Wie ich mal (fast) in Belgrad etwas umtauschte

Manchmal frage ich mich ja, was andere Menschen in Belgrad so in ihrer Freizeit machen. Ob sie ihre freien Nachmittage wohl auch damit verbringen sich mit Angestellten im Elektroladen bzw. (eventuell dazugehörenden) im Servicecenter zu streiten? Wahrscheinlich nicht. Es ist ja auch viel einfacher, günstige elektronische Geräte zu kaufen und wenn sie kaputt gehen einfach wegzuwerfen. Nun bin ich wohl nicht wie andere Menschen hier in Belgrad und habe heute bereits zum zweiten Mal versucht ein Headset umzutauschen.

Lektion 1: Hardwareschäden sind nicht unser Problem

Der erste Headsetkauf in Belgrad war bereits im September fällig, da ich mein gutes Markenheadset mal wieder verloren oder – hoffentlich – zuhause liegen lassen habe. Da ich mich ja kenne (Headsets verlieren gehört leider zu meinen Hobbys) kaufte ich ein ziemlich günstiges so um die 8€, das nach dem auspacken aus der Fanzy Verpackung auch hielt, was der Preis versprach: Es zeigten sich nämlich bereits nach zwei Tagen die ersten offenen Kabelstellen. Nun gut, dachte ich, vielleicht macht das ja nix. Als dann der typische Headsetdefekt (ein Kopfhörer spuckt keinen Ton mehr aus) auftrat, erkundigte ich mich (mitsamt der Rechnung!) im Elektroladen Nummer 1 wie das denn wäre mit Garantie. Ihr erratet es schon: Gibt’s so nicht. Das wundert mich bei der allgemeinen Aktualität der serbischen Gesetze (bspw. Visum if you know what I mean) nun nicht wirklich, aber man kanns ja mal versuchen. Witzig fand ich dann doch die Begründung: Für Hardwareschäden haftet der Laden nicht. Wenn ich ein paar Kopfhörer kaufe, was außer der Hardware soll denn sonst kaputt gehen? Klärt mich bitte auf, wenn ich hier unwissend bin! Aber vielleicht war die Erklärung ja auch nur lost in translation.

Lektion 2: Markenheadsets haben Garantieschutz

Nach dem Verlust meines ersten Serbischen Headsets hörte ich mir auf dem täglichen Fußweg also einige Tage den Straßenlärm an, bis ich beschloss es erneut zu versuchen – diesmal in einem anderen Laden, die Qualität des ersten Elektroladens hatte mich trotz Begründung nicht überzeugt. Hier erfuhr ich, dass es zwar keine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt, Markengeräte aber durchaus soetwas wie einen Garantieschutz besitzen. Schön, dann lohnt es sich ja mehr auszugeben! Anstatt von zwei Tage hielt das höherwertige Headset für um die 20€ auf ziemlich genau zwei Monate bis der erste Kopfhörer ausfiel. Nach langem Rumkramen in meiner Kassenzettelbox (das ist die Blechbüchse, in die ich meinen Geldbeutel entleere wenn er mal wieder fast aus den Nähten platzt) fand sich auch die Rechnung. Gestärkt von einem sonnigen Nachmittag und motiviert durch ein Croissont meiner Lieblingsbäckerei machte ich mich also auf den Weg zu Elektroladen Nummer 2.

Lektion 3: Besitzerwechsel deckt die Garantie (eventuell) nicht ab

Dort dürfte ich erfahren (von einem sehr netten Mitarbeiter übrigens), dass das alles kein Problem gewesen wäre mit dem Umtauschen – wäre ich nur vor dem 11. Januar gekommen. An diesem Tag hatte sich der Laden nämlich von Alti zu winwin gewandelt (eine Tochterfirma wie ich im Verlauf des Nachmittags erfahren durfte). Diese nun wiederum könnten das Headset ausschließlich einschicken – was mir mit meinen verbleibenden neun Tagen hier in Belgrad bei einer Bearbeitungszeit von bis zu 30 Tagen reichlich wenig hilft. Nach einiger Diskussion fiel dem netten Mitarbeiter ein, dass ich eventuell beim Service Center (das nun wiederum immer noch von Alti) mehr Glück haben würde. Nun gut, ich war wie gesagt gut gelaunt und ein Spaziergang in Ecken Belgrads, die ich noch nicht kenne, mache ich immer gerne.

Lektion 4: Atombomben (=Service Center Mitarbeiter) helfen auch nicht immer

Die unbekannte Ecke Belgrads entpuppte sich als gar nicht so unbekannt wie ich zunächst dachte – vor einigen Wochen war ich dort in einem Industrieschuppen tanzen. Nicht der schönste Ort, um spazieren zu gehen, aber so ein serbisches Industriegebiet hat definitiv auch seinen Charme. Nachdem ich nach einigem Suchen das Service Center endlich gefunden hatte, wartete ich. Wie das so ist in Service Centern: Bitte haben Sie noch einen Augenblick Gedult. Als sich endlich die zweite Mitarbeiterin hinter den Tresen bemüht, und ich ihr mein Anliegen erkläre, habe ich schon fast die Hoffnung in 10 Minuten wieder raus zu sein und heute noch mit einem neuen Headset nach Hause zu gehen. Pustekuchen! Sie will meine Adresse haben, die Gute, und meine Handynummer. Ob Sie dass den einschicken würde? Ja, das sei das Prozedere. Hm, dafür bin ich nun aber nicht ins Industriegebiet gewandert. Es geht hin und es geht her, ich auf Englisch, sie auf Serbisch. Ein junger Mann mischt sich ein und spricht Englisch mit mir. Erklärt mir er müsse das nach Amsterdam schicken und das dauere, weil Serbien ja nicht in der EU ist. Ich biete im an, er könne mir das Headset gerne Nach Erfurt schicken, ist ja näher an Amsterdam als Belgrad. Will er aber nicht. Beziehungsweise kann er nicht, ich möchte hier ja niemanden persönlich für irgendwas verantwortlich machen. Inzwischen holt die erste Mitarbeiterin einen weiteren Mann – ich glaube der Chef des Centers. Dieser Spricht zwar nicht mit mir, macht aber irgendwas im Computer und schließlich erklärt die erste Frau dem ersten Mann (und dieser mir), dass es wohl noch einen Weg gebe, weil ein Laden der Kette diese Kopfhörer auf Lager habe. Wunderbar! Die erste Frau hackt wütend auf Ihren Computer ein und zischt ihrer Mitarbeiterin irgendwie soetwas wie „noch sowas und ich explodiere wie eine Atombombe“ zu. Ich bin selbst verwundert, aber dafür reichen meine Serbischkenntnisse inzwischen. und Ich fühle mich ein ganz klein wenig schuldig, weil ich die Arme Frau mit meiner Anfrage so auf die Palme gebracht habe. Die Rettung kommt von ungeahnter Seite: Als im Radio Red Hot Chilli Peppers laufen, scheint sie sich zu entspannen. Schließlich habe ich den gewünschten Zettel (zumindest denke ich das), bedanke mich mit einem herzlichen hvala Puno und mache mich wieder auf zum Elektroladen.

Lektion 5: Zettel ist nicht gleich Zettel

Hier endet mein Weg für heute – nach einem entspannten, aber demotivierenden Gespräch mit meinem netten Mitarbeiter von zuvor. Die Dame (ich habe sie liebevoll Atomska bomba getauft) hat mir den falschen Zettel gegeben. Dieser bestätigt nur den Erhalt des Headsets im Service Center, berechtigt meinen Lieblingsmitarbeiter aber nicht zur Herausgabe des Ersatzheadsets. Und da es bereits 17:15 Uhr ist, kann er auch niemanden mehr telefonisch erreichen. Na toll. Ich erkläre ihm, dass ich jetzt schon ein wenig traurig wäre: immerhin hatte ich zuvor ein halbes Headset und hatte erhofft von ihm ein Ganzes wieder zubekommen. Nun habe ich aber gar keines. Er bedauere es, könne mir aber dennoch nicht weiterhelfen. Wir verabschieden uns mit einem „bis morgen!“ Und ich gehe, mit dem Straßenlärm in meinen Ohren, nach Hause.

—- Update —–

Ich glaube es nicht! Mein Lieblingsmitarbeiter rief mich doch gerade tatsächlich an und teilte mir mit, dass sie die Bestätigung bekommen hätten und ich noch heute mein neues Headset abholen könnte. So ganz glaube ich es tatsächlich nicht – aber wenn doch, kann ich hiermit die Mission Headset die zweite für erfüllt erklären!