Geschichten aus Sofia,Blagoevgrad,Rila,Skopje und Bukarest

Spontan (heraus)geputzt im Archäologischen Museum in Sofia

Oktober 2016

„May the road rise to meet you, may the wind…“. Next. „Cantiiicooorum…“. Next. Ich blättere meine Noten um. Eingehüllt in eine viel zu lange und breite, dunkelblaue Chorkleidung (Kommentar meines Chorleiters: liiiittle bit too big, but well, it´s a gown. Haha.), kombiniert mit einem rot-weißen Schal und  mit einer schwarzen Mappe in der Hand stehe ich im geschmückten und (heraus)geputzen (u.a. mit dem dunkelblauen, staubanziehenden Stoff meiner Chorkleidung 😉 )Archäologischen Museum in Sofia. Zu einem Event der AUBG, der Amerikanischen Universität in Blagoevgrad, sind viele Leute in feinen Anzügen, schicken Kleidern und verboten hohen Stöckelschuhen gekommen und wir geben ihnen das Ergebnis unserer langen Probenarbeit zum Besten. Okay, zugegeben- der langen Probenzeit der anderen… Ich staune ehrlich gesagt immer noch darüber, überhaupt hier zu sein: Vor genau zwei Wochen war ich erst in den Chor gekommen, habe alle Stücke bisher nur höchstens zwei Mal gesungen und in meiner dritten(!) Probe erfuhr ich dann, dass ich bei dem nächsten Auftritt schon mitwirken sollte. Ich war ziemlich verblüfft, da ich fest davon ausgegangen war, noch gar nicht mitsingen zu dürfen, freute mich dadurch aber umso mehr auf mein erstes AUBG Choir Konzert. Ja, und so kommt es, dass ich jetzt begeistert in einem Museum stehe und mich durch sämtliche Strophen englischer und lateinischer Lieder kämpfe. Ein Glück, dass sie nicht auf Bulgarisch sind… das hätte ich garantiert nicht so schnell vom Blatt hingekriegt.

Die letzten Töne des Klaviers erklingen. Der Applaus rauscht in meinen Ohren. Geschafft. Sogar fast ohne Textverdreher. Ich lächele. Ich bin froh, finde unseren Auftritt ziemlich gelungen und folge schließlich den anderen Sänger_innen zur Seite, wo unsere Taschen stehen und ziehe mich um. Kurz darauf kommt Helli (Freiwillige in Plovdiv) zu mir, die im Anschluss mit mir nach Blagoevgrad fahren will, und berichtet, dass sie das Event auch sehr schön fand.

Der AUBG-Choir

 

„Schau mal, das ist doch bestimmt der Weg!“

Oktober 2016

Freitagabend bei dem Chorauftritt in Sofia:

„……It´s quite easy. I´m shure you´ll find the way. You just have to find this statue…“ Katy, eine Studentin aus meinem Chor, steht lachend vor Helli und mir, breitet ihre Arme aus und lehnt sich zur Seite. „Ah I know it!“, sage ich sofort,lache und habe dieses Bild vor Augen:

Am Samstagmittag in Blagoevgrad:

Mit Wanderschuhen, Wasserflaschen und natürlich meiner Kamera gewappnet, stehen Helli und ich vor der großen Statue und suchen den Weg zum riesigen weißen Kreuz, das man von so ziemlich jedem Platz der Stadt sichten kann. Auch jetzt, wie wir so vor der Statue stehen, können wir das auf dem Berg thronende weiße Kreuz gut sehen- nur dummerweise den Weg dorthin nicht. Trotzdem steigen wir entschlossen die Treppenstufen hinter der Statue hinauf und nehmen den nächstbesten Pfad, der einigermaßen nach „Weg“ aussieht. Plötzlich stehe ich vor einem grün gestrichenen Geländer und sehe dahinter eine breite Treppe. Ahh, endlich haben wir den richtigen Weg gefunden, denke ich und klettere schnell über das Geländer. Einige Treppenstufen später stehe ich an einem wunderschönen Platz.

Schnell ein paar Fotos, weiter geht´s. Munter laufen Helli und ich den Berg hinauf, klönen fröhlich und freuen uns über den schönen Anblick des bunten Waldes.

Der Tatsache, dass der Weg immer schmaler wird, geben wir dabei nur wenig Beachtung. Doch als wir uns mitten im Gestrüpp wiederfinden und uns regelrecht durch die Büsche schlagen müssen, kommt mir der leise Verdacht, dass wir wieder vom offiziellen Weg abgekommen sein mussten. Unwissend, wo dieser aber sein sollte und mit positiver Überzeugung (auf einen kleinen zugewucherten Pfad zeigend:“Ach, schau mal, das ist doch bestimmt der Weg!“) wandern wir jedoch trotzdem weiter querfeldein, immer das große weiße Kreuz im Visier.

Ich lasse meine Beine baumeln und schaue in die Ferne. Helli und ich sitzen gemütlich auf der Empore, auf der das weiße Gipfelkreuz gebaut wurde, und staunen. Wir staunen darüber, wie viel Spaß es doch gemacht hat, sämtliche Äste energisch beiseite zu schieben und sich etwas uninformiert und planlos selbst einen eigenen Weg zum Ziel zu suchen. Wir staunen darüber, angekommen zu sein. Wir staunen über die wundervolle Aussicht und den Blick auf die ganze Stadt.

Wir staunen. Bis wir beschließen– Zeit für ein Gipfelfoto!!

 

Da ich nicht von jedem einzelnen Erlebnis so ausführlich berichten kann,ohne dass es zu viel und vielleicht langatmig wird,  werde ich die nächsten drei nur kurz zusammenfassen. Dass ich ausgerechnet diesen weniger Platz hier zuteile ist eher willkürlich und heißt nicht, dass sie weniger schön waren und mir nicht so viel bedeuten. Aber ihr könnt euch schon freuen, eine kleine ausführlichere Geschichte zum Miterleben wird es noch geben ;).

Skopje

Oktober/November 2016

In den Herbstferien vom 29.Oktober bis 1.November fuhr ich mit Anja, Anne, Johanna, Helli und Seline  (alles Freiwillige in Bulgarien) nach Skopje, die Hauptstadt Mazedoniens. Dort hatten wir uns mit Leonie, einer Kulturweit-Freiwilligen aus Ungarn, verabredet. Gemeinsam haben wir uns die von unzähligen Statuen bevölkerte und dadurch auf mich sehr „inszeniert“ wirkende Stadt angeschaut, uns dadurch währenddessen ein wenig wie im Europapark gefühlt, als Ausgleich den Canyon Matka, die Tropfsteinhöhle und die wunderschöne Natur genossen und einen gemütlichen Halloween- Abend mit einer lustigen Kürbis-schnitz- Aktion verbracht.

Canyon Matka

In der Tropfsteinhöhle

Danke an Johanna und Helli für die Fotos!

 

Weihnachtsbäckerei und Rila Kloster

An einem Wochenende Mitte November bekam ich dann Besuch von Seline aus Sofia und Helli aus Plovdiv. Gemeinsam haben wir abends frühweihnachtliche Frühlings-weihnachtskekse gebacken (neben Tannenbäumen, Herzen und Sternen auch Blümchen und Häschen auszustechen, ohne dass sich ein Familienmitglied beschwert, war einfach zu verlockend) und am nächsten Tag das Rila Kloster besucht. Dieses Kloster liegt nicht weit von Blagoevgrad entfernt und ist das größte und wichtigste in ganz Bulgarien und war für mich dementsprechend auch sehr eindrucksvoll.

„In der Weihnachtsbäckerei“

Rila Kloster

Aussicht aus dem Busfenster auf der Fahrt nach Rila

 

„Zugfahren ist abenteuerlich!“

November/Dezember 2016

Das Zwischenseminar in Rumänien steht an. Es soll in dem kleinen Dorf Barcut/Bekokten stattfinden. Hmm das wird eine lange Reise. Und wie kommen wir da hin? Ein paar Tage Bukarest als Zwischenstopp wären doch ganz schön. Von dort kann man auch gut mit dem Zug zum Seminarort fahren. Also perfekt, und wie kommen wir nach Bukarest? Erkundigen wir uns mal- es gibt einen Bus und einen Zug von Sofia aus. Ah ja und für die Rückfahrt gibt es einen Nachtzug von Craiova nach Sofia. Super! Glauben wir…

„Zugfahren in Bulgarien ist abenteuerlich. Punkt.“                                                                         „Toni, fast niemand nimmt den Zug. Fast alle Bulgaren fahren mit dem Bus.“                         Jaja. Das habe ich oft gehört.

