Schon 100 Tage

Liebe Leser*innen,

ich sitze mal wieder im Zug und habe somit mal wieder eine gute Gelegnheit, das neuste Update zu geben. Bislang habe ich kaum über die Schule berichtet, was durchaus Absicht war. Ich wollte mich mit schnellen Urteilen und Bewertungen zurückhalten und erst einmal alles auf mich wirken lassen. Somit werde ich jetzt etwas über die Schule und über meine Arbeit schreiben:

Meine Einsatzstelle ist das „Colegiul German Goethe“ (Deutsches Goethe-Kolleg), welches ursprünglich und offiziell die Schule der deutschen Minderheit ist. In Rumänien (bzw. auf dem Gebiet Rumäniens in den Grenzen seit dem Ersten Weltkrieg) gibt es seit Jahrhunderten verschiedene deutschsprachige Minderheiten, die bekanntesten und zahlenmäßig größten sind die Siebenbürger Sachsen und die Banater Schwaben. Da die Hauptstadt eines Landes natürlich immer eine Menge Menschen aus dem ganzen Land anzieht, gab und gibt es eben auch in Bukarest Menschen, die der deutschen Minderheit angehören. Neben der eigenen Schule gibt es auch noch eine deutschsprachige Gemeinde der „Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien“, deren Gottesdienste ich auch regelmäßig besuche. Die Minderheit ist seit den 1970er Jahren sehr stark geschrumpft, auf unter 40.000 landesweit. Dementsprechend sind die meisten Schüler*innen der Schule keine Angehörigen der Minderheit, sondern Rumänen.

Das Goethe-Kolleg umfasst die Jahrgänge 0 bis 12, also alle Schuljahrgänge, und schließt mit dem Baccalaureat ab. In der Grundschule, also bis einschließlich 4. Klasse, wird der gesamte Unterricht (außer in Englisch und Rumänisch) in deutscher Sprache erteilt. In den höheren Jahrgängen werden neben dem Deutschunterricht in jeder Klasse noch weitere Fächer auf Deutsch unterrichtet, je nachdem ob der*die Lehrer*in deutsch spricht. Folglich ist das Sprachniveau an der Schule sehr hoch.

Am Ende des achten Jahrgangs gibt es eine landesweite Prüfung, anschließend werden die Klassen neu aufgeteilt nach bestimmten Profilen. Am Ende des zwölften Jahrgangs wird dann das Baccalaureat abgelegt, wofür der Stoff der Jahrgaänge 9-12 relevant ist. In der 11. Klasse nehmen alle Schüler*innen an der Prüfung zum Deutschen Sprachdiplom II (DSD II) der Kultusministerkonferenz teil, wodurch ihnen Deutschkenntnisse auf Niveau B2/C1 bescheinigt werden und welches zum Studium in Deutschland berechtigt.

Eine Besonderheit des Goethe-Kollegs ist die sogenannte deutsche Spezialabteilung mit einer Klasse pro Jahrgang ab Jahrgang 9. In dieser wird mit aus Deutschland entsandten Lehrkräften nach deutschem Lehrplan unterrichtet und das Abitur abgelegt.

Eine Praktik, die in Rumänien (und auch in anderen Ländern Osteuropas) sehr üblich ist, wird auch am Goethe-Kolleg eingesetzt: ein Schichtsystem. Das bedeutet, dass ein Teil der Schüler*innen am Vormittag unterrichtet wird, der andere Teil am Nachmittag. Die letzte Stunde geht deshalb bis 20 Uhr. Ich halte dieses System nicht für besonders gut, gerade für jüngere Schüler*innen, aber aufgrund des begrenzten Raumangebots für alternativlos. Es wird, soweit ich das mitbekommen habe, noch deutlich mehr frontal unterrichtet, Gruppenarbeit und ähnliches ist nicht so weit verbreitet wie in Deutschland (wo es für meinen Geschmack auch häufig übertrieben wird 😉 ). Was mich überrascht hat und was mir auch ziemlich peinlich war, ist die Tatsache, dass die Schüler*innen im Deutschunterricht der Oberstufe mehr Literatur lesen, als ich es für das Abitur musste…

Meine Arbeit an der Schule sieht so aus, dass ich eine AG für die 7. Klasse zum Thema Lesen und kreatives Schreiben gemacht habe sowie eine Debattier-AG für die 10. und 11. Klasse. Beide liefen eher so la la. Das Problem ist, dass die meisten Schüler*innen durch zusätzlichen Privatunterricht und sonstige Aktivitäten sehr wenig Zeit haben. Nach den Ferien werde ich die Lese-AG deshalb für kleinere Klassen anbieten und bei der Debattier-AG werde ich versuchen, Termine am Wochenende zu finden. Ansonsten übernehme ich Vertretungsunterricht, begleitete einige Schüler*innen bei einem Projekt an der Kunstuniversität und half bei den DSD-Prüfungen.

Am ersten Dezember feiert Rumänien seinen Nationalfeiertag, da es seit dem 1.12.1918 in seinen heutigen Grenzen besteht. Gefeiert wird dieser mit vielen Fahnen an den Straßenlaternen und einer Militärparade, die wir uns natürlich nicht entgehen lassen haben. Es ist für uns als Deutsche schon ein wenig befremdlich und ungewohnt, wenn Soldaten durch die Straßen maschieren, Panzer vorfahren und Kampfjets am Himmel fliegen, da wir unseren Nationalfeiertag ja ganz anders begehen. Ehrlich gesagt, bin ich auch ganz froh darüber, dass in Deutschland für gewöhnlich keine Panzer durch die Straßen fahren. In Rumänien, aber auch bspw. In Frankreich denkt man über solche Sachen halt etwas anders.

Ebenfalls seit dem 1. Dezember ist die Weihnachtsbeleuchtung aufgehängt und eingeschaltet. Mit pauschlaisierenden und wertenden Aussagen sollen wir uns als kulturweit-Freiwillige ja zurück halten, aber eins kann man sicherlich ohne schlechtes Gewissen sagen: Rumänen mögen es kitschig. Zumindest ziemlich viele, denn die Weihnachtsbeleuchtung spart nichts. In vielen Farben und Mustern blinkt und glitzert es überall. Auch die Klassenräume sind zum Teil sehr stark geschmückt. Auf eine bestimmte Weise find ich das durchaus „schön“, aber irgendwie ist es einfach too much für mich 🙂

Wie ich ja anfangs bereits erwähnte, sitze ich gerade im Zug, und zwar nach Iasi, eine Studentenstadt an der moldawischen Grenze. Dort werde ich gemeinsam mit vier anderen kulturweit-Freiwilligen Weihnachten feiern. Silvester werden wir dann mit insgesmat 12 Freiwilligen (inkl. Anhang) in Bukarest feiern, worauf ich mich schon sehr freue. Es ist schon irgendwie seltsam, die Feiertage nicht wie gewohnt mit der Familie zu verbringen, dennoch freue ich mich auch, mal etwas anderes zu erleben und die Zeit mit neuen Freunden zu verbringen.

Abschließend noch etwas zum Wetter, weil ich so oft danach gefragt werde: Nein, es hat noch nicht geschneit und so kalt wie in Sibirien ist es auch nicht. 😉

Das soll es soweit erst einmal gewesen sein, ich wünsche Euch allen frohe und gesegnete Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr. Craciun fericit si La multi ani!