Wenn der Alltag ruft

Sydney, Surry Hills Wohnzimmer 23.08.2019 11.00 Uhr

Ein Freitagvormittag, wie schon so viele davor. Ich sitze im Wohnzimmer, auf dem Schoß ein Kater, dessen Haare inzwischen überall verteilt sind, auf meinen Klamotten, zwischen meinen Laptoptasten und auch in meinem Rucksack. Gerade am Morgen ist Louis besonders aufmerksamkeitsbedürftig. Wie gut, dass ich morgens noch immer meistens Zuhause bin. Da ich es in den letzten Tagen nicht geschafft habe, bzw. einfach nicht die Ruhe fand, um etwas für den Blog zu schreiben, sind schon wieder fast zwei Wochen vorbei. Auch der erste Monat ist geknackt. Damit gibt es weniger Geschichten zu erzählen. Geschichten von ersten Eindrücken und ersten Erfahrungen. Selbst neue Dinge erscheinen jetzt wie kleine Momente, die jedoch weniger im Kopf hängen bleiben. Mal schauen, was ich hier noch zusammen bekomme.

1) Ich habe meine erste Post bekommen! Und das eigentlich schon vor zwei Wochen. Wie häufig war die Verwaltung am schnellsten. Und damit war mein erster Brief, meine australische Krankenversicherungskarte. Ich kann mich jetzt also offiziell krankschreiben lassen. Und wenn ich das bei der Praxis auf dem Uni-Gelände mache, oder bei anderen Partnerpraxen der Versicherung, muss ich dafür nicht einmal in Vorzahlung gehen.

Heute kam dann noch ein Briefpäckchen an, aus Berlin! Am Dienstag fand ich im Mail-Postfach eine Nachricht, dass „mein“ Päckchen unterwegs sei. Voller Freude beobachtete ich die Tage darauf, wie die Sendung von Berlin nach Leipzig, von Leipzig nach Frankfurt und von Frankfurt nach Sydney kam. Heute Morgen klingelte dann ein junger DHL Express Bote an der Tür und überreichte mir den Umschlag. Ist das nicht der Wahnsinn! Innerhalb von vier Tagen wurde die Sendung zugestellt! Ich bin immer noch beeindruckt und freue mich schon darauf, die Post von PROGEDO später zu öffnen (@ Resa und Magdalena).

2) Nachdem ich letzte Woche zum ersten Mal beim BlueBird Frühstück war, was wahrscheinlich zu einer Dienstagmorgen-Tradition wird, konnte ich inzwischen auch schon zweimal am Donnerstagabend die NightOwl Suppe genießen. Das Angebot ist wirklich toll! Es stehen vier Grundsuppen zur Wahl bereit:  Beef, Halal, Vegetarisch und Vegan. Dazu gibt es Reisnudeln und Eier, so gewünscht, das Ganze wird dann selbstständig mit dem Gemüse der Wahl und verschiedenen Gewürzen und Soßen garniert. Ich bin immer noch begeistert. Vor allem weil die Portion so groß ist, dass ich mir die Hälfte in eine Box fühlen und dann in der Pause des Abendkurses direkt im Anschluss weiteressen kann.

3) Am letzten Samstag hatte ich (wie morgen auch) einen Workshop für das Seminar Understanding and Engaging Audiences. 6h Input zu quantitativen (/qualitativen) Forschungsmethoden. Das ist kein Zuckerschlecken. Irgendwann schaltet mein Kopf einfach ab, sosehr ich es auch versuche mich zu konzentrieren. Zum Glück geht es den anderen da ähnlich.

Nach dem Workshop bin ich nach New Town spaziert, weil ich dort zum Burger Brunch von Vicky und ihrem Freund eingeladen war. Mit Vicky bin ich zusammen aufs Rosa (Gymnasium) gegangen und in der zehnten Klasse standen wir gemeinsam im Darstellen Spiel Kurs auf der Bühne. Während mir bei unserer Zweierszene das Korsett aufging, schrie Vicky sich die Seele aus dem Leib. Das waren Zeiten. Inzwischen lebt Vicky in Sydney, nachdem sie sich vor ein paar Jahren bei ihrem Auslandssemester in Sydney in einen Australier verliebt hat. Gleich mache ich mich auf den Weg, um Vicky lunchen zu gehen. Auf ihrer Party konnten wir nämlich nicht wirklich zu zweit reden. Immerhin war Vicky Gastgeberin und ich vier Stunden zu spät dran und nicht ganz auf dem Alkohollevel der anderen. Trotzdem war es sehr schön, zu sehen, wie Vicky hier lebt, was für einen traumhaften Sonnenuntergang sie von ihrem Balkon aus betrachten kann – bis das Gebäude gegenüber fertig gebaut ist, und ein paar ihrer australischen Freunde kennenzulernen.