….. „Aber Zugfahren ist definitiv spannender!“ flüstert uns die Abenteuerlust ins Ohr und entschlossen werden die Zugtickets besorgt.

Auch hier will ich nun nicht weiter in allen erdenklichen Details berichten. Nur so viel:

Meine Fahrt mit Seline gemeinsam nach Bukarest war ein wenig abenteuerlich, da wir zu spät zur Metro gehetzt sind, ewig auf die zwei Metros warten mussten und daher den Zug beinahe verpasst hätten, ihn aber durch einen Endspurt am Bahnhof doch noch gerade so erwischt haben. Tja, und als wir dann im Zug saßen und aufatmeten, bemerkten wir plötzlich, dass unser genialer Plan,kurz vorher beim Billa in der Nähe des Bahnhofes Proviant einzukaufen, nicht aufgegangen ist. So saßen wir also den ganzen Tag im Zug mit (sofern ich mich richtig erinnere)  ca. 10 Erdnüssen, zwei Äpfeln, einer Art Chips und Schokocroissants, die Seline bei einer kurzen Pause schnell am Kiosk am Bahnsteig in Russe besorgen konnte). Ja, und ich glaube, jetzt könnt ihr alle schon erraten, was unser erstes Ziel am Bahnhof war, als unser Zug endlich in Bukarest ankam. Na? Wisst ihr es? Kleiner Tipp; fängt mit B an und hört mit -illa auf! 😉 Und da gibt es sehr leckere Baguettes, Gurken und Frischkäse 😉

In Bukarest sind wir dann am nächsten Tag auf andere Kulturweit-Freiwillige aus Bulgarien gestoßen und haben gemeinsam die Stadt erkundet.

 

Unsere Bukarestreisegruppe 🙂

(Momentan kann ich nur Bilder über mein Handy auf den Blog laden, über den Computer funktioniert es aus irgendwelchen Gründen nicht. Wenn dieses Problem behoben ist, werden noch ein paar Fotos von Bukarest und vom Seminar hinterherkommen 😉 )

Im Anschluss ging es dann, wie schon erwähnt, weiter in das Dorf Barcut/ Bekokten zum Zwischenseminar. Dort haben wir viele interessante Themen besprochen, wie z.B. Rassismus gegenüber Sinti und Roma und Projektplanung und so weiter. Außerdem haben wir viel über unsere Situation reflektiert, uns über so ziemlich alles,was uns gerade so bewegt, ausgetauscht, manchmal mit dem Feuermachen gekämpft und die Gemeinschaft, leckeres (z.T. rumänisches) Essen, eine Wanderung und den ersten Schnee ab dem ersten Dezember genossen. Und dann hieß es auch schon wieder: Auf nach Bulgarien!

Zugfahren ist abenteuerlich. Punkt.

In meine Winterjacke und meinen dicken grünen Schal eingemummelt sitze ich mit anderen Freiwilligen in einem ziemlich kalten Abteil eines Zuges, der noch im Bahnhof in Craiova steht. So langsam realisiere ich, dass mein heimlicher Wunschgedanke, dass sich das kleine Zugabteil ja bald garantiert genügend aufwärmt, wenn wir zu siebt darin hocken, wohl eher nicht in Erfüllung gehen wird. Ein Mann mit Schlagstock geht an unserem Abteil vorbei. Ein weiterer folgt ihm. Ansonsten passiert nicht so viel. Der Zug steht immer noch. Dabei hat er schon eine ganze Stunde Verspätung. Rrrrruuckel…. Endlich fährt der Zug langsam ein Stück vorwärts. Quiiiietsch! Und bleibt kurz darauf wieder stehen und fährt rückwärts. Quiiietsch. Stopp. Wir stehen wieder. Das Ganze wiederholt sich mehrfach. „Da hat der Zugführer wohl etwas vergessen! und „Deswegen dauert die Zugfahrt so lange“ scherzt jemand.Doch mehr Beachtung wird dem nicht geschenkt, da Anne nun auf die Idee gekommen ist, zu googeln, welche Strecke unser Zug in den nächsten 9 Stunden zu bewältigen hat. Luftlinie Craiova- Sofia: 187 km. Autostrecke: 261 km. Warte- NEUN Stunden für nur circa ZWEIHUNDERTFÜNFZIG Kilometer???? Alle fangen an ungläubig zu schmunzeln. Aber naja, man hatte uns ja vor dem Zugfahren in Bulgarien gewarnt und wir wussten, worauf wir uns einlassen.

