Von Sprengstoffkontrollen, 1000 Tränen und einer Nacht

Zu sagen ich wäre nicht spät dran mit diesem Blogeintrag wäre wohl gelogen und tatsächlich musste ich mich letztendlich dazu durchringen ein paar Zeilen niederzuschreiben.

Leider kann ich das Ganze nicht auf mangelnde Zeit schieben, denn Zeit habe ich im Moment zu mindestens was die Schule betrifft noch reichlich und am fehlenden Internet liegt es auch nicht, denn das hatte ich schon ab dem ersten Tag in meiner Wohnung. Also gibt es nun keine Entschuldigungen und keine Rechtfertigungen sondern einfach einen kleinen Einblick in das, was die vergangen zwei Wochen so alles passiert ist.

Ich werde mich kurzhalten und trotzdem die wichtigsten Aspekte anschneiden. Los ging es also am 12. September von Berlin aus nach Budapest. (Un)glücklicherweise ging der Flug schon so zeitig, dass das Aufstehen um 3:30 Uhr erfolgte und ich sicherlich nicht beschreiben muss, wie sich diese frühe Uhrzeit auf meine Laune ausgeschlagen hat. Kurz zusammengefasst war ich unglaublich müde und unglaublich genervt, denn welcher „Idiot“ hat sich denn bitte ausgedacht, dass 23kg reichen müssen. 23kg sind NICHTS, gar nichts, null Komma nichts. 1 Jahr und 23kg, das kann nicht funktionieren und so hatte ich meinen ersten Wutanfall des Tages bereits gegen 4:00 Uhr, denn der Koffer war wiedererwartend viel zu schwer. Also kam gut die Hälfte der Sachen wieder aus dem Koffer und es kam mir so vor, als würden vor dem Koffer nun mehr Sachen liegen, als sich tatsächlich nun noch im Koffer befanden. Nachdem dieses Drama nun endlich geklärt war ging es los Richtung Berlin (schlafend in meinem Fall). Das Aufgeben der Gepäckstücke verlief dann (zur Abwechslung mal) ohne Probleme und weitere Zwischenfälle. Gott sei’s gedankt! Hätte ich noch mehr auspacken müssen wäre wohl am Ende tatsächlich nichts mehr im Koffer gewesen.

Da das nun erledigt war wurde allen bewusst, dass es jetzt Zeit ist auf Wiedersehen zu sagen (und das für einen gar nicht so unbeachtlichen Zeitraum). Und schon liefen die ersten Tränen des Tages, die keines Falls die letzten bleiben sollten. Kurz und schmerzlos gab es noch ein paar Umarmungen, ein paar Worte, Tränen über Tränen und schon war ich in der Sicherheitskontrolle. (Froh aus dem Abschied keinen Staatsakt gemacht zu haben). Und wie soll es anders sein schon gab es die ersten Probleme. Keines Falls mit dem Ticket, dem Gepäck oder einem Visum (das braucht man nämlich für Ungarn nicht), aber wie aus dem Nichts wurde mir eröffnet, dass ich doch bitte mit in einen anderen Raum kommen soll. Denn sie (die Bundespolizei!!!) haben den Verdacht Ich! würde doch tatsächlich Sprengstoff schmuggeln. Ja, wieso auch nicht. Also wenn einer dann natürlich ich und so musste ich auch schon mit einer Beamtin in einen extra Raum, indem mein Gepäck zunächst gründlich durchsucht worden ist und dann Abstriche von allem möglichen genommen wurden. Auch ich bin davon natürlich nicht verschont geblieben und musste mich bis auf Shirt und Hosen entkleiden und natürlich wurden auch an jeglichen Stellen (bevorzugter Weise an den Handflächen) Proben genommen, die dann sofort ausgewertet wurden. Einen kurzen Schreck bekam ich, als das Gerät wie verrückt anfing zu piepen. Glücklicherweise hieß das nur, dass der Test fertig war und er natürlich NEGATIV ausgegangen ist. Nach diesem Schreck zur frühen Stunde ging es dann deutlich entspannter nach Budapest. Es gibt nichts zu meckern über den Flug und auch das Gepäck war, Gott sei’s gedankt, angekommen. Da die Flüchtlingssituation zu diesem Zeitpunkt vor allem sehr drastisch von den Medien dargestellt wurde hat mir meine Ansprechpartnerin schon vor meinem Eintreffen in Ungarn geraten gehabt lieber ein Direkt-Shuttle vom Flughafen nach Pécs zunehmen, anstatt den Zug. Auch dies ging mehr oder weniger reibungsvoll über die Bühne, nachdem ich 1,5h auf den Fahrer gewartet habe und ihm verständlich machen konnte, wer ich denn nun eigentlich bin ging’s los und nach weiteren 2,5h bin ich dann tatsächlich in Pécs, meiner neuen Heimat für 1 Jahr, angekommen. Àgnes, meine Ansprechpartnerin, wartete schon vor der Wohnung auf mich und dann kam auch schon der erst kleine Kulturschock. Die „Schulwohnung“ war, nun ja galant ausgedrückt, nicht ganz so wie zu Hause. Also flossen zum zweiten Mal an diesem Tag die Tränen. Wieso? Vielleicht aus Enttäuschung, der Müdigkeit geschuldet oder den ganzen neuen Impression. Vermutlich aus all diesen Gründen zusammen. Abschreckend waren wahrscheinlich auch die Ameisenfallen, die bereits bei meinem Ankommen aufgestellt waren. Auch die Bemerkung meiner Ansprechperson, dass die Gegend wohl nicht die beste sei und ich deshalb doch bitte alle 3!! Schlösser an der Tür immer gut abschließen sollte, auch wenn ich mich in der Wohnung befinde. Die Rohre im Bad liegen offen und das große Fenster im Schlafzimmer lässt sich nicht schließen, so dass ich mich fühle, als würde ich in einem Iglu wohnen und dazu kommt auch noch, dass es zieht. Überall, in jeder Ecke, in jedem Winkel. (Im Moment bin ich deshalb verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Bleibe, auch wenn ich bei dieser im Moment nur die Nebenkosten bezahlen muss haben die Verhältnisse schon zu einer nicht unbeachtlichen Erkältung meinerseits geführt).

Nachdem der Großteil der Tränen bereits wieder getrocknet war wurde ich dann von Àgnes noch zum Abendbrot bei ihr und ihrem Sohn (er studiert im 1. Jahr in Budapest) abgeholt. Zufälligerweise hatten sie Besuch aus Deutschland! Die Heimat war also gar nicht so fern. Und so ging der Tag in einem Gefühlschaos zu Ende.