Abschied, die Erste

So wenig man es sich eingestehen will, so machen sich die Anzeichen breit, dass meine Zeit hier in Peru eben doch letztendlich endlich ist…
Denn während auch meine eigentliche Abreise schon absehbar, aber eben doch noch ein wenig hin ist, so musste ich zumindest meinem Schulalltag bereits lebe wohl sagen. Denn seit dem 18. Dezember wurden die Schüler und Lehrer in die großen, dreimonatigen Sommerferien entlassen, was bedeutete, dass ich vor meiner Abreise Mitte Februar auch nicht mehr ins Colegio zurück kehren werde.

So stand viel des letzten Monats im Stern der letzten Events mit meinen Schülern und darin, diese bis auf die letzte Minute zu nutzen. Und davon gab es einige: die großen Schul-Olympiade, die Verabschiedung des Abschlussjahrgangs, den Abschlussball, die Weihnachtsfeierlichkeiten für Schüler und Eltern mit Weihnachtsliedern und traditionellen Tänzen der Schüler… Es wären schon ohne den Aspekt meines Abschiedes ein paar sehr emotionsreiche Tage gewesen. Aber die zahlreichen Geschenke, Fotos, Umarmungen und lieben Abschiedsworte haben mich mit einer unglaublichen Dankbarkeit erfüllt – über das, was mir die Schüler zurück geben:

Dass sie mir zeigen, dass meine Arbeit dort Früchte getragen hat und weiter tragen wird. Dass ich kein Missionär bin, sondern fast mehr von meinen Schülern lerne, als andersrum. Dass ich in Erinnerung gehalten werde, nicht nur in Form meines Unterrichts, sondern als Person. Nicht nur als „der Deutsche“, sondern als Marian, der Freund aus der Ferne.
Und so nutze ich jetzt jede mir noch bleibende Möglichkeit, wenigstens ein paar Prozent der Schüler weiterhin zu sehen: mit den Ältesten geht es hin und wieder auf ein „pichanga“, wie man es in Peru nennt, also ein Fußballspiel auf dem Kunstrasenplatz in der Nähe des Colegios. Und auch letzte Reuniones sind schon vage geplant, um auch ja den Gedanken an das allerletzte Zusammensein möglichst lang zu verdrängen.
Das gelingt mir aber eben auch nur bedingt. Denn einmal für das Gefühl vom Ablaufen der Zeit sensibilisiert und es erscheinen einem alles plötzlich als Countdown: man erhält Nachrichten von der Nachfolgerin, ist im Gespräch über die Übergabe des WG-Zimmers, schreibt Übergabe- und Abschlussberichte, zahlt die letzten Raten der Miete, spricht mit dem Sportstudio über die letzten Tage des Vertrags, bricht das wahrscheinlich letzte Shampoo und die letzte Zahnpasta in Peru an.
Und dann kommt plötzlich auch noch der Bruder zu Besuch, was vor Kurzem noch weit in der Zukunft lag und die letzte Etappe des Jahrs markieren sollte… Jetzt ist sie aber da, die letzte große Reise für den Rest des Januars!

Ich weiß schon jetzt, dass mir die letzten zwei Wochen, die ich dann im Februar noch in Lima verbringe, letztendlich wieder zu kurz sein werden, um mich von allem und jedem gebührend zu verabschieden. Aber irgendwo muss man eben dann auch Abstriche machen, denn es gab und gibt eben auch noch so viel anderes:
mein Kurzfilmprojekt, was meine Freizeit in den letzten Monaten konsumiert hat und bis zuletzt Programm bleiben wird, ein paar unangenehme Ereignisse in Peru wie in der Heimat, die meine volle Aufmerksamkeit erforderten, die Festlichkeiten im Dezember, die mit einer Reise zusammen hingen und somit ein Koffer, der mehrmals ein- und wieder ausgepackt werden musste…

Und zu guter Letzt ist es ja auch so, dass es mich wahnsinnig freut, wieder in die Heimat zurück zu kehren! Denn erstmals in meinem Leben spüre ich etwas, was man wohl als Heimweh bezeichnen kann. Auf die lange Liste der Dinge, auf die ich mich in Deutschland freue, möchte ich aber nochmal eingehen, wenn es denn dann wirklich soweit ist und das zweite und letzte Kapitel des Abschieds nahe rückt.
Für jetzt heißt es nochmal den Kopf abschalten, während ich mit meinem Bruder noch ein wenig Südamerika bereise. Denn noch ist es nicht vorbei, noch bin ich hier, noch lasse mich berieseln von all den Eindrücken in diesem wunderschönen Land und Kontinent!