vor unseren Abreisen gingen uns ähnliche Gedanken durch den Kopf. Ihre Ängste, Zweifel und Sorgen konnte ich gut verstehen. Sie waren nicht viel anders als die, die ich vor meinem Flug nach China hatte.

Über eine Neuigkeit habe ich mich sehr gefreut: Eine Freundin, die in die USA gegangen ist, hat Deutsch als Fremdsprache gewählt. Wegen mir, hat sie gesagt.

 

Taiwan

22. August 2012
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von Nuri Hamdan

Vor meiner Reise Anfang Juli (Anfang Juli! Mann, ist das wieder lange her) erwartete ich nicht allzu viel von Taiwan. Doch schnell war ich begeistert und sollte merken, dass 10 Tage viel zu kurz waren und ich gar nicht mehr weg wollte.

Leckere Mangos, Autofahrer, die vorm Zebrastreifen anhalten, um einen über die Straße gehen zu lassen, schöne Strände, unzählige Mopedfahrer (alle mit Helm, sogar die Kinder), coole Mopedfahrten, süße Gassen in Taipei, bunte Nachtmärkte, meine ersten Surfversuche, saubere Straßen trotz fehlender Mülleimer, 7eleven an jeder Straßenecke, fantastisches Wetter, entspannte Atmosphäre, ein cooler Mitreisender und vor allem unglaublich herzliche und hilfsbereite Menschen machten diese Reise einfach wunderschön und unvergesslich.

Taiwan- The Heart of Asia. Mit diesem Slogan wird für die Insel als Touristendestination geworben.Schon nach kurzer Zeit hatte diese wunderschöne Insel einen festen Platz in meinem Herzen bekommen.

 

Im Olympiafieber

1. August 2012
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von Nuri Hamdan

Bereits Wochen vor Eröffnung der Olympischen Spiele wurden die Straßen chinesischer Städte mit Werbeplakaten geschmückt, auf denen die sportlichen Hoffnungsträger der Nation abgebildet waren. In Sportgeschäften werden Tshirts von Olympia 2008 in Beijing verkauft. Auf den Bildschirmen in der U-Bahn, wo normalerweise witzige Videoclips gezeigt werden, sind jetzt die Highlights der Spiele aus chinesischer Sicht zu sehen. Da die Zeitverschiebung zu groß ist, um die Spiele live mitverfolgen zu können, ist es ganz praktisch, dass von Gewichtheberinnen über Schwimmer bis Turmspringer alle chinesischen Medaillengewinner und ihre Auftritte gezeigt werden. Heute klatschte sogar ein Fahrgast leise, nachdem die chinesischen Wasserspringer gezeigt worden waren.

Für diejenigen, die nicht so viel U-Bahn fahren gibt es jedoch keinen Grund die Highlights der Spiele zu verpassen. Auf „tudou“, einer Internetseite, die mit „youtube“ vergleichbar ist, gibt es einen Kanal, auf dem man sich alle Medaillengewinne der Chinesen anschauen kann. So konnte ich mich zum Beispiel selbst von dem phänomenalen Weltrekord der 16jährigen Ye Shiwen überzeugen, während begeisterte chinesische Reporter sie anfeuerten und 漂亮 (piaoliang= schön) riefen.

Was ich auch noch cool finde, ist, dass ich jetzt natürlich auch dem chinesischen Team die Daumen drücke und so schon oft jubeln konnte. Übrigens spricht die erste deutsche Medaillengewinnerin fließend Chinesisch.

Zum Abschluss noch ein Artikel, der heute auf der Internetseite der Süddeutschen erschienen ist: Artikel

Juli

31. Juli 2012
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von Nuri Hamdan

Ich lebe noch! Einen Monat lang habe ich nichts gepostet. In einem Monat ist viel passiert.

Ich bin 10 Tage durch Taiwan gereist, ich bin zwei Mal geflogen, meine Familie hat mich besucht, ich habe meine Kamera verloren und wiedergefunden, ich habe einen Zug verpasst, ich habe die überirdische Landschaft Yangshuos gesehen, ich bin 20 geworden, ich bin durch 10 Grenzkontrollen gegangen, ich habe den stärksten Taifun seit 1999 in Shenzhen erlebt, ich habe meine ersten Telefonate auf Chinesisch geführt und (fast) alles verstanden. Das alles habe ich überlebt und der letzte Monat meines Chinaaufenthaltes ist angebrochen.

Was alles genau passierte und wie das alles aussah, darüber werde ich noch ausführlich berichten.

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