So sucht sich jeder auf seinem Sitz die bequemste Schlafposition, ruhige Musik tönt leise aus einem Handy und der Zug fährt endlich länger als eine halbe Minute in eine Richtung,aber immer noch im Schneckentempo. Die Kälte hingegen kriecht in einem Affenzahn unter die dicken Winterjacken. Also kuschelt sich Anja schon recht bald in ihren Schlafsack ein, Helli breitet ihre Schaldecke über sich aus und ich ziehe sämtliche warme Klamotten aus meinem Wanderrucksack heraus. Dann kuschel ich mich wieder an Hellis Schulter und sehe im Augenwinkel, wie Seline aus dem Abteil geht ,um sich ein wenig die Beine zu vertreten.

Seline kommt von ihrer Zugerkundung wieder. Hektisch reißt sie die Abteiltür auf. Geschockt steht sie vor uns und berichtet: „Da war nichts mehr.! Offen!Abgrund, einfach so! Ich wäre beinahe rausgefallen!“ Deswegen sind wir also in Craiova zig mal vor und wieder zurück geruckelt!! Tzzz… Da hat man wohl ein paar Waggons hinter uns abgekoppelt, ohne dass wir was davon ahnten… Sofort stehen Johanna, Anne und Helli auf, um es sich anzusehen und anschließend auch ein bisschen durch den Zug zu schlendern. Von hysterischen Lachanfällen geschüttelt stehen sie kurze Zeit später wieder vor unserer Abteiltür und erklären, dass sie gerade nebenbei „mal eben so „auf vier verschiedenen Sprachen von einem Zugbegleiter darüber informiert wurden, dass unser Zug vier Stunden Verspätung haben wird und wir jetzt nachts ein paar Stunden auf dem Abstellgleis stehen werden (Warum genau, habe ich nicht so ganz verstanden). Damit die Nacht auf dem Abstellgleis wenigstens ein bisschen gemütlicher wird, gehen wir in den Schlafwagen, wo jeder von uns ein Bett, mehrere Wolldecken und sogar Wasser und ein Schokocroissant bekommt. Gleich wird der Strom ausgestellt- wird uns noch kurz mitgeteilt. Und dann geht auch schon sämtliches Licht aus.

Ich zupfe meine Wolldecken zurecht und versuche mich einigermaßen bequem hinzulegen. Ich höre leises Zuggeratter. Auf einmal wird es wieder lauter. Quiiietsch. Wir stehen. Wohl jetzt erstmal für die nächsten drei, vier Stunden, denke ich. Doch in genau dem Moment setzt sich der Zug  ächzend wieder in Bewegung. Und zwar rückwärts! Dann wieder vorwärts. Rückwärts und wieder vorwärts. Quiiietsch.  Stopp. Lustige Angewohnheit dieses Zuges. Noch mehr Waggons können sie eigentlich nicht abkoppeln, denke ich müde, während mir langsam die Augen zufallen….

Ja, Zugfahren ist abenteuerlich. Punkt. Aber auch eine witzige Erfahrung, wenn man Freunde hat, die dieses Abenteuer mit einem wagen. Punkt.

Allein würde ich das nicht so unbedingt machen wollen, sooo geheuer waren mir die Männer mit den Schlagstöcken, die an unserem Abteil vorbei liefen, dann doch nicht. Doch mit den anderen Freiwilligen gemeinsam war es ein lustiges Erlebnis und angekommen sind wir ja schließlich auch- wenn auch etwas später als geplant.

 

Und zum Schluss noch ein Foto, dass einen treffenden Eindruck meiner Weihnachtszeit 2016 hier in Blagoevgrad gibt.

Weihnachten in Blagoevgrad

 

Über die aktuellen Erlebnisse und Erfahrungen werde ich euch so bald wie möglich berichten. Jetzt bin ich erstmal froh, diesen großen Nachtrag geschafft zu haben :D.

Bis bald! 🙂

 

 

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