Übers Land

Ungarndeutsch ging es diese Woche weiter, denn am Montag war ich bei Annika in Bóly. Bóly hat knapp 4000 Einwohner (hat Stadtrecht! Das darf man auf keinen Fall vergessen 😉 ) und liegt 30 km südöstlich von Pécs. Dort fand noch anlässlich des Nationalitätentages eine Veranstaltung statt, bei der auch Schüler von Annikas Grundschule teilnahmen. Für mich hieß das bereits nach der vierten Stunde die Schule an diesem Tag zu verlassen, da die Veranstaltung in Bóly schon 14:00 Uhr begann, ich noch zum Pécser Busbahnhof musste und von da aus noch ca. 40min mit dem Bus nach Bóly. Annika war so freundlich und hat mich von der Bushaltestelle abgeholt. Es war auch mein erster „richtiger“ Besuch in Bóly, da ich bis jetzt immer nur Durchgefahren bin. Ja, es hat 8 Monate gedauert aber was lange währt wird gut. Trotz des durchwachsenen Wetters hat mir Bóly wirklich gut gefallen. Den dörflichen Charakter konnte man nicht übersehen, aber von dem ganzen Grün war ich begeistert. Teilweise kann man riesige Grünflächen in der Stadt verteilt finden, so dass man gar nicht denken könnte, dass es sich um eine geschlossene Ortschaft handelt. Auch die Weinkeller (+dazugehörige Häuser) sind typisch für Bóly und Umgebung und verleihen der Stadt einen besonderen Charme. Pécs liegt zwar im Gebirge aber so viel Grün in der Stadt gibt es dann doch nicht. Einfach aus dem Haus auf das Feld treten wäre auch mal wieder schön.

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Aber nun gut. Primär war ich ja nicht zur „Stadtbesichtigung“ da, sondern um mir den Auftritt anzusehen. Der fand in einem Saal, über einem Geschäft statt. Als wir ankamen war alles schon gerappelt voll, so dass wir keinen Sitzplatz mehr bekamen. Im Grunde waren da auch nur ältere Herrschaften (die meisten in Trachten gekleidet) und so waren wir uns für einen Moment nicht ganz sicher, ob wir tatsächlich richtig waren. Aber da wir ja schon mal dort waren und Annika nach und nach bekannte Gesichter entdeckte haben wir uns einfach in eine Ecke gestellt. Zuerst Sangen, Tanzten und Rezitierten Schüler/innen von Annikas Schule. Eines der Gedichte und das dazugehörige Kind erkannte ich wieder, da sie das gleiche Gedicht bereits bei dem Rezitationswettbewerb in Véménd aufgesagt hat, bei dem ich Jurorin war. Nach den Einlagen der Schüler waren wir uns nicht ganz sicher, ob es das gewesen war. Aber nein, die Veranstaltung war noch lange nicht vorbei, denn die älteren Herrschaften hatten tatsächlich auch zahlreiche Tanz-und Gesangseinlagen traditioneller ungarndeutscher Lieder und Tänze vorbereitet. Obwohl die Liedtexte dann teilweise doch sehr skurril waren wie „Nimm nur einen Strick und häng dich auf“. Auch wurden Geschichten in Mundart erzählt, welche für uns dann teilweise doch schwer verständlich waren. Als es dann jedoch ans Kaffeetrinken ging stellte sich heraus, dass man dafür wohl eine Einladung gebraucht hätte. Da aber noch zwei Plätze frei waren wurden wir kurzerhand eingeladen zu bleiben. Kurzzeitig waren wir so auch selbst ein wenig die „Attraktion“ des Nachmittages, da der Altersdurchschnitt sonst bei ungefähr 70 lag. Zu den zahlreichen Kuchen und Gebäcken gab es neben Wasser übrigens Wein. Ja, 16:00Uhr zur besten Kuchenzeit floss reichlich Rot-und Weißwein. Ständig wurden wir aufgefordert noch etwas zu Trinken oder zu Essen. So richtig mit dem Tanzen ging es dann los, als einer der älteren Herren sein Keyboard auspackte und mit seiner kräftigen Stimme den Alleinunterhalter gab. Ich sag euch, es war besser als das Musikantenstadl und das Sommerfest der Volksmusik zusammen. Der „heimliche Star“ des Nachmittages war jedoch László, der für die Bedienung des CD-Players zuständig war und bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit das Ganze vollkommen vergeigte. Im Prinzip lief entweder immer das Falsche oder es lief gar nichts. Zusammengefasst kann man sagen, es war wirklich ein schöner Nachmittag und danke an Annika für die Einladung.