Wieder Zuhause, bzw. vor der Wohnungstür fiel mir dann auf, dass sich mein Schlüssel im anderen Rucksack, auf der anderen Seite Tür befand. Zum Glück konnte ich mich mit dem Wifi verbinden. So fand ich raus, dass die Mädels voraussichtlich innerhalb der nächsten 2h wieder Zuhause wären und machte mich auf die Suche nach einem warmen Platz. Auf dem Weg kam ich an einem kleinen Theater vorbei und schaute mir spontan eine feministische Tanz-Perfomance an, von der ich tatsächlich schon vorher einen Flyer in der Hand hatte. Vier Frauen zitierten ihre Mütter und Großmütter, sprachen über Geburt und Leben, zogen sich aus und an und hüpften wild durch den Saal. Am Schluss tanzte das ganze Publikum, das sowieso angezogen war wie für eine grandiose Queerparty. Ich war froh, dass ich mich für Vickys Brunch in Rock und Glitzeroberteil geworfen hatte. So fiel ich nicht ganz aus der Reihe.

4) Am vergangenen Sonntag sind Toni, Alice, eine Freundin von Alice die übers Wochenende zu Besuch war und ich zum einem veganen Markt aufgebrochen. Dort gab es nicht nur Unmengen an spannendem Essen für Mensch UND Tier, sondern auch Klamotten, Kosmetikprodukte und was sonst noch so das Herz begehrt. Den monatlich stattfinden Markt hatte ich schon in Berlin ausfindig gemacht. Und bei schönstem Sonnenscheint spazierten wir an den verschiedenen Ständen vorbei und genossen unser Mittag auf Kunstrasen, bei Live-Musik. Tatsächlich war das das erste Mal, dass ich hier eine nicht selbst zubereitete richtige Mahlzeit zu mir nahm. Abgesehen von dem Pita-Brot, das ich mir bei dem Griechen hole, wo ich mit ein paar Mädels vom I&I Communication Kurs in unserer donnerstäglichen Mittagspause schon die dritte Woche in Folge hin bin. Auf dem Markt am Sonntag konnte ich auch eine Haarwaschseife ergattern. Nachdem der dortige mobile Bankautomat meine Karte nicht anerkannte, durfte ich diese mit meinem letzten Bargeld für AUD 4,35 kaufen, statt der eigentlichen AUD 6.

Letzte Woche Dienstag war ich am Abend zusammen mit Alice laufen. Alice hat einen ganz anderen Laufstil als ich. Sie rennt sehr schnell und geht dann spazieren und rennt dann wieder schnell los, um dann wieder spazieren zu gehen. Sozusagen ein richtiges Intervall Training. Sie hat mir dabei eine neue riesige Parkanlage gezeigt, zu der ich dann gleich auch am Freitag und Sonntag bin.

Diesen Dienstag waren wir zu dritt im Kino – bei Once Upon A Time… in Hollywood. Wir sind dafür extra auf die andere Seite der Harbour Bridge, zu einem sehr alten Kino gefahren. Da wir sehr spät dran waren, saßen wir in der ersten Reihe – nichtstrotzdem war der gemeinsame Ausflug sehr schön. Auch, weil ich vorher noch nie auf der anderen Seite des Port Jackson Hafens und im Norden von Sydney war.

5) Am Sonntag stand die erste Abgabe an! 1/9 ist somit geschafft. Und heute nach dem Lunch gebe ich die zweite Abgabe ab und nächsten Freitag dann Nummer drei und dann ist die erste Runde für alle drei Kurse geschafft. YEAHHH

Nachtrag um kurz vor 5pm: Auf dem Weg zu Vickys Office bin ich durch trublige Menschenmassen und Straßen gelaufen, die mir vorher so noch nicht ins Auge gefallen sind. Es war ein angenehmes Treiben. Auf dem Rückweg bin ich sogar durch ein paar Läden und ich habe endlich! Das Buch gefunden, nach dem ich schon seit Wochen suche. Das stelle ich mir am Sonntag auf meinen kleinen Geburtstagstisch, neben das Briefpäckchen.

Weil Alice dieses Wochenende ins Outback, also nach Hause ist, hat sie für Toni und mich Brownies Gebacken. Extra vegan und glutenfrei – wobei ich den glutenfree Hype nicht ganz verstehe. Als ich gestern Nacht an meiner Abgabe saß, stellte Alice mir einen noch warmen Brownie neben den Laptop, zusammen mit einer Tasse Tee, als „pre birthday snack“. Ich habe schon ziemliches Glück mit meinen Mitbewohnerinnen!

Dieser Beitrag wurde unter »kulturweit« Blog veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert