5 Tage Dorf oder: das Zwischenseminar

Da ihr auf den letzten Eintag so lange warten musstet, kommt jetzt schon der nächste, liebe Leser*innen.

Zu kulturweit gehört nicht nur die Tätigkeit in der Einsatzstelle, sondern auch ein umfangreiches pädagogisches Begleitprogramm. So hatte ich ja bereits das Vorbereitungsseminar und werde einen Sprachkurs machen. Außerdem gehört noch ein Zwischenseminar dazu, welches in regionalen Gruppen in den Einsatzländern stattfindet und den Freiwilligen zum Austausch, zu Rück- und Ausblick dienen soll. Letzte Woche waren wir dann auch dran. 15 Freiwillige aus Rumänien und zwei aus der Republik Moldau trafen sich in der Nähe von Timisoara, an der serbisch-rumänischen Grenze, genauer gesagt in dem kleinen Dorf Altringen. Altringen? Ja, das klingt durchaus etwas deutsch. Es liegt in der Region Banat, in der im 18. Jahrhundert deutsche Siedler angesiedelt wurden, die als Donauschwaben/Banater Schwaben bezeichnet werden. Folglich kamen wir in einer „schwäbischen“ Pension unter.

Da der Weg nach Timisoara von Bukarest aus recht weit ist, haben Caro, Kim und ich die Anreise mit einem Kurzurlaub auf halber Strecke verschönert. So machten wir uns bereits am Samstagmorgen (18.11.) mit dem Bus auf nach Sibiu/Hermannstadt. Dort kamen wir in der wunderschönen Altstadt in einer Ferienwohnung unter, die sehr malerisch in einem alten Hinterhof gelegen war. Die Stadt ist meiner Meinung nach die schönste, die ich in Rumänien bisher gesehen habe (hab zwar erst vier inklusive meiner eigenen gesehen, aber immerhin 😀 ). Die Altstadt ist wunderschön und es gibt viele interessante Gebäude/Kirchen. Zentral in der Stadt liegt die evangelische Stadtpfarrkirche, die auch heute noch deutschsprachig ist und zur „Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien“ gehört, zu deren Bukarester Gemeinde ich auch regelmäßig gehe. Sie zeugt von der langen Geschichte der Siebenbürger Sachsen, die lange Zeit die Mehrheit der Stadt und in Siebenbürgen stellten und heute nur noch eine kleine Minderheit sind. Nichtsdestotrotz hinterlässt die Existenz der deutschen Minderheit noch immer viele Spuren. So sind etwa viele Schilder noch zweisprachig, es gibt mehrere Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache (darunter das Brukenthal-Gymnasium), eine deutsche Buchhandlung (wo ich mir natürlich gleich ein Buch zur Geschichte Siebenbürgens gekauft habe) und ein Wiener Kaffeehaus, in dem wir sehr gut gefrühstückt haben. Außerdem hatte bereits der Weihnachtsmarkt eröffnet, auf dem wir hervorragenden Glühwein getrunken haben. Zum Kulturprogramm gehörte schließlich natürlich auch ein Besuch des Kunstmuseums im barocken Brukenthal-Palast.

Am Montagmorgen ging es dann mit dem Bus weiter nach Timisoara. Dort angekommen trafen wir die anderen Freiwilligen mit denen wir dann mit dem Bus nach Altringen gefahren sind, wo wir von unseren Trainerinnen Sandra und Liljana empfangen wurden. In den nächsten Tagen tauschten wir uns über unsre Erfahrungen aus, besprachen Probleme und mögliche Lösungen und dachten über unsere Freiwilligenprojekte nach. Am Mittwoch machten wir einen Ausflug nach Timisoara, wo wir verschiedene NGOs besuchten. Zunächst teilten wir uns auf, sodass ich gemeinsam mit vier weiteren Freiwilligen das „Institutul intercultural“ besuchte, welches diverse Projekte für und mit Migranten durchführt. Nach dem individuellen Mittagessen fuhren wir in zwei Kleinbussen zur Organisation „Generatie Tanara Romania“ (dt. „junge Generation“), die sich um Opfer von Menschenhandel kümmert und uns über ihre sehr beeindruckende Arbeit informierte. Sie leben ausschließlich von Spenden, die sie z.B. durch den Verkauf von selbstgemachter Marmelade erhalten.

Am Freittag war das Seminar dann leider auch schon wieder vorbei. Schade, dass wir uns in dieser Kombination nicht wieder sehen werden, denn wir sind ein total heterogener aber dadurch total lustiger Haufen junger Menschen und es hat mir mit allen sehr viel Spaß gemacht. Gemeinsam gings mit dem Bus wieder nach Timisoara, wo wir uns dann trennten. Allerdings blieben noch einige in der Stadt, so auch wir drei aus Bukarest. Wir nutzten die beiden Tage des Wochenendes dann noch, um die schöne Stadt zu besichtigen und natürlich gabs auch wieder viel gutes Essen und viele Cafe-Besuche. Natürlich durfte auch der Besuch einer Buchhandlung nicht fehlen, die ein relativ großes Angebot an englischen Büchern parat hielt. Da ich bei Büchern schlecht nein sagen kann, hab ich mir natürlich wieder eins gekauft: „1913 – The Year before the Storm“, welches mir von Theresa (Freiwillige in Zalau) empfohlen wurde, ich bin gespannt. Am Sonntagabend fuhren Caro und ich dann mit dem Nachtzug zurück nach Bukarest (Kim war schon eher gefahren). Es war mein erstes Mal in einem Nachtzug und es hat mir wirklich gut gefallen: man steigt in den Zug, schläft und wacht am nächsten Tag am anderen Ende des Landes wieder auf :).

Das war er schon, der Bericht meiner ersten längeren Reise hier, viele weitere werden in den nächsten Monaten hoffentlich folgen. Besonders interessant ist es dabei, mit dem Bus zu fahren. Da es kaum Autobahnen gibt in Rumänien, fährt man gezwungenermaßen über Landstraßen und kann die schöne Landschaft und die kleinen Dörfer bestaunen. Sehr oft sieht man Leute an der Straße, die Obst oder selbstgemachten Käse verkaufen, auch die ein oder andere Pferdekutsche kann man noch erblicken. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Busfahrer (ja, nicht gegendert, eine Busfahrerin habe ich hier noch nie gesehen 😉 ) außerplanmäßig hält, um Leute aus- oder einsteigen zu lassen – in Deutschland undenkbar, zumal auch jedes Mal noch die Gepäckfächer geöffnet und Tickets verkauft werden müssen. Rumänen sind bei solchen Sachen offensichtlich etwas entspannter 🙂

So langsam wird es hier jetzt auch kälter, ich bin gespannt wann der erste Schnee fällt und muss mir dringend Winterschuhe kaufen und halte euch diesbezüglich auf dem Laufenden, da euch das ja brennend zu interessieren scheint (ich werde sehr häufig gefragt, wie denn das Wetter hier so sei…).

Bis dahin, machts gut!

Liebe Grüße, Euer Hauke

 

ev. Stadtpfarrkirche in Hermannstadt
Blick vom Turm der Kirche
Piata Unirii in Timisoara

So langsam angekommen

Salut Salut, liebe Leser*innen,

ja, ich weiß, der letzte Eintrag ist jetzt schon deutlich über einen Monat her. Warum? Zum einen ist es sicherlich Faulheit, ich hatte oft schlicht keine Lust. Zum anderen hatte ich aber auch teilweise das Gefühl, einfach nicht zu wissen, wie ich denn meine ganzen Eindrücke, Gefühle, Erfahrungen und so weiter in Worten festhalten soll. Dieses Gefühl habe ich auch jetzt während ich das hier schreibe. Ich schreibe, weil ich versprochen habe zu schreiben und euch auf dem Laufenden zu halten. Ich will auch mit euch teilen, was ich erlebe, was ich sehe, was ich fühle. Nur irgendwie geht das nicht. Sagt mir wiederum mein Gefühl. Egal, ich fang einfach nochmal von vorne an…

„Hey, wie gehts dir eigentlich so?“
Das, liebe Leser*innen, ist eine Frage, die mir immer gestellt wird, wenn ich mit Familie und Freunden aus Deutschland (die sich jetzt zum Teil selbst irgendwo anders auf diesem Planeten befinden) in Kontakt bin.