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Am Mittwoch hieß es dann mal wieder: Wettbewerb. Ja, Wettbewerbe gibt’s hier jede Menge und irgendwie nehmen wir an gefühlt (vermutlich auch tatsächlich) allen Teil. Es hieß also 3h Busfahrt pro Strecke, um nach Budaörs zum Volkskundewettbewerb zu kommen und mal wieder ging es 6:00 los. Früh Aufstehen wird noch zu meiner Paradedisziplin. Zum Glück hatten wir dieses Mal einen anderen Busfahrer, der auch nicht davor abgeschreckt hat die eine oder andere rote Ampel mitzunehmen. Außer den Schülern mussten noch jede Menge Plakate und andere Präsentationsgegenstände transportiert werden, die sie für den Wettbewerb brauchten. Die Schüler/innen müssten nämlich neben der Beantwortung etlicher Volkskundefragen auch eine mindestens fünfminütige Präsentation halten, was bereits im Vorhinein jede Menge Arbeit bedeutete. Im Fach Volkskunde lernen die Schüler hier übrigens alles über die Geschichte der Ungarndeutschen. Wie sie lebten, welche Feiertage und Bräuche es gibt, wie sie Krankheiten behandelten und so weiter. Witzig war mal wieder, dass wir das Ganze eigentlich auch fast schulintern hätten machen können, da 15 von 19 Teilnehmern von uns waren und ja, auch hier waren die ersten Fünf von unserer Schule und auch diese Schüler haben eine einwöchige Reise nach Deutschland gewonnen. Leider hat der Wettbewerb dann sogar noch länger gedauert als der Letzte und das obwohl wir ja insgesamt 2h weniger Fahrtzeit hatten. Die ungarische Nationalhymne und die Hymne der Ungarndeutschen durften natürlich auch nicht fehlen. Ein kleines „Drama“ ereignete sich, als die Veranstalterin zu uns kam und meinte für die Lehrer wäre ein einstündiger Museumsbesuch geplant und bei den langen Wartezeiten war das natürlich nicht schlecht. Aber eine unserer Lehrerinnen wollte partout nicht gehen, bevor eine bestimmte Schülerin nicht dran war. Daraufhin meinte die Veranstalterin, dass Lehrer normalerweise sowieso nicht mehr bei ihren Schülern sein dürften währenddessen sie darauf warten auch endlich dran zu kommen. Wieso? Keine Ahnung. Da entgeht mir vollkommen der Sinn. Die Lehrer können ja sowieso nicht mehr helfen. Jedenfalls artete das Ganze in einer ewigen Diskussion aus, bis ich meinte, dass ich dableiben würde aber das führte natürlich auch zu Protesten, bis ich klarstellte, dass diese „Regel“ ja nur für Lehrer geht und ich offiziell ja keine Lehrerin bin. Der ganze Wettbewerb zog sich ewig hin und erst gegen 16:30 gab es dann die Auswertung. Aber nichts desto trotz wollten die Lehrerinnen (wenn auch nur für eine halbe Stunde) in das ganz in der Nähe gelegene Ikea, denn sonst wäre die lange Busfahrt ja definitiv verschwendet gewesen. So gab es also zu guter Letzt auch noch einen halbstündigen Ikea-Aufenthalt und kurz nach 20:00 Uhr waren wir dann endlich wieder in Pécs.

Freitag war dann der Welttag des Tanzes und auch der sollte natürlich nicht einfach so an der Schule vorbeigehen. Drei Stunden ungarisches und ungarndeutsches Tanzprogramm waren an der Tagesordnung. Die Begeisterung darüber hielt sich beim Großteil der Schüler jedoch in Grenzen, da tatsächlich jede der 1. bis 8. Klassen zwei Volkstänze vorführen mussten. Ein kleiner Trost war es vielleicht, dass sie diesmal wenigstens keine Tracht tragen mussten.

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Gestern war ich dann mit Annika und Olga unterwegs. Nein, wir waren nicht zu dritt sondern zu zweit. Olga ist nämlich das Fahrrad von Annikas Betreuerin, das ich mir für diesen Tag ausleihen durfte. Das erste Mal seit dem ich hier bin konnte ich so richtig Fahrrad fahren. Mit dem Bus ging’s zuerst nach Bóly und dann mit dem Fahrrad nach Villány. Villány ist das Zentrum des berühmten Weinanbaugebietes und liegt ungefähr 14km von Bóly entfernt. Bei Gegenwind und eingeschränkt fahrtüchtigen Fahrrädern (vorrangig Annikas) ging es also über Fahrradwege durch Felder und Landstraßen nach Villány. Auch wenn ab und zu geschoben werden musste, da Annika es ohne funktionierende Bremsen nämlich sonst nicht sicher bis an Ziel geschafft hätte schien die Zeit trotzdem wie im Flug zu vergehen. Zwischendurch waren wir dann aber doch ganz glücklich darüber, dass es überwiegend bewölkt war. In Villány angekommen haben wir uns erst einmal das Städtchen angeschaut und dann ein (wohlverdientes) Mittagessen genossen bevor es mit dem Fahrrad wieder zurückging und wir uns nach 28km noch mit einem Eis belohnten. In Ungarn ist man übrigens verpflichtet außerhalb von Ortschaften als Fahrradfahrer eine Warnweste zu tragen. Für mich übrigens auch neu aber man hält sich ja gerne an Vorschriften. So ging’s also in Warnweste übers Land. Ungarn mal aus einer anderen Perspektive.

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