„Total gut, ich fühl mich richtig wohl hier und ja…“
So in etwa ist dann die Antwort, man möchte erzählen, aber man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Ja, ich habe mich gut eingelebt und ich fühle mich manchmal schon wie ein richtiger Einwohner Bukarests. Ich weiß mittlerweile wo sich bestimmte Orte befinden und finde immer häufiger den Weg ohne Google Maps. Zwei kleine Anekdoten machen mich ein bisschen stolz und beweisen mir selbst, dass ich mittlerweile mehr bin als ein Tourist:
1. Auf dem Weg zur Schule werde ich von zwei jungen Männern auf Englisch gefragt, wo es denn zum McDonalds geht. Ich antworte direkt und souverän, ich glaube sie halten mich tatsächlich für einen Rumänen.
2. Ich schaffe es mittlerweile, im Supermarkt nicht mehr als Ausländer aufzufallen. Das war mir am Anfang tatsächlich immer etwas unangenehm, wenn ich etwa auf Englisch nachfragen musste, was ich denn jetzt gerade gefragt wurde. Mittlerweile kenne ich gewisse rumänische Wörter und die Fragen sind immer die gleichen: Zunächst natürlich Begrüßung: Buna ziua/dimineata/seara (Guten Tag/Morgen/Abend), dann kommt die Frage nach der Tüte: punga? – Da!/Nu! (selbsterklärend 😉 ). Schließlich wird der Betrag genannt. Da ist es die Kunst, so unauffällig auf den Bildschirm zu gucken, dass nicht auffällt, dass man die Zahlen nicht kann. Oder man versteht die Zahlen. Oder man hat vorher im Kopf den Preis überschlagen. Ersteres klappt immer häufiger, letzteres mach ich nicht mehr. Nachdem man das Geld gegeben hat, kommt manchmal noch ne Frage, irgendwas mit „…bani…?“. Das ist die Frage nach eventuell vorhandenem Kleingeld. Nach Empfang des Rückgeldes noch ein freundliches „Multumesc frumos! La Revedere!“ (Schönen Dank! Auf Wiedersehen) und es ist geschafft, niemand hat gemerkt, dass ich kein Rumänisch spreche. Und dann wird man was gefragt, hat keine Ahnung und muss sich doch „outen“.  Aber ein Problem ist das nicht, entweder switchen die Leute in perfektes Englisch oder sie lächeln und fragen jemand anderes. Ja, was dazwischen habe ich bislang nicht erlebt.

Das mag jetzt natürlich sehr unwichtig klingen und ja, letztendlich ist es das auch. Aber für mich beschreibt es ganz gut, wie stark ich hier schon angekommen bin. Ja, ich finde mich gut zurecht. Aber ich bin eben nicht von hier, spreche die Sprache nicht und muss vieles googeln (Google Maps und Translator sind übrigens meine wichtigsten Apps). Das führt mich dann auch schon zum nächsten Punkt: Sprachkurs. Eigentlich hätte meiner schon beginnen sollen, doch es gab ein Kommunikationsproblem mit der Sprachschule, lange Geschichte, sodass ich jetzt erst im Januar beginnen werde. Wie ihr aber oben lesen konntet, klappt es im Alltag auch gut ohne Rumänisch.

An der Schule habe ich jetzt auch schon öfter Vertretungsunterricht gemacht, was mir im Großen und Ganzen richtig Spaß gemacht hat. Highlight: vier Tage alleine in einer Grundschulklasse. 33 Drittklässler sind zwar schon manchmal ziemlich anstrengend, besonders wenn sie dumme Frage stellen (ohja, es gibt definitiv dumme Fragen, Beispiel: „Ihr macht jetzt bitte Aufgabe 2.“ Zwei Minuten später, Kind hat Aufgabe fertig: „Soll ich auch Aufgabe 3 machen?“ Ich will was Sarkastisches sagen, jedoch schreien gleich zehn Kinder irgendetwas wie „man, bist du doof!“ auf Rumänisch und die Sache ist erledigt 😀 ). Andererseits sind sie verdammt süß, sie kommen einfach und umarmen dich.
Auch kein Zuckerschlecken: Mit 33 Kindern alleine Laternen für St. Martin basteln. Klappt aber 🙂
Letzte Woche Freitag war dann auch das dazu passende Laternefest, was mich ein bisschen ans ostfriesische Martini erinnern ließ und bei dem es sogar Glühwein gab.

Puh. Wenn man erstmal anfängt zu schreiben, fällt einem doch ne ganze Menge ein. Ich könnte zwar noch einiges schreiben. Aber erstens will ich euch nicht überlasten 😉 und zweitens muss ich noch Tasche packen: morgen früh geht’s zunächst mit Caro und Kim (die anderen beiden kulturweit-Freiwilligen in Bukarest) nach Sibiu (Hermannstadt) und dann Montag nach Timisoara (Temeschwar) zum Zwischenseminar. Ich freue mich schon mega, endllich die anderen Freiwilligen aus Rumänien und Moldawien wiederzusehen! <3

Vielleicht konnte ich euch ein bisschen teilhaben lassen an meinen Eindrücken, ihr solltet aber gemerkt haben: es geht mir prima und ich freue mich auf die kommenden 9 Monate 🙂

Bis dahin, euer Hauke

Herbst im Herastrau-Park
See im Herastrau-